Die fundamentalen Probleme unserer Gesellschaft lassen sich zu einem großen Teil auf den Kollaps der Reproduktionsraten zurückführen. Diese sind Ausdruck einer Dysfunktionalität: Menschen verlieren das Vertrauen in die Zukunft.
picture alliance/dpa | Wolfram Steinberg
Der dramatische Rückgang der Geburtenraten ist längst kein exklusives Phänomen westlicher Gesellschaften mehr. Auch China, jahrzehntelang Inbegriff demografischer Dynamik, befindet sich seit rund einem Jahr in einem offenen Schrumpfungsprozess.
Die Folgen sind überall dort sichtbar, wo politische und soziale Systeme auf stetig wachsende Populationen bei zugleich steigender wirtschaftlicher Produktivität zugeschnitten wurden.
Die deutsche Gesellschaft etwa steht erstmals in ihrem Umlageverfahren der Rentenversorgung ebenso wie bei der medizinischen Versorgung einer rapide alternden Bevölkerung vor harten Verteilungskonflikten und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Das demografische Fundament, auf dem der Sozialstaat errichtet wurde, beginnt zu bröckeln. Mit seiner beispiellos naiven Zuwanderungspolitik betreibt die politische Kaste eine Art Dynamo, der diese Entwicklung nur beschleunigt.
Über die Ursachen dieses Bevölkerungsrückgangs wurde viel spekuliert. Ein berechtigter Einwand verweist auf die Einführung der Antibaby-Pille als Ausdruck weiblicher Emanzipation – eine medizinisch-wissenschaftliche Intervention in die Reproduktionsrate, die den Gesellschaften des 20. Jahrhunderts einen massiven, bis heute nachwirkenden Schock versetzte.
Der ewige Griff in die politische Mottenkiste
Um diesen Tendenzen entgegenzuwirken, entwickelte die moderne Politik ein ganzes Arsenal monetärer Anreize: Kindergeld, steuerliche Förderung der Eheschließung, das Ehegattensplitting, flankiert von einem ganzen Blumenstrauß staatlicher Incentives. Doch all diese Maßnahmen verpufften weitgehend wirkungslos. Die Geburtenzahlen ließen sich damit nicht nachhaltig stabilisieren, geschweige denn erhöhen.

Eine kleine Anekdote am Rande illustriert, wie sehr sich Geschichte wiederholt – zumindest insofern, als Gesellschaften in demografischen Krisen stets auf die gleichen Reaktionsmuster zurückgreifen. Zur Zeit des römischen Kaisers Augustus reagierte dieser auf den Rückgang der italischen Kernbevölkerung mit einer Mischung aus monetären Anreizen für junge Eltern und drakonischen steuerlichen Strafmaßnahmen für kinderlose Mitglieder der Senatorenschicht. Beides blieb ohne nennenswerten Effekt.
Es ist bemerkenswert – und zugleich ernüchternd –, mit welcher Beharrlichkeit Menschen und politische Systeme gescheiterte Optionen immer wieder manisch reproduzieren. Selbst dann, wenn ihr Scheitern historisch belegt und empirisch offenkundig ist.
Das chinesische Beispiel wirkt dabei beinahe urkomisch. Während der Phase der Bevölkerungsexplosion im Reich der Mitte herrschte eine strikte, hart sanktionierte Ein-Kind-Politik. Die Bevölkerung wuchs dennoch – und mit dem nun sichtbaren Kollaps der Reproduktionsraten folgt die chinesische Führung heute dem Modell westlicher Demokratien. Man wirbt mit Kindergeld, während sich die Kindergärten im Land sichtbar leeren.
China wird in den kommenden 30 Jahren aller Voraussicht nach etwa 20 Prozent seiner Bevölkerung einbüßen.
Das wird Folgen für die Weltökonomie haben, daran besteht kein Zweifel. Gesellschaften reagieren reflexhaft auf solche Entwicklungen. China reagiert mit einer aggressiven Subventionierung seines Exportmotors auf diese innenpolitischen Verwerfungen, die sich ökonomisch vor allem in deflatorischen Prozessen niederschlagen.
Demografie, Intervention und der Verlust des Generationenbandes
Die Neujustierung einer Volkswirtschaft auf eine schrumpfende Bevölkerung fällt umso schwerer, je größer der Interventionsgrad der Politik ausfällt. Genau darin liegt ein zentrales Problem – nicht nur für China, sondern auch für Deutschland und Europa insgesamt.
Im globalen Maßstab betrachtet dürfte bereits in etwa zehn Jahren das Bevölkerungsmaximum erreicht sein, bei rund 9,7 Milliarden Menschen. Derzeit leben etwa 8,2 Milliarden Menschen auf dem Planeten. Regionen wie China und Europa befinden sich bereits in einer demografischen Abwärtsspirale, während Indien und große Teile Afrikas weiterhin dynamisch wachsen.
Es ist diese Ungleichzeitigkeit, die einen erheblichen Wanderungsdruck auf Regionen wie Europa ausübt – und die zu kulturell folgenschweren Fehlschlüssen führt, etwa zu den von der Europäischen Union und anderen Organisationen geplanten Umsiedlungen Millionen Kulturfremder auf den alten Kontinent.
Die Umwidmung Deutschlands in eine Art Weltsozialamt hat eine demografische Sondersituation geschaffen. Ändert sich nichts an der Politik der offenen Grenzen, so dürfte die deutsche Bevölkerung in den kommenden Jahren sogar weiter wachsen. Ob dies ein Grund zur Freude ist, mag angesichts der Situation in der deutschen Gesellschaft jeder selbst entscheiden.

Doch was geschah hier tatsächlich? Der Wohlfahrtsstaat übertrug schrittweise die Verantwortung für die Absicherung des Alters vom Individuum und seiner Familie auf die Institution selbst. Früher wurde das eigene Alter durch Kinder abgesichert; heute übernimmt der Staat diese Aufgabe – finanziert aus den Beiträgen der noch Erwerbstätigen. Dadurch löst sich das generationsübergreifende Band zwischen Eltern und Kindern zunehmend auf, sowohl emotional als auch ökonomisch – eine Art kausaler Entkopplung.
Der emotionale Verlust der Bedeutung der Familie ist dabei kaum hoch genug einzuschätzen. Das Erfordernis einer großen Kinderschar ist verschwunden.
Der Fiatgeld-Schock
Wir stehen bei der Betrachtung demografischer Entwicklungen vor einer der komplexesten sozialen Strukturen überhaupt. Umso bemerkenswerter ist, wie konsequent ein zentraler Faktor bei der Analyse dieses Komplexes ausgeblendet wird, nämlich die monetäre Ordnung, unter der diese Entwicklungen stattfinden: das Ende des Goldstandards.
Mit der Schließung des sogenannten Goldfensters im Jahr 1971 beendete der amerikanische Präsident Richard Nixon die Konvertibilität des Dollars in ein fixes Goldäquivalent – ein Schritt, der den Übergang in die Ära des Fiat-Kreditgeldes markierte. Geld war fortan nicht mehr an reale Knappheit gebunden, sondern konnte politisch über Defizitpolitik manipuliert und im Kreditprozess in nie dagewesenem Ausmaß expandiert werden. Kredit wurde so zu Geld, Kreditprodukte wie Staatsanleihen formten das Fundament des globalen Geldsystems.
Diese Entkopplung hatte weitreichende Folgen.
Staaten unterwarfen sich ihre Notenbanken de facto und nutzten sie zur Finanzierung dauerhafter Defizite – eine Politik, die, wie wir heute in Deutschland beobachten können, ab einem bestimmten Punkt unkontrollierbar aus dem Ruder läuft. Es ist der Versuch, Kaufkraft der Zukunft in die Gegenwart zu ziehen, um sich fiskalisch und ökonomisch neue Spielräume zu eröffnen. Ein klassisches keynesianisches Manöver, das nichts als Schulden, Vermögensblasen und Inflation hinterlässt.
Die Konsequenzen dieser nahezu ungedeckten Kreditschöpfung, insbesondere im Bereich der Privatbanken, lassen sich an der Entwicklung der Vermögenspreise seit Beginn dieser Ära gut nachvollziehen. Immobilien wandelten sich von Konsumgütern zu Finanzinstrumenten, gewissermaßen zu Sparschweinen im Kampf gegen die systematische Entwertung des Geldes.
Heute scheint es für junge Familien nahezu ausgeschlossen, aus eigener Kraft ein Eigenheim zu erwerben, ohne sich massiv in Schulden zu stürzen. Mehrverdienerhaushalte sind zur Voraussetzung geworden. Der Fokus auf Kindererziehung ist dabei nicht nur im Zuge der Wellen des Feminismus gesellschaftlich entwertet worden, er ist für viele Menschen inzwischen auch ökonomisch nahezu ausgeschlossen.
In einer kreditgetriebenen Ökonomie wird Lebenszeit zur knappen Ressource. Zwei Einkommen sind erforderlich, um den Vermögensabstand zu Eigentümern und Erben aufholen zu können. Kinder geraten damit zwangsläufig in Konkurrenz zu Karriere, Einkommen und privater Altersvorsorge.
Es ist eine fatale Dysfunktionalität der sozialen Fabrik, deren Incentive-Struktur eigentlich darauf ausgerichtet sein müsste, zumindest jene Kinderzahl hervorzubringen, die notwendig ist, um eine Population stabil zu halten.
Die Rückkehr zu echtem Geld könnte der Schlüssel zu einer ökonomischen und gesellschaftlichen Wende sein, die auch der deutschen Gesellschaft am Schluss ihres Niedergangs, in dem sie sich ohne Zweifel befindet, offensteht.
Es wäre gleichzeitig das Ende des postmodernen Hyperstaats, der mit der Manipulation des Kredits tief in die ökonomischen Dispositionen der Individuen eingreift. Menschen würden mit echtem Geld angesichts des technologischen Fortschritts über eine gesunde Deflation durch Sparleistung Kaufkraft gewinnen. Diese übersetzt sich in Zeit. Zeit, die sie ihren Familien widmen und die sie angesichts der Stabilität monetärer Prozesse einfacher in die Zukunft projizieren können.




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Sehr lesenswert, vielen Dank dafür!