„Es gibt keinen Klimanotstand“

Marcel Crok ist Mitbegründer und Direktor der Climate Intelligence Foundation (Clintel), die übliche Narrative von der Klimakatastrophe kritisch hinterfragt. Er spricht über das Ringen zwischen Ideologie und Wissenschaft und darüber, wie Europa gesichtswahrend aus der Klimapanik aussteigen könnte.

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„Die Wissenschaft“ gilt heute vielfach als die Autorität schlechthin. Dabei handelt es sich jedoch zumeist gar nicht um Daten, Fakten und echte wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern um ein Konstrukt: Nur die politisch oder ideologisch erwünschten Fakten und Einordnungen werden als wissenschaftlich anerkannt. So entsteht der Eindruck einer eindeutigen, einheitlichen Lehrmeinung. Marcel Crok, Mitbegründer und Direktor der Climate Intelligence Foundation (Clintel), hat dies als Wissenschaftsjournalist am eigenen Leib erfahren müssen. Denn seine Recherchen passten nicht ins Klimanarrativ.

Tichys Einblick: Herr Crok, Sie sind Direktor und Mitbegründer der Clintel Foundation. Wie sind Sie dazu gekommen?

Marcel Crok: Ich schreibe seit Jahrzehnten über den Klimawandel, eigentlich über die Klimadebatte. Vor 20 Jahren schrieb ich einen Artikel über eine sehr wichtige Grafik in den IPCC-Berichten, die sogenannte Hockeystick-Kurve, die einen steilen globalen Temperaturanstieg behauptet. Ich kritisierte diese sehr wichtige Grafik und gewann in den Niederlanden für meinen Artikel zu dem Thema einen Journalistenpreis.

Ich erwartete, dass der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, sog. Weltklimarat, Anm.) und das KNMI (Königliches Niederländisches Meteorologisches Institut, Anm.), das niederländische Äquivalent zum Deutschen Wetterdienst, die Fehler, die sie in dieser Grafik gemacht hatten, anerkennen würden. Denn diese Grafik hatte großen Einfluss auf die Politik und wurde als Beleg herangezogen, um zu verdeutlichen, wie gefährlich die globale Erderwärmung sei. Und dann stellt sich diese Grafik einfach als falsch heraus. Und ich hatte die Exklusivmeldung. Ich war also der erste Journalist weltweit, der dies aufgedeckt hat. Den Beleg, dass die Grafik falsch war, hatte nicht ich erbracht; er kam von Wissenschaftlern aus Kanada. Aber ich hatte als Wissenschaftsjournalist meine Arbeit gemacht.

Aber die offiziellen Stellen haben nichts geändert. Und so kratzte ich mich am Kopf und dachte: Okay, was ist hier los? Ich meine, Wissenschaftler können Fehler machen, aber jetzt sind die Fehler aufgedeckt und man muss sie korrigieren. So funktioniert Wissenschaft. Ich war damals sehr naiv.

Sie glaubten also an die Integrität der Wissenschaft?

Ja. Und dann musste ich feststellen, dass es die nicht gibt. Ich denke, die meisten Wissenschaftler sind einfach sehr neugierig und suchen so weit wie möglich nach der Wahrheit. Das Klimasystem ist sehr komplex. Niemand weiß genau, wie es funktioniert und welche Einflüsse es gibt und so weiter. Aber man hofft, dass Wissenschaftler zumindest versuchen, das System zu verstehen, einfach aus Neugier und nicht aus politischen oder anderen Gründen.

Ich fragte mich, was mit anderen Behauptungen in der Klimadebatte ist, denn diese Grafik war ja nicht der einzige Diskussionsgegenstand. Also beschloss ich, meinen Job zu kündigen, und arbeitete zweieinhalb Jahre lang an einem Buch, in dem ich einfach alles niederschrieb, was ich in den ersten fünf Jahren meiner Vollzeit-Klimaforschung gelernt hatte.

So wurde ich zum bekanntesten „Klimaskeptiker“ in den Niederlanden. Und daraufhin wollten Zeitungen und Zeitschriften nicht mehr mit mir zusammenarbeiten. Mein Buch wurde gut aufgenommen. Aber sie sagten, nun ja, Sie haben eine bestimmte Sichtweise. Und deshalb können Sie nicht mehr für uns arbeiten. Also konnte ich als Journalist kein Geld mehr verdienen.

Also haben Sie andere Kanäle gefunden, um Ihre Ansichten zu verbreiten?

2019 traf ich einen Professor aus den Niederlanden, Guus Berkhout. Wir gründeten Clintel, um eine andere Sichtweise zum Klima zu präsentieren. Berkhout hatte die Idee, eine einseitige Zusammenfassung der Situation zu schreiben. Wir nennen das die Weltklimaerklärung. Der Titel lautet: Es gibt keinen Klimanotstand.

Mittlerweile haben wir 2.000 Unterzeichner, darunter zwei Nobelpreisträger. Wissenschaftler und Ingenieure, auch Ökonomen und Juristen. All diese Menschen mit Fachwissen in ihren Gebieten stimmen uns zu, dass es keinen Klimanotstand gibt. Dabei haben sie teilweise ganz unterschiedliche Meinungen zu dem Thema. Einige glauben, dass alles auf die Sonne zurückzuführen sei. Andere sagen, nein, vielleicht ist CO2 für die bisherige Erwärmung verantwortlich.

Einig sind wir uns darin, dass es keinen Klimanotstand gibt und dass es Wahnsinn ist, fossile Brennstoffe so schnell wie möglich abzuschaffen, weil dies große Auswirkungen auf die Gesellschaft, auf die Wirtschaft, auf die Menschen, auf das Geld, auf die Energiepreise und all diese Dinge hat.

Man muss also vorsichtig sein, dass die Medizin nicht schädlicher ist als die Krankheit. Wir meinen, dass zum Beispiel die Energiepolitik in Deutschland viel schädlicher ist als die „Krankheit“. Das ist kein Heilmittel: Man will ein Problem lösen, dass es in der Form, wie es beschrieben wird, nicht gibt, und schafft stattdessen echte Probleme für die Gesellschaft.

Nun hat sich an der Spitze der Stiftung ein Wechsel vollzogen. Václav Klaus wird neuer Präsident von Clintel. Er ist Politiker, war lange Jahre tschechischer Präsident. Warum fiel die Wahl auf ihn?

Guus Berkhout ist Wissenschaftler mit 400 Veröffentlichungen in seinem Fachgebiet. Wir haben daher lange nach einem Wissenschaftler gesucht, der seine Nachfolge antreten könnte.

Vor ein paar Monaten wurde mir bewusst, dass Václav Klaus auch Unterzeichner der Weltklimaerklärung ist. Er war von 2003 bis 2013 tschechischer Staatspräsident. Schon 2007 hielt er eine Rede vor den Vereinten Nationen. Erinnern Sie sich an die Rede, die Trump kürzlich gehalten hat, in der er die Klimapolitik vernichtend kritisiert hat? Nun, Klaus hat das bereits 2007 getan.

Für ihn, der Wirtschaftswissenschaftler ist, war es zunächst eher eine gesellschaftliche Perspektive, da er anfangs nur über wenig Wissen zu Klimafragen verfügte. Aber er hatte unter dem Kommunismus gelebt. Als die Klimapolitik aufkam, erkannte er sofort, worum es dabei ging. In seinen Reden sagt er oft, dass der Klimaschutz der neue Kommunismus sei. Für ihn ist der Klimaschutz also eine Bedrohung der freiheitlichen und demokratischen Ordnung. „Die Freiheit ist bedroht, nicht das Klima“. Das war ein Meinungsartikel von ihm in der Financial Times aus dem Jahr 2007. Man könnte ihn heute noch ebenso veröffentlichen wie damals.

In der Debatte hat sich also im Großen und Ganzen wenig verändert?

Nach wie vor findet wenig sachliche wissenschaftliche Debatte statt. Wir, die sogenannten Skeptiker, haben gewissermaßen verloren: Wir denken, wenn wir weitermachen und den Menschen sagen, wie es wirklich ist, dann wird sich alles ändern. Aber wir unterschätzen die Macht der Propaganda, die betont, die Wissenschaft sei einig.

Trotzdem machen Sie weiter. Rechnen Sie sich noch Chancen aus, der Klimapanik doch noch mit Argumenten beikommen zu können?

Früher oder später wird all das einfach wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Die Frage ist, wie lange es dauern wird. Denn solange die Machthaber von der Agenda profitieren, werden sie diese vorantreiben. Denken Sie an kommunistische Regime: Die Eliten hatten bis zum Ende ein gutes Leben. Irgendwann bricht das System zusammen und dann ist auch für sie das Spiel vorbei. Und meiner Meinung nach ist die Situation ähnlich.

Glauben Sie, dass Sie mit Václav Klaus als Präsident der Clintel von der wissenschaftlichen Perspektive zu einer eher gesellschaftlichen Ausrichtung übergehen werden? Also mehr auf die gesellschaftlichen und politischen Aspekte eingehen werden?

Ja, das ist eine sehr gute Frage. Bisher haben wir viel Arbeit in die Wissenschaft gesteckt. Wir haben zum Beispiel ein Buch über den neuesten IPCC-Bericht geschrieben, The frozen Climate views of the IPCC, „die starren Klimavorstellungen des IPCC“. Es wurde ins Deutsche, Französische und Niederländische übersetzt. Und wir haben mehrere große Fehler im IPCC-Bericht entdeckt.

Wir haben also viel gute Arbeit in der Wissenschaft geleistet, aber der Schaden in der Wirtschaft und im Energiesektor ist bereits angerichtet. Daher ist es besser, in diesen Bereichen zu arbeiten.

Denn dort spüren auch Menschen, die mit Wissenschaft nichts zu tun haben, die Auswirkungen. Sie merken, dass sie nicht mehr fliegen können. Sie dürfen kein Fleisch mehr essen. Sie müssen höhere Rechnungen bezahlen. Die Energiekosten steigen stark an. Ab 2035 sind nur noch Elektroautos erlaubt. Und so könnte man endlos weitermachen.

All diese Dinge spüren auch die Menschen in Deutschland immer mehr, und das ist natürlich einer der Gründe, warum zum Beispiel die AfD immer mehr Zulauf hat und die Menschen so verärgert sind. Deshalb sollten wir uns meiner Meinung nach mehr auf die politische Seite konzentrieren.

Gleichzeitig müssen wir die Menschen aber auch weiterhin über die Wissenschaft informieren. Denn wenn Politiker ihre Meinung ändern, wie Nigel Farage in England, brauchen sie verlässliche Informationen. Dann müssen wir bereit sein, diese Informationen bereitzustellen, und jedem zu geben, der bereit ist, zuzuhören.

Eine letzte Frage: Sie haben gesagt, dass die Menschen in Deutschland die Konsequenzen der Klimapolitik nun immer stärker spüren. Mit dem Klimagipfel in Brasilien haben bereits große Teile der Welt Europa signalisiert, dass sie ihre Wirtschaft nicht der Klimaideologie opfern werden. Welche Rolle spielt Deutschland dabei, welchen Einfluss hat es?

Ich denke, dass Deutschland in dieser Sache in Europa eine Vorreiterrolle eingenommen hat. Jetzt befindet sich das Land in einer sehr schwierigen Situation. Man denke nur an die Automobilindustrie, die durch die Klimapolitik an die Wand gefahren wird.

Dabei könnten Deutschland und Europa einen einfachen Weg aus der Krise wählen, ohne Gesichtsverlust. Man könnte sagen: „Der Rest der Welt macht nicht mit, der Rest der Welt schließt sich uns nicht an. Wir sind nur 6 Prozent der weltweiten Emissionen! Wir wollen also weiterhin gegen den Klimawandel kämpfen, aber wenn alle anderen nicht mitmachen, was können wir dann tun?“ Und dann kann man aufhören. Es ist also ganz einfach. Man kann ganz einfach aufhören.


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Kommentare ( 4 )

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greenman
40 Minuten her

Ganz einfach aufhören…das geht nicht.
Keiner unserer Politikclowns wird jemals zugeben, dass alle Probleme mit den Deutschland jetzt ums Überleben zu kämpfen hat, ausschließlich von den Politikern der letzten 20 Jahre zu verantworten sind.
Verantwortung, so was kennt ein deutscher Politiker nur als Relikt aus dem letzten Jahrhundert…

Or
40 Minuten her

Es war ja auch damals nicht wissenschaftlich belegt, daß die Zahlung eines Betrages X, die Seele Eintritt in das Paradies garantiert, das hat aber die Kirche nicht vom Ablasshandel abgehalten.

Arndt Schuster
41 Minuten her

„Man kann ganz einfach aufhören.“ Ein wahrlich frommer Wunsch! Ich glaube, dass die Klimaideologen, wie alle Verblendeten, einfach nicht aufhören können. Zusehr haben sich alle Parteien in Deutschland, außer einer, die meisten Medien und große Teile der Gesellschaft durch jahrelange Gehirnwäsche total verrannt. Die Klimakirche kann, wie alle totalitären Ideologien, nur durch den Bürger und seinen gesunden Menschenverstand besiegt werden. Als ehemaliger DDR-Bürger kann ich Optimismus verbreiten, denn die derzeitigen Zustände in Deutschland (Deindustrialisierung und Meinungsterror) erinnern in weiten Teilen an die DDR-Endzeit. Und die endete in einer friedlichen Revolution!

Wilhelm Roepke
56 Minuten her

Wow!