Bei Illner: Der große Reform-Schwindel

Das Bürgergeld wird umgetauft, und die Aktivrente ist das, was übrig bleibt vom groß angekündigten "Herbst der Reformen". Die Grüne Franziska Brantner kritisiert heftig, was sie selbst tun würde, wenn sie in der Regierung wäre: Wahlgeschenke verteilen, Bürokratie ausbauen, Leistungsträger bestrafen.

Screenprint ZDF: Maybrit Illner

Weitreichende Reformen hat es in Deutschland schon lange nicht mehr gegeben. Deshalb droht die Bundesrepublik mittlerweile an einem Reformstau zu ersticken. Bundeskanzler Friedrich Merz möchte diesen Herbst zu einem Herbst der Reformen machen. Doch statt geklotzt, wird gekleckert. Die Bundesregierung kann sich nach tagelangem Streit nur auf einen minimalen Konsens einigen. Das Bürgergeld bekommt einen neuen Namen und es gibt ein paar Verschärfungen bei den Sanktionsmöglichkeiten. Außerdem plant die angeschlagene Koalition eine Aktivrente, die angeblich die Wirtschaft stimulieren wird.

Wer als neutraler Beobachter nüchtern auf die Ergebnisse der Regierung blickt, muss mehr als enttäuscht sein. Der versprochene große Wurf ist ausgeblieben. Union und SPD trauen sich lediglich ein paar unbedeutende Rädchen zu drehen, anstatt richtig in die Speichen zu greifen.

An diesem Abend geht es bei Maybrit Illner um die “Reförmchen”, wie es schon spöttisch in der Anmoderation heißt. In der abendlichen Polit-Talkrunde sitzt ein gereizt wirkender Carsten Linnemann von der CDU und weiß nicht so recht, wie er das Bisschen Reform als großen Erfolg verkaufen soll. Der grantige Auftritt von Linnemann ist ein Beweis dafür, dass es in der Koalition nicht besonders gut läuft.

Grünen-Chefin Franziska Brantner geht überraschend hart mit der Regierungskoalition ins Gericht. Großer Schwachpunkt der Sendung ist, wie gewohnt, dass kein Vertreter der führenden Oppositions-Partei des Landes geladen ist. Die AfD bleibt bei Illner außen vor, was den Wählern spannende Debatten vorenthält.

Schließlich ist es nicht unwahrscheinlich, dass die rechtskonservative Partei bald an die Macht kommt. Da wäre es für die Zuschauer interessant, welche Pläne die AfD bei Bürgergeld und Rente hat. Doch das ZDF glaubt an die Vorstellung, dass zu viel Sendezeit die AfD stärkt und lädt stattdessen lieber viele Journalisten und Politikberater in die Sendungen.

Das Bürgergeld heißt künftig Grundsicherung

Das Bürgergeld hat in Deutschland einen sehr angekratzten Ruf innerhalb breiter Schichten der Bevölkerung. Die Bundesregierung will den Ruf nun verbessern, indem es einen neuen Namen bekommt. Es soll in Zukunft Grundsicherung heißen. Rebranding nennt man so etwas in der Marketing-Fachsprache. Außerdem möchte die Regierung das Image nicht nur durch einen neuen Namen, sondern auch durch mehr Sanktionsmöglichkeiten verbessern.

In der Sendung berichtet CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann: “Es gab Druck zur Einigung.” Den gab es tatsächlich. Wäre es nicht zu diesem Minimalkonsens mit der SPD gekommen, wäre die Koalition wahrscheinlich bald zu Ende. Wirklich zufrieden sieht der CDU-Generalsekretär bei Illner nicht aus. “Wenn jemand dreimal nicht zum Termin erscheint, muss der Staat sich zurückziehen”, erklärt er. Was Linnemann als wegweisende Verbesserung verkaufen möchte, ist in Wahrheit nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit.

Die meisten Bürger werden sich an den Kopf fassen und sich fragen, wieso solche Selbstverständlichkeiten nicht schon längst zur Anwendung kommen. Auch in der Runde ist man nicht besonders beeindruckt von den Neuerungen beim Bürgergeld.

“Es ist ein Herbst des Zusammenraufens”, meint die Journalistin Kerstin Münstermann. Giovanni di Lorenzo von der Zeit äußert sich ebenfalls kritisch. Für die Reformen des Sozialstaats seien weitreichende Veränderungen nötig, die die Regierung nicht geplant habe, so di Lorenzo.

Auch Franziska Brantner ist unzufrieden. “Ich hätte mir einen echten Reformeifer gewünscht”, beklagt die Ex-Frau von Boris Palmer. “Es ist nichts passiert”, kritisiert sie. Erstaunlich, denn die Grünen sind nicht gerade dafür bekannt, dass sie ein Interesse an nützlichen Sozialreformen haben. Noch in der letzten Bundesregierung wollte die grüne Familienministerin Lisa Paus eine Kindergrundsicherung einführen. Diese sollte zwölf Milliarden Euro kosten, wobei alleine sechs Milliarden für die Verwaltung der neuen Sozialleistung veranschlagt worden wären. Es ist grotesk, dass die Grünen sich in der Opposition als Kritiker des ausufernden Staates aufspielen, während sie in der Regierung der Förderer dessen sind.

Aktivrente gegen den Fachkräftemangel

Neben dem Bürgergeld hat die Regierung auch bei der Rente Reformpläne. Zukünftig soll jeder Rentner, der einem sozialversicherungspflichtigen Job nachgeht, 2000 Euro steuerfrei bekommen. “Durch die Aktivrente wird sich Leistung wieder lohnen”, meint Carsten Linnemann.

Die Aktivrente ist das Lieblingsprojekt von Carsten Linnemann und der CDU. Deshalb verteidigt er die Pläne dafür leidenschaftlich. “Man soll nicht jede neue Idee im Keim ersticken”, findet der Paderborner Bundestagsabgeordnete. Kritik an dem Vorhaben sei “typisch deutsch”.

Allerdings ist der Nutzen dieser Idee eher fragwürdig. Die Zahl der arbeitenden Rentner ist in den letzten Jahren stetig gestiegen, ohne dass die Politik großzügige Steuervorteile gewähren musste. Es stellt sich in diesem Zusammenhang auch eine Gerechtigkeitsfrage. Warum entlastet die Politik arbeitende Rentner, während sie die jüngeren Arbeitnehmer gleichzeitig immer stärker belastet? Es würde mehr Sinn ergeben, jene zu entlasten, die die Rente immer stärker finanzieren müssen, anstatt jene zu entlasten, die die Rentenkassen belasten.

Grünen-Chefin Franziska Brantner sieht die Aktivrente ebenfalls kritisch. “Es gilt nur für Angestellte und nicht für Selbstständige“, bemängelt die Heidelbergerin. Aus ihrer Sicht ist die Aktivrente ein unnötiger Kostenfaktor. “Die Regierung macht die Rente noch teurer für den Staat“, kritisiert sie. Schließlich wolle die CSU auch noch eine Ausweitung der Mütterrente, sagt Brantner. Auch diese Kritik der Grünen ist etwas verwunderlich, weil die Partei eigentlich für eine Ausweitung von staatlichen Leistungen ist.

Es kommt der Verdacht auf, dass die Kritik aus Eifersucht erfolgt. Die Grünen wären selbst gerne ein Teil der Regierung, um Wahlgeschenke verteilen zu können. Alles in allem offenbart die Runde wieder einmal, wie wenig Gestaltungskraft die sogenannte politische Mitte noch hat. Es fehlt bei den handelnden Politikern der Mut und die Überzeugung, die immensen Herausforderungen anzugehen. Über kurz oder lang wird kein Politiker die Augen vor der Realität verschließen können. Wer sich Lösungen verweigert, dürfte in Zukunft abgewählt werden.

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Kommentare ( 69 )

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HansKarl70
1 Monat her

Das Einzige was in diesem Land noch funktioniert ist die Propaganda und der ÖRR aber das ist ja in etwa dasselbe.

Vallis Blog
1 Monat her

Um 4:55 Uhr das Tablet angeschaltet und Beginn des morgendlichen Streifzugs durch die Medien. Um 5:03 Uhr schon die ersten drei Vorschläge für Steuererhöhungen von Vertretern der Blockparteien gelesen. So geht Wochenende!

Peter Gramm
1 Monat her

Allen Diskutanten ist eines gemeinsam. Sie sind alle weit weg von der „harten Arbeit“ die notwendig wäre um den wirtschaftlichen Aufschwung in Gang zu setzen. Davon immer nur zu reden hilft niemanden. Von diesen Weltverbesserern haben wir leider viel zu viele. Sie bringen nichts, sie kosten nur.

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Peter Gramm

Wirtschaftlicher Aufschwung ist in der Transformations Agenda gar nicht angedacht.

Schwermetaller
1 Monat her

„…den Deutschen. …, ich denke, die sind allesamt … total -sorry- verblödet.“
Auf jeden Fall. Eine ihrer Blödheiten ist, sich einzubilden, man könne Millionen Menschen einen Arbeitsplatz anbieten, obwohl es diese Arbeitsplätze gar nicht gibt.

Schwermetaller
1 Monat her

„Die Grüne Franziska Brantner kritisiert heftig, was sie selbst tun würde,…“
Das ist so sehr Standard bei den Linken, daß es eines derer unverrückbaren Markenzeichen ist. Ja, man kann gar kein Linker sein, wenn man nicht so drauf wäre.

Europafriend
1 Monat her

„Leistungsträger bestrafen“.
Einer der neuesten Propaganda-Slogans lautet: „Bau-Turbo“, um dem Wohnungsmangel abzuhelfen – Ein riesengroßer Schmarren! Es müßte heißen: Klau-Turbo. Das wäre ehrlich.

Fatmah
1 Monat her

Ihr müsst mal die Begründung Bärbels lesen und nicht nur meckern. Sicher kann man eine Krankschreibung bringen um nicht das Bürgeürgeld gestrichen zu bekommen. Es geht hier aber speziell um geschätzt zehntausende Bezieher, die gar nicht mehr in Schland leben aber trotzdem weiter kassieren. Mittels Untermietvertrag bei Komplizen fällt das meist ewig nicht auf. Ich kenne Fälle die erst aufflogen weil ein Kind schulpflichtig wurde und dann vor Ort recherchiert wurde. Das hat offenbar sogar the Bass kapiert.

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Fatmah

Anträge kann man ganz und gar aus Fremdland stellen. Insbesonders auf Weiterbewilligung. Alles das ist seit Corona möglich.

Schwermetaller
1 Monat her
Antworten an  Fatmah

Wenn man eine gewissen „Klientel“ gar nicht kontrollieren oder sanktionieren will, dann wird man das auch nach der „Reform“ sicherlich nicht tun. Denn es sind längst alle Möglichkeiten gegeben.

HansKarl70
1 Monat her
Antworten an  Schwermetaller

Wenn man vor etwas Angst hat, dann ist es der Aufstand der „Zugereisten“, denn der würde mit Sicherheit sehr unschöne Bilder generieren.

LiKoDe
1 Monat her

Sendungen wie ‚Illner‘, ‚Maischberger‘ sind ausserordentlich leichte Unterhaltungssendungen, denn man könnte auch Sendungen wie Bericht aus Berlin oder Presseklub gucken, wenn man schon keine Lust hat, bspw. auf Phoenix sich Bundestagsdebatten anzugucken.

Einerseits lassen sich nun bestehende Verhältnisse nicht so Hals über Kopf ändern (‚reformieren‘) andererseits waren viele ‚Reformen‘ ziemliche Übel. Man denke mal an die ‚Agenda 2010‘.

Anstelle durch Förderung von Wissenschaft und Technik die Produktivität zu erhöhen, schuf man ‚einen der besten Niedriglohnsektoren Europas‘. So, als wolle man mit Niedrigstlohnländern in einen Wettbewerb treten.

Freigeistiger
1 Monat her

Eine große Bürgergeldreform ist das natürlich nicht, aber immerhin ein Anfang. Es geht darum, möglichst viele arbeitsfähige, oft noch junge Bezieher dieser Sozialleistung, die es sich darin bequem gemacht haben, in sozialversicherungs- und steuerpflichtige Arbeit zu bringen. Die verschärften Sanktionen tragen sicher dazu bei, allerdings wird sich die Kürzung von Geldleistungen und Kosten für Unterkunft (bei Totalverweigerung) auf null kaum realisieren lassen. Dem stehen wie bisher Entscheidungen des BVerfG zum Existenzminimum entgegen. Es bleibt also abzuwarten, was tatsächlich bei dieser Reform herauskommt. Wenn die Sanktionierungen dazu führen. daß wesentlich mehr Menschen in (reguläre) Arbeit kommen, dann ist das schon mal… Mehr

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Freigeistiger

Vielleicht könnten wir besser bewerten, wüssten wir, wie viele mit einem IQ unter der Grenze, in der sogar in „praktische Arbeit“ gebracht werden kann, uns inzwischen auf der Tasche liegen.
Analphabeten, die das Lernen nie gelernt haben, sind mit einem Kopf voller Ideologien und Ehrenkodexe vollständig um den Verstand gebracht und damit ausgelastet.

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
1 Monat her

Die AfD bleibt bei Illner außen vor Selbstverständlich. Schließlich gehört das Staatspropaganda-TV den Kartellparteien und nicht der AfD. Soll doch die AfD ihren eigenen Fernsehsender gründen und sich dafür ein ebenso geniales Zwangsgebührensystem einfallen lassen. Aber der ÖRR-Zwangsgebührenzahler hat nun mal Anspruch auf seine tägliche Gehirnwäsche in Reinform. Schließlich ist es nicht unwahrscheinlich, dass die rechtskonservative Partei bald an die Macht kommt. Soll das ein Witz sein? Eine satte Zweidrittelmehrheit stimmt für die Einheits-Blockpartei (CDU-CSU-SPD-SED-GRÜNFASCHOS). Da kann die AfD mit ihren 25% machen, was sie will. Unter diesen Umständen besteht keinerlei Aussicht auf Regierungsverantwortung, denn der Kartellparteienblock ist jederzeit bereit,… Mehr