Lou und Andy – Odysseus gewinnt auch im Rollstuhl

Wie ist das – kann eine Partei beständig geben und geben und die andere beständig nehmen und nehmen und den Geber dann auch so behandeln, als wäre er der weltgrößte Trottel, den man nach Belieben veräppeln kann? Im Fall des Verhältnisses Griechenland und Deutschland scheint dies durchaus möglich. Auch im Verhältnis von Andy Pipkin und Lou Todd, beides Charaktere des britischen politisch unkorrekten Komiker-Duos von „Little Britain“, Matt Lucas und David Walliams. Sind Ähnlichkeiten mit der aktuellen Politik nur rein zufällig?

Der langhaarige Lou Todd, der den Look der 80er Jahre perfekt kultiviert hat, lässt all seine soziale Wärme dem im Rollstuhl sitzenden Andy Pipkin zukommen. Überaus geduldig und herzensgut ist der Umgang von Lou gegenüber dem fast bewegungslosen, dicklichen Andy, der stets in speckigem Unterhemd und schlabbernder Jogginghosen gekleidet ist.

Eine der Konstanten in den Episoden um Lou und Andy ist die, dass Lou Andy immer wieder vor eine Wahl stellt und die Entscheidung jedes Mal kritisch hinterfragt. „Bist Du wirklich sicher, dass Du das so machen willst?“, „Bist Du Dir absolut sicher, dass Du das nehmen willst? Ich laufe gleich nicht extra zurück, wenn Du Deine Meinung geändert hast.“ Was Andy stets mit „Ja, ich weiss“ goutiert und auf seiner Wahl beharrt „Ich will das.“. Und dann doch jedes einzelne Mal seine Meinung ändert, weil er so genau weiß, dass er keine Konsequenzen zu befürchten hat – und Lou doch jedes mal auf’s Neue los läuft, um Andys Wünsche zu erfüllen.

Im Ablauf erinnert das immer an wohlmeinende Eltern, die besonders vernünftig und stundenlang mit ihren zweijährigen Kindern herum diskutieren, anstatt entschieden und bestimmt entschlossen durchzugreifen. Jedes Mal revidiert Andy seine Meinung, fast ausschließlich deshalb, um Lou damit zu demütigen oder zu provozieren. Ein Gefallen, den Lou Andy jedoch nie tut. Im Gegenteil. Mit einer stoischen Ruhe bringt er jedes von Andy veranstaltete Chaos wieder in Ordnung.

Dem Zuschauer erschließt sich schnell, dass Rollstuhlfahrer Andy ein oberfauler Simulant ist. Wann immer Lou nicht entsprechend schnell auf Andys Wünsche reagiert und abgelenkt ist, springt Andy aus seinem Rollstuhl, um zu machen, was er sich zuvor in den Kopf gesetzt hat.

Im Schwimmbad schiebt Lou Andy zum Becken und wendet sich kurz ab, um mit dem Bademeister zu besprechen, wie man Andy unter Zuhilfenahme einer Vorrichtung ins Wasser hieven kann. Sobald Lou ihm den Rücken zugedreht hat, sprintet Andy schnell den 10-Meter-Turm hoch, springt hinunter, schwimmt zurück, rast zu seinem Rollstuhl, setzt sich wieder hinein, um wieder bewegungslos aber tropfnass, von Lou nach dessen Rückkehr vom Gespräch dafür gelobt zu werden, dass er wohl schon unter der Dusche gewesen sei.

Das Verhältnis der beiden zueinander erinnnert jedes Mal auch ein wenig an das der Parteien Deutschlands und Griechenlands – oder Deutschlands und Resteuropas. Wobei Deutschland durch den technologiefernen aber hochsozialen Lou dargestellt wird, der immer alles herzlich und treudoof und erklärend gut meint, aber die Entschlusskraft eines Pantoffeltierchens hat – und die Griechenlands durch den behäbigen, kindlich-trotzigen und verstellten Andy repräsentiert wird. Eine Art listiger Odysseus, nicht im Schiff, aber im Rollstuhl der modernen Zeiten.

Bezeichnend sind Momente, in denen Lou und Andy z.B. ein Rugbyspiel besuchen, Lou sich etwas zu trinken holen möchte und Andy fragt: „Ich hol mir mal ne Limo – möchtest Du auch eine?“. „Nein.“ antwortet Andy, „ich nehm Deine.“ Ungeniert und mit völliger Selbstverständlichkeit greift er sich dann Lous Getränk, als dieser damit zum Platz zurückkehrt.

Oder auch dieser, in dem Andy einer Seniorin den Elektroroller entwendet und damit an Lou vorbeifährt, dem Horizont entgegen. Der entgeisterte Lou läuft ihm noch etwas hinterher und fragt ganz traurig. – „Wo willst Du denn hin?“ – „Weg.“ – „Und was ist mit mir?“ – „Ich brauch Dich nicht mehr. Ich hab jetzt den hier.“ Das geht dann genau so lange gut, bis drei Sekunden später der Akku den Geist aufgibt – und Andy Lous Name doch wieder einfällt, wenn er ihn um Hilfe anrufen kann.

Fast bewundert man Lou für seine nicht enden wollende Geduld und Zuneigung. Dann wiederum möchte man ihn einfach nur schütteln, ob seiner unerschöpflichen Gutmütigkeit und seiner Blindheit für das, was für den Zuschauer so offensichtlich ist. Man möchte ihm an die Gurgel gehen, dafür, dass er sich stets und ständig alles gefallen lässt und er aus sich damit den Trottel machen lässt, der er leider nun mal ist.

Es ist fast so wie in der europäischen Politik. Der Listige gewinnt, nicht der Gute.




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