Anne Will: Wegner im Porzellanladen

Dinge, die man nicht sagen darf, sind das Thema bei Anne Will an diesem Sonntagabend. Also, vordergründig das Thema die Berlinwahl. Aber die Wahl ist nur Verkleidung für das wahre Thema.

Screenprint ARD-Mediathek

Bei Anne Will spricht man über die Wahlen in Berlin, ganz ohne Berliner. Das passt schon, will Will ja kein Lokalfernsehen sein, sondern ein Programm, das in der ganzen Republik ignoriert wird. Und weil die ARD viel Wert auf die Meinung seiner Zuschauer legt, wurde dieses Mal noch nicht einmal Ricarda Lang in die Sendung eingeladen. Dass sie in zwei der vier Sendungen in diesem Jahr schon zu Gast war, sorgte vergangene Woche für Furore. Um sich dieser Kritik nicht wieder aussetzen zu müssen, wurde stattdessen Omid Nouripour, die männliche Hälfte der Doppelspitze der Grünen, eingeladen. Die Funktion des Gasts der Grünen bleibt so bequemerweise dieselbe, der Phrasendrescher sieht nur ein bisschen anders aus.

Weil Will nicht ganz voreingenommen sein will, ist noch Jens Spahn für die CDU eingeladen. Die erfolgreiche Kleinpartei SPD durfte auch jemanden in die Sendung entsenden: Saskia Esken, die Bundesvorsitzende ist aus der Versenkung wieder aufgetaucht. Man hatte sie fast vergessen, so sehr hat die SPD sie während des Berliner Wahlkampfs versteckt gehalten. Man wollte wohl nicht noch mehr Wähler zur CDU treiben, als es die Politik von Rot-Rot-Grün ohnehin schon tut.

Was treibt die Wähler nur zur CDU?

Esken versteht nicht, was die Wähler zur CDU hätte treiben können. Ist es die ineffiziente Verwaltung? Oder Silvester? Für all diese Dinge kann die SPD doch nichts, findet Esken; denn Giffey hatte ja keine 15 Monate Zeit gehabt, um zu regieren. Die vergangenen 20 Jahre, in denen die SPD den Oberbürgermeister stellte, werden ignoriert. Zumindest der Gast Michael Bröckner, Chefredakteur des „The Pioneer“, lässt das den Politikern der Runde nicht durchgehen. Er fasst zusammen: Die SPD regiert seit der Jahrtausendwende in Berlin und versagt hoffnungslos. Das die SPD so blamiert darsteht, ist nicht die Stärke der Union, sondern die Schwäche von SPD und Grünen, die Probleme der Stadt anzupacken. Kritisiert wird dafür der Spitzendkandidat der CDU, Kai Wegner, weil er sich wie ein Elefant im Porzelanladen verhalten haben soll. Einen „Wahlkampf der Spaltung“ wirft Esken ihm vor. Nouripour meint: Es ist natürlich schwierig, mit jemandem eine Koalition zu bilden, wenn man die Partei vorher mit seinen Äußerungen brüskiert hat.

"Progressives Lager" verliert
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Es offenbart sich ein System, mit dem in der Öffentlichkeit jeder zum Schweigen gebracht wird, der den Grünen missfällt. Die Medien werfen einem Politiker vor, er würde rechte Narrative bedienen. Nouripour deutet an Spahn gerichtet unverhohlen an: Wer motzt, wer die Politik auf Landes- oder Bundesebene kritisiert, mit dem machen wir keine Koalition. Politik, das Ringen um die beste Antwort, wird so unmöglich. Und es erklärt auch, warum die CDU eine so schlechte Bundesregierung weitgehend unkritisiert gewähren lässt. Merz will Kanzler werden. Die einzige Option, die er dafür sieht, ist mit den Grünen – die er deswegen kaum kritisiert.

Wegner aber, er hat sich bei den möglichen Koalitionspartnern unbeliebt gemacht. Das hat ihm schon öffentliche Zurückweisungen und sogar Boykotts seitens Merz eingebracht. Der Regierende Senat wird auch in Zukunft Rot-Grün-Rot sein. Oder Grün-Rot-Rot?

Aber: Dass Wegner 10 Punkte zulegen konnte, ist doch ein Signal. Eine CDU, die die Probleme benennt, kann ihren Gegnern das Wasser abgraben und so stärkere Gewinne der AfD verhindern.

Merz weiß das; sonst hätte er sich nicht zu seiner Bemerkung hinreißen lassen, dass unintegrierte Jungs aus Migrantenhaushalten oft „kleine Paschas“ seien. Doch Merz fehlt das Durchhaltevermögen, die Kritik der Linken auszuhalten. Stattdessen muss Jens Spahn für ihn dort sitzen und Merz‘ Paschas verteidigen. Das tut er sogar – ungewöhnlich, dass ein CDU-Mann mal nicht von der geballten Kritik von Esken, Will und Nouripour zusammenklappt.

Eine härtere CDU?

Es kann der Anfang eines neueren, härteren Tons in der CDU sein. Oder man zuckt wieder zusammen und entschuldigt sich. Das Narrativ steht schon: Spahn entschuldigte die Pascha-Bemerkung, indem er sagte, man müsse doch nur in den Iran schauen, um Beispiele „kulturell vermittelter toxischer Männlichkeit“ zu finden. Diese müsse man hier bekämpfen.

Der ungeliebte Gewinner
Wegners Sieg: Eine Hypothek für die Merz-CDU
Doch die kommenden Tage werden für Spahn schwer werden. Nouripour ist in Teheran geboren. Will Spahn sagen, Nouripour ist ein toxischer, frauenfeindlicher Macho? Natürlich will er das nicht, aber diese Worte werden Spahn in den Mund gelegt werden. Anne Will und Saskia Esken und auch Nouripour selbst versuchen es an diesem Abend: Die Porbleme der nicht gelungenen Integration wegzuwischen, indem sie auf Einen zeigen, der integriert ist, und sagen: „Der ist auch aus Teheran!“

Politikforscherin Ursula Münch, Vorsitzende der „Akademie für politische Bildung“, will auch die harten Formulierungen der Union als Problem ausgemacht haben. Der Tenor lautet: Die Probleme müssen angesprochen werden! Aber nicht so! Und nicht so! Also, vielleicht lösen sie sich ja von selbst, wenn Politiker sie nur nicht ansprechen. Den Erfolg dieser Strategie belegt die AfD: Sie besetzt die Themen, die keiner ansprechen will. Und profitiert. Wenn aber einer ihre Themen mitbesetzt, so wie in Berlin, kann die AfD von Wahlen kaum profitieren. In Berlin gewann sie einen Prozent mehr der Stimmen als noch 2021: Denn Wegner konnte die Unzufriedenen auf sich bündeln und sein Ergebnis stieg dafür um 10 Prozentpunkte an.

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Kommentare ( 78 )

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78 Comments
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Dellson
1 Jahr her

Die Wahl ist vorbei und das Volk darf sich wieder schlafen legen. Die Parteien wissen ab jetzt wie es weitergeht und wie man sich untereinander zusammenfinden kann. Egal was es den Steuerzahler auch kosten wird. Wählerwille und Willensbildung vernachlässigbar. Ergo es ist schon ein Kreuz mit dem Kreuz. In der Religion heißt es, der senkrechte Balken steht für die Verbindung von Gott und den Menschen. Der waagerechte Balken steht für die Verbindung der Menschen untereinander. Die Verbindung die schon jeder täglich spüren kann, ein Minus auf allen Ebenen! Das Ergebnis für Berlin war schon im Vorfeld klar vorhersehbar. Selbst 10%… Mehr

Lena M.
1 Jahr her

„Eine CDU, die die Probleme benennt, kann ihren Gegnern das Wasser abgraben und so stärkere Gewinne der AfD verhindern“. Gewinne der AfD werden verhindert, indem man ihr keine Möglichkeit gibt, ihre Themen einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Im Gegenteil: Es wird keine Gelegenheit ausgelassen, negativ über sie zu berichten und das vor allem natürlich vor Wahlen. Auch TE meidet es, wie der Teufel das Weihwasser, der AfD ein Forum zu bieten. Auch bei TE wird über (und das meist sehr negativ) und nicht mit der AfD gesprochen. Sehr schade – ich schätze im übrigen Ihre ausgewogenen Berichte . Aber ich verstehe… Mehr

Riffelblech
1 Jahr her

Der Wahlerfolg der AfD mit 10 % ist gegenüber dem ständigen ,landauf landab gehörten Bashing dieser Partei ein tolles Ergebnis. Wie würde das Ergebnis aussehen ,wenn sich MMM wirklich demokratisch verhalten würden und den jeweiligen Parteien Erfolge und Mißerfolge vorhalten würden . Wo wären denn die Grünen und Roten mit ihrer Klimawende ,Verkehrspolitik,mit ihrer Klimakleberei und ihrer permanenten Kriegshetze? Nein ,die Journalisten der MMM sind die Brosamenempfänger der Krümel vom Tisch der linksgrünen Parteigenossen . Diese werden dann hingebungsvoll zerkaut und als das Allheilmittel angepriesen. Andersrum wäre es richtig : Erfolge und Fehler auf den Tisch um dem Souveränen Bürger… Mehr

HavemannmitMerkelBesuch
1 Jahr her

Machen wir es doch endlich wie die ganzen linken Extremisten, die sich als Demokraten tarnen.Sie sind und bleiben Linksextremisten. Und Linksextremismus ist Sozialismus, ist Kommunismus, ist Stalinismus! Dieses Framing gegen Rechts, Konservativismus, Liberalismus etc. als angeblich unwählbar muß aufhören. Die, die das seit nun Jahrzehnten betreiben, wohlwissend, das die ideologisch zwangsvereinigten mainstreammedien nicht mehr neutral und objektiv berichten, sondern reine Propagandalügen verbreiten, setzen sich tatsächlich immer noch hin, schauspielern Demokratie und Moral und machen genau das, was sie anderen vorwerfen. Offenbar verfängt das immer noch bei ausreichend verblödeter Bevölkerung, die aufgehetzt und fanatisiert von den Linksextremisten, deren Lügen immer noch… Mehr

November Man
1 Jahr her

Vom Wähler abgestraft und abgewählt und trotzdem weiter regieren wollen. Das sagt so einiges über die Charaktereigenschaften von linken Politikern aus. Wer soll Regierungschef in Berlin werden? Die rote Giffey, die ihren Doktortitel abgeben musste und hohe Wahlverluste eingefahren hat? Oder die grüne Jarasch die ebenfalls Wahlverluste hinnehmen musste und nicht mal das Mandat in ihren eigenen Wahlkreis gewinnen konnte? Oder der CDU-Wegner den die Linken jetzt ohne weiteres vom Wahlsieger zum Wahlverlierer machen können?
Egal wie, die Berliner bekommen wieder eine schlechte linke Chaosregierung.

November Man
1 Jahr her

 Die Linken dieses Landes haben sich schon länger zusammengeschlossen und vereinigt. Sie haben die Macht und das Zepter übernommen. So lange die CDU/CSU nicht den Mut hat auf die AfD zuzugehen, wird die CDU in Zukunft in diesem mittlerweile dummbunten Land so schnell nirgends mehr regieren. Und mit einem schwachen Merz an der Spitze wird das so oder so nichts. Der Mann kann ja nicht mal ordentliche Oppositionspolitik. Wenn die CDU mit Merz sich weiterhin den Grünen an den Hals wirft, wird sie unweigerlich im linken Sumpf bis zur Auflösung zerrieben.  

Mike74
1 Jahr her
Antworten an  November Man

Was sie auch verdient hat. Darauf freue ich mich am meisten, dass diese sich anbiedernde Unterwürfigkeit „ohne A… in der Hose“ nämlich am Ende gnadenlos Posten kosten wird: im Bund, im Land und auch auf kommunaler Ebene. Von Sozialisten und Kommunisten war niemals etwas anderes zu erwarten, der ganz große Verrat am Bürgertum samt irreversibler politischer Koordinatenverschiebung hat alleine die CDU/CSU zu verantworten ob ihrer erbärmlichen Kriecherei in den Merkel-Jahren, als die Partei für Posten und Karriere unterwürfig ihre Seele verkaufte und noch dumm-glücklich dabei war. Soll sie nun wenigstens langsam mit vor die Hunde gehen, das wünsche ich mir… Mehr

November Man
1 Jahr her

 „Neustart oder weiter so?“
Berlin, die Hauptstadt des Verbrechens, hat das weiter so im linken Sumpf gewählt. Erst wenn man den Berlinern den Geldhahn des Länderfinanzausgleichs ersatzlos abdreht werden die Berliner aufwachen. So lange geht es weiter so wie gehabt, alles wird sich weiter zum Nachteil ändern, aber ganz sicher nichts zum Guten. Die Bayern, Hessen und Baden-Württemberger müssen so weiterhin eine bunte Regierung der Geldverschwendung bezahlen.  

November Man
1 Jahr her

Die Berliner bekommen jetzt das was sie gewählt haben. Über 90% der wahlberechtigten Berliner und noch ein paar mehrfach haben die Parteien gewählt die seit Jahrzehnten in Bund und Land gegen das Volk regieren. Die bewiesen haben, dass sie nichts zum Wohle und Nutzen dieses Landes und seiner Menschen getan haben. Bis heute noch nicht.
Jetzt wird es wieder eine linke Einheitsbreipartei-Regierung aus mehreren linken Parteien.
Es wird Zeit das der Länderfinanzausgleich ersatzlos gestrichen wird. Mal sehen wer noch dann noch Berlin regieren will.

Peter Gramm
1 Jahr her

Jetzt haben die Politikwissenschaftler und sonstige klugen Leute und Moderatoren und diejenigen die ihre Berechtigung über etwas zu reden aus diesen Vorgängen ziehen wieder Hochkonjunktur. Es wird wieder alles zerredet ohne irgendetwas Sinnvolles zuwege zu bringen. Man könnte diese Situation ganz leicht entschärfen in dem man eine Regel schafft bei solch festgefahreren, dem Bürger nur immer mehr Geld kostenden Situationen das Mehrheitswahlrecht als Entscheidungsgrundlage anzuwenden. Dann hätte man den ganzen bildungsschwachen Emporkömmlingen in den unterlegenen Parteien die von diesen Situationen immer nur Vorteile ziehen den Stecker gezogen. Das Verhältiswahlrecht wie auch das Listenunwesen für Bildungsschwache und sonstige Lebenskünstler muß dringendst… Mehr

Hundefan
1 Jahr her

Tja…FDP…Geschieht recht. Man könnte die ganzen Lindners, Buschmanns und das „lieberale Feigenblatt“ Kubicki seitdem sie in der „Ampel“ sitzen…eh als Sockenpuppen der unliberalen Linken Parteien sehen.
Geschieht ihnen recht. Bescheidene Frage: Darf Linder bei der Partei von Scheel, Genscher,Baum, Westerwelle,Lambsdorff,Heuss, Dehler und Co bald das Licht ausmachen?
Ich hoffe, das er begreift…das ER es war! Schande Hr. Lindner!