Polizeiruf 110 Meck-Pomm komplett durch den Wind

Selbstmorde, Schulamok, Online-Wahnsinn und Weltuntergang. Der neue Tatort will alles auf einmal erzählen und verliert sich in der eigenen Erregung. Zwischen Klimaangst, Sozialstaatspanik und Identitätspolitik geht die Story baden. Was bleibt, ist ein Lehrer als Symbol einer überforderten Gesellschaft und ein Drehbuch, das sich selbst nicht mehr versteht.

screenshot/ ARD/ ndr

Viele verwirrte Rezensionen suchen ihr Heil in Lobhudelei für die – unbestritten ganz gute – darstellerische Leistung: (SWR3; “…sehr gute Schauspieler..”), aber so kirre springt das Drehbuch von Florian Oeller hin und her, dass selbst der “Stern” empfiehlt, sich diesen Krimi zu ersparen.

Familienprobleme und andere Hindernisse

Der Regen prasselt rund um die Rostocker Ermittler hernieder und man empfindet Mitleid, denn alle haben ihr Säckchen Beziehungsprobeme zu schultern: Melly Böwe (Lina Beckmann) plagen die Erinnerung an ihre Vergewaltigung und Töchterchen Rose, die sie mit Fragen nach ihrem Erzeuger nervt. Das Angebot von Kommissariatsleiter Henning Röder (Uwe Preuß) mal darüber zu sprechen, weist sie brüsk zurück. Kollegin Katrin König (Anneke Kim Sarnau) hat grade selbst genug mit ihrem lange verschollenen Vater (Günther Wernecke, gespielt von Wolfgang Michael) zu beschnacken. Der einsame Anton Pöschel (Andreas Guenther) hat alle Hände voll mit einer osteuropäischen Schönheit zu tun und der ledige Kollege Volker Thiesler (dessen Vivien Geschichte ist, gespielt von Josef Heynert,) ist ab Minute 7 ans Krankenhausbett gefesselt, weil er von einer Selbstmörderin (Lara Trennsbach, gespielt von Samara Fry) angeschossen wird.

Posts, Psychosen und Pistolen

Polizeilicher Aufhänger des Krimis sind die Selbstmorde zweier Jugendlicher. Die labile Lara schnappt sich die nachlässig aufbewahrte Sportschützenwaffe ihres Vaters Ulf (Jochen Fahr) und erschießt sich. was auch der herbeigeeilte Thiesler nicht verhindern kann. Der offenbar psychisch kranke Leon Schilling (Karl Seibt) ersticht erst die junge Mutter Mona Färber (Nora Moltzen) und anschließend sich selbst. Beide Täter waren in einem online-forum namens “connect” aktiv, in dem der User “Wintersonne” Lebensweisheiten verteilte und hatten unmittelbar vor ihren Taten per SMS die Aufforderung “Tu es!” erhalten.

“Der Planet stirbt uns unterm Arsch weg und die Nazis sind zurück!“, schreit Leon in einem Video einem „Boomer“ entgegen: „Meine Generation fegt den Dreck von deiner weg!“.

“Die Straßen müssten längst brennen, bei dem, was los ist… “ (Felix Lange)

Nun beginnt ein wirrer Totentanz um das, was wohl als Motto des gesamten Films gelten kann: “Die Mitte ist überfordert mit sich selbst”. Zentraler Aufhänger ist die traurige Gestalt des Gesamtschullehrers Felix Lange (Sebastian Jakob Doppelbauer), auf dessen Person Regisseur Max Gleschinski den gesamten Weltschmerz einer als gespalten empfundenen Gesellschaft zu projizieren versucht, freilich wie so oft unter den Vorzeichen eines überlasteten unterfinanzierten Sozialstaats.

Besonders deutlich wird diese Entrüstung im Wortschwall des verhafteten Verdächtigen Felix Lange am Schluss des Krimis, in dem er auf alles und alle “scheißt”, die “Harzer von Morgen…neoliberalen Selbstbediener..die Gewinner… Mamas und Papas mit Haus, Auto, Job und Minijob-Sklaven (Asiatin wird eingeblendet) …die jetzt im Restaurant beim Abendessen sitzen und sich über die Menschen beschweren, die ihre Kinder betreuen…oder die kranken Eltern pflegen…mit 5 Meter langen und 3 Tonnen schweren SUVs…überprivilegierte Pisser…die den Hals nicht voll genug kriegen können…auf die Azzlacks und Gangster-Kanaken, die Frauen besitzen wollen und uns mit ihrer Ehre auf den Sack gehen, die auch in der zweiten Generation einfach keinen Bock haben, Deutsch zu lernen…” (dieser fremdenfeindliche Ausbruch kann sich dem Augenschein nach wohl kaum aus Erfahrungen in Langs Sportverein oder Schule speisen)…”auf die Nazis, die alten und die neuen, und die die nicht mal wissen, dass sie welche sind…und die Guten mit ihrer Identitätspolitik… während der Rest der Welt in Flammen steht..” Usw… und so fort.

Der ganz spezielle Gutmensch Lange (Böwe über ihn) – ein Monster ?

Man wird nie erfahren, ob Lange als Internet-Influencer “Abendsonne” getarnt die beiden Selbstmörder aufgestachelt hat. Kurz vor Ende des Films wird er im Stile eines Jack Ruby vom Witwer Färber in der Tiefgarage des Rostocker Polizeipräsidiums vor seiner Übergabe an die Ermittler der Bundesanwaltschaft erschossen. Den Tip, wo er den möglichen Anstifter des Mordes an seiner Frau finden kann, bekam er vom nun namentlich bekannten Vergewaltiger Nelly Böwes auf der “Hanse Sail” (Jan Jürgens, der sich nun als Staatsanwalt plötzlich, verheiratet und mit schwangerer Frau, in den aktuellen Fall drängt, gespielt von Thorsten Merten).

Toller Spannungstrick: Jeder ist irgendwie verdächtig oder steckt mit drin

Bevor dieser eminent wichtige Zeuge so abrupt verschwindet, konnten die Zuschauer ihn noch als verzweifelt unglücklich mit eigenem Schulprojekt “Zusammenhalt” (das freilich von einer Ministerialmitarbeiterin abgelehnt wird) für die Gesellschaft Kämpfenden erleben. Der sich mit wüsten Drohungen (”ich stecke sonst den ganzen Scheissladen an”) gegen die medikamentöse Ruhigstellung von Patientinnen zur Entlastung des Pflegepersonals (Tatort Siebenschläfer lässt grüßen) im Heim seiner dementen Mutter wendet, und sich sowohl als Sportlehrer, in der Sprechstunde des Bürgertreffs Reutershagen (in dem zufällig auch der Vater von Katrin König ehrenamtlich arbeitet) als auch für von alkoholkranken Eltern vernachlässigte Schüler kümmert, denen er die Wäsche wäscht. Er geht mutig dazwischen, wenn sich die Ollis und Finns wieder mal im Duschraum auf die Fresse hauen und sich dabei filmen.

Aber als ihn Finns Mutter auf dem Nachhauseweg abpasst und als “Beamten” abkanzelt, der immerhin von ihrem Geld bezahlt werde, dreht er durch und prügelt brutal auf die Frau ein. Mit einem Sprengstoffgürtel, den Leon ihm gebastelt hat, begibt er sich auf die Schultoilette und löst den Schul-Amok-Alarm (Erinnert an den Tatort “sie sind unter uns”) aus. Böwe nutzt einen Pulverlöscher um den Mechanismus der Bombe zu neutralisieren (Internet-Hack) und Lange kann verhaftet werden.

“Wir müssen aufeinader achtgeben” (König zu ihrem Vater)

Lange wurde von der Aussichtslosigkeit seines Kampfes für bessere Zustände erdrückt – eine Medikamentensucht zeichnete sich schon ab, mit seiner alten Flamme und Lehrerinnenkollegin Nele Miller (Rebecca Thoß) wurde er nicht wieder warm. Wenigstens wollte er mit seinem Selbstmord und dem Sprengstoffgürtel wenigstens der Graffiti-zerstörten Schultoilette zu einer Renovierung verhelfen. Wirklich aufgeklärt wurde der Fall um “Wintersonne” und Aufstachelungen zum Selbstmord bei labilen Jugendlichen (Der aktuelle reale Fall “White Tiger” bietet sich als Vorbild an) damit aber nicht.

“Wie kaputt kann man denn sein” – mit den Worten von Finns Mutter, bevor Lange sie angriff, mag man fast diesen Film kommentieren wollen, in dem unendlich viel angerissen wurde, aber von dem doch kein bleibender Eindruck bleibt, außer dem “Cliffhanger” vieler angedeuteter Verschwörungen und dem Versprechen, dass erstmal nichts gut ist. Daran konnten auch die songs von Frank Sinatra nichts ändern.

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Kommentare ( 7 )

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F. Hoffmann
1 Monat her

Vielleicht noch im Untertitel den „Tatort“ rausnehmen… Also wir haben uns das auch angesehen. Mal abgesehen davon, daß das Ganze so langatmig war wie dieser Artikel, scheinen die Öffi-Krimis immer mehr zu Therapiesitzungen kaputter bewaffneter Beamter zu entgleiten. Wir (Family) haben parallel dazu gelesen und uns dann am Schluß des Kuddelmuddels gefragt „hä, was war das denn?“. Man schmeißt irgendwelche unzusammenhängenden Brocken in den Ring, kickt damit rum und das war’s dann? Ein Prime oder Netflix Abo wäre deutlich billiger und besser.

Peter Vollmer
1 Monat her

Der Spiegel fasst in seiner Rezension zusammen: „Der Wutbürger 2025!“
Ja, so müssen wir ihn uns vorstellen, liebe Kinder!
Und gut, dass ich seit ca. 2020 keinen Polizeiruf oder Tatortnmehr am Sonntagabend gucke. Da wimmelt es nur so voll Klischees und unterschwelliger Propaganda.

Harry Charles
1 Monat her

DIE GRÜNENPARTEITAGSERMITTLER

reiten auf ihrem Eselkarren, der von einem rotgrün gescheckten Klappergaul namens Rosinante gezogen wird mal wieder gegen böse Boomerwindmühlen. Den Beipackzettel zu einem Schlafmittel auswendig zu lernen ist interessanter und lehrreicher als dieser linksgrüne Schund!

amendewirdallesgut
1 Monat her

Also Herr Kohleofen , ich persönlich fand diesen Meck Pom Tatort , wirklich gut , (audiatur et altera pars) . Er beschreibt genau die Weltsicht die ein nicht ganz so gewaltfreier Teil unserer Gesellschaft vertritt , und diese Szene ist nur noch schwer ansprechbar, geschweige denn abzuholen und wieder mitzunehmen . Danke übrigens für den Textblock , hätte ihn mir sonst mühsam aus der Mediathek raussuchen müssen , diese Form der Gesellschaftskritik sollte nicht einfach so unreflektiert abgetan und abgewertet werden , nur weil sie aus der öffentlich rechtlichen Ecke stammt . Fatal wäre es nur wenn sie als Drohung… Mehr

BK
1 Monat her

Das kann durchaus der Realität entsprechen, dass in manchen Köpfen derartige Fantasien vorhanden sind. Sonst würde man sich doch nicht bei laufendem Flugbetrieb aufs Rollfeld kleben, sich die Nasenscheidewand für ein Piercing durchstechen und bewusstseinsverändernde Substanzen zu sich nehmen. Für ein Land, in dem fast niemand in den legalen Besitz einer Schusswaffe kommt, sind in den Filmen jedoch sehr viele Waffen im Spiel. Die Krimis hingegen haben meistens keinen hohen Unterhaltungswert und sind oft verstecktes Propagandamaterial, in denen es um die deutschen Lieblingsthemen, wie Klimawandel und Sozialengineering geht. Sowas merkt man schon in den ersten 5 Minuten, wenn man die… Mehr

Danton
1 Monat her

Da trifft staatsfinanzierte deutsche Schauspielschule, auf staatsfinanzierte Regisseurschule, die nach Drehbüchern staatsfinanzierter Autorenschülern für den staatsfinanzierten ÖRR staatlichen Bullshit produzieren. Viel fehlt nicht mehr zu den Nord-Koreanischen Erzählungen, in denen Amerikaner (Dt. AfD) kleine nordkoreanische Kinder bei lebendigen Leib fressen.

Juergen P. Schneider
1 Monat her

Deutsche Fernseh-Krimis sind eben nie mehr als ein grüner Parteitag mit Platzpatronen.