Weltbörsen in Rekordlaune

Aufregende Zeiten: Die Wall Street rennt, die großen US-Indizes Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq notieren auf Spitzenständen. Auch der DAX hat soeben das alte Allzeithoch bei 16.030 Punkten überwunden. Trotz aufflammender Corona-Herde und Engpässe in den weltweiten Lieferketten läuft die globale Aktienrally weiter.

© Getty Images

Aktuell schieben gute Unternehmenszahlen die Kurse nach oben. Der wahre Antrieb für die Notierungen ist jedoch die überbordende Liquidität, mit der die Notenbanken nach wie vor die Märkte fluten. Mit Spannung wurde die Sitzung der Fed erwartet, von Präsident Jerome Powell erhofften sich Anleger wertvolle Details zu dessen Ausstiegsplänen aus der Geldschwemme. Powell will die Anleihenkäufe der US-Notenbank von 120 Milliarden Dollar pro Monat ab sofort drosseln, wohl bis Mitte nächsten Jahres sollen sie auf Null getapert werden. Die Wall Street hat Powells Plan als Signal für die wirtschaftliche Stärke der US-Wirtschaft interpretiert und mit neuen Hochs gefeiert.

Auch am Freitag setzten die US-Aktienmärkte jedenfalls ihre jüngste Rekordserie fortgesetzt. Positive Impulse lieferten vor allem der monatliche US-Arbeitsmarktbericht und die Aussicht, dass der Pharmakonzern Pfizer im Kampf gegen die Corona-Pandemie über eine wirksame Pille verfügt.
Nach einem zwischenzeitlichen Anstieg um etwa ein Prozent ging der Dow Jones Industrial 0,6 Prozent höher bei 36.328 Punkten aus dem Handel. Er verbuchte damit einen Wochengewinn von 1,4 Prozent. Der marktbreite S&P 500 legte 0,4 Prozent auf 4.698 Punkte zu. Der technologielastige NASDAQ 100 allerdings ließ es nach seiner besonders kräftigen Rally etwas ruhiger angehen. Mit 16.359 Punkten schloss er nur knapp mit 0,1 Prozent im Plus.

Die Nachricht, dass eine Pfizer-Pille die Gefahr einer notwendigen Krankenhauseinweisung oder eines Todes um 89 Prozent reduzieren soll, half dem Gesamtmarkt auch. Die Aktien des Pharmakonzerns schossen um 10,9 Prozent nach oben. Schwer traf es hingegen den Konkurrenten Merck & Co, der kürzlich ähnliches vermeldet und seine Aktien auf Rekordjagd geschickt hatte. Gewinnmitnahmen ließen den Kurs hier um zehn Prozent einbrechen. Das Merck-Mittel soll das Risiko nur um etwa die Hälfte senken.

Darüber hinaus prägten Kursgewinne im Reise- und Freizeitsektor das Bild, aber auch einbrechende Aktien von Konzernen, die von speziellen Corona-Bedarfen profitiert hatten. Die Aktien der Impfstoff-Pioniere Biontech und Moderna setzten ihren freien Fall, den ein enttäuschendes Moderna-Absatzziel am Vortag ausgelöst hatte, mit einem weiteren Absturz um bis zu 21 Prozent fort. Anleger sorgten sich hier um die Nachfrage nach den Vakzinen, sobald es wirksame Medikamente gibt.

Im Reise- und Freizeitsektor fielen die Papiere von Fluggesellschaften positiv auf. Für die Aktien von American, United und Delta Airlines ging es zwischen 5,7 und 8,1 Prozent nach oben. Ein wirksames Medikament könne die Erholung der Luftfahrt stützen, so die These der Anleger. Auch die Papiere des Flugzeugbauers Boeing profitierten davon: Mit einem Anstieg um 5,4 Prozent waren sie der beste Dow-Wert.

Positiv wirkten sich in der Reisebranche insgesamt aber auch starke Quartalszahlen des Reiseportals Expedia und des Unterkünfte-Vermittlers Airbnb aus. Deren Papiere rückten um 15,7 beziehungsweise 13 Prozent vor.

Beim Fitnessgeräte-Spezialisten Peloton dagegen ist der Corona-Boom endgültig vorbei. Die New Yorker Firma kappte die Umsatzprognose für das laufende Geschäftsjahr um bis zu eine Milliarde Dollar. Anleger reagierten schockiert und ließen die Aktie um mehr als ein Drittel abstürzen.

Ansonsten machte in New York noch der kleine Börsengang eines deutschen Unternehmens Schlagzeilen. Die Aktien von Mainz Biomed vervielfachten sich am ersten Handelstag in der Spitze bis auf 18 Dollar, nachdem sie zu fünf Dollar ausgegeben wurden. Am Ende wurden sie dann zu knapp zehn Dollar gehandelt. Das Mainzer Unternehmen ist auf Tests zur Darmkrebs-Vorsorge spezialisiert.

Überraschend starke Zahlen vom US-Arbeitsmarkt beflügelten am Freitag auch den DAX, der bei 16.085 Punkten ein neues Allzeithoch markierte. Außerhalb der Landwirtschaft entstanden im Oktober 531.000 neue Stellen. Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich 450.000 erwartet.

Hierzulande stand auf Unternehmensseite Varta im Fokus der Anleger. Der Batterie-Hersteller enttäuschte mit seinen Geschäftszahlen und senkte seine Ziele. Varta bekommt Produktionsausfälle bei einigen Kunden zu spüren, die unter Corona-Lockdowns und Materialengpässen leiden. Viel schwerer wiege aber der im Vergleich zu den Markterwartungen triste Umsatzausblick für 2022 und 2023, erklärte ein Händler. Die Aktien brachen zeitweise um mehr als 23 Prozent ein.

Die hohen Energiepreise schieben das Geschäft des Energiekonzerns Uniper an. Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) stieg in den ersten neun Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 405 auf 614 Millionen Euro. Der bereinigte Konzernüberschuss folge im Wesentlichen dem bereinigten Ergebnis, teilte das MDax-Unternehmen am Freitag in Düsseldorf mit. Dieser stieg ebenfalls um mehr als die Hälfte auf 487 Millionen Euro.

Jim Cramer, der laute, wortgewaltige Moderator der US-Börsensendung „Mad Money“, hat vor fast zehn Jahren das Akronym FAANG für die Tech-Riesen Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Google erfunden. Insofern ist es nur passend, dass Cramer nun auch den Abschied von dem Ausdruck einläutet: „Bye-bye FAANG, hello MAMAA“, erklärte der 66-Jährige vor wenigen Tagen auf CNBC. Ein neuer Sammelbegriff war nötig geworden, weil Facebook sich in Meta umbenannt hat. Sechs Jahre zuvor war bereits Google unter das Dach der Holding-Gesellschaft ­Alphabet gerückt. MAMAA enthält somit Meta, Alphabet, Microsoft, Amazon und Apple. Still und leise unter den Tisch gefallen ist dabei Netflix. Mit einer Marktkapitalisierung von rund 300 Milliarden Dollar kann der Streamingdienst trotz seines großen Erfolgs nämlich nicht mehr mit der obersten Tech-Liga mithalten: Die MAMAAs sind an der Börse das Drei- bis Achtfache wert.

Auch die Finanzbranche hat traditionell bei der jährlichen Klimakonferenz ihren Auftritt — die COP26 in Schottland ist da keine Ausnahme. Diese Woche präsentierte sich dort die „Glasgow Financial Alliance for Net Zero (Gfanz)“, ein Zusammenschluss von über 450 Banken, Versicherungen und Vermögensverwaltern aus 45 Ländern. Insgesamt verwalten sie 130 Billionen Dollar, die in Einklang mit dem Ziel der Klimaneutralität investiert werden sollen. Das entspreche 40 Prozent des global verwalteten Vermögens, brüstete sich Großbritanniens Finanzminister Rishi Sunak. Von Klimaaktivisten hagelte es indes Kritik. Höchstens 35 Prozent der 130 Billionen seien entsprechend angelegt, hieß es. Wann der Rest der Summe folgen soll, darüber schweigt Gfanz sich aus. Noch viel schwerer wiegt in den Augen der Klimaschützer, dass die Allianz kein Verbot der Finanzierung fossiler Energie- und Rohstoffunternehmen vorsieht. Banken hatten bereits vor sechs Jahren auf der Klimakonferenz von Paris weniger Geschäfte mit diesem Sektor versprochen. Wie die „Financial Times“ recherchierte, haben sich Häuser wie Barclays, BNY Mellon, Deutsche Bank oder HSBC jedoch nur halbherzig daran gehalten und teilweise ihre selbst aufgestellten Regeln gebrochen. Die neuen Ankündigungen seien nur Blabla, regte sich Schulstreikerin Greta Thunberg auf. Ausnahmsweise hat sie wohl mal recht.

Warren Buffett war nicht immer ein Value-Investor. In jungen Jahren verfolgte der Anleger-Guru mit beachtlichem Erfolg Hedgefonds-Strategien, genauer gesagt Merger-Arbitrage. Die Wetten auf Fusionen, Umstrukturierungen oder Abspaltungen lieferten gleichmäßige Erträge, insbesondere auch bei fallenden Aktienmärkten. „Angesichts der aktuellen Rekordaktivität bei Fusionen und Übernahmen rückt diese besonders lukrative und solide Investmentstrategie wieder in den Fokus sicherheitsorientierter Investoren“, sagt Oliver Scharping, Portfoliomanager bei Bantleon. 2021 haben Produkte, die Buffetts einstige Lieblingsstrategie verfolgen, laut Scharping schon im ersten Quartal so viel Geld eingesammelt wie im Gesamtjahr 2020.


Weitere Meldungen und Kommentare zu Wirtschaft und Börse lesen Sie auf unserer Partner-Site

 

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 1 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

1 Kommentar
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
CIVIS
2 Jahre her

Ist das die „neue Normalität“?
Allzeithochs an Börsen, …in weiten Teilen völlig losgelöst vom Zustand der Realwirtschaft ?

Ich habe das alles einmal studiert, verstehe das ganze aber nicht mehr. Vielleicht bin ich alter weißer Mann auch zu dumm.
Aber ich bin fest davon überzeugt, dass das nicht gutgehen wird und kann und dass die Börsen-Blase relativ schnell platzen wird.
Das passt alles nicht zusammen !