Bärenmarkt-Rally?

Für Anleger bieten sich langfristig einmalige Renditechancen. Mutige machten auch am Freitag Gewinne: Dank eines billionenschweren Kreditprogramms der US-Notenbank (Fed) hat der Dow Jones Industrial am Donnerstag an seine jüngste Erholung angeknüpft.

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War es das jetzt schon? Blickt man auf die enormen Gewinne des DAX im Wochenverlauf, so stellt sich die Frage, ob der Crash endgültig abgehakt ist und schon die nächste Rally läuft. Seit dem bisherigen Tief bei 8.255 Punkten ist der DAX in dieser Woche in der Spitze um knapp 28 Prozent gestiegen — ein fulminanter Zwischenspurt. Die Volatilität wird jedoch hoch bleiben, schon bald könnte es in hoher Geschwindigkeit wieder bergab gehen. Fakt bleibt: Die Corona-Krise stürzt Deutschland in eine Rezession, die wohl schwerste der jüngeren Geschichte. Und die Unternehmensgewinne werden drastisch sinken. Für den DAX schätzt die DZ-Bank den Einbruch auf 50 bis 80 Prozent im laufenden Jahr, das wäre deutlich mehr als in den Krisen davor. Doch Konjunktur und Kurse werden sich auch dieses Mal erholen. Laut DZ-Bank könnte es rund vier Jahre dauern, bis die DAX-Mitglieder wieder die Rekordgewinne des Jahres 2018 erreichen. Der DAX wird so langfristig steigen und neue Rekorde über seinem bisherigen Gipfel bei 13.800 Punkten markieren. Für Anleger bieten sich hierdurch langfristig einmalige Renditechancen. Doch das Prinzip muss sein: Ausdauernd bleiben und in Tranchen investieren, das Tief wird man kaum treffen. ​

Mutige machten auch am Freitag Gewinne: Dank eines billionenschweren Kreditprogramms der US-Notenbank (Fed) hat der Dow Jones Industrial am Donnerstag an seine jüngste Erholung angeknüpft. Zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise will die Fed über verschiedene Programme insgesamt bis zu 2,3 Billionen US-Dollar in die Wirtschaft lenken. Damit sollen unter anderem kleinere und mittlere Unternehmen sowie die Kommunen und Städte gestützt werden. Die Fed wolle damit für Erleichterung und Stabilität während der Krise sorgen, sagte Notenbank-Chef Jerome Powell. Der Dow stieg um 1,2 Prozent auf 23.719 Punkte, nachdem er zur Wochenmitte bereits unter anderem von der Hoffnung auf ein schrittweises Hochfahren der unter dem Corona-Virus leidenden US-Wirtschaft profitiert hatte. Auf Wochensicht bedeutet dies ein Plus von 12,7 Prozent.

Der marktbreite S&P 500 gewann am Donnerstag 1,5 Prozent auf 2.790 Zähler. Er verzeichnete mit einem Plus von gut zwölf Prozent sogar den höchsten Wochengewinn seit 1974. Der technologielastige NASDAQ 100 legte um 0,1 Prozent auf 8.239 Punkte zu. Am Kafreitag blieben die Börsen dann auch in den USA geschlossen.

Angesichts der weiterhin freundlichen Stimmung am Aktienmarkt waren am Donnerstag vor allem die sehr konjunktursensiblen Bankaktien gefragt. So schnellten die Papiere von JPMorgan an der Dow-Spitze um rund neun Prozent in die Höhe. Außerhalb des US-Leitindex zogen die Anteilscheine von Citigroup um gut sieben Prozent und die von Wells Fargo um knapp zehn Prozent an.

Der Streamingservice des Unterhaltungsriesen Walt Disney verzeichnet weiter ein rasantes Wachstum. Disney+ gewann rund fünf Monate nach dem Start in den USA weltweit bereits 50 Millionen Abonnenten. Die Anteilscheine zogen um gut drei Prozent an. Disney hatte mit dem Streamingdienst im November die Jagd auf den Marktführer Netflix eröffnet und auf Anhieb großen Kundenzustrom erhalten. Dessen Aktienkurs gab leicht nach.

Auch der deutsche Aktienmarkt zeigte sich vor dem Osterwochenende von seiner starken Seite. Der deutsche Leitindex DAX ging mit 2,2 Prozent im Plus bei 10.565 Punkten aus dem Handel. Vom Tief im März nach dem großen Ausverkauf hat der Leitindex rund ein Viertel aufgeholt.

Spitzenwert im DAX war am Donnerstag die MTU-Aktie mit einem Plus von mehr als 5,5 Prozent. Daneben zeigte sich das SAP-Papier von seiner starken Seite – mit einem Kursgewinn von mehr als vier Prozent. Wegen der Corona-Krise hängte der Software-Entwickler die Ziele für Umsatz und Gewinn in diesem Jahr niedriger. Die Analysten der Bank RBC argumentierten aber, die niedrigeren Ziele legten immerhin eine Erholung der Aktivitäten im zweiten Halbjahr nahe. Schlusslicht im DAX war vor Ostern – wie bereits am Vortag – die Siemens-Aktie.

Einstweilen beschäftigt die Anleger aber zuallererst die Frage, ob es sich bei der Erholung der Karwoche nicht nur um den vorläufigen Höhepunkt einer Bärenmarkt-Rally handelt. Vergangene Bärenmärkte rufen in Erinnerung, dass starke Gegenbewegungen immer ein Bestandteil von Bärenmärkten waren. Dies zeigt auch die Finanzmarktkrise 2008, in der es zu ein paar Gegenbewegungen kam. Ende Oktober 2008 nahm der amerikanische S&P 500 innerhalb von sechs Tagen um 19 Prozent zu. Doch nur sieben Tage später erreichte der S&P 500 erneut neue Tiefststände. Erst im März 2009 wurde der Boden erreicht.

Das durchschnittliche Verhältnis zwischen Optionen auf fallende und Optionen auf steigende Kurse der jüngsten fünf Handelstage liegt bei knapp 0,5. Das heisst: Die Investoren wetten momentan wieder mehrheitlich auf steigende Kurse. Es fragt sich nur, wann diese wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt werden.

Was könnte den nächsten Absturz verursachen? Für Raiffeisen-Schweiz-Anlagechef Matthias Geissbühler ist eines klar: „Die harten Makrodaten in den kommenden Wochen werden extrem schlecht sein und die globale Wirtschaft wird im zweiten Quartal 2020 in eine tiefe Rezession fallen.“ Entsprechend erwartet er wie die Kollegen der deutschen DZ-Bank weitere Gewinnwarnungen und Dividendenkürzungen. Während der deutliche Einbruch der Wirtschaft mittlerweile „Konsens“ sei, so Geissbühler, müssten die Gewinnschätzungen noch weiter nach unten revidiert werden. Zusätzlich könnten demnächst erste grössere Kreditausfälle im Hochzinsanleihen-Bereich anfallen.

Sicher ist die Antwort der Wirtschaftspolitik auf die aktuelle Krise beispiellos. Doch die Finanzmarktkrise von 2008 lehrt uns, dass zwischen Beschluss der Wirtschaftshilfen Ende 2008 und dem Tiefststand der Aktienmärkte im März 2009 drei Monate lagen. Der US-Beschluss in der jetzigen Krise ist gerade zwei Wochen alt. Im Median dauerte es sogar 148 Handelstage, bis der amerikanische S&P 500 nach Beginn eines wirtschaftlichen Abschwungs nicht mehr fiel.

Unausgesprochen bleibt derzeit meist das Szenario, dass die Tiefpunkte vom März nicht nur getestet, sondern nochmals durchbrochen werden könnten. Im Szenario eines erneuten Kurseinbruchs wären die Verlierer einmal mehr die zyklischen Sektoren, wie die zyklischen Konsumgüter oder der Finanzsektor, hingegen defensive Sektoren wie der Gesundheitssektor oder die nicht zyklische Konsumgüter besser abschneiden würden.

Lange hat sich Japan in der Corona-Krise gegen harte Einschnitte gewehrt. Nun zieht die japanische Regierung aber die Zügel an. Auf der einen Seite beschloss Tokio Notstandsmaßnahmen für die zwei größten Städte und Präfekturen, um die Ausbreitung des Virus zu bremsen. Andererseits legt Premier Shinzo Abe ein mächtiges Konjunkturpaket in Höhe von umgerechnet 915 Milliarden Euro auf, um die Konjunktur zu stabilisieren. Die Summe entspricht rund 20 Prozent des Brutto-inlandsprodukts des Inselstaats. Das ist prozentual weitaus mehr, als die USA oder die Europäische Union als Ausgleich für die Wirtschaftskrise bisher auf den Tisch legen wollen. Dabei plant Japan, auch Geldgeschenke in Höhe von 2500 Euro an besonders von der Corona-Krise betroffene Haushalte zu überweisen.

Am vergangenen Montag erklärte die argentinische Regierung, dass sie die 2020 fälligen Zins- und Tilgungszahlungen auf Bonds in Höhe von 8,4 Milliarden Dollar aufs kommende Jahr verschieben werde. Argentinien ist damit technisch gesehen zahlungsunfähig, es ist die neunte Staatspleite in der Geschichte des Landes. Zwar wurde von Buenos Aires bisher nur die Bedienung von Bonds gestoppt, die nach argentinischem Recht ausgegeben wurden. Doch der nächste Schritt ist wohl ein Zahlungsstopp auf Fremdwährungsschulden nach ausländischem Recht. Noch will die Regierung aber die Bedingungen für die Bedienung und Rückzahlung der Anleihen in Höhe von 83 Milliarden US-Dollar mit dem internationalen Währungsfonds und privaten Gläubigern verhandeln. Ausgang ungewiss, nachdem der Druck durch die ökonomischen Verwerfungen zugenommen haben. Klar ist, dass es nicht die letzte Pleite eines Schwellenlands sein dürfte. Bereits im Oktober warnte der Internationale Währungsfonds, dass 34 der 70 sogenannten Frontier-Volkswirtschaften aufgrund ihrer hohen Verschuldung im Ausland von einer Zahlungsunfähigkeit bedroht seien. Vor allem Sambia, Tunesien und Bahrain seien hier besonders gefährdet. „Es wird in den Schwellenländern zu einer Umstrukturierung der Staatsschulden kommen, da sich das Kapital in einem noch nie beobachteten Tempo zurückzieht“, erklärt Christopher Smart, Chefstratege des Barings Investment Institute.

Es ist eine Bilanz des Schreckens für die Fondsbranche. Im März verzeichneten aktiv gemanagte Fonds global Nettoabflüsse in Höhe von 242 Milliarden Euro. Dies geht aus aktuellen Morningstar-Daten hervor, die Branchendienst Citywire analysiert hat. Portfolios mit festverzinslichen Wertpapieren waren dabei mit einem Minus von 107 Milliarden Euro am heftigsten betroffen. Danach folgen Aktienfonds, die 44 Milliarden Euro an Kundengeldern verloren haben. Bei den Vermögensverwaltern wurde Amundi mit 30 Milliarden Euro Nettoabflüssen am empfindlichsten getroffen. Pimco musste ein Minus von 21,17  Milliarden Euro, Blackrock und Natixis von jeweils 16,5 Milliarden Euro hinnehmen. ​


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Kommentare ( 8 )

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Linda28
4 Jahre her

Habe jetzt in der Krise bereits viele günstige Gelegenheiten genutzt. Ob es nochmal runter geht oder nicht, weiss ja eh niemand. Da ich aber eher Investorin als Händlerin bin, sehe ich den Markt auf Zehnjahressicht eigentlich sehr optimistisch! Einige Aktien haben jetzt schon wieder über 30% Gewinne im Kurs gemacht! Muss aber dazu sagen das ich eigentlich kaum deutsche Unterrnehmen kaufe, sondern eher Amerikanische. Sehe den Dollar einfach als langfristig sicherer an. Ist halt nun Mal die Weltleitwährung! Außerdem werden die Firmen in den USA Finanzpolitsch besser als in Deutschland begleitet. Und Amerika hat eine längere Aktienkultur! Wenn? also wieder… Mehr

Alexis de Tocqueville
4 Jahre her
Antworten an  Linda28

So doof es klingt, mir muss das Geschäft einfach gefallen, das ist Kriterium Nummer 1. Meine größten Positionen sind Amazon, Ecolab, Thermo Fisher Scientific, Danaher, Disney, Mastercard, Alphabet, Veeva Systems, The Trade Desk und jetzt auch Main Street Capital, die ich sehr schön am (bisherigen) Tief erwischt habe, bei 12% Dividendenrendite. Ich denke mal, die berappeln sich in ein oder zwei Jahren wieder auf alte Hochs. Dazu noch ein Haufen kleiner Positionen, gern in jungen Unternehmen mit Pfeffer, wie Alteryx, Square, Cyberark etc.. Leider habe ich am Paniktief viel verpast, aber logo, es gab so viel zu kaufen, und alles… Mehr

Linda28
4 Jahre her

Danke dir für dein Feedback! Burggraben find ich auch sehr gut! Main Street Capital hatte ich mir auch angesehen! Fand die Dividende schon spannend! Fehlt mir der Burggraben aber etwas! Hab mir dann The Geo Group ins Depot geholt. Die Dividende war da als ich die gekauft habe mit 17% noch etwas besser! Außerdem ein sehr spezielles Geschäftsmodell!

Alexis de Tocqueville
4 Jahre her
Antworten an  Linda28

Aber büdde. Geo hat schon ein etwas zu spezielles Geschäftsmodell. Der Burggraben ist weit, aber politisch instabil. Besser irgendwann verkaufen, bevor die sogenannten Demokraten wieder drankommen, die mögen Privatgefängnisse gar nicht.
MAIN hat zwar nicht die höchste Dividendenrendite unter den BDCs, aber deren Bewertung ist eben immer vergleichsweise hoch. Mit Grund.
Herr Kissig hatte hier übrigens wie ich finde mal eine schöne Auswahl an BDCs, insbesondere GAIN und TSLX gefalllen mir auch sehr gut.

Linda28
4 Jahre her

Hab Geo auch nur gekauft weil es gerade so billig war! Sollte Trump die Wahl wieder gewinnen kann sich der Aktienwert schnell verdoppeln! Sollte es tatsächlich Mal zu einer Abschaffung der privaten Gefängnisse kommen werden die Mitarbeiter von Geo direkt vom Staat übernommen. Da der Staat ja auch nicht jede Menge Gefängnisse rumstehen hat, wird der Staat die Gefängnisse wohl von Geo mieten! Das könnte sogar noch das bessere Geschäftsmodell sein, als die Gefängnisse selbst zu betreiben. Hab mir als weiteren Reit noch ltc properties ins Depot geholt. Da wurde ein Rückkaufprogramm angekündigt in Höhe von ca 10% aller Aktien!… Mehr

bkkopp
4 Jahre her

Wer in Anlagezeiträumen von mindestens 10 und mehr Jahren denken und agieren kann, und das ist die überwiegende Mehrheit der Anleger, der sitzt den Rückschlag erst einmal aus. Selbst Auto-Aktien. Es dürfte noch schlechter werden bevor es besser werden kann. Letzteres kann sehr leicht 2 – 3 Jahre dauern. Selbst bei Öl sind die reduzierten Mengen der Förderung noch nicht proportional zu reduzierten Verbrauchsmengen, was sich über die Sommersaison in Europa / USA in den nächsten 6 Monaten noch verstärken dürfte. Wer dafür eingerichtet ist, organisatorisch und technisch, und jeden Tag an einem Trading-Portfolio arbeiten kann und will, für den… Mehr

pcn
4 Jahre her

Nach Corona wird man sich auf eine lange Durststrecke einstellen müssen. Wenn ich noch 20ig wäre, würde ich jetzt in Aktien investieren, breit gestreut, aber mit einer Portion Geduld und Stehvermögen halten. Noch nie seit der letzten Finanzkrise war die Zeit so günstig. Jede Krise bietet auch eine Chance auf die Zukunft.

Silverager
4 Jahre her
Antworten an  pcn

@ pcn: Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen mit 20 erging, aber ich zumindest war mit 20 nicht in der Lage, „breit gestreut“ in Aktien zu investieren. Ich hatte in dem Alter 3 Daimler-Aktien, war gar nicht schlecht.