Deloitte-Studie: Langfristige Umsatzrückgänge für Autoindustrie zu erwarten

Die Krise der Autoindustrie ist nicht nur konjunkturell bedingt. Laut Deloitte stehen in den kommenden Jahren Veränderungen an, die die Profitabilität der ganzen Branche in Frage stellen.

© Steffi Loos/Getty Images

Wollen Autohersteller zumindest einen Teil ihrer Umsätze und Gewinne künftig retten, müssen sie sich bei Vertrieb, Handel und Service auf Vernetzung sowie neue Antriebsund Mobilitätskonzepte einstellen. Das ist ein Ergebnis der Deloitte-Studie „Future of Sales and Aftersales“, die untersucht, wie sich die vier Megatrends der Branche Konnektivität, alternative Antriebe, Carsharing und autonomes Fahren –, aber auch generelle Entwicklungen wie der demografische Wandel oder die Urbanisierung bis 2035 auf das Geschäftsmodell der Autohersteller in Deutschland auswirken. Das Ergebnis ist ernüchternd.

Im Aftermarket, also im Ersatzteil-, Service- und Reparaturgeschäft, droht laut Deloitte in 15 Jahren ein Umsatzrückgang von 55 Prozent. Auch der Gewinn des margenträchtigen Geschäfts halbiert sich entsprechend. Der Grund liegt in alternativen Antrieben, insbesondere im Elektroantrieb, dessen Einsatz die Studienautoren in einem Basisszenario auf 40 Prozent der Neufahrzeugverkäufe schätzen. Da diese Elektrofahrzeuge weniger Wartung und Reparaturen brauchen, sinken die Umsätze in diesem Bereich für einen durchschnittlichen Fahrzeughersteller im deutschen Markt von derzeit 300 auf 48 Millionen Euro im Jahr – ein Rückgang um 84 Prozent. Gleichzeitig sinkt der Gewinn aus diesem Geschäft von 101 auf 16 Millionen Euro.

Auch das hoch profitable Ersatzteilgeschäft geht zurück – von 205 auf 84 Millionen Euro, denn Elektroautos haben weniger Verschleißteile als herkömmliche Fahrzeuge. Lediglich das Reifengeschäft profitiert von den steigenden Fahrleistungen. „Die Automobilhersteller müssen sich jetzt darauf einstellen und ihren Vertrieb sowie das Werkstattgeschäft auf die neue Mobilität ausrichten. Sonst geht ihnen ein erheblicher Teil des Geschäfts verloren“, sagt Thomas Schiller, Partner und Leiter Automobilindustrie bei Deloitte.

Auch im Autohandel stehen tiefgreifende Veränderungen an: Wenn sich unabhängige Mobilitätsdienstleister zwischen die Automobilhersteller und ihre Kunden drängen, sinken die Gewinne aus dem Verkauf von Fahrzeugen bis 2035 um 53 Prozent. Denn die neuen Intermediäre werden mit ihrem direkten Kundenzugang erhebliche Marktmacht innehaben.

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Besetzen Online-Vermittler das Privat- und Firmenkundengeschäft, gerät auch dieser Bereich unter Druck. Automobilhersteller sind daher gut beraten, eigene Online-Verkaufskanäle zu etablieren und das Direktgeschäft unter Umgehung des traditionellen Autohandels auszubauen. Dadurch können sie ihre Vertriebskosten senken, vermeiden den Wettbewerb zwischen den eigenen Händlern und steigern so die Gewinnmarge im Vertrieb. „Trotz des Umsatzrückgangs von 16 Prozent bleibt der Fahrzeugverkauf ein attraktives Geschäft, wenn die Autohersteller ihr Vertriebsnetz radikal umbauen“, sagt Schiller. So empfiehlt Deloitte, Neuwagen in attraktiven Innenstadtlagen zu präsentieren und am Stadtrand Testfahrt- und Service-Zentren aufzubauen.

Die Zahl der verkauften Neuwagen sinkt im kommenden Jahrzehnt kontinuierlich. „Dafür sind gleich mehrere Gründe verantwortlich“, so Schiller. „Dazu gehören beispielsweise neben einer alternden Gesellschaft eben auch Mobilitätsangebote wie Carsharing. In urbanen Großräumen wird es attraktive Alternativen zum eigenen Auto wie autonome Shuttle-Dienste und Roboter-Taxis geben.“ Ein Wachstumsbereich sind Finanzdienstleistungen: 2035 werden mehr als die Hälfte aller Neuwagen an Firmen und Flotten verkauft, derzeit sind es 37 Prozent. Damit wächst das Leasing- und Kreditgeschäft um 31 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro. Weitere Chancen ergeben sich für die Autohersteller, wenn es ihnen gelingt, Mobilität als Service zu verkaufen. Dazu Thomas Schiller: „Aus Autoherstellern müssen Mobilitätsdienstleister werden, die ihren Kunden ein Fahrzeug oder einen Shuttle-Service genau dann anbieten, wenn diese mobil sein wollen.“ Allerdings werden die Hersteller um dieses Geschäft kämpfen müssen, denn auch neue Player wie Uber, Waymo oder die klassischen Nahverkehrsunternehmen drängen in den Markt, der für einen durchschnittlichen Autohersteller ein Volumen von 4,8 Milliarden Euro haben wird. Derzeit sind es noch 600 Millionen Euro.

„Unsere Studie zeigt, dass die Automobilhersteller in den nächsten 15 Jahren durch herausfordernde Zeiten gehen“, resümiert Schiller. „Ohne tiefgreifenden Wandel werden sie es kaum schaffen, 2035 noch profitabel zu sein.“

Dieser Text ist zuerst in „Dossier B“ erschienen.

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Kommentare ( 11 )

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horrex
4 Jahre her

Zu „Mobilitätsdienstleister“:
Was ich sehe ist, dass deren Geschäft – wie von Schiller behauptet – nicht gerade einen Boom erlebt. Ich sehe nur, dass diese Dienstleister allesamt seit Jahren an und mit ihren Geschäftsmodellen „herumexperimentieren“. Von Profitabilität garnicht zu reden. Sogar in den Großstädten. Vom Land – also ¾ des Marktes – garnicht zu reden!!! – Mir kommt die Studie vor, als wolle man sich den „herrschenden Meinungen nicht widersetzen“. –

Shablefte Bromboffer
4 Jahre her

Die Autoindustrie ist komplett selbst schuld! Jahrzehntelang brutalste Abzocke! Noch 1982 war ein VW Golf ein sehr erschwingliches, nützliches und auch Zuverlässiges Auto. Auch ein Golf II war noch erschwinglich und dank freier Werkstätten günstig in der Wartung. Heute werden für einen schnöden Golf exorbitante Neupreise verlangt, Autos sind so brutal überteuert, dass 80% aller Neuwägen fremdfinanziert sind. Das ist einmal das eine. Dann kommen die Vertragswerkstätten dazu, die einen gnadenlos bis aufs Letzte abziehen. Bei einem nur 3 Jahre alten VW Golf VII war keine Inspektion unter 1500 Euro! Bereits bei einem 3 Jahre alten Auto wollte der VW… Mehr

Paul Pimmel - der Herr des Kosmos
4 Jahre her

Diese Studie ist blühender Unsinn. 1. – Sie geht davon aus, dass die „Umstellung auf E-Mobilität“ erfolgreich sein würde. Dazu müsste erst einmal die Gretchen(!)frage nach der Energieversorgung beantwortet werden. Wenn immer wieder ein großer Teil der E-Fahrzeugflotte tagelang stillliegt, weil nicht genügend Strom zum Auftanken verfügbar ist (und bei gleichzeitigem Kohle- und Atomausstieg ist das unvermeidlich), werden die Leute mit Sicherheit KEINE weiteren Emobile kaufen. 2. – Sie geht ferner davon aus, dass sich E-Autos dauerhaft etablieren werden, ohne zu berücksichtigen, dass von DUH & Co. bereits die neue Devise ausgegeben worden ist, auch das E-Auto zu bekämpfen: Diese… Mehr

horrex
4 Jahre her

GENAUSO ist es!
Ergänzung: Ich stelle mir gerade vor, woher die ARMDICKEN Kupferleitungen zu den „Tankstellen“ (und den Mietshaus-Parkplätzen) kommen sollen. Leitungen die a l l e s a m t erst noch zu installieren wären. Vom Zappelstrom in der Nacht und von der Grundlast ganz zu schweigen! –

Erwin Obermaier
4 Jahre her

40% Elektrofahrzeuge bis 2035? Das glauben doch die Leute vom Deloitte-Orakel selber nicht, oder doch? Nun gut, es könnte ja ein Wunder geschehen und wir bekommen eine technische Revolution auf dem Batteriesektor ähnlich dem der Dampfmaschine, dem Verbrennungsmotor oder dem Transistor. Wenn Elektrofahrzeuge 1000 km Reichweite haben, im Winter bei Heizung und allen Verbrauchern an, und sich in sagen wir mal 15 Minuten „auftanken“ lassen, dann könnte das schon klappen, falls es Leute gibt, die sich die Dinger überhaupt noch leisten können. Meiner Meinung nach ist die ganze Automobilkrise von den Klimahysterikern in der Regierung hausgemacht. Ohne dirigistische Eingriffe seitens… Mehr

privilegierter Erpel
4 Jahre her
Antworten an  Erwin Obermaier

2035 werden keine Verbrenner als Neufahrzeuge mehr verkauft werden, da wird der Marktanteil für E-Fahrzeuge bei den Neufahrzeugen nahe 100% sein. Das ist ein evolutionärer Prozess und nicht auf Deutschland beschränkt, das ist weltweit. Autoverbrennungsmotoren sind in ihrer Entwicklung am Ende angekommen, da kommt nichts mehr; weder in der Leistung noch im Verbrauch ist noch großes Potential für Verbesserungen gegeben. Bei Elektroautos dagegen ist noch massig Verbesserungspotential gegeben, vor allem bei den Batterien. Schauen Sie sich alleine den Renault Zoe an, seit 2013 auf dem Markt und meistverkauftes Elektroautos in Deutschland: 2013 kam er mit 22kWh-Batterie raus, 2017 mit 41kWh… Mehr

Erwin Obermaier
4 Jahre her
Antworten an  privilegierter Erpel

Den ZOE bin ich schon Probe gefahren (2016). Es konnte (wollte?) mir aber keiner sagen, was bei -10°C und alle Verbraucher an von der Reichweite noch übrig bleibt. Wahrscheinlich deutlich unter 100 km.
Das Verbesserungspotential der Batterie ist leider bescheiden. Das hängt nun mal an der Physik bzw. an der elektrischen Spannungsreihe und die läßt sich nicht per Gesetz ändern.
Da ist schon eine technische Revolution in der Stromspeicherung notwendig. Ob und wann die kommt kann aber keiner sagen. Daher ist das Agieren der Regierung: „Setzt euch schon mal, die Stühle kommen gleich“.

StefanH
4 Jahre her
Antworten an  privilegierter Erpel

Jo, das zeigen Sie mir mal hier, da fahren Sie auf ihre Estancia zum Arbeiten raus und dann können Sie mit Ihren paar Solarzellen zwei Wochen lang die Batterie von Ihrem Pick-up laden, um überhaupt erst wieder in die Stadt zu kommen. Bodenloser Schwachsinn.

ioeides
4 Jahre her

Noch mehr Denkfehler bzw. Fehleinschätzungen: 1. Die Geschäftsrückgänge werden den Kreis derjenigen, die finanziell überhaupt in der Lage sind, die sogenannten Zukunftstechnologien zu nutzen, erheblich verringern. 2. Das wird durch die bereits begonnene Rezession, drohenden Euro- und EU-Crash und durch die infolge staatlichen Geldmangels schrumpfenden Sozialkassen zu erwartenden Verteilungskämpfen zwischen armen Einheimischen und fordernden Zuwanderern noch zusätzlich verschärft werden. 3. Elektromobilität kann in Deutschland nicht statttfinden, da die staatlichen Planungen eine Verringerung der eigenen Stromerzeugung vorgeben. 4. Solche Studien geben tendenziell immer das wieder, was die zahlenden Auftraggeber lesen wollen, damit sie weiter Geld bekommen. Die reale Entwicklung haben sie… Mehr

fatherted
4 Jahre her

Drei Denkfehler im Artikel….erstens….fast keiner kauft Elektro-Autos (egal ob USA oder Deutschland)….zweitens….alternativen wie Car Sharing sind schon seit Jahren in der Stagnation bzw. im Rückgang begriffen….fast keiner nutzt die Angebote….drittens….sogenannten Zukunftstechnologien wie autonomes Fahren sind Totgeburten. Abgesehen von der technischen Machbarkeit….wer will schon autonom mit 80 über die Autobahn zuckeln….im Verbund mit einem vor wegfahrenden LKW? Noch nicht mal in den USA (dem Land der auto fahrenden Bequemlichkeit) findet so was viele Fans. Würde sich die Autobranche nicht von Gretas und Co. beeinflussen lassen, das 3 Liter Auto entwickeln, den Hybrid vorantreiben, LPG Antriebe als Alternativen anbieten….ginge es ihr auch… Mehr

Fred Schneider
4 Jahre her
Antworten an  fatherted

Stimme Ihnen uneingeschränkt zu. Der Blick in die Zukunft ist immer auch verbunden mit einem Blick in die Glaskugel.