Graffiti sind Warnsignale der modernen Gesellschaft

Die Allgegenwart von Wand-Schmierereien in Städten ist ein Indiz dafür, dass in der Gesellschaft etwas nicht in Ordnung ist. Von Max von Tilzer

Max von Tilzer
Wände in Berlin und Leipzig im Sommer 2022, Collage

Es ist nicht mehr möglich, durch eine deutsche Stadt zu wandeln, ohne auf Schritt und Tritt Graffiti sehen zu müssen. Wir sollten uns davor hüten, sämtliche Graffiti für „Street Art“ zu halten, selbst wenn bekanntlich, wie ganz allgemein, zwischen Schmierereien und „echter Kunst“ fließende Übergänge bestehen. Strafrechtlich gelten Graffiti als Sachbeschädigung. In Deutschland entsteht durch sie pro Jahr ein Schaden von 200 Millionen Euro.

Soziologische Untersuchungen zeigen, dass 80 Prozent aller Graffiti von jungen Männern zwischen 18 und 20 Jahren stammen. Trotzdem sollten wir nicht übersehen, dass nicht alle Graffiti lediglich Schmierereien um ihrer selbst willen sind, denn nicht weinige unter ihnen enthalten politische Botschaften. 

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In diesem Zusammenhang ist es von Interesse, das Auftreten von Graffiti in anderen Ländern zu betrachten. Dabei stellt sich heraus, dass diese in autoritären Staaten wie China, Kuba oder dem Iran keineswegs chaotisch sind, sondern gezielt zur Vermittlung von politischer Propaganda dienen.

Aufschlussreicher für die Beurteilung von Wandschmierereien in Deutschland ist der Blick auf ein anderes demokratisches Land, nämlich Japan. Dabei zeigt sich, dass man dort beinahe vergeblich nach ihnen sucht und dass der öffentliche Raum auch sonst wesentlich sauberer ist als in Deutschland. Während ein Sprayer, sollte er erwischt werden, in Deutschland mit einem Bußgeld von fünf Euro davonkommt, muss er in Japan zwei bis drei Monate einsitzen.

Graffiti sind hierzulande, wo seit einigen Jahren das Wort „verboten“ aus dem Wortschatz gestrichen wurde, das Ergebnis einer falsch verstandenen Permissivität, die absolut nichts mit Toleranz zu tun hat. Sie sind vielmehr sichtbare Zeichen für die fortschreitende Missachtung der öffentlichen Ordnung in einem Land, dessen Sozialleistungen man zwar gerne in Anspruch nimmt, dem man aber sonst keine wie immer geartete Achtung entgegenbringt. Auch durch die allenthalben an den Tag gelegte Freizügigkeit kann sich die deutsche Öffentlichkeit keine Sympathien oder gar Respekt erkaufen, sondern das Gegenteil.


Max von Tilzer war Professor für Aquatische Ökologie an der Universität Konstanz und von 1992 bis 1997 wissenschaftlicher Direktor des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung Bremerhaven.


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Kommentare ( 30 )

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AS58
1 Jahr her

In Köln (und wahrscheinlich auch anderen Großstädten) gibt es „Street Art“ Führungen. Bei den Betreibern wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die meisten Sachen illegal entstehen und das man deshalb keine Gewähr gibt, daß die Graffitis noch da sind.

K. Sander
1 Jahr her

Ich stelle mir immer noch die Frage, wo dieser Blödsinn herkommt. Aber für die Grünen hat das Vorteile, oder? Auf der Frankfurter Allee steht eine große Luftgüte messstation. Die wird immer wieder beschmiert, also vollgesprüht. Damit kann diese Messstation viel mehr Feinstaubpartikel messen. Und danach wird es den Dieselautos zugeschoben. Hier sind ringsrum die Häuser beschmiert. Das sieht alles nur noch Sch… aus. Viele Beschriftungen kann man nicht lesen. Ich weiß nicht, was das für eine Sprache ist. Aber dann kann man überall auch immer wieder DHKP-C lesen. Die wird von der EU als kommunistische Terrororganisation eingestuft und ist eigentlich… Mehr

Jerry
1 Jahr her
Antworten an  K. Sander

Grundsätzlich sehe ich genauso wie Sie. Ich habe allerdings mittlerweile den Punkt erreicht, wo es mir einfach nur noch egal ist was aus diesem Land wird. Denn einem Land, in dem ich beispielsweise seit 1985 meine Steuergelder in nicht zu knapper Höhe Abdrücke und als Dank ausgeschlossen werde (weil ich mich nicht impfen lassen will), kann ich nichts mehr abgewinnen. Wenn Deutschland in der jetzigen Form den Bach runtergeht, ist das vermutlich nur gut für einen vernünftigen(!) Neustart!

Helmut Kogelberger
1 Jahr her

Schild an einem Laden, der Spraydosen für „Grafitteure“ verkaufte (vor vielen Jahren):
„Wer in der Umgebung des Ladens tagged, erhält Hausverbot!“

Wilhelm Roepke
1 Jahr her

Es wäre zu einfach, die Graffitischmiereien den Migranten in die Schuhe zu schieben, obwohl sie natürlich beteiligt sind. Es gibt aber genügend biodeutsche Kartoffeln, die mitmachen. Ich habe selbst beruflich in unregelmässigen Abständen damit zu tun. Und wenigstens bei uns ist die Frauenquote deutlich höher als im Text dargestellt, wobei die Dunkelziffer der nicht erwischten brutal ist.

Azzaro
1 Jahr her

Egal, was geschmiert wird, es ist Sachbeschädigung. Da muß eine 0- Toleranzgrenze gelten, oder wir können unseren Staat bald zumachen.

Iso
1 Jahr her

Einen erwischten Sprayer würde ich generell für alle Sachbeschädigungen verantwortlich machen, dafür einsitzen und anschließend zahlen lassen. Diese Gesellschaft lässt sich viel zu viel bieten. Der momentane Gipfel sind die jungen Klimaterroristen, die ganze Stadtverkehre lahmlegen oder als Seenotretter hunderttausende Afrikaner ins Land schleusen. Das sind keine Jugendsünden, das ist alles kriminell. Sowas muss zügig und schnell bestraft werden, damit sich nicht weitere Tätergruppen dazugesellen.

Thomas S62
1 Jahr her

Wer halb Kalkutta aufnimmt, rettet nicht Kalkutta, sondern wird selbst KalkuttaPeter Scholl-Latour
Nicht nur die zugewanderte Bevölkerung, auch die Stadt selber, also die Stadtmitarbeiter vernachlässigen alles. Wobei ich den Stadtmitarbeitern das direkt nicht einmal vorwerfen möchte, sondern das geht eher von der Stadt selber aus, wie Personaleinsparung, etc.
Wenn ich mit meinem Hund laufen gehe – und ich entsorge die Exkremente – ….. Die Straßen, die Gehwege, die Parkplätze….. sowas von verwahrlost. Das hat es vor 40 Jahren nicht gegeben.

Last edited 1 Jahr her by Thomas S62
horrex
1 Jahr her
Antworten an  Thomas S62

Vor x Jahren schrieb ich hier schon „sie lösen die Probleme die sie zuhause haben nicht, sie importieren sie nur bei uns.“

Helfen.heilen.80
1 Jahr her

Mir fehlt jede Form von Verständnis für Slogans wie „nie wieder Deutschland“ oder „Deutschland verrecke“! Dieses Deutschland bezahlt in einer historisch präzedenzlosen Weise für alle Menschen, die verschuldet oder unverschuldet in Not gekommen sind. Und auch jene, die nicht grade „nach bestem Wissen und Gewissen handeln um ihren Pflichten gegenüber der Gesellschaft gerecht zu werden“. In meiner Stadt prangt an vielen Orten „ACAP“ (steht für „all cops are bastards“), was verboten und eine Pauschaldiffamierung aller Polizisten ist, und mir ein Rätsel, warum sich einschlägige Kreise seit Jahren derart an den Vollzugsorganen „abarbeiten“ dürfen. Zu diesen Slogans muss gesagt werden, dass… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Helfen.heilen.80
fatherted
1 Jahr her

nur mal so….die japanische Gesellschaft ist eine homogene und der Tradition verhaftete Kultur. Also evtl. zu vergleichen mit dem Deutschland der 50er Jahre….wo es auch keine Gafittis gab und auch kein Müll durch die Fenster auf die Straße flog. Nun….diese Zeiten sind vorbei….wir wissen alle warum. Zurückdrehen lässt sich das Rad der Zeit nicht mehr….also müssen wir mit dem leben was wir „bekommen haben“. Keine Angst….wir schaffen das (lach).

Hendo Renka
1 Jahr her

Früher hat es geheißen: Narrenhände beschmieren Tisch und Wände

Positivsteuerung
1 Jahr her
Antworten an  Hendo Renka

Genauso ist es. Als ich mit meiner Tochter, damals im Kindergartenalter, eine vollgeschmierte S-Bahn betrat, fragte sie mich: „Warum nehmen die kein Papier, wenn sie malen wollen?“