Das triste Ende des Autojahres 2021

So hoffnungsvoll die Autoindustrie in das Jahr 2021 gestartet war, so bedrückend geht es weltweit jetzt zu Ende. Mit einer gewichtigen Ausnahme.

IMAGO / Elmar Gubisch
Produktion der Mercedes G Klasse im November 2021

An der Lage der Weltautoindustrie hat sich – mit Ausnahme in China – gegenüber den Vormonaten nichts geändert: Chipmangel, Unterbrechung von Lieferketten und zuletzt zusätzlich wieder Omikron als Corona-Variante und erneuter Lockdown in vielen Ländern haben auch gegen Jahresende 2021 Industrie wie Märkte fest im Griff. Im Gegenteil: der rasante Siegeszug der Omikron-Viren in allen westlichen Ländern, insbesondere in jenen, die zu früh den freedom day verkündet haben (England, Dänemark, Niederland etc.) stürzt zuvor für sicher gehaltenen Erkenntnisse der Wissenschaft über den weiteren Verlauf der Pandemie, insbesondere deren Ende, erneut heftig in Zweifel. Lockdown oder nur Lockdönschen: das ist hier die Frage! Man wird sehen.

Produktions-und zwangsläufig eintretende Absatz- und Exporteinbrüche sind  weltweit weiter an der automobilen Tagesordnung; lediglich China ist seit einigen Monaten auf dem Weg zu früherem Wachstum. 

Die Schlagzeilen über die Autobranche sprechen Bände (entnommen aus der Automobilwoche):

Alles in allem, für die Automobilindustrie „… wird (es)ein Weihnachten der Enttäuschungen“ (Burkhardt Riering, Automobilwoche). Im Vergleich zum Jahresanfang hat sich die Halbleiter-Mangelwirtschaft nicht gebessert, ist die Chipkrise mitnichten vom Tisch, ist ein Ende nicht Sicht. Viele Autohändler, vor allem kleinere, können ihre Kunden nicht bedienen, haben noch nicht mal mehr gute Gebrauchtwagen im Angebot. Die Händlerläger sind leer, statt der gewohnten Rabatte sind die Kunden mit einem Anstieg der Neu- und Gebrauchtwagenpreise auf breiter Front konfrontiert. – So etwas hatte es lange Jahre nicht gegeben…noch ein Wunder!

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So hoffnungsvoll die Autoindustrie in das Jahr 2021 gestartet ist, so bedrückend geht es also zu Ende. Allenthalben Kurzarbeit und Stillstand, wegen der Halbleiter-Engpässe stehen viele Bänder still. Die deutsche Autoproduktion hat sich seit 2017 halbiert. In Deutschland wurden seit der Ölkrise von 1974 nicht mehr so wenige Autos produziert wie im laufenden Jahr, so das Ergebnis einer aktuellen Studie (CAR Institut).

Am meisten leiden die Autozulieferer, sie sind in einer Sandwichposition. Einerseits können sie ihre Komponenten nicht zu Ende bauen, weil ihnen wichtige Teile fehlen, so dass sie ihre Kunden nicht ordnungsgemäß beliefern können und keine Einnahmen haben.  Andererseits haben sie hohe Vorleistungs-Investitionen für die Transformation hin zur Elektromobilität getätigt, für die jetzt kein Geld in die Kasse kommt¸ und die sich möglicherweise auch langfristig überhaupt nicht rechnen werden. Das Gerede von synthetischen Treibstoffen wird in den  Medien lauter.

Vor allem kleinere Zulieferer werden vom politisch gewollten Wandel bei der Antriebstechnik voll getroffen. Vielfach war es nach Meldung der Automobilwoche bisher die staatliche Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, die viele am Leben gehalten hat. Diese Regelung soll im April 2022 enden, dürfte von der Ampel aber verlängert werden, so wie auch die Zahlung der Kaufprämien für Elektroautos inzwischen um ein weiteres Jahr bis Ende 2022 verlängert wurde. 

Dennoch: Der Produktionsstandort Deutschland geht – auch im Vergleich zu anderen Ländern – nicht als Verlierer aus dem Jahr hervor. Die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik hat sich als effizient und wirkungsvoll erwiesen, die innerbetriebliche Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitung und Belegschaften, die schon mal 2009 auf eine harte Probe gestellt wurde, ist noch enger und vertrauensvoller geworden – sieht man einmal von Volkswagen ab. Das Interesse ausländischer Investoren an deutschen mittelständischen Unternehmen hat deutlich zugenommen – kein Zeichen mangender Qualität.  

Lage im Dezember 2021 (Quelle:VDA)

Der erhoffte  Jahresendspurt auf internationalen Automobilmärkten blieb aus: Europa, USA und Japan erneut mit zweistelligem Minus , Versorgungskrise auch in Brasilien und Indien. Lediglich China verzeichnet einen moderaten Anstieg.

In Summe haben die internationalen Automobilmärkte im November 2021 erneut erhebliche Verkaufsrückgänge hinnehmen müssen. Insbesondere der Mangel an Halbleitern behinderte weltweit Produktion und Lieferketten der Automobilindustrie (Schaubild 1) Knappheiten bei weiteren Vorprodukten und Rohstoffen sowie steigende Preise für Energie und Logistik machten den Herstellern in der gesamten Wertschöpfungskette weiterhin sehr zu schaffen.

Besonders die deutschen Autohersteller waren von dem Mangel an Zulieferteilen, die zum größten Teil – auch aus eigenen Fabriken – aus Asien importiert werden müssen, stark betroffen.

Dementsprechend konnte auch im November weltweit die Märkte nicht wie gewohnt voll beliefert werden. Sowohl der europäische als auch der japanische und der US-Markt mussten zweistellige Rückgänge verkraften. In China nahm der Pkw-Absatz zwar in den vergangenen Monaten wieder zu, lag aber immer noch einstellig unter Vorjahresniveau. 

Der Absatztrend blieb abwärts gerichtet:

Dass die Lieferkettenproblem inzwischen global sind zeigten sich inzwischen auch  in Indien und Brasilien in Form von  zweistelligen Absatz-Rückgängen im Vergleich zum Vorjahresmonat.

  • Der europäische Pkw-Markt (EU27, EFTA & UK) wies im November bereits den fünften zweistelligen Rückgang in Folge auf.  Mit 864.200  Neuzulassungen lag der Markt um 17 Prozent unter dem Vorjahresniveau sogar 30 Prozent unter dem vergleichbaren Niveau  2019. Wegen der Erholung im Frühjahr konnte der europäische Markt bis November mit 10,8 Mio. Pkw einen Mini-Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von 1 Prozent verzeichen.
  • Vier der fünf großen europäischen Einzelmärkte mussten auch im November hohe Einbrüche hinnehmen, am stärksten Deutschland und Italien (-32 bzw. -25 Prozent), Spanien mit -12 Prozent. Der französische Markt erwies sich im Vergleich dazu als relativ robust (-3 Prozent). 
  • Im Vereinigten Königreich konnte aufgrund des Lockdowns im Vorjahr und der jetzigen Lockerung ein kleines Plus erreicht werden (+2 Prozent). 
  • In den USA lag der Verkauf von Light-Vehicles (Pkw und Light Trucks) im November mit 1,0 Mio. Neufahrzeugen lum 16 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. In den Monaten Januar bis November wurden in den USA 13,7 Mio. Fahrzeuge verkauft (+7 Prozent). Das Light-Truck-Segment (+9 Prozent) entwickelte sich dabei weiter erheblich dynamischer als das Pkw-Segment (+1 Prozent), welches nur noch knapp oberhalb des ohnehin schon schwachen Vorjahresniveaus lag.
  • Die Pkw-Verkäufe in China nahmen weiter zu lagen aber mit 2,2 Millionen Neufahrzeugen im November immer noch um -5 Prozent unter Vorjahrsniveau, mit weiter leicht abnehmender Tendenz. Seit Jahresanfang wurden in China 18,7 Mio. Pkw verkauft, 7 Prozent mehr als in den ersten elf Monaten des Vorjahres.
  • In Japan ist der Absatz von fabrikneuen Pkw zum fünften Mal in Folge zurückgegangen. Mit 292.000 Einheiten reduzierten sich die Verkäufe um rund 13 Prozent. Im Jahresverlauf verzeichnete der japanische Markt mit 3,4 Mio. abgesetzten Pkw den schwächsten Wert seit dem Vergleichszeitraum aus dem Jahr 2011 und befindet sich aufgrund der rezessiven Entwicklung nun bereits relativ deutlich unter dem Vorjahresniveau (-3 Prozent).
Ausblick

Der Branchenreport des Vormonats endete mit der Aussage: „Eine rasche Besserung der Lieferschwierigkeiten bei Speicherchips ist nicht in Sicht. Produktion- und Beschäftigung, Absatz und Neuzulassungen bleiben angespannt, Lieferzeiten für Neuwagen nehmen weiter zu. Ein Quantum Trost spendet allein die Erkenntnis, dass das Automobil als Mobilitätsgarant in der Käufergunst einen neuen Stellenwert erklommen hat.“

An dieser Einschätzung hat sich nichts geändert. Fehlende Mikroprozessoren haben in diesem Jahr nicht nur der Automobilindustrie heftig zugesetzt.  2021 werden fast 15 Millionen Neuwagen wegen Materialmangels nicht gebaut – wobei fehlende Genehmigungen für Fabrikneubauten wie bei Tesla in Grünheide nicht die entscheidende Rolle spielen.  Für 2022 erwarten Experten noch keine echte Trendwende. Schlimmer noch, der Mangel staut sich auf, parallel zur Nachfrage nach Endprodukten, in diesem Falle nach Autos , aber auch nach Smartphones, Computern, WLAN-Routern, medizinischen Geräten, Spielzeug und, und , und. Zumal diese Produkte bei jedem neuen Lockdown verstärkt nachgefragt werden – und damit in Konkurrenz zur Nachfrage der Autohersteller treten. 

Inzwischen sind neue Rohstoff-Sorgen hinzugekommen, z.B. Kobalt wird schon knapp, wird aber bei der Produktion von Batterien für Elektroautos gebraucht. Auch Seltene Erden fangen an, ihrem Namen gerecht zu werden.

Ein Ende des Chipmangels ist nicht abzusehen. Nach einer Studie von Goldmann Sachs sind weltweit 169 Branchen davon in Mitleidenschaft gezogen. Auch die chinesische Usance, beim Auftreten eines Corona-Falls die ganze Fabrik zu schließen, erhöht nicht die Versorgungssicherheit. Lässt stattdessen aber bei der amerikanischen und europäischen Industrie den Wunsche nach Rückverlagerung oder Neuaufbau der Produktion von strategisch wichtigen Teilen wachsen. – Insofern hat die aktuelle Versorgerungskrise langfristige Auswirkungen auf die internationale Arbeitsteilung. 

Damit nicht genug, ist die Produktion von Halbleiter, sog. Fabs, als Ausgangsmaterial für Speicherchips, sehr enrgieintensiv. Störungen in der Stromversorgung, wie sie mit dem Ausstieg aus der Kohle aus Umweltgründen zu befürchten sind, sind in China bereits an der Tagesordnung, gerät die Produktion von Chips oder Aluminium unter Druck. Witterungskatastrophen wie im Februar 2021 kamen hinzu, als Chiphersteller wie Samsung, NXP und Infineon den Betrieb in Austin, Texas, stoppen mussten, nachdem bei  heftigen Schneestürmen die Stromversorgung ausgefallen war und  die Halbleiter-Fabriken, die sogenannten Fabs, nicht mehr kontrolliert runtergefahren werden konnten. Dadurch wurden nicht nur die Produktionsanlagen beschädigt, sondern auch Komponenten der Infrastruktur der Werke.

Die automobile Geschäftsentwicklung in 2022 ist also alles andere als absehbar. Bleiben weltpolitische Krisen aus, so dürfte die zweite Jahreshälfte 2022 unter besseren Vorzeichen stehen als gegenwärtig.

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Kommentare ( 8 )

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giesemann
2 Jahre her

Eine weit bessere Brennstoffzelle läuft mit Hydrazin, https://de.wikipedia.org/wiki/Hydrazin-Brennstoffzelle Hydrazin? Das ist N2H4 – machsu aus Stickstoff aus der Luft – dort zu 79% enthalten – und Zappelstrom-Wasserstoff. Die Raketenfritzen nehmen das her für ihre Flüche ins All. Gruß von Wernher v. Braun. Jedoch unübertroffen: Schade, dass es noch keine Box gibt namens „Dr. Giesemanns, zwo, drei vier, Sprit-in-Strom-Box Klimazier“, läuft mit jedem Sprit, egal ob Diesel, Benzin, Kerosin. Das ist die Giesemanndirektbrennstoffzelle, patent pending. Aber mit Methanol, DAS gibt es schon lange: Du füllst das Methanol in den Tank, und schon macht die Box el. Strom aus dem Methanol und… Mehr

giesemann
2 Jahre her

Ach was, wir fahren elektrisch mit Methanol, ganz ohne Akku, https://de.wikipedia.org/wiki/Direktmethanolbrennstoffzelle
Methanol machen wir aus CO2 und Zappelstrom-Wasserstoff. Koste es, was es wolle. Mein Taxi-Unternehmen heißt deshalb: „Wo du wolle“.

Contra Merkl
2 Jahre her

Das Problem mit den mangelnden Chips hat sich die Automobilindustrie selber eingebrockt. Die dachten das sie mit den Herstellern genau so wie mit den anderen Zulieferern umspringen können. Die haben ihre Produktion aber einfach umstellen können und verkaufen ihre Chips an Computer und Unterhaltungsindustrie und die Automobilindustrie können sich jetzt hinten anstellen.
Ich weiß aus sicheren Kreisen das die Autos die unvollständig hergestellt wurden und irgendwo geparkt wurden, jetzt die elektronischen Komponenten wieder ausgebaut bekommen und werden im Schrott weggepresst. Die Einkäufer haben hoch gepokert und sich verzockt. So sieht die Realität aus.

Jerry
2 Jahre her

Nicht vergessen: Ungeimpfte dürfen keine Autos kaufen! Ich habe ein Autohaus aufgesucht, da hing das große 2G Schild am Eingang. Daraufhin habe ich ein Kontaktformular auf der Webseite des Händlers ausgefüllt und um Rückruf gebeten. Passiert ist? Nix!!! Kann also so schlimm nicht sein…

Berlindiesel
2 Jahre her

Der Mangel an Halbleitern ist kein Problem „gestörter Lieferketten“, was inzwischen sogar in der Mainstream-Presse nicht mehr bestritten wird, sondern die Folge einer leichtfertigen und nicht an Effizienz und Produktivität, sondern kurzfristigen Gewinnen ausgerichteten Desinvestiontionspolitik der deutschen Wirtschaft. Da die Automobilindustrie eine der letzten großen Produktionsbranchen in Deutschland ist, ist dies dort besonders virulent. Gäbe es hierzulande noch große Computerfertiger, hätten sie – setzten sie nur auf asiatische Zulieferer – das gleiche Problem. Auch bei Miele stehen übrigens seit Herbst die Bänder still, dort werden Waschmaschinen gebaut.   Die Industrie hat dem Treiben der EU-Eliten gegen das Auto als Massenverkehrsmittel… Mehr

J. Braun
2 Jahre her
Antworten an  Berlindiesel

Sie haben noch ein Wort in ihrem ach so wahren Text vergessen: Arroganz! Jahrzehntelang wurden uns immer teurere und immer anfälligere Autos verkauft, weil es ganz nicht anders ging, die Karren, die aus den ach so tollen Fabriken kamen, mußte man ja recht schnell austauschen, weil sonst Wartung und Reparatur zu teuer wurden. Und jetzt will man uns batteriegetriebene Spielzeugautos mich weniger Technik, aber einer in spätestens 4 Jahren auszutauschenden Batterie aufschwätzen. Da braucht sich doch keiner zu wundern, daß den Kunden die Lust vergeht, mitzuspielen. Nein, so gut, wie immer getan wird, sind die deutschen Autos längst nicht mehr… Mehr

justlooking
2 Jahre her

Hier rächt es sich nun, daß die Halbleiterei hier in Deutschland seit Jahr und Tag einen schweren Stand hatte. Neue Fabs wurden nur sehr spärlich gebaut und mussten dazu mit Milliarden-Subventionen gestützt werden, siehe Silicon Saxony. Bestehende Fabs ließ man einfach kaputtgehen, anstatt sie zu modernisieren. Immerhin hat Bosch in Dresden gerade seine neue fab eingeweiht – bis die jedoch „automotive grade“ im Volumen produzieren kann, wird auch einige Zeit vergehen, und noch mehr zeit bis die dort hergestellten Teile eindesignt sind und der europäischen Autoindustrie helfen.. Alles hat man TSMC überlassen und stehen alle dort in der Schlange hinter… Mehr

badmoon
2 Jahre her

Sonst alles 5 Jahre einen Neuwagen gekauft, zwischendurch versorgte mich der Arbeitgeber auch mit einem neuen Dienstwagen. Nun in Rente, werde ich meine alten Schätze weiter fahren Einer fast ohne Elektronik, der andere mit etwas mehr. Ein digitales Tacho mit Tablet kommt mir nicht in die Garage.