Lagarde sieht Euro als Weltreservewährung

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat am Dienstag eine Führungsrolle des Euro in der Weltwirtschaft gefordert. Die Eurozone, so ihre Diagnose, sei ein passiver Zuschauer, der die Schocks aus Washington und anderen Finanzzentren passiv erdulden müsse. Ein Blick in die obskure Welt der EZB-Funktionäre, die sich in der Opferrolle wähnen.

picture alliance/dpa | Philipp von Ditfurth

Sie gerieren sich als die Herren des Geldes – die Zentralbanker. Ihr Einfluss auf die Realpolitik und das ökonomische Geschehen darf gerade zu Zeiten explodierender Staatsverschuldung nicht unterschätzt werden. Sie sind der Backstop der Politik. Sie sind diejenigen, die mit massiven Interventionen an Devisen- und Anleihemärkten versuchen, Staatshaushalte, die längst im Schuldensumpf versinken, künstlich über Wasser zu halten. Und sie stehen längst selbst im Wettbewerb untereinander.

USA contra EU

Seitdem die USA unter Präsident Donald Trump unmissverständlich klargemacht haben, dass der transatlantische Schmusekurs angesichts europäischer Zensur, ausufernder Staatsintervention und grüner Transformation der Vergangenheit angehört, steht auch die Geldpolitik der Europäische Zentralbank unter verschärfter Beobachtung der Märkte.

Am Dienstag trat deren Präsidentin Christine Lagarde in Paris bei einer Veranstaltung von Business France auf – und hielt eine Rede, die Wellen schlug.

In einer Zeit, in der politische Glaubwürdigkeit immer stärker am Kapitalmarkt verhandelt wird, setzen solche Auftritte Signale, die weit über den Veranstaltungssaal hinausreichen.

In ihrer Rede zeichnete Christine Lagarde ein eigentümliches Gesamtbild – ein Narrativ, das sich offenkundig in den laufenden Währungskrieg mit den Vereinigten Staaten einfügt. Zwischen den Zeilen machte sie einen generellen Vertrauensverlust des US-Dollars aus, ohne den nach ihrer Vorstellung Schuldigen ausdrücklich beim Namen zu nennen. Sie suggerierte, dass Donald Trump mit seiner Abkehr vom Klimakurs und der Deregulierung der US-Wirtschaft erratisch agiere und damit das Vertrauen der Anleger in den amerikanischen Kapitalmarkt erschüttere.

USA machen Boden gut

Nichts könnte weiter von der Realität entfernt sein. Die US-Wirtschaft wächst aktuell mit einer Dynamik von nahezu vier Prozent. Die Investitionen liegen rund 14 Prozent über dem langjährigen Durchschnitt. Ein ökonomisches Kraftzentrum, das von Stabilität und Zuversicht geprägt ist.

Genau das aber dürfte den Währungshütern im EZB-Tower und den Zentralplanern der Brüsseler Kommission ein Dorn im Auge sein. Denn während in Amerika nach den lähmenden Biden-Jahren zunehmend wieder marktwirtschaftliche Dynamik dominiert, steckt Europas eigenes Modell – getrieben von Zentralplanung und CO₂-Dogma – tief in wirtschaftlichen Verwerfungen. Das transatlantische Gefälle wird unübersehbar.

Es wirkt wahrlich bizarr, wenn ausgerechnet Christine Lagarde davon spricht, nun als „unschuldiger Zuschauer“ von politischen Entscheidungen betroffen zu sein, die anderswo – vor allem in Washington – getroffen werden. Gerade ihre Institution, die Europäische Zentralbank, die längst mit der Brüsseler Machtarchitektur zu einer politischen Einheit verschmolzen ist, spielt eine zentrale Rolle bei dem Versuch, den ökosozialistischen Kurs Brüssels durch massive Interventionen am Anleihemarkt immer wieder künstlich zu stabilisieren.

Sie war nicht Zuschauerin, sondern tatkräftige Architektin dieses Kurses. Während Lagarde heute den Anschein einer machtlosen Beobachterin erweckt, gehört ihre Notenbank in Wahrheit zu den entscheidenden Akteuren, die dieses fragil gewordene System am Leben halten, das nun vor ihren Augen in Trümmern liegt.

EU in der Opferrolle

Man sieht sich in der Europäische Union und der Europäische Zentralbank nur allzu gern in der Opferrolle. Ausgerechnet jene Akteure, die mit brachialer Politik wie der privaten Chat-Kontrolle oder Zensurgesetzen wie dem Digital Services Act und dem Digital Markets Act offen auf Konfrontationskurs mit dem europäischen Bürger gehen, um ihre Macht gegen Kritik abzuschirmen.

Was Christine Lagarde fordert, ist nichts weniger als eine Vertiefung der Währungsunion – der nächste Integrationsschritt hin zu einer umfassenden Bankenunion. Damit wird vorbereitet, was in Brüssel längst hinter den Kulissen ausgearbeitet wird: die schleichende Konsolidierung nationaler Schulden unter dem Dach der EU-Kommission, stets liquide gehalten durch den Gelddrucker der EZB – ein Machtprojekt, auf das sich Brüssel und Frankfurt längst eingeschworen haben – zum Schaden der demokratischen Kontrolle und der nationalen Souveränität.

Euro als Weltreservewährung

Christine Lagarde sieht den Euro, eine Währung, die seit dem Aus des russischen Gases ihren größten Einzelabnehmer, den Staat Russland, verloren hat und seither international an Bedeutung schleichend erodiert, auf dem Sprung zur neuen Weltreservewährung. Die Flucht nach vorn soll unter anderem durch die Einführung von Euro-Stablecoins, Eurobonds und Strukturreformen in der Eurozonen-Wirtschaft gerlingen.

Lagarde bleibt die Antwort schuldig, wer diese Strukturreformen tatsächlich umsetzen soll. Vermutlich spielte sie auf das 800 Milliarden Euro schwere Investitionspaket an, das ihr Vorgänger Mario Draghi als universelles Allheilmittel für sämtliche europäischen Probleme präsentierte.

In Brüssel folgt man dem Ratschlag Draghis und stürzt sich in die Schulden: Zwei Billionen Euro umfasst das geplante Siebenjahresbudget der Kommission – darunter 750 Milliarden Euro für die Klimawirtschaft und 130 Milliarden Euro für den militärisch-industriellen Komplex, der neuen Günstlingswirtschaft.

Bei der EZB bemerkt niemand den Widerspruch: Wie soll der Euro zu einer vertrauenswürdigen Weltreservewährung aufsteigen angesichts dieser Schuldenberge? Sie implizieren nichts anderes als eine massive Ausweitung der Geldmenge und werden wachsenden Abwertungsdruck auf die Währung ausüben.
Wer wird freiwillig eine Währung horten, deren Schulden nicht kollateralisiert, nicht energiegesichert, sondern ausschließlich durch einen wirtschaftlich ausgezehrten europäischen Steuerzahler und die Notenpresse der Zentralbank abgesichert werden?

Draghis vergiftetes Erbe

Christine Lagarde und ihre Mitstreiter haben das vergiftete Erbe des Draghi-Prinzips angetreten: „Whatever it takes“ – die unbegrenzte Absicherung der Staatsschulden mit der Notenpresse ist zum Fundament europäischer Geld- und Fiskalpolitik mutiert. Während die Federal Reserve mit real positiven Leitzinsen die Stabilität der US-Wirtschaft demonstriert, bleibt die EZB der unverzichtbare Backstop der europäischen Schwundökonomie und Schuldenstaaten – ein Garant für die Finanzierung zahlreicher sozialistischer Programme, die in den Hauptstädten und in Brüssel auf der Agenda stehen.

Die EZB ist nicht nur Hüterin des Euro, sie ist längst Schutzschirm und Lebensversicherung eines Systems, das ohne permanente monetäre Stützung längst kollabiert wäre. Und genau das weiß man an den Märkten.

Wenn also Lagarde in ihrer Rede davon spricht, die hausgemachten wirtschaftlichen Probleme durch geeignete Reformen zu lösen, so weiß man auf der ganzen Welt: die Geldpumpe wird angeworfen, um die ausgetrockneten Subventionskanäle der grünen Günstlingswirtschaft zu fluten. Verlorenes Kapital, verlorenes Vertrauen. In diesem Modus Operandi wird der Euro niemals zu einer Weltreservewährung aufsteigen.

Auch die Zahlen sprechen dagegen. Noch immer werden rund 84 Prozent des weltweiten Handels in US-Dollar fakturiert. Der Euro spielt mit etwa 7 Prozent nicht annähernd dieselbe Rolle wie der Greenback.
Zwar stellt sich die Lage bei den weltweiten Devisenreserven etwas anders dar. Hier werden lediglich 58 Prozent in US-Dollar und 20 Prozent Euro-Reserven gehalten. Doch ändert dies nichts am Befund: Der Euro ist kein echter Konkurrent für den US-Dollar.

Digitaler Euro schafft Klarheit

Der ideologische Graben zwischen USA und EU wird vollends sichtbar, sobald die EZB den digitalen Euro einführt. Hinter der technokratischen Fassade verbirgt sich kein bloßer Modernisierungsschritt, sondern der Versuch, vollständige Kontrolle über grenzüberschreitende Transfers zu erlangen, Kapitalflucht zu verhindern und die Währung als politisches Disziplinierungsinstrument zu etablieren.

Der Plan ist durchschaubar: Wer sich politisch widersetzt – sei es gegen die Brüsseler Klimadoktrin, den Ukraine-Krieg oder die wachsende Zentralisierung der Macht – verliert den Zugriff auf sein digitales Wallet, das jederzeit kontrollierbar ist. Ein diabolisches Werk zur Unterminierung der individuellen Souveränität, das hier kurz vor der Vollendung steht.

Und genauso wie die Zensurpolitik, die Chat-Kontrolle und der ökosozialistische Regulierungswahn wird es unweigerlich zu einem gesellschaftspolitischen Fiasko führen.

Am 14. Oktober wird das Europäische Parlament über die Einführung der Chat-Kontrolle, oder anders gesagt: das Ende des Briefgeheimnisses, debattieren. Dann werden sämtliche Fraktionen ihre Karten offen auf den Tisch legen. Wir werden sehen, wer wirklich auf der Seite der Bürger steht, wer die Werte einer freiheitlichen Zivilisation verteidigt und wer für die Grundlagen bürgerlicher Werte eintritt. Viele werden es wohl nicht sein.

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Kommentare ( 7 )

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Retlapsneklow
1 Monat her

Nachdem der Euro gegenüber dem Dollar seit dem Tief im September 2022 um satte 18% teurer(!) wurde und sich nunmehr 8% unter seinem Hoch im Janurar 2018 befindet – also dem Hoch der letzten 10 Jahre deutlich näher steht als dem Tief – ist der Befund einer Schwäche des Euro doch recht erstaunlich.

Mozartin
1 Monat her

Als Laie nur mal angemerkt am Rande. Ich weiss nicht, warum man den Euro derart „herunterschreiben“ kann wie der Autor. Meines Erachtens ist der Euro die einzige Währung, die als auch gesellschaftlich verhandelte auch weltwirtschaftlich als Vorbild dienen kann. Generell vielleicht unzumutbar, in Krisenzeiten aber vielleicht doch so etwas wie eine „Ankerwährung“ weltweit? War das der Euro nicht auch während der Weltfinanzkrise, die evtl. von den USA losgetreten wurde? Der Euro kann den Dollar nicht als Weltwährung ablösen, noch als Binnenwährung z.B. asiatischer Staaten dienen. Er ist ein „finanzintellektuelles Konstrukt“. Das verlange ich von der Welt gar nicht, aber im… Mehr

Mozartin
1 Monat her
Antworten an  Mozartin

Ich versteige mich jetzt mal, ohne den Euro wären die Kosten der Finanzkrise höher gewesen für Europa und die Welt als mit ihm. Man kann nirgendwo Geld verdienen an Börsen, selbst wenn man noch so clever ist, wenn in der Folge Volkswirtschaften zusammenbrechen. Das scheint mir der größte Mythos in der Finanzwirtschaft überhaupt. Ich habe übrigens kein Mitleid mit Leuten, die durch die Eurorettung viel Geld verloren, weil sie auf seinen Zusammenbruch gewettet hatten, ebenso vielleicht bei der Griechenlandsanierung. Steinbrück hat sich doch Mühe gegeben, es zu erklären, wahrscheinlich mit Schäubles Zustimmung. Frau Merkel durfte dann groß sprechen. Ich habe… Mehr

Retlapsneklow
1 Monat her
Antworten an  Mozartin

Es ist sowieso die Frage, ob eine gemeinsame Weltwährung nicht das Sinnvollste wäre.

In praxi läuft es mit der Welthandelswährung US-Doller und Gold zwecks Absicherung wegen des nicht wirklich soliden Dollar sowieso hinaus. Gut ist lediglich nicht, wenn die angedachte Weltwährung von einem (=1) Land regiert wird.

Eine Weltwährung würde jedenfall den „Betrug“ durch schwankende Welchselkurse unterbinden. Dieser Aspekt wird regelmäßig vergessen, wenn es um das Nachtrauern der D-Mark geht.

Die Abwertungen schwacher Landeswährungen, um konkurrenzfähig zu bleiben, haben m.W. noch nie zu stärkerer Wirtschaft und Lebensstandard solcher Länder geführt.

Jens Frisch
1 Monat her

Die Unze Gold hat gerade die $4.000 Marke geknackt:
Beide „Fiat Währungen“ – Dollar und Euro – schmieren ab. Wenn es so weiter geht, haben wir bald argentinische Verhältnisse und mich deucht, das ist das Ziel.

old man from black forrest
1 Monat her
Antworten an  Jens Frisch

… zum Gold ja. Aber der Euro hat zum Dollar binnen eines Jahres gewaltig aufgewertet. Trotz der Verschuldungsorgien in Europa und Investitionen europäischer Firmen in USA, die eine gewaltige Dollarnachfrage nach sich ziehen müsste. Es müssen also gigantische Summen aus Übersee in den Euro-Raum fliessen, trotz niedriger Zinsen und dem Währungsrisiko. Ist mir ein Rätsel.

Retlapsneklow
1 Monat her

Das Vertrauen in die Trumponomics und damit in den US-Dollar derer, die auf den Märkten etwas zu gewinnen bzw. zu verlieren haben, scheint angesichts des raschen Verfalls des Dollar-Preises seit Anfang dieses Jahres recht schwach zu sein.