Bei Anne Will: Gründlich misslungen

Bei Anne Will sollte die Ernte eingefahren, die AfD für Strache in Sippenhaft genommen werden. Neben einem Spiegel-Redakteur war alles da, was SPD, Grüne und Union zu bieten haben. Gereicht hat es nicht.

Screenprint:ARD/Anne Will

Ausgerechnet AfD-Vize Jörg Meuthen stellte dem Spiegelredakteur Martin Knobbe nach einer gefühlten Ewigkeit, in der Manfred Weber auf Katharina Barley losgegangen und Ska Keller gegen alle Parteien rechts von der SPD polemisiert hatte, die Frage, auf deren Antwort wohl viele gewartet hatten: „Warum jetzt?“ Warum veröffentlichten Sie ein zwei Jahre altes Video kurz vor der Europawahl, bei der rechtskonservativen Parteien ein großer Sieg prophezeit wurde? „Das wollte ich auch gerade fragen“, schob Diplom-Journalistin Anne Will schnell hinterher.

Knobbe erzählte in etwa folgende Geschichte: Man müsse die Story halt machen, „wenn die Infos kommen“. „Seit geraumer Zeit“ wisse man von dem Video, das heißt seit „einigen Monaten“. Dann habe der Spiegel erfahren, dass „auch die SZ da dran sei“ und beschlossen, dann kooperieren wir. Außerdem: Was hätten die Leute wohl gesagt, wenn es erst nach der Wahl veröffentlicht worden wäre? Hier hätte journalistisches Nachhaken Sinn gemacht. Was heißt, dass die SZ „da auch dran war“? Hatten beide das Video gleichzeitig angeboten bekommen? Wollte man sich die Kosten teilen? Obwohl es immer heißt, der Spiegel habe nichts bezahlt. Hat jemand anderes bezahlt?

Hier ist interessant zu wissen: Der österreichische Journalist Armin Wolf, bestimmt kein Freund der FPÖ, verlautbarte gerade: „Schon vor Monaten wurde das Video angeblich gegen sehr viel Geld über Vermittler einzelnen Medien angeboten.“ Wenn Spiegel und SZ das Material nun umsonst bekommen haben, hat das die Superjournos nicht stutzig gemacht? War die Übergabe des Materials an einen Veröffentlichungstermin gebunden?

In einem anderen Aspekt ist die Recherchearbeit der Investigativos geradezu drollig. Obwohl nun jeder die Hauptfigur Strache selbst bei Sehschwäche relativ eindeutig erkennt, ließ man »die entscheidenden Passagen von einem „geprüften und zertifizierten Sachverständiger für Foto-Forensik, Foto-Anthropologie und digitale Forensik“ überprüfen. Hinweise, dass die Aufnahmen gefälscht sind, fand dann weder der Sachverständige noch „das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT in Darmstadt“«, schreibt der Spiegel. Mehr Tamtam als bei den Hitlertagebüchern.

Bleibt die Frage nach dem Geschmäckle der Veröffentlichung als Wahlkampfeinmischung in einem anderen Land. Der Baden-Württembergische Landesdatenschützer (FDP) twitterte dazu: „Wenn wir politische Gegner hintergehen, ihre Privatsphäre verletzen und sogar kriminelles Unrecht begehen, schaden wir letzten Endes unserer politischen Kultur und damit uns allen.“ Katarina Barley sieht sich „als Justizministerin gehalten, sich nicht zu äußern, außerdem ist das in Spanien passiert“, aber dann äußert sie sich doch dahingehend, dass „investigativer Journalismus eine Säule der Demokratie“ sei. Was aber an der Veröffentlichung eines, wir vermuten mal illegal entstandenen Videos mit investigativem Journalismus zu tun haben soll, weiß sie wohl so wenig wie Manfred Weber, der die Veröffentlichung als „starkes Zeichen für freie Medien“ sieht. Überhaupt, der Manfred. Richtig biestig war er heute.

Er hat es aber auch nicht leicht. Einerseits sind alle rechts von der CSU in Europa „Skrupellose“, die „ihr Land verkaufen“ und mit Russland zusammenarbeiten, andererseits war das, was die österreichische Regierung gemacht hat „in der Sache gut“. Steuern gesenkt zum Beispiel. Ja, Herrgottsakra!

Barley und Ska hielten ihm ständig den Orban vor, den er, so Barley, sogar jahrelang zur CSU eingeladen habe und zur Kanzlerin. Aber, püh, ist ja nicht meine Kanzlerin. „Frau Merkel ist nicht Ihre Kanzlerin, Frau Barley?“, fragte süffisant Jörg Meuthen, der Oberwasser bekam. „Steht das Ende der Regierung bevor?“

Weber konterte Barleys Attacken mit den korrupten Sozialdemokaten in Rumänien. Und Varoufakis, der mit der SPD zusammengehe, habe auch sein Land verkauft und scharwenzelt mit den Russen! Barley achselzuckend, man könne sich seine Verwandtschaft halt nicht aussuchen.

Anne Will beschimpfte Meuthen, dass die FPÖ, also Seinesgleichen, wie im Video zu sehen, die Macht bei der Kronenzeitung übernehmen und allen linken Journalistenden den Garaus machen wolle. Und er Meuthen, wolle auch den Öffentlich Rechtlichen ans Leder. Ja, sagte der eiskalt, das ÖR-System sei „faul bis ins Mark“, und er rechnete Will vor, dass sie die Aufmerksamkeit extrem ungleich verteile, Grüne der AfD vorziehe im Verhältnis 24:5, obwohl die AfD stärker sei im Bundestag. Anne Will reagierte geradezu eingeschüchtert: „Da gehe ich jetzt nicht darauf ein“. Das kommt selten vor, dass der allgewaltige Moderator derart die Fassung verliert. Dann verwies Meuthen noch auf das riesige Medienimperium der SPD, und die Krone gehöre nun teilweise einem Kurz-Freund. Soviel zur Presselandschaft.

Die AfD hat mit ihrem Wirtschaftsprofessor Meuthen einen Frontmann, der sich nicht so leicht ins Bockshorn jagen lässt. Gleich von Anfang an auf Attacke geschaltet, ließ er das Ansinnen der Redaktion „Neuwahlen in Österreich – Dämpfer für die europäische Rechte?“ ziemlich ins Leere laufen. Weber geriet im Laufe der Sendung wegen des kommenden Wahl-Sonntags immer mehr in Panik. „Ihr giftiges Auftreten!“ „Ihr Salz streuen“ heulte er fast Meuthen entgegen. Katarina Barleys will erkannt haben, dass die These „Alle sind so, nur die sind anders“, der AfD in die Hände spiele. Dabei gebe es Grüne und CDU und FDP, das weiß sie ganz genau, und die sind alle ganz anders. Dann verstieg sich unsere Justizministerin zu der Aussage, das „Europaparlament” sei das demokratischste Organ der EU – Meuthen: Sie wissen schon, dass die Urformel „One Man, One Vote“ da nicht gilt? – aber das EU-Parlament brauche mehr Rechte. Da stimmte Meuthen dann vollumfänglich zu.

Ska brachte auch noch das grüne Programm unter: Mehr Steuern (C02)! Lassen Sie Frau Keller ruhig reden, bat Jörg die Anne, das bringt uns Stimmen. Worauf die „Respekt“ anmahnte.

Spiegel-Redakteur Knobbe, der natürlich auch registrierte, dass das geplante Anti-AfD-Tribunal gerade platzte, brachte dann schnell Russland-Connection und Parteispenden auf den Tisch, aber Meuthen konnte das die Stimmung nicht verhageln. Mit Russland, da solle er mal weiter recherchieren, und zur Parteispende an ihn – wie durch ein Wunder hatte die ARD gleich ein Erklärstück parat, in dem es aber immer nur hieß „könnte“, „hätte“, „vielleicht“ – sei die einzige Schweinerei, dass die Bundestagsverwaltung die Aufklärung bis nach der Wahl verzögere.

Manfred gingen am Ende dann komplett die Nerven durch, weil der Plan schief gegangen war. Er tobte „Europa geht kaputt“, Meuthen sei „das nette Gesicht“, aber dahinter, und dann verlor er sich tatsächlich bis nach Chemnitz und zur NPD. Wahrscheinlich ist der Manfred schon zu lange in Brüssel, und wegen Chemnitz könnte er mal mit Parteifreund Hans-Georg Maaßen Rücksprache nehmen.

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Kommentare ( 191 )

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SubZer0
4 Jahre her

Ich muss widersprechen… Barley sagte: „Investiger Journalismus“ – und das zwei Mal. Interessant wie sie dieses Wort (investigativer) ausspricht

martin ruehle
4 Jahre her
Antworten an  SubZer0

Nun, wenn die Mainstream Medien sich als gewinnbringendes Investment für die Polit-„Eliten“ erweisen, darf Prof. Freud schon mal die Zunge führen …!

P.Reinike
4 Jahre her

Wie hat man denn überhaupt Kenntnis erlangt, daß der auch das andere Medium an der Veröffentlichung dran war? Über einen Mittelsmann, über einen Macher? Derzeit erlahmt der investigative Wille, den Kontext wirklich aufzuklären, die Macher sollten sich zu erkennen geben, nachdem das Nützliche im Kasten ist und solche Details gegebenenfalls die gewünschte Wirkung schmälern und Perspektiven verändern könnten. Das ist aber kein Journalismus, sondern Propaganda und die Bürger haben das Recht auf die ganze Geschichte und nicht nur manipulativ auf die aus eindeutiger Perspektive nützliche Hälfte. Da kann man im Kern nur auf österreichische Medien mit ihren leider beschränkten Ressourcen… Mehr

HavemannmitMerkelBesuch
4 Jahre her

Wir sind links und das Leben der Anderen ist natürlich Rechts! War nicht linksgrüner Anspruch immer Resozialisierung, Datenschutz, Persönlichkeitsrechte, Aufklärung, Toleranz, Transparenz etc…? Wo sind diese ehrbaren Grundsätze bei den laut Barley als Justizministerin(!) vollkommen unabhängig neutral ungenannten Leben der Anderen? Zitat Tichy/Wallasch/Barley „„Wenn wir hier jetzt wieder rausgehen und der Eindruck entsteht bei den Leuten, alle sind so und nur die sind irgendwie anders (Red.: sie meint die AfD) das ist ein Fehler, das ist genau das, was denen (Red.: sie meint die AfD) in die Karten spielt. Deswegen ist es so wichtig, dass wir in diesem demokratischen Wettbewerb,… Mehr

Wabu
4 Jahre her

Wir sind heute schon da, wo wir 1933 schon mal waren. Die Braunen sind heute Rot und Grün. Und wieder merkt keiner was. Vielleicht fällt aber irgendjemand mal auf, dass diese Demokratie längst am Ende ist, wenn ‚AfD-Wähler‘ oder ‚Klimaleugner‘ mit fleissiger Unterstützung der Anne Wills wieder ein Abzeichen auf ihre Jacke nähen müssen und einen Stempel in den Ausweis bekommen. Häuserwände werden von den, die sich ‚Anti-Fa‘ nennen tatsächlich aber ‚Links-Fa‘ sind ja schon heute beschmiert, genau wie im NS-Staat.

Sansa
4 Jahre her

Ein sehr amüsanter Artikel.
Ich sehe mir derartige Sendungen nicht mehr an. Überall nur noch Unfähigkeit, egal wohin man blickt. Es gibt kaum noch klardenkende Menschen.

Ralf Poehling
4 Jahre her

Wunderbare Performance von Meuthen. Mehr davon und die Wähler werden hoffentlich begreifen, dass unser von außen aufgezwungenes Image nichts anderes ist, als das Resultat dummer Propaganda vom politischen Gegner.
Intelligenz, Kompetenz und Reife findet man zuallererst bei uns.

elubitsch
4 Jahre her

Zuerst: Ich habe die Sendung nicht gesehen und ich werde mir das im Nachinein auch nicht antun. Deshalb kommentiere ich auch nicht zum Inhalt. Anne Will ertrage ich schon lange nicht mehr. Die gehört ins Reichspropagandaministerium aber nicht in den zwangsgebührenfinanzierten Öffentlichen Rundfunk. Ich lese nur noch die Zuschauerkommentare zu diesen Sendungen und fast immer ist es das gleiche. Suggestion durch die Medien und tatsächliche Wahrnehmung durch die, die die Sendung auch gesehen haben, stehen sich diametral gegenüber. Da gibt sich der MM mittlerweile gegenüber den anderen Online-Medien nichts. Meine Meinung muß ich mir mittlerweile aus anderen Quellen als den… Mehr

Gjergj Kastrioti
4 Jahre her

Oh ja, sie merken, dass die Strache-Aktion zu offensichtlich war (gerade auch die merkwürdige Verzögerung bis kurz vor der EU-Wahl) und dass nun der mündige Wähler (ja, Herr Weber, den gibt es Gott sei Dank auch noch!) die Sache durchschaut und vielleicht sagt „Jetzt erst recht!“ Ich hoffe, dass das Bündnis mit AfD, Lega, RN mindestens 25% der Sitze im EP erobern kann.

Indigoartshop
4 Jahre her

Wer oder was heißt denn „Ska“? Ist etwas Franzi gemeint, Frau Franzi Keller? Also die auf großen Plakaten mit dem Ausdruck „Ich menstruiere vorzeitig“ fuchtelnd ins Leere greift?

Klar hat die Basedow-Beauftragte der Bundesregierung in Spanien nichts zu suchen. Hier aber auch nicht.

Wilhelm Cuno
4 Jahre her

Ich freue mich auf die Europawahl. Und auf die in Bremen auch. Da ändert auch ein primitiv und betrunken wirkender Herr Strache in Österreich nichts. Früher hat man sich als Verfassungsorgan aus den inneren Angelegenheiten anderer Länder herausgehalten…

Karl Heinz Muttersohn
4 Jahre her

Mir hat die Stelle mit Claas Relotius am besten gefallen.