Corona-Rezession wirksam bekämpfen

Schnelle, aber zielgenaue Sofortmaßnahmen verlangen führende Ökonomen von der Bundesregierung. Die EZB weitet Anleihekäufe um 120 Milliarden Euro aus.

Die Weltbörsen, die ein Jahrzehnt lang in Zeiten der Niedrig- und Negativzinsen nur eine Tendenz kannten: Aufwärts!, reagieren seit zehnTagen auf die Corona-Realität mit einem gewaltigen Kurssturz. Die Pandemie, die jetzt auch offiziell von der WHO ausgerufen ist, hinterlässt erkennbar immer brutalere Spuren in der Realwirtschaft. Internationale Lieferketten werden unterbrochen, wie gestern bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin führende Ökonomen Deutschlands – darunter der Keynesianer Peter Bofinger, aber auch ifo-Präsident Clemens Fuest – darlegten.

Vorprodukte aus China, die auf dem sechs Wochen langen Seeweg jetzt in Deutschland ankommen, wurden noch verschifft, ehe China durch das Corona-Virus in weiten Teilen lahmgelegt wurde. Deshalb wird sich der Nachschubmangel der deutschen Wirtschaft erst in den nächsten Wochen gravierender auswirken. Der Ausfall Italiens, das sich faktisch im Katastrophenmodus befindet, wird die deutsche Wirtschaft ebenfalls zunehmend treffen. Welche wirtschaftlichen Folgen darüberhinaus die heute Nacht von Donald Trump verfügte 30-tägige Einreisesperre für Europäer aus dem Schengen-Raum in die USA hat, ist noch nicht absehbar.

Was die Ökonomen von der Bundesregierung fordern, ist durchaus stringent. Weil sie zumindest kurzfristig eine Rezession erwarten, fordern sie vor allem Liquiditätshilfen in Form von Bürgschaften der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), aber auch großzügige Steuerstundungen für Betriebe, die durch den kombinierten Angebots- und Nachfrageschock massive Umsatzeinbrüche verzeichnen, deren Kosten aber weiterlaufen. Die Ökonomen begrüßen zwar durch die Bank die vorgesehene großzügige Regelung beim Kurzarbeitergeld, die von der Bundesregierung bereits verabredet ist, mit der die Betriebe bei den Personalkosten entlastet werden, halten diese Maßnahme aber für unzureichend. Gleichzeitig warnen sie aber auch davor, die Instrumente zur kurzfristigen Entlastung dauerhaft einzuführen, sondern mit einer zeitlichen Befristung zu versehen, damit nicht teure Dauersubventionstatbestände geschaffen werden.

Um die Banken, deren Eigenkapitalausstattung nach der Finanzkrise durch staatliche Regulierung aufgestockt wurde, nicht mit den zunehmenden Kreditausfallrisiken allein zu lassen, plädieren die Ökonomen auch für eine vorübergehende Absenkung der Eigenkapitalanforderungen. Eine kurzfristige realwirtschaftliche Rezession soll nicht in einer Bankenkrise münden. Alle Ökonomen sind sich einig, dass der ausgeglichene Bundeshaushalt, die „schwarze Null“ aufgegeben werden muss. Die gehörte bisher vor allem zum Markenkern der Union. Doch die Bundeskanzlerin hat sie gestern bei ihrer Corona-Pressekonferenz ohnehin bereits zur Disposition gestellt.

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, die für den Bund sogar in Normalzeiten eine Neuverschuldung von 0,35 Prozent des BIP erlaubt (das wären derzeit rund 12 Milliarden Euro im Jahr), stellten die Ökonomen bei ihrer gestrigen Pressekonferenz dagegen nicht in Frage. Im übrigen gilt nach Art. 115 Abs. 2 Grundgesetz auch folgende Ausnahmeregelung für Notsituationen: „Im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, können diese Kreditobergrenzen auf Grund eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages überschritten werden. Der Beschluss ist mit einem Tilgungsplan zu verbinden.“ Im Klartext: Der Bundestag könnte, falls die 0,35 Prozent-Kreditobergrenze überschritten wird, mit absoluter Mehrheit in der Corona-Krise auch höhere Schulden beschließen, müsste für diese Ausnahmekredite aber einen konkreten Tilgungsplan verabschieden.

Interessanterweise greifen die Ökonomen auch einen Vorschlag auf, den die Sozialdemokraten beim letzten Koalitionsausschuss am Sonntag gegen die Union nicht durchsetzen konnten. Sie regen an, als vertrauensbildende Maßnahme die für das kommende Jahr beschlossene Absenkung des Solidaritätszuschlags auf 1. Juli dieses Jahres vorzuziehen. Das Signal soll die Konsumlaune der Bürger erhöhen, weil ihnen dann sofort etwas mehr Geld im Portemonnaie verbleibt. Teure Konjunkturprogramme lehnen die Ökonomen dagegen zu Recht ab. Denn deren Wirkung würde verpuffen, weil einer Kombination aus einem Angebots- und Nachfrageschock nicht mit staatlichen Konjunkturprogrammen begegnet werden kann.

Zur gestrigen Forderung führender deutscher Ökonomen passt auch die Entscheidung, die heute von der EZB getroffen wurde. Eine weitere Leitzinssenkung unterbleibt zu Recht. Dafür will die Notenbank ihr Kreditprogramm für Geschäftsbanken aufstocken und deren Konditionen verbessern. Außerdem wird das bestehende monatliche Anleihekauf-Programm für die restlichen neun Monate dieses Jahres von 180 auf insgesamt 300 Milliarden Euro aufgestockt.

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Kommentare ( 23 )

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Lore Kokos
4 Jahre her

Warum?

Die Wirtschaft wird seit vielen Jahren mit billigem Geld versorgt, die Immobilienbesitzer dürfen sich über den von Niedrigzinsen getriebenen Boom freuen, Normalverdiener fliegen mal eben nach New York zum Kurzurlaub und wir können uns „Wir schaffen das!“ leisten, ohne Schulden aufnehmen zu müssen. Warum müssen die Steuerzahler jetzt sofort bereitstehen und die Profiteure dieser Entwickung unterstützen, während kein Mensch sich um ihre Sparguthaben, Kapitallebensversicherungen und andere Formen der Sicherung kümmert?

Fulbert
4 Jahre her

Wie waere es mit einem Beitrag zu „Massenhysterien wirksam bekämpfen“? Sind Rezessionen und Börseneinbrueche bei jeder Erkältungswelle die neue Realität? Aber vielleicht kommt die selbstgemachte Krise einigen Regierungen ja ganz gelegen.

D. Ilbert
4 Jahre her

Wie kann man etwas bekämpfen, das eigentlich gar nicht existent ist? Die Bedrohung lebt doch nur durch die Imagination, hervor gerufen durch sensationsgeile Medienkonsumenten und eine auf deren Befriedigung ausgerichtete Berichterstattung. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Nach 3 Monaten weltweit ca. 100.000 nachweislich Infizierte bringen die Weltwirtschaft zum Erliegen? Das kann ich noch nicht mal als schlechten Witz auffassen – das ist einfach nur Irrsinn. „Die Medien“ berufen sich auf ihre „Pflicht zur Berichterstattung“ und treiben durch die Panik, die sie unter den Abnehmern ihrer Nachrichten verursachen, die Politik und die Wirtschaft vor sich her. Sinnfreie und auch kontraproduktive… Mehr

Andreas aus Heidelberg
4 Jahre her

Diese „Ökonomen“ übersehen hier die eigentliche Ursache der kommenden Krise: das ungedeckte Geldsystem. Solange eine EZB beliebig Geld produzieren und planwirtschaftlich die Zinspolitik vorgeben darf wird es immer wieder Wirtschaftskrisen geben. Geld drucken erzeugt nunmal keinen realen Wert. Weg mit den Zentralbanken und her mit einem Gold- oder Silber-gedeckten Geldsystem. Dann können sich keine Blasen solchen Ausmaßes mehr bilden. Anders formuliert: Schuld an der Misere ist weder das Virus noch der Kapitalismus / die freie Marktwirtschaft. Schuld ist die Regierung, die ein ungedecktes Geldsystem erlaubt / unterstützt und damit auf lange Sicht die Bürger enteignet. Und noch mehr Geld drucken… Mehr

WernerT
4 Jahre her

Ehrlich gesagt geht mir das Rumgeeiere unserer „Führungskräfte“ und das Vorschieben von Föderalismus auf den PK ziemlich auf den Keks. Aus meiner Sicht haben die noch gar nicht richtig begriffen was demnächst in D los ist, wenn es soviele Fälle wie in Italien etc. gibt und das Personal dafür fehlt wenn Verbraucherpanik ausbricht (Hamsterkäufe) wenn komplette Firmen wegen Virus schließen müssen wenn die Heim-Quarantäne (zig- oder hunderttausende) überwacht werden muß wenn die Lieferketten brechen weil nix mehr aus China kommt, Italien brach liegt und genau das „Kreise zieht“…. und geliefert werden kann auch nix. wenn kein Geld mehr fließt und… Mehr

WGroeer
4 Jahre her
Antworten an  WernerT

Endlich mal ein paar positive Informationen in der Presse:
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-03/sars-cov-2-ausbruch-suedkorea-taiwan-japan-singapur-strategie

Der Blick auf Deutschland ist gruselig:
– Mundschutz (-)
– Desinfektion (-)
– Temperaturmessung (-)
– Schutzkleidung für Klinikpersonal (-)
– Abgrenzung Infektionsherde (-)
– Handlungsfähigkeit, Lernfähigkeit (-)
– Behinderung durch Datenschutz (+)
– Flügelschau (+)

Die Entwicklung der Fallzahlen mit erprobten Maßnahmen läßt sich abschätzen. Für D wird es spannend!

WernerT
4 Jahre her
Antworten an  WGroeer

„spannend“ find ich gut :-))
Hier ein interessanter Artikel zum Thema „Föderalismus und Pandemie“ mit guten Hintergrundinformationen:
verfassungsblog.de/coronavirus-und-reformbedarf-des-pandemierechts/

WGroeer
4 Jahre her
Antworten an  WernerT

Danke für den Link.
Beim Preußenschlag in Thüringen war der Föderalismus ein Vogelsch…
Bei der Pandemiebekämpfung dagegen ein mächtiger Schild, um Unfähigkeit zu verdecken.

WernerT
4 Jahre her
Antworten an  WGroeer

Polen ist auch ein föderalistischer Staat und die Regionalverwaltung hat viele eigenständige Möglichkeiten (Selbstverwaltung Woiwodschaft, Bürgermeister, Landkreise). Die Regierung zeigt aber jetzt (aktuell 84 Fälle) Führungsqualität: > Neues Gesetz zur Pandemiebekämpfung (mit dem Stimmen der Opposition angenommen !!!) ab Mitternacht: > Grenzen zu – nur polnische Staatsbürger und Ausländer mit Daueraufenthaltsgenehmigung (einziger Wohnsitz = Polen) werden durchgelassen > intern. Verkehr wird eingestellt (Flug, Bus, Zug) > es werden Charterflüge zur Heimholung aus dem Ausland organisiert > alle Heimkehrer müssen ab Mitternacht 14 Tage in Quarantäne > Schulen und Einkaufszentren, Bars, Discos, Kneipen etc. zu > Lieferdienste für Lebensmittel und Mahlzeiten… Mehr

jansobieski
4 Jahre her

Die „schwarze Null“ war bereits unter Schäuble ein Betrug, weil es eine „schwarze Null“ der 0-Zinspolitik mit Beraubung des Bürgers und nicht eine „schwarze Null“ klugen Wirtschaftens des Finanzministeriums war. Es wächst bereits eine Generation heran, die nicht mehr weiß, was (Positiv)- Zinsen und Zinseszinsen sind und wie man sich Ersparnisse ohne Aktien und Immobilienbesitz aufbauen kann.

John Sheridan
4 Jahre her

Die Frage bleibt, zu was Banken in heutiger Zeit noch nutzen, wenn Sie alle 10-20 Jahre durch Steuergelder „gerettet“ werden? Um dieser Nomenklatur (Regime) einzig und alleine den Zugriff auf Vermögen und Geldflüssen zu ermöglichen?! Es kommen interessante Zeiten auf uns alle zu.

CW
4 Jahre her

Ich habe hier bei TE schon am 05. Februar geschrieben: „Wenn man bedenkt, dass China und der weltweite Reise- und Güterverkehr vielleicht allmählich lahmgelegt werden….Ist das jetzt der Schwarze Schwan, der nicht nur zum Börsencrash führt sondern auch zu einer Wirtschaftskrise?“ Ich kann mich an alle Crashs seit 1987 erinnern, aber dieser Crash ist schon singulär und könnte massenhaft Firmenpleiten nach sich ziehen. Wetten, dass es zu diversen coronabedingten Regimewechseln kommen wird? Ich denke da zuerst an die Gerontotheokratien Iran und Vatikan. Und vielleicht auch bei uns? Außerdem wird sich einiges in der Weltwirtschaft längerfristig ändern, also Einschränkung des Luftverkehrs… Mehr

Maria Jolantos
4 Jahre her

Und die Kleinen lässt man hängen. Was ist mit dem landwirtschaftlichen Familienbetrieb, wenn der Bauern in Quarantäne muss, wer versorgt die Tiere, wer bestellt den Acker? Was macht der Zimmermeister, wenn er deshalb keine Vorortbegehungen machen kann, um Aufträge zu bekommen. Was nützen dem Metzgereigeschäft die Anleihenkäufe, wenn es selber nicht mehr verkaufen kann?

schukow
4 Jahre her

Heißt das, wir sollen nun wieder alle zusammenlegen, um denjenigen ihre Verluste zu ersetzen, welche die letzten 10 Jahre Vollgas gefahren sind, ohne sich um Risiken zu scheren? Nein, ich bin Kapitalist bis ins Mark, Scheitern gehört dazu. Wenn wir das wieder verhindern, müssen wir uns nicht wundern, wenn uns die Sozialisten den Hals umdrehen.