Die Planstelle für „queersensible Pastoral“ in der Kirche

Am Anfang steht das Wort, dann folgt die politische Administration. Zum Beispiel ist der „Queer-Beauftragte“ inzwischen nicht mehr nur ein Wort, sondern es gibt ihn tatsächlich in der Bundesregierung, ebenso in allen Berliner Stadtbezirken – in Berlin Mitte als „Beauftragte*r für Queer, Diversity und Antidiskriminierung“.

IMAGO / Wolfgang Maria Weber
Symbolbild

Das katholische Bistum (Diözese) Augsburg richtet – nach dem Vorbild der Diözese Mainz und des Erzbistums Paderborn – zum 1. September 2023 eine „Planstelle für queersensible Pastoral“ ein. Die „Pastoral“ (von lateinisch pastor „der Hirte“) bedeutet „Seelsorge“, aber was ist „queersensibel“?

Die Wortzusammensetzung „queersensibel“ kommt im aktuellen Duden (28. Auflage, 2020) nicht vor, wohl aber deren Bestandteile: das Grundwort sensibel bedeutet „reizempfindlich, empfindsam, feinfühlig“, das Bestimmungswort queer „einer anderen als der heterosexuellen Geschlechtsidentität zugehörig“. Es geht also bei der „queersensiblen Pastoral“ um den feinfühligen Umgang der Katholischen Kirche mit Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Transpersonen und anderen Geschlechtsidentitäten, für die der englische Ausdruck „queer“ als Sammelbezeichnung verwendet wird.

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Das englische Adjektiv queer bedeutet wörtlich „seltsam, unnormal“ und geht sprachgeschichtlich auf die gleiche germanische Wurzel zurück wie deutsch „quer“. Vor allem im amerikanischen Englisch war es auch ein Schimpfwort für Homosexuelle, das – ähnlich wie im Deutschen „schwul“ – seit den 1980er Jahren von diesen als Selbstbezeichnung akzeptiert und positiv umgewertet wurde. Diese Umwertung kam auch im allgemeinen Sprachgebrauch an: Im Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (1975) galt „schwul“ noch als „salopp-abwertend“; heute definiert es das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache als „von Männern: (sexuelle) Neigung zum eigenen Geschlecht (und selbstbewusst im Verhalten zeigend), homosexuell“. Kurzum: Das Wort „schwul“ hat sich normalisiert und Gleiches gilt für englisch „queer“.

Fast alle Deutschsprecher werden beim Ausdruck „queersensible Pastoral“ Bahnhof verstehen: Das Substantiv „die Pastoral“ ist kirchensprachlich, der Anglizismus „queer“ (deutsche Aussprache wie „quer“, aber mit langem i statt e) gruppensprachlich. Kann die Kirche ihr Anliegen nicht verständlicher ausdrücken? Zweifellos: Sie könnte von „Geschlechtervielfalt“ sprechen und einer „geschlechtersensiblen Seelsorge“. Aber es geht hier nicht um Verständlichkeit für alle, sondern darum, dass die Betroffenen, die queere Gemeinschaft (community), sich angesprochen fühlen, und dafür ist das Fahnen- und Identifikationswort „queer“ notwendig.

Für die Community gilt es, ihr Fahnenwort queer in der öffentlichen Kommunikation gewissermaßen als Markenzeichen sichtbar zu machen und dann, in einem zweiten Schritt, darum ein Wortfeld zu gruppieren: Vom „Queer-Beauftragten“ über „Queer-Politik“, „queer-sensibel“ bis zu „Queer-Studien“ (queer studies) und „Queer-Professuren“. So entsteht eine Diskurswelt, die sich – sprachlich – selbst trägt und dann in einem „Queer-Aktionsplan“ (Ministerpräsident Söder) faktisch umgesetzt werden kann.

Am Anfang steht also das Wort, dann folgt die politisch administrierte Wirklichkeit. Zum Beispiel ist der „Queer-Beauftragte“ inzwischen nicht mehr nur ein Wort, sondern es gibt ihn tatsächlich in der Bundesregierung (seit Anfang 2022), ebenso in allen Berliner Stadtbezirken – in Berlin Mitte mit der Stellenbezeichnung „Beauftragte*r für Queer, Diversity und Antidiskriminierung“. Es wird deshalb nur eine Frage der Zeit sein, bis den rund 250 Genderprofessuren in Deutschland eine entsprechende Anzahl von Queer-Professuren zur Seite steht – alles andere wäre „diskriminierend“.

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Kommentare ( 40 )

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Juergen P. Schneider
11 Monate her

Haben die Pädophilen eigentlich eine eigene Farbe in der Regenbogenflagge? Ich frage für einen katholischen Freund.

John Beaufort
11 Monate her

Allein der Begriff „Beauftragte*r für Queer, Diversity und Antidiskriminierung“ zeugt von einer unglaublichen Bildungsferne. Das regelwidrige Zeichen innerhalb eines Wortes und die unnötigen Anglizismen sind schlimm genug. Aber „queer“ ist ein Adjektiv! Was kommt als Nächstes? Ein*e Beauftragte*r für Sauber, Mülltrennung und Antiverschmutzung?

moorwald
11 Monate her

Die Kirche hatte und hat ihre Probleme mit der „normalen“ (ganz ohne Wertung gebraucht) Sexualität: priesterliches Zölibat, mönchisches Leben als stete Abwehr der bösen Triebe, Mißbrauch nicht von Mädchen, sondern von Jungen…
Da ist es doch nur folgerichtig, sich Randgruppen anzubiedern – die nicht darum gebeten haben.
Leben und leben lassen – aber gerade das kann sie nicht. Sondern springt auf jeden zeitgeistigen Zug auf
Im Grund nur der Ausdruck eines tiefen Selbstzweifels.

Last edited 11 Monate her by moorwald
thinkSelf
11 Monate her

Das Wort „schwul“ hat sich keineswegs „normalisiert“. Auf jedem Schulhof ist das heute eines der härtesten Schimpfwörter (deutlich drastischer als vor 40 Jahren). Kommt gleich nach „Opfer“.
Das soziale Ranking von entsprechenden „Beauftragten“ ist übrigens entsprechend. Nur die Blase kriegt das nicht mit.

Helmut Berschin
11 Monate her
Antworten an  thinkSelf

Danke für Ihren Hinweis. In der Tat gehört „schwul“ zu den beliebtesten Schimpfwörtern der Schülersprache. Allerdings nicht erst seit heute. Meine Schulzeit liegt zwar sechzig Jahre zurück, aber Beleidigungen wie „Du schwule Sau!“ waren uns durchaus geläufig. Im allgemeinen Sprachgebrauch galt das Wort „schwul“ jedoch damals als tabu, und das ist heute nicht mehr der Fall, wie dessen Verwendung in der Zeitungssprache zeigt: Nach den Daten des DWDS (Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache) kommt „schwul“ 1946 bis 1965 in Zeitungen nur minimal vor (1 Beleg pro 10 Millionen Wörter Text), es war – wie gesagt – ein Tabuwort. Dann steigt… Mehr

Walter Knoch
11 Monate her

Geschlechtervielfalt, erscheint oben als Stichwort: Geschlechtervielfalt ist Nonsense, in gutem Deutsch Unsinn. Es gibt nur, und das quer durch die Sippe der Säugetiere seit Ewigkeiten nur zwei Geschlechter: Männlein und Weiblein oder biologisch ausgedrückt: XX-Chromosom und XY-Chromosom. Natürlich gibt es Abweichungen in der Chromosomenverteilung. Diese Abweichungen der Geschlechtschromosomen (Turnersyndrom, Klinefeltersyndrom etc.) sind der Motor der Evolution. (Nur kurz als Einschub: In der säkularen Welt bin ich – lt. Urteil eines deutschen Richters) schon Straftäter, wenn ich behaupte 2 plus 2 ist 4, sprich wenn ich eine XY-Existenz als Mann anspreche. Brave New World.) Die Evolution „versucht“, sie funktioniert nach dem… Mehr

Innere Unruhe
11 Monate her
Antworten an  Walter Knoch

Auch Frauen ohne Kopftuch werden unsensibel behandelt. Keiner fragt, wie sie es finden, wenn diskutiert wird, ob St.Martin in Lichterfest umbenannt werden soll. Ist es noch im Sinne ihrer Kinder? Unsensibel! Aus Christkindlmarkt soll Wintermarkt werden. Wie fühlen sich Christen? – Egal, sie müssen integrieren. Unsensibel! Gleichgültigkeit, in Ruhe Lassen, werden als mangelnde Sensibilität ausgelegt. Doch warum soll ich mich für das Leben von Schwulen und Lesben und allen dazwischen interessieren? Haben Menschen, die danach verlangen, keine Hobbies? Haben sie sonst nichts, was ihr Leben mit Sinn erfüllt? Sind sie so sehr auf die Aufmerksamkeit anderer angewiesen? Was würden sie… Mehr

Hosenmatz
11 Monate her

Als Protestant bin ich ja schon von meiner eigenen Kirche maßlos enttäuscht, weil sie diesen zeitgeistigen gender-, queer- und sonstwas-Müll hofiert. Dass die katholische Kirche jetzt auch auf diesen Irrweg umschwenkt, war aber m.E. nur eine Frage der Zeit.
Wahrscheinlich haben sie Angst, dass ihnen Steuergelder gestrichen werden, wenn sie nicht der gün-linken Woke-Politik folgen.
Steuergelder gehen trotzdem flöten – die nächste Austrittswelle rollt schon an.

Dellson
11 Monate her

Die Kirchen in Deutschland sollten als Institutionen lieber schon einmal über die Stellenausschreibung nach einem Wirtschaftsberater für die Abwicklung der beiden „Kapitalgesellschaften alter Männer mit angeschlossenem politischen Werbefunk und Astro Show“ nachdenken. Jesus würde sich von diesen Tempelpharisäern nicht vertreten fühlen. Matthäus 23:14 „Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr der Witwen Häuser fresset und wendet lange Gebete vor! Darum werdet ihr desto mehr Verdammnis empfangen.“ Lukas 11:39 „Ihr Pharisäer haltet die Becher und Schüsseln auswendig reinlich; aber euer Inwendiges ist voll Raubes und Bosheit.“ Solange sich die Kirchenoberen den Wasserträgern an der Basis sicher sind, ist es… Mehr

Qui indicare
11 Monate her

Ich bin schwul. Seit fast 30 Jahren mit meinem Partner zusammen. Wir arbeiten, zahlen Steuern und leider GEZ und wollen nicht in die Öffentlichkeit gezogen werden, erst recht nicht von durchgeknallten queersensiblen LGBTQ Deppen mit ungesundem Geltungsbedürfnis. Kann mir bitte jemand erklären, was ich bei einer „queersensiblen Pastoral“ soll? Was soll der/die/das mir denn für eine besondere Dienstleistung anbieten, die ein „normaler“ Seelsorger – sollte ich einen benötigen – nicht kann? Das gilt im Übrigen auch für alle anderen queersensiblen Berater/ Betreuer. Hier geht es vermutlich ausschließlich um die Schaffung einer Versorgungsstelle für eine im normalen Arbeitsprozess nicht vermittelbare Gestalt.… Mehr

amendewirdallesgut
11 Monate her
Antworten an  Qui indicare

Das Ding hat Methode nichts spaltet und schadet mehr als exzessive inflationierende Auswüchsigkeit , der Radikal Feminismus hat`s vorgemacht die Realos unter den Mädels , lehnen die Betüttelung , Privilegierung , Bevorzugung und Instrumentalisierung sowie die dem F. innewohnende nötigende Beeinflussung auch ab . Sie schadet sowohl denen für die es gedacht ist als auch der Gesamtheit . Es schafft erzwungenermaßen maximale Aufmerksamkeit und Zersetzung . Divide et … Das Gegenteil ist das Ziel , wirkt perfide aber wirkt !

Rainer Schweitzer
11 Monate her

„Queer“ schafft sich mit Penetranz selber Feinde da, wo vorher keine waren. Unsere Stadt hat seit neuestem auch eine „Queer-Beauftragte“, immerhin auf Minijob-Basis. Das geht auch gar nicht anders, denn die Stadt ist so pleite, daß sie unter Landesaufsicht und jeder Haushalt unter Landesvorbehalt steht. Davon, daß „Queere“ hier besondere Probleme hätten, hat man nie etwas gehört. Aber was soll´s, ein Beauftragter mußte her, das ist jetzt modern. Toll, nicht wahr? Wir retten auch das Klima. Ja wirklich, hier, lokal, in der Provinz. Wer, wenn nicht wir? Wir geben der Welt (speziell auch den Chinesen) ein Beispiel. Die Stadt lebt… Mehr

Innere Unruhe
11 Monate her

Gibt es eine Stellenbeschreibung für die Queer-Beauftragte? Welche Ausbildung muss man mitbringen? Was ist das Gehalt?
Und vor allem, was ist das Produkt von so einem Beauftragten?