Aus für den Genfer Auto-Salon – Ein Mythos im Niedergang 

Zeitenwenden kommen zumeist auf leisen Sohlen. Eine solche Zeitenwende hat jetzt auch den schillerndsten Teil der Autowelt erreicht: das Messewesen. Der Genfer Automobil-Salon kehrt aus der Corona-Pause nicht zurück. Genf war früher der automobile Olymp.

IMAGO / vmd-images
Der letzte seiner Art: Eingangsschild zum Genfer Automobil-Salon 2020

Vor wenigen Tagen fand sich eine unscheinbar kurze Notiz in der Tagespresse, die lapidar besagt, dass der Genfer Automobil-Salon auch 2023 nicht mehr stattfinden wird. Die Veranstalter sagten die für Februar 2023 geplante „Geneva International Motor Show“(GIMS) erneut ab, zum dritten Mal in Folge. An die Stelle des Salons solle im November 2023 in Doha im Golf-Staat Katar, ein Jahr nach der Fußball-WM, zum ersten Mal eine Automesse namens „Geneva International Motor Show Qatar“ veranstaltet werden. Offensichtlich ähnlich organisiert wie die letzte IAA in München: zentral im Doha Exhibition and Convention Center und über mehrere Stellen in der Stadt Doha verteilt. 

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Laut Automobilwoche nannten die Veranstalter als Gründe für die Absage in Genf „Unsicherheiten in der Weltwirtschaft und der geopolitischen Lage sowie Risiken im Zusammenhang mit der Entwicklung mit der Pandemie“. Insgeheim wird allerdings eingeräumt, dass vor allem die zahlreichen Absagen, und hier gerade der Größten und Nobelsten der Branche, letztlich den Ausschlag für das Salon-Aus gaben. In Doha hingegen dürfte der Emir von Katar selber das wirtschaftliche Messe-Risiko übernehmen, zumal dann aufgrund des reichen arabischen Marktes die ein oder andere Nobelmarke leichter zu einer Zusage zu bewegen sein dürfte. Und der Inselstaat selber mit immensen Investitionen in die Produktion von Wasserstoff und eFuels an der Schwelle zu einer großen automobilen Verbrenner-Zukunft steht.  

Für langjährige Kenner der Autobranche und deren Rituale, versteckte Vorlieben und Usancen bricht mit diesem Messe-Aus eine Welt zusammen. Vergleichbar mit dem Untergang der K.u.K.-Monarchie und der Welt des Adels nach dem Ersten Weltkrieg. Der Auto-Salon in Genf war seit 117 Jahren weltweit die einzige Automobilmesse oder -ausstellung, die sich aufgrund ihrer Exklusivität mit dem Titel Salon schmücken durfte. 

Und die in der kleinen Schweiz ohne heimische Autoindustrie nur aufgrund der exklusiven Lage am Genfer See auskommen konnte. In Detroit zum Beispiel wurde zwar über Jahrzehnte jedes neue Automobiljahr im Januar eröffnet, manchmal sogar mit Cowboyhut und Rinderherden, in Genf wurde dagegen im folgenden Frühjahr das neue Automobiljahr zelebriert, hier wurde die „Auto-Messe gelesen“. Meist nicht auf dem Salon selber, der war nur für Fachbesucher und Netzwerker aus dem Beratungsgewerbe interessant, sondern in diskreten Hotelsuiten oder Edelrestaurants. 

Nach Genf fuhr man! Alle maßgebenden Persönlichkeiten der Branche bis in die höchsten Spitzen kamen hierher, hier wurden Geschäfte gemacht, hier wurden Vereinbarungen getroffen, hier wurde Personal bewegt. Legendär war 2006 die spektakuläre Demontage des damaligen Volkswagen-CEO Bernd Pischetsrieder durch den allmächtigen Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch auf dem Genfer Salon. Auf der IAA in Frankfurt wurden Spaltmaße vermessen, in Genf wurde über das Schicksal von Modellen, Marken und Menschen entschieden. Genf war der automobile Olymp.

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Tempi passati! Das Aus für den Automobil-Salon in Genf ist deshalb für eingefleischte Automobilfans so ernüchternd, weil daraus die Erkenntnis wächst, dass Stellenwert und Reputation des Produktes Automobil drastisch im Schwinden sind. Offensichtlich hat mit dem Anbruch des Zeitalters der Elektromobilität und des autonomen Fahrens sowie des Banns gegen die Verbrennungsmotoren das Automobil als technisch anspruchsvolles und erstrebenswertes Besitzgut ersten Ranges – vor Jahren noch Traum jedes Jungen – seine Faszination verloren. Von einem Spitzenplatz in der hedonistischen Bedürfnisskala rutscht es immer weiter nach unten in die Kiste der reinen Gebrauchsartikel, notwendig um von A nach B zu kommen, wenn es keine anderen Verkehrsmittel gibt. 

Mit dem Ende des Genfer Salons geht nicht nur eine Institution, sondern auch eine Epoche zu Ende, die Epoche des klassischen Automobils und ihrer Industrie. Doch im Gegensatz zum Untergang der K.u.K.-Monarchie wird dieser Untergang noch nicht mal so richtig bemerkt. Corona-Pandemie, Putins Ukraine-Krieg, explodierende Energiepreise, all das geschah unerwartet, all das kam plötzlich über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Keiner hat diese epochalen Störereignisse  vorhergesehen. Eine der Folgen solcher Schreckensmeldungen ist offensichtlich, dass die Gesellschaft langsam, aber sicher für unspektakuläre Ereignisse und Entwicklungen das Sensorium verliert. 

„Au revoir Salon de Genève“ betitelte die Automobilwoche die Einstellung der Messe am Genfer See. Stattdessen soll am 2. November 2023 im Wüstenstaat Katar eine Autoshow stattfinden. Damit endet eine Institution, die 117 Jahre das Mekka der klassischen Automobilhersteller in Europa und den USA, nach dem Krieg dann auch jener aus Japan und zuletzt auch aus Südkorea war. Alle Versuche sonstiger asiatischer Anbieter, vor allem jener aus China, dort Fuß zu fassen und von dort aus den Weltmarkt zu erobern, endeten allesamt kläglich – bislang jedenfalls.

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Das Ende des Genfer Auto-Salons mag auch ein Menetekel dafür sein, dass nicht nur das Verbrenner-Automobil als Hightech-Produkt möglicherweise in der elektromobilen Vermassung asiatischer Prägung untergeht, sondern auch viele deutsche Hersteller, die bislang noch für das Beste vom Besten in der Verbrennertechnologie am Weltmarkt stehen. Ein noch so schöner Satz von Elektrobatterien kann es mit der Ästhetik eines 12-Zylinder-Motor eben nicht aufnehmen. 

Mit dem Genfer Auto-Salon schwindet also mehr als nur eine Automobilmesse. Die Detroit Motor Show wurde zuvor schon abgesagt. Bleibt die Frage offen, welche internationale Automobilausstellung von Gewicht ist als nächstes dran?


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Kommentare ( 23 )

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wackerd
1 Jahr her

Zum Glück habe ich sehr viele Jahre mit tollen Autos und Motorrädern verbracht. Ich habe mir mit Begeisterung jedes Jahr die neuen Modelle in Zeitschriften und auch oft auf Messen angeschaut. Dazu keine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen. Und die Jugend der Zukunft? Was sie nicht kennen, werden sie auch nicht vermissen. Viel Spaß euch im ÖPNV und überfüllten und schmuddeligen, oft verspäteten Fernzügen. Und vor allem: Fahrradfahren in Großstädten in Kurzdistanzen mag bei gutem Wetter schön sein, aber bei Schmuddelwetter und bei ländlichen Distanzen von mind. 20 bis 30 km für eine einfache Fahrt? Na ja, ihr könnt ja dann den… Mehr

Waldorf
1 Jahr her

Tja, es ist der Zeitenwandel… und ich bin noch eines dieser Kinder, für die „Auto“ wohl eines der schönsten Worte der Kindheit war, nicht Panzer, nicht Gewehr, aber auch nicht Puppe – Auto! Die Kisten aus Blech, voller Öl, Fett, Leder oder Stoff sind herrlich, sie zu fahren auch und ich bin 100.000e km mit meinen Autos gefahren, habe noch 3 davon, alles Verbrenner. Aber auch Grammophone waren die viel schöneren Geräte, im Vergleich zu einem Plattenspieler, die immernoch viel schöner sind und waren als ein Cd-Spieler oder Streamer. Und wie die Grammphone oder Schallplattenspieler heute Raritäten bzw Nischenprodukte sind,… Mehr

thinkSelf
1 Jahr her

Man muss schon ziemlich blind durch die Gegend gelaufen sein um von „unvorhergesehenen epochalen Störerzeugnissen“ zu sprechen. Es findet ein Krieg statt? Surprise, surprise. Seit mindestens 20.000 Jahren (also seit genug Typen auf diesem Planeten rumrechnen) finden ständig irgendwo Kriege statt. Das ist nun mal ein anthropologisches Hobby des Menschen. Der inszenierte Corona Klamauk hat nun mit „Zufall“ so wenig zu tun wie ein nach unten fallender Stein. Und auch die Energiepreisexplosion ist politisch gewollt und wurde konsequent und bewusst herbeigeführt. Und zwar nicht nur von den Eliten, sondern unter begeisterten Jubelstürmen der Bürger. Tatsächlich gab es in der gesamten… Mehr

Donostia
1 Jahr her

Ich finde das nur konsequent. Eine Gesellschaft die mit Lastenräder ihr Dasein fristen will braucht keine Autos und somit auch keine Automesse.

santacroce
1 Jahr her

Die Abschaffung des Automobils ist erklärtes Ziel der grünen Bewegung, mittlerweile gesellen sich fast schon alle Parteien dazu.
Erst wurde der Diesel erlegt, jetzt ist das Ende des Verbrenners für 2035 beschlossene Sache, durch Stromverteuerung und Wegfall der Subventionen kommt das Ende des E-Mobils in Kürze.
Alternativ könnte man in Genf eine Fahrrad- und Lastenradausstellung stattfinden lassen. Für die Besucher dann bitte nur vegane Küche und nichts machen oder zeigen, was in irgendeiner Form Spaß machen könnte!
Wann nimmt man sich die Motorräder vor?

merkelinfarkt
1 Jahr her
Antworten an  santacroce

In meiner Stadt 350.000 EW-Stadt hat man auf zwei der gerade mal sechs ausgewiesenen Motorradabstellplätze jetzt Fahrradständer aufmontiert und bei einem die Zufahrt verboten … läuft also auch.

Donostia
1 Jahr her
Antworten an  santacroce

Motorräder? Wird bei uns schon gemacht. Seit zwei Jahren wird aud einer beliebten Motorradstrecke vermehrt Fahrzeugkontrollen durchgeführt. Denke man möchte die Leute schikanieren und ihnen das Vergnügen am Motorradfahren versauen. Eine Bürgerinitiative wurde gestartet um das Motorradfahren durch die Ortschaft zu untersagen. Grund Lärmbelästigung. Bei der Straße handelt es sich um eine Bundesstraße.

Andreas aus E.
1 Jahr her
Antworten an  santacroce

Der Trend geht ohnehin Richtung Privathubschrauber. Für die gehobenen Kreise, versteht sich.
Migrantischer Edelzuwachs fährt E-Scooter, das Pack geht zu Fuß.

Waldorf
1 Jahr her
Antworten an  santacroce

Deutschland bzw die EU sind nicht die Welt. Was hier geht oder nicht, ist nicht ansatzweise auf die ganze Welt übertragbar. Außerhalb der EU wird es noch sehr lange Verbrennerfahrzeuge im Einsatz geben, PKWs und LKWs und Deutschland wird vielleicht einen Teil davon bauen, wieder ohne den ganzen EU-Abgas Klimbim oder halt gegen Wettbewerber aus Fernost unterliegen. Diese Ecken der Welt sind auch eher was für deutsche LKWs, denn für PKWs deren Betrieb auch jede Menge Infrastruktur, Werkstätten, Ersatzteillogistik benötigen, was die weltweite Dominanz von Toyota außerhalb der EU zwanglos erklärt. Unsere Autos sind für Städte und Autobahnen gebaut, nicht… Mehr

Marc Greiner
1 Jahr her

„Keiner hat diese epochalen Störereignisse vorhergesehen.“
Das sehe ich anders. Diese „Störereignisse“ wie „Klima“, „Energieknappheit“ und „Pandemien“ sind Hausgemacht und gewollt.
Der individuelle Verkehr war und ist den Sozialisten ein Dorn im Auge.
Die Hersteller werden politisch erpresst; ein Auto-Salon zu organisieren, welches im letzten Moment angeblich wegen Corona abgesagt werden muss ist zu riskant.
Und Putins Überfall auf die Ukraine beschleunigt nur noch alles. Setzt aber diese „Energiewender“ auch unter Druck Farbe zu bekennen.
Die Jungen träumen auch heute noch vom Auto. Auch wenn es den gegenteiligen (propagierten) Anschein hat.

Harry Charles
1 Jahr her

ZEITENWENDE? BÖSES ERWACHEN! Die Hybris der halbstarken linksgrünen couch potatoes beruht vor allem darauf, dass sie sich mit dem Smartphone in der Hand für Gottvater halten. Da gibt es allerdings ein paar gewichtige Haken: einerseits hängt selbst das höchstentwickelte Smartphone am seidenen Faden des Stroms, der vielleicht demnächst gar nicht mehr in entsprechender Menge zur Verfügung stehen wird. Und dann ist das Ganze natürlich durch genau jenes Charakteristikum geprägt, das für die Weichei-Gesellschaft der Ellbogen-Nerds von heute so typisch ist: Verlogenheit! Nicht das Automobil ist Ursache des horrend gestiegenen Energieverbrauchs (und damit CO2-Verursacher), sondern genau eben der Fetisch der meist… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Harry Charles
Johann Thiel
1 Jahr her

„Corona-Pandemie, Putins Ukraine-Krieg, explodierende Energiepreise, all das geschah unerwartet, all das kam plötzlich über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Keiner hat diese epochalen Störereignisse vorhergesehen.“
Nee, natürlich nicht. Alles total plötzlich und unerwartet, so sehr wie das Ende unserer Autoindustrie.

Am Ende fährt man von Afrika bis China in dicken Luxus-Verbrennern und in Deutschland Lastenfahrrad, Rikscha und Öko-E-Trabbi.

Georg J
1 Jahr her

Ich weis nicht, warum die „Agenda 2030“ der UNO nicht ernst genommen wird. Diese Agenda 2030 wurde in der EU und in Deutschland in die EU- bzw. nationale Gesetzgebung umgesetzt. Die Bundesregierung nennt das Programm „die Glorreichen 17 für mehr Nachhaltigkeit“. Im Kern entspricht dieses Programm, das man auf der webpage der Bundesregierung findet, dem „Great Reset“ des WEF. Es ist also reales Regierungshandeln im Sinne der „Agenda 2030“ und des „Great Reset“ des WEF was wir in Deutschland erleben. Die Bevölkerung wurde allerdings nie gefragt, ob sie das will.

RMPetersen
1 Jahr her

Ja, schade. Die Frankfurter Ausstellung ist ja länger tot, die Hannover-Messe ist praktisch hin und ihr Elektro-Ableger auch.
Wenn man etwas Neues sehen will, schat man sich das im Internet an. Na gut, in Düsseldorf werden noch Boote und WoMos ausgestellt, das scheint noch zu laufen.
Die wahren Autos sieht man ohnehin bei der Mille Miglia oder beim Oldtimerrennen am Nürburgring.