Und wenn die Not am größten ist: Champagner muss es sein!

Sicher, ein Schiff kann vom Stapel laufen und mit Sekt getauft werden. Das neue Jahr kann beginnen und man kann stolz sein, einen guten Cava gefunden zu haben. Und auch ein Prosecco perlt im Glas. Die öffentlich vorgetragene Ablehnung von Luxus ist ein deutsches Hobby, macht aber wenig Spaß. Her mit dem Champagner! Von Ingo Swoboda und Aufgegessen.info

IMAGO / biky

Ich gestehe es gleich vorweg: Auch in Krisen-Zeiten, und gerade da, bin ich ein überzeugter und leidenschaftlicher, wenn auch kein kritikloser Champagner-Trinker. Natürlich weiß ich, dass dieser Genuss nicht umsonst zu haben ist. Das macht ihn aber noch lange nicht unerschwinglich. Dass Champagner generell zu teuer sei, ist eine wenig fundierte Behauptung, die an dem essentiellen, weil alles entscheidendem Kriterium, was einem Genuss wert ist, vorbei geht. Was darf es denn kosten? Das schöne Leben ist nicht umsonst zu haben. Natürlich geht es auch billiger, dann ist es aber nicht mehr so schön. Und eine ordentliche Portion Champagner mit dem dazu gehörigen Luxus-Flair, den kein anderer Schaumwein bieten kann, gehört eben zum schönen Leben. Basta!

Dass Champagner immer wieder für kritische und gewagte Vergleiche herhalten muss, hat nicht ausschließlich mit der geilen Geiz-Haltung zu tun. Dahinter steckt vielmehr die Lust der Deutschen an der Banalisierung des Luxus und das Misstrauen gegenüber Produkten, die über „gut und günstig“ hinausgehen. Alles was gut und teuer ist, ist zugleich verdächtig. Entsprechend gibt es genügend Zeitgenossen, die Champagner-Trinkern mit schöner Regelmäßigkeit ins Glas spucken, um anschließend für das verlidelte Aldi- und Penny-Volk, sozusagen als geschmackliche Wiedergutmachung, eine ganze Reihe von vermeintlichen „Genauso-gut-aber-billiger-Alternativen“ aus dem Hut zu zaubern. Die Qualität spielt dabei keine besondere Rolle, Hauptsache billig. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Die Fangemeinde der Billig-Alternativen scheint im Musterland der Billig-Esser und -Trinker zu wachsen. Alles nur keinen Champagner, lautet die Parole der vermeintlichen Sparfüchse! Denn Champagner ist, so das Mantra kulinarischer Kleingeister, meist überteuert, vielfach von mittelmäßiger bis schlechter Qualität und, man höre und staune bei der Welt, sollen „die meisten Champagner allein durch den Mythos überleben, den die besten unter ihnen einst begründet haben“.

Zudem vermuten viele Tugendwächter eine von Champagnerrausch begleitete Steuer-Spar-Verschwörung der Besser- auf dem Buckeln der Nicht-ganz-so gut-Verdiener. Sozialneid im Genussbereich! Im Land der weltweit billigsten Lebensmittel, wo Discounter und die gut gemeinten, aber im Prinzip zur Beschäftigungstherapie und Gewissensberuhigung von Gutmenschen verkommenen „Tafeln“ zum Rettungsanker für eine von Armut bedrohte Gesellschaft werden, darf und soll es keinen Champagner mehr geben. Es sei denn für alle und billig. Da schließt sich der Kreis wieder.

Wer also Champagner ob seines Preises oder seiner ideologischen Vorbelastung aus den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten bei Feierlichkeiten der Bourgeoisie und des Adels für dekadent hält, sollte jenen Autoren die Füße küssen, die unter dem Motto „Es muss ja nicht immer Champagner sein“ oder „Schaumwein ist oft besser als Champagner“ investigativen Journalismus betreiben. Alle Jahre wieder lesen wir diese Plattitüden in den Silvester-Ausgaben der einschlägigen Publikationen, die ihren Lesern unter den Rubriken „Stil“ oder „Kultur“ das wahre, schöne und gute Leben näherbringen möchten. Und alle Jahre wieder bemühen sich die Autoren redlich um eine plausible Erklärung, warum es zum Jahreswechsel ein Sekt, Spumante, Sparkling Wine, Cava oder Crémant sein sollte!

Nur keinen Champagner. Dazu passt die gute Nachricht für alle ambitionierten Verfechter von sozialverträglichen Getränken, für die hartnäckige Prosecco-Fraktion und die überzeugten Sekt-Trinker, dass die derzeitige eher genussfeindliche Bundesregierung im neuen Jahr keinen gesetzlichen Champagner-Trink-Zwang plant. Es sei denn man findet noch einen Kniff, um Champagnerlaune erfolgreich gegen den Klimawandel in Stellung zu bringen. Zuzutrauen ist denen in Berlin alles, die ohnehin wie Insassen einer Irrenanstalt Kieselsteine sammeln und glauben, es seien Diamanten.

Keine Frage, ein guter Sekt ist nicht zu verachten. Doch ist die Bottle köstlichen Schaumweins amerikanischer Produktion, immerhin ein Blanc de Blancs, für rund 35 Euro ein echtes Schnäppchen? Auch deutsche Winzersekte der trinkbaren Klasse sind nicht mehr zu Spottpreisen zu haben, und einige haben preislich mit Champagner gleichgezogen.

Bleibt die Frage, ob alles was prickelt und schäumt in einen Topf geworfen werden darf, nur weil die Produktionsmethode, in den meisten Fällen nicht die Rebsorten, weltweit mehr oder weniger immer die gleiche ist. Muss deswegen jedes Blubbergetränk am Champagner gemessen werden? Oder umgekehrt? Würde jemand beim Stapellauf seine Luxusjacht mit einer Flasche Winzersekt oder Prosecco taufen? „Vergleiche hinken“, diese Binsenweisheit beweist vinologischen Tiefgang. Denn ein klein bisschen gefühlter Luxus, den am Ende doch nur der Champagner ins Glas bringt, sollte man sich nicht vermiesen lassen.

Darauf ein Glas – Champagner versteht sich!

Dieser Artikel wurde für Tichys Einblick geschrieben von Aufgegessen.info, dem gastrosophischen Blog für freien Genuss. 

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Kommentare ( 16 )

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16 Comments
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Rasparis
4 Monate her

Versuchen Sie es doch einmal mit einem guten Cremant („methode tradtionelle“ mit zweiter Gärung in er Flasche) – die von der Loire z.B. stehen Champagner in nichts nach, außer im Preis. Es wäre übrigens auch erstaunlich, wenn Kreszenzen von den Ufern der klimatisch sehr stark begünstigten Loire jenen der weiter nördlich gelegenen und einem etwas kontinentaleren Klima ausgesetzten „Champagne pouilleuse et crayeuse“ etwa unterlegen wären (die oft gerügte „Säuerlichkeit“ des Champagners, der sich auch der Verfasser nicht so recht zu entziehen vermag, ist eine Folge des eher schon etwas rauheren und kühleren Klimas von dessen Anbaugebiet). So war es wohl… Mehr

SPQR64
4 Monate her

Tut mir leid, ich kann Schampus nicht ausstehen. Beim Trinken steigt mir die Kohlensäure immer über den Rachen in die Nase. Sehr unangenehm, wenn ich dann in Gesellschaft prusten und husten muss. Was mache ich falsch? Soll ich erstmal umrühren, damit die Kohlensäure rausgeht?

Ok. Die schweren Flaschen eignen sich immerhin super als Abschussbasis für Silvesterfeuerwerk 😉🤓

Allen Autoren, Lesern und Kommentatoren einen guten Rutsch mit oder ohne Champagner. Ihre SPQR

Buddy
4 Monate her
Antworten an  SPQR64

Danke auch einen guten Rutsch

Johann Thiel
4 Monate her
Antworten an  SPQR64

Nicht „Trinken“ sondern den kleinen Schluck einen Moment im Mund behalten.

mojo33
4 Monate her

Na dann Prost, auch gerne mit Champagner! Dafür zahlt man ja auch „Schaumweinsteuer“, die 2019 immerhin 377 Mio. € in die Staatskasse spülte. Die Schaumweinsteuer wurde 1902 vom Kaiserreich zur Finanzierung der Kriegsflotte eingeführt und hat mit Modifikationen bis heute Bestand. Die Steuer hat die Weimarer Republik, das Naziregime, die Nachkriegszeit überdauert und auch Einzug in die Bonner/Berliner Republik gefunden. Interessant, daß sich unsere so fortschrittliche woke Gesellschaft ein Relikt des Kaiserreiches gönnt, aber mit dem Kaiserreich sonst nichts zu tun haben möchte.

Rasparis
4 Monate her
Antworten an  mojo33

Nur die Hochsee-Flotte, um deren Willen die Schaumweinsteuer von 1902 eingeführt wurde, ruht nach Selbstversenkung seit 1918 auf dem Meeresboden von Scapa Flow (Nord Schottland).
https://www.youtube.com/watch?v=0LgokA89NK0
Photo am Ende: Die Schiffe waren so solide gebaut, daß die schweren Türme (Gewicht etliche hundert Tonnen) nicht einmal bei wie hier „umgedrehten“ Schiff aus den Bettungen fielen.

chez Fonfon
4 Monate her

Ich hatte kürzlich schon wieder die Nase voll über einen Bericht im ZDF, dass die Champagner-Winzer ihre Saisonarbeiter wie Sklaven hielten. Klar, man nimmt sich ja auch nur verwahrloste Leute, um sie in den Weinberg zu den teuren Trauben zu schicken. Mir geht dieser verlogene Erziehungsmüll so dermaßen auf die Nerven. Ich bin kein Freund von Champagner-Sauferei, schon gar nicht an Silvester, denn dieser Tag ist viel zu banal für guten Champagner. Aber ein perfekter Talmont oder ein gut gekühlter Egly-Ouriet zu einem Essen im Château de Courcelles in der Champagne, ist unvergesslich. Dann aber auch möglichst zum gesamten Menü.… Mehr

Johann P.
4 Monate her

Also ich finde diese Lobhudelei auf den „Schampus“ etwas übertrieben, um nicht zu sagen lächerlich. Soll das etwa eine versteckte Werbung sein angesichts eines drohenden Umsatzrückgangs? Wer gibt denn heutzutage noch mit Champagner an, den säu…, sorry, trinkt doch mittlerweile jeder C-Promi in irgendwelchen Dschungelcamps oder jede Influencerin auf Instagram. Für mich hatte er immer schon das Flair von Abgehobenheit und Angeberei, vom Geschmack ganz zu schweigen. Da lob ich mir doch meinen „kleingeistigen“ Cava, salud! (Satire aus)

Last edited 4 Monate her by Johann P.
JohnDoe1988
4 Monate her

Ich schaue gerade Stirb Langsam 1 in 4K HDR, mache vermutlich die ganze Filmreihe ausgenommen 5 durch. Da war Deutschland und die Welt noch in Ordnung. Ich meine verdammt sogar Deutsche Bösewichte waren clever damals. Hans Gruber war der Ultimative Bösewicht und sein Bruder im dritten Teil auch.

Deutschland ist am Ende. Man kann nur noch nostalgisch an die guten alten Zeiten denken.

Heute ist das alles undenkbar, Hans Gruber müsste man durch einen Schwarzen ersetzen oder eine Lesbe.

Dr. Friedrich Walter
4 Monate her

Mein Erkenntnisgewinn durch diesen Artikel ist enorm. Auf diese Erleuchtung hin öffne ich jetzt erst einmal eine Flasche Krim-Sekt. Mehr habe ich leider nicht und dem ländlich-profanen Gemüt eines Flüchtlingskindes genügt das.

Buddy
4 Monate her

Ich liebe Champagner, auf nach Epernay in die Avenue de Champagne dort ist das Paradies, Allen ein gutes neues Jahr !

Jerry
4 Monate her

Ich habe in meinem Leben nur ein einziges Mal Champagner getrunken. Ich hatte die Flasche vor den Bundestagswahlen 2021 gekauft, um den überfälligen Abschied von Angela Merkel gebührend zu feiern. Das Zeug hat mir nicht einmal geschmeckt, es war wohl ein Zeichen auf das was noch folgen sollte!

Last edited 4 Monate her by Jerry
Fieselsteinchen
4 Monate her
Antworten an  Jerry

Für diesen Anlass hatten wir uns eine Magnumflasche bereitgelegt, allerdings öffneten wir (instinktiv) diese Flasche nicht. Sie wartet auf bessere Zeiten! Im übrigen ist es ein menschliches Charakteristikum sich in Zeiten der Not, einen (kleinen) Luxus zu gönnen! Meine Mutter berichtete immer, dass einige Zeit nach dem Ende des letzten Krieges unter den jungen Frauen, Lippenstift und feine Strumpfhosen, Schnitte und Stoffe für schicke Kleider begehrt waren. Wahrscheinlich nicht in der sowjetisch besetzten Zone? Die deutsche Neidhammelei, der sauertöpfische Griesgram und die elendige Besserwisserei werden sowieso nicht aussterben! Also machen wir das Beste daraus, denn leben tun wir einmal, und… Mehr

Michael Heck
4 Monate her

Auch wenn ich heuer selbst dem Muster gefolgt bin, an Silvester müsse es Champagner sein. Rein am Geschmack gemessen steht ein guter Crémant einem Champagner in nichts nach.
Beim Whisky hingegen schlägt sich ein höherer Preis oft auch in einem signifikanten Geschmacksmehrwert nieder. Freilich mündet das auch in dem Segment in immer größer werdende Preisspünge für einen immer geringer werdenden Genußzuwachs.

Last edited 4 Monate her by Michael Heck
chez Fonfon
4 Monate her
Antworten an  Michael Heck

Dann kennen Sie nur noch nicht die richtigen Champagner-Winzer. Bei den überteuerten, gängigen Kaufhausmarken gebe ich Ihnen Recht.

Salue
4 Monate her
Antworten an  chez Fonfon

Die gängigen Marken sind völlig überteuert und dem Geschmack der Amerikaner und Chinesen angepasst. Sie schmecken total langweilig und natürlich immer gleich. Sie verkaufen sich durch ein groß angelegtes Marketing. Wie Sie schreiben gibt es in der Champagne zahlreiche kleine Chateaus, die es lohnt zu entdecken und die zu angenehmen Preisen interessante Champagner anbieten.