Gute Stimmung auf dem Traumschiff

Da die Reederei Wert auf Pünktlichkeit legt, weigert sich die Kapitänin, das Tempo zu reduzieren und befiehlt Backbord-Kurs, weil sie denkt, damit immer gut gefahren zu sein. Den nervösen Steuermann Tauber beruhigt sie, das Schiff sei bekanntlich unsinkbar.

© Graeme Robertson/Getty Images

Es ist Nacht geworden über der MS Deutschland. Scheinbar unbeirrt pflügt das in die Jahre gekommene frühere Traumschiff auf der nördlichen Atlantikroute mit Ziel New York durch die ruhige See.

Auf der Brücke sorgt die Alltagsroutine für eine etwas schläfrige Stimmung. Als Wachhabender fungiert der dritte Offizier, ein rundlicher Herr namens Altmaier. Aktuell trägt er die Verantwortung zusammen mit dem weisungsabhängigen Steuermann Tauber. Komplettiert wird die Brücken-Crew durch die als Ausguck eingeteilten Bootsmänner Kauder und Oppermann.

Kapitänin Merkel ist wegen des bei Passagieren beliebten Captain ́s Dinner verhindert. Sigmar Gabriel, der erste Offizier wurde wegen einer Magenverkleinerung durch Schiffsärztin von der Leyen krankgeschrieben. Frank-Walter Steinmeier, der 2. Offizier, hat sich wegen einer bevorstehenden beruflichen Veränderung zur Weiterbildung abgemeldet. Zahlmeister Schäuble spottet, Steinmeier werde bald zur Galionsfigur avancieren.

Auch tief unten im Maschinenraum geht alles seinen gewohnten Gang. Chief Seehofer hat seine Jungs gut im Griff. Nur Maschinenmaat Söder nervt hin und wieder durch altkluge Sprüche. In der Kombüse führt Smutje Barbara Hendricks ein strenges Regiment. Ihr Hauptziel ist, es allen Menschen recht zu machen und niemanden zu vergrämen. Ihr Kochbuch orientiert sich an nachhaltiger Korrektheit. Als ihre Assistentin fungiert Andrea Nahles, die sich seit ihrer Geburt grundsätzlich unterfordert fühlt und heimlich äußerst ambitionierte Karrierepläne verfolgt.

Im Bordrestaurant herrscht zu fortgeschrittener Stunde gute Stimmung. Mit höflichem Interesse hat man dem Vortrag der Kapitänin gelauscht, der dem aktuellen Thema „Postfaktische Risiken im Bereich zeitgemäßer Schiffsführung“ gewidmet war. Leichte Irritationen besänftigte Merkel mit dem Hinweis: „Wo ein Kurs ist, ist auch ein Schiff“. Das Premium-Programm sieht im Anschluß an das Dinner vielfältige Verlustierungen vor. Federführend ist hier der agile Vergnügungsdirektor Heiko Maas. Zu den Highlights gehört die von Claudia Roth geleitete Bordkapelle „Moralistico“, deren Zusammensetzung alle Anforderungen an emanzipatorische und multikulturelle Ausgewogenheit aufs Trefflichste erfüllt.

Zurück auf die Brücke: Dem weitsichtigen Ausguck-Personal ist nicht entgangen, dass dichter Seenebel aufgezogen ist. Die Sicht beträgt nur noch 5 Seemeilen und nimmt rapide weiter ab. Der Wachhabende Peter Altmaier befiehlt den beiden Ausguck-Beauftragten, sich zum Bug des Schiffs zu begeben. Oppermann fragt zur Sicherheit: „Bug ist vorne oder?“ Und Kauder bittet darum, nochmals den Unterschied zwischen Backbord und Steuerbord erklärt zu bekommen. Um Missverständnisse zu vermeiden, lässt der dritte Offizier die Fragen durch Steuermann Tauber beantworten, der es ja wegen seines Patents eigentlich wissen muss. Endlich verschwinden Kauder und Oppermann in der Dunkelheit. Als Meldegänger zwischen Bug und Brücke ist der Leichtmatrose Stegner eingeteilt, der von der Mannschaft wegen seines freundlichen Erscheinungsbildes Stalin genannt wird.

Blinde Passagiere

Unterdessen erhält Kapitänin Merkel die Nachricht, dass blinde Passagiere auf dem Schiff entdeckt worden sind. Sie stellt die Personen umgehend zur Rede, die – den beschlagnahmten Pässen zufolge – auf die Namen Katrin Göring- Eckhardt und Katja Kipping hören. Bevor Merkel zu Wort kommt, formuliert Göring-Eckhardt eine flammende Beschwerde über die ebenso unmenschliche wie skandalöse Behandlung. Schon die Bezeichnung „blinde Passagiere“ zeuge von einem unerträglichen Maß an Menschenverachtung und fehlender politischer Korrektheit.

Allein deswegen habe die Schiffsleitung keinerlei moralische Legitimation, um die aus Gründen des persönlichen Datenschutzes inoffiziell reisenden Passagiere nachträglich zur Kasse zu bitten. Es sei vielmehr ein Gebot des internationalen Menschenrechts, alle an Bord befindlichen Personen unabhängig von deren Herkunft, Religion und politischer Gesinnung gleich, also gleichermaßen gut zu behandeln. Dem schließt sich die ebenfalls inoffiziell reisende Passagierin Kipping an, um sodann die Mehrklassengesellschaft auf Kreuzfahrtschiffen in einem ausführlichen politischen Exkurs als übles Symbol des dem Untergang geweihten Kapitalismus zu brandmarken. Sie werde daher an Bord bleiben, bis das Schiff eines fernen Tages einen nordkoreanischen Hafen anlaufe, um dortselbst einen Antrag auf politisches Asyl zu stellen. Falls sie bis dahin nicht im Bordrestaurant wie ein Erste-Klasse-Passagier versorgt werde, müsse sie sich vorbehalten, in den Hungerstreik zu treten. Angesichts dieser geballten Argumentationskraft gibt die Kapitänin klein bei und die Anweisung, Göring-Eckhardt und Kipping in der Fürsten-Suite unterzubringen.

Auf der Brücke spitzt sich die Lage unterdessen zu. Der Nebel hat weiter zugenommen, die Sicht geht gegen Null, und zu allem Elend warnt das Radargerät vor Eisbergen. Leichtmatrose „Stalin“ flitzt geschäftig hin und her, ohne relevante Informationen zu übermitteln. Die beiden als Ausguck eingeteilten Bootsmänner leuchten am Bug stehend in die Dunkelheit.

Zwischen den beiden entfaltet sich folgender richtungsweisender Dialog:

  • Kauder: „Siehst du was?“
  • Oppermann: „Nicht wirklich.“
  • Kauder: „Meinst Du nicht, der Wachhabende sollte mit der Fahrt runtergehen?“
  • Oppermann: „Könnte nicht schaden.“
  • Kauder: „Eisberge sind ganz schlecht.“
  • Oppermann: „Ich dachte, die gibt’s gar nicht mehr. Wegen der Erderwärmung und so…“
  • Kauder: „Ist dieses Schiff eigentlich unsinkbar?“
  • Oppermann: „Na klar, wie die Titanic.“
  • Kauder: „Was war jetzt noch mal rechts: Backbord oder Steuerbord?“
  • Oppermann: „Wir sollten in jedem Fall einen linken Kurs einschlagen. Weg von den rechten Eisbergen in Richtung Karibik.“
  • Kauder: „Da ist was dran. Aber wie soll ich das der Merkel erklären?“
  • Oppermann: „Sag ihr doch einfach, dass Backbord rechts ist. So genau weiß die das doch auch nicht.“
  • Kauder: „Ich bin kein Freund mehr von diesen Rechts-Links-Schubladen.“
  • Oppermann: „Dann müssen wir auf mittlerem Kurs bleiben.“
  • Kauder: „Aber Mitte ist bei uns doch auch links.“
  • Oppermann: „Hattest du eigentlich jemals einen funktionierenden Kompass?“
  • Kauder: „Als Schiffsjungen haben wir noch nach Sonne, Mond und Sternen navigiert. Das geht auch.“
  • Oppermann: „Aber nicht bei Eisbergen!“
  • Kauder: „Du sagst doch, die gibt’s gar nicht mehr.“
  • Oppermann: „Wenn man immer nur nach links fährt, fährt man irgendwann im Kreis.“
  • Kauder: „Ehrlich? Im Kreisverkehr fährt man aber rechts.“
  • Oppermann: „Stimmt auch wieder. Du wärst besser Politiker geworden …“

Inzwischen ist die Kapitänin auf der Brücke erschienen, um wegen der Eisberg- Gefahr nach dem Rechten zu sehen. Da die Reederei Wert auf Pünktlichkeit legt, weigert sie sich, das Tempo zu reduzieren. Stattdessen befiehlt sie, auf Backbord-Kurs zu gehen, weil sie denkt, damit immer gut gefahren zu sein. Den zunehmend nervösen Steuermann Tauber beruhigt sie mit dem Hinweis, dass das Schiff bekanntlich unsinkbar sei. Außerdem erinnert sie sich daran, dass der Dampfer ihr gar nicht gehört. Sie hat ja nur die Befehlsgewalt. Folglich rauscht die MS Deutschland weiter mit Volldampf durch das nächtliche Feld von Nebel und Eisbergen. Es wird schon nichts passieren, denkt die Kapitänin. Bisher ist ja immer alles gut gegangen.

Der Unternehmer Dietrich W. Thielenhaus kommentiert aktuelle Entwicklungen in Politik und Wirtschaft.

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