Mit einem abendfüllenden TV-Interview hat sich Sportidol und Ex-Häftling Boris Becker zurück in die Herzen seiner Fans gebeichtet – und uns allen eine wunderprächtige Weihnachtsgeschichte beschert, in der die klassischen Themen jeder großen Erzählung stecken. Von Holger Fuß
Für den vorweihnachtlichen Medienzirkus ist die Freilassung Boris Beckers so etwas wie die Summe aller Türchen im Adventskalender. Nachdem die Fußball-Weltmeisterschaft im fernen Katar sich weder sportlich noch moralisch zu einem deutschen Wintermärchen stilisieren ließ, kommt die neueste Episode der nun bald vierzig Jahre währenden Seifenoper um den einstigen Tennis-Popstar Bum-Bum-Boris den Klatschchronisten gerade recht, um dem festtäglich gestimmten Publikum auf anschauliche Weise zu belegen, dass Besinnlichkeit nichts weiter ist als der Zusammenklang von Komik und Tragödie.
Hatten wir vor gut acht Monaten noch mit einigem Kopfschütteln dem Niedergang des Volkshelden Boris Becker beigewohnt, der uns Jahrzehnte hindurch zuerst mit sportlichen Rekorden, dann mit Frauengeschichten und einhergehenden eskalierenden Schlüpfrigkeiten in Atem hielt, und zuletzt über finanzielle Leichtfertigkeiten und ungenaue Angaben bei Insolvenzformalitäten in den britischen Strafvollzug strauchelte. Zu zweieinhalb Jahren verurteilte ihn die Richterin und ließ ihn noch im Gerichtssaal abführen.
Und Becker blieb seinen Fans nichts schuldig. Hier beichtete ein Mann in epischem Format. Jahrelang hatte Becker über seine Verhältnisse gelebt – nun ereilte ihn die Einsicht: „Du kannst nur ausgeben, was du eingenommen hast.“ Kaum eine Todsünde hatte er ausgelassen, nicht den Hochmut, nicht die Habgier, nicht die Wolllust, nicht die Völlerei und nicht die Trägheit: „Ich habe über Jahre Fehler gemacht“, gestand Becker, „habe falsche Freunde gehabt, habe mich treiben lassen und wurde vielleicht faul.“
Aber siehe da, ein paar Monate hinter Gittern reichten aus, um aus ihm einen neuen Menschen zu machen. Boris Becker bereute vor der Kamera, dass es eine Pracht war: „Ich glaube, das Gefängnis war gut für mich.“ Keine Spur der Klage, etwa zu Unrecht eingesperrt worden zu sein. „Nein, natürlich war ich schuldig.“ Doch wo Gefahr ist, so lehrt uns Hölderlin, wächst das Rettende auch. „Ich glaube, dieser Gefängnis-Aufenthalt hat mich zurückgeholt, ich habe den Menschen in mir wiederentdeckt, der ich einmal war.“ Er habe sich geläutert.
Buße und Umkehr, die klassischen Themen großer Erzählungen, werden stets durch Erfahrungen des Schreckens, des Zusammenbruchs bisheriger Gewissheiten ermöglicht. Durch paradoxe Interventionen der Wirklichkeit in unsere illusionsgefährdete Wahrnehmung. Bei Becker war es wohl das Erleben von Gemeinschaft unter den Mithäftlingen, das ihn innerlich erneuerte. Zwei Mal wurde er von Langzeitinsassen bedroht: Einer wollte ihn erpressen, ein anderer trachtete ihm nach dem Leben. In beiden Fällen überstand Becker nur durch den Schutz von zehn Mitgefangenen, die ihm wohlgesonnen waren und die Aggressoren einschüchterten. Der Gefangene, der ihn umbringen wollte, warf sich tags darauf vor Becker auf den Boden, bat ihn um Verzeihung und küsste seine Hand. Wo Gefahr ist, dort gedeiht auch das komische Gelächter.
Auf einmal sah sich Boris Becker unter existenzielle Spannung gesetzt, katapultiert aus dem Millionärskomfort in die Tristesse des Zuchthauses, brutal konfrontiert mit dem, was wirklich zählt im Leben. Auf einmal verdammt in der Enge seiner Zelle zum Bücherlesen. Nach zehn Tagen ein weiteres Wunder: Ihm wurde ein Job angetragen. „Ob ich denn Englisch und Mathe unterrichten könnte? In einem englischen Gefängnis wird ein Deutscher gefragt, ob er Englisch unterrichten kann, und Mathe!“ Also gab er morgens und nachmittags jeweils zwei Unterrichtsstunden, pro Kurs für 25 bis 30 Gefangene. „So wurde mein Leben dann etwas leichter, weil ich aus der Zelle kam.“
Und als ob diese Geschehnisse nicht zeichenmächtig genug wären, landete Boris Becker zu alledem noch in einem gefängniseigenen Workshop zur stoischen Philosophie des Marc Aurel, dem römischen Kaiser und Denker des zweiten Jahrhunderts. Mit der bizarren komödiantischen Wucht eines Forrest Gump stolperte Becker als Teilnehmer durch den Kurs und wurde, warum auch immer, schließlich mit der Leitung des Kurses betraut. Ihm habe die Philosophie der Stoiker geholfen, das Unausweichliche zu akzeptieren und sich selber Fragen zu stellen, wie: „Macht es Sinn, sich selbst zu verletzen, macht es Sinn, die Zelle zu zertrümmern?“
Nein, hier ist nicht bloß ein Mann an seinem Scheideweg, hier muss wenigstens die Taube des Heiligen Geistes an den Wachtürmen des Huntercombe-Gefängnisses vorbeigeflattert sein. Gleich einem Evangelium des Boris lässt er denn auch sein TV-Interview ausklingen: „In Frieden und Freiheit“ möchte er „glücklich meinen Lebensabend verbringen“. Wer mag ermessen, wie viele Fernsehzuschauer spätestens in diesem Moment von dem unbändigen Drang ergriffen wurden, ihr eigenes Leben zu läutern, Buße zu tun und die Umkehr zu wagen? „Ich freue mich“, juchzte Becker, „ich bin motiviert. Ich muss arbeiten, ich bin mir auch dafür nicht zu schade. Ich glaube, dass ich viel gelernt habe in diesen acht Monaten und sechs Tagen und dass ich ein besserer Mann bin als vorher.“
Nicht nur Boris Becker dürfte seine Lektion gelernt haben. Wir wollen es ihm nachtun. Frohes Fest!
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Ich hätte das ehemals deutsche Tennis-Idol auf Anfang 70 geschätzt, was sicher auf seinen Lebenswandel und nicht auf seinen kurzen Gefängnisaufenthalt zurück zu führen ist. Der fast gleichaltrige Michael Stich bietet da doch ein anderes öffentliches skandalfreies und sportliches Vorbild, weniger ist eben mehr!
Dieser Hass (oder Neid), den viele Kommentatoren auf Boris Becker haben, ist absolut unverständlich. Er ist neben Franz Beckenbauer das größte noch lebende Sportidol Deutschlands. Leider ist er recht ungebildet, naiv, insbesondere im Umgang mit Frauen und außerordentlich ehrlich. Da ich seine großen Zeiten als Sportler fast 15 Jahre miterlebt und jedes mal mitgelitten habe, kann er machen, was er will. Boris Becker hat bei mir absolute Narrenfreiheit. Gilt ansonsten nur für meinen Hund und meine Frau:) Ich gönne Boris nur das Beste!
Wenn man so viel Geld verdient hat, dann weiß ich nicht, wie man so sehr in Schwierigkeiten geraten kann.
Ich muss arbeiten, ich bin mir auch dafür nicht zu schade. Und wie hart das Bobbele schon wieder gearbeitet hat… Eine halbe Million Euro soll der Sender an Becker gezahlt haben Das ist ja gerade einmal ein mickriger Stundenlohn von 256.000€! Und das bei diesen Energiepreisen, schämen die sich eigentlich gar nicht. Ob ich denn Englisch und Mathe unterrichten könnte? Mathe? Was hat der denn da unterrichtet, Grundrechenarten bis zur Hundert? Nun wird der also wieder, dümmlich grinsend und unbeholfen dastehend, den stammelnden Experten geben. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, lässt er zu allem Unglück wahrscheinlich jetzt… Mehr
Unglaublich ! Nur weil er mal ein paar Bälle über ein Netz gehauen hat. Ansonsten ausser Schulden nichts erreicht. Oder sollte man ein Kind in der Besenkammer zeugen als Lebensleistung verstehen ? Und jetzt sollen alle noch Mitleid mit ihm haben? Wirklich schade, er hätte auch als „Mann“ aus der Sache rauskommen können.
Wenn es so super im Gefängnis war und es seiner persönlichen Entwicklung gedient hat stellt sich die Frage, was aus ihm erst hätte werden können wenn er die volle Zeit abgessesen hätte. So günstig gibt es selten eine Persönlichkeitsentwicklung bei freier Kost und Logis, Andere bezahlen dafür richtig Geld.
Nun, die gelehrigen Schüler beherrschen jetzt perfekt auf Englisch das „ähmm..äh..ähm..“ und die Beckersche Algebra wird sie alle in die Steuerhinterziehung und Privatinsolvenz führen. Jetzt noch eine Audienz bei Papst und ein Kamingespräch beim Philosophiekollegen Habeck; Thema „Alles wird gut“.
WIe Bitte? Wieso verurteilen so viele ihn? Für mich ist er ein wahrer Held, der an erster Stelle und an letzter Stelle „Mensch“ ist! Dieser Mann ist authentisch, ganz gleich mit welchen Fehlern oder mit welchen Gaben er ausgestattet wurde, ganz gleich ob er morgen oder übermorgen wieder selbstschädigend unterwegs ist – er hat das Recht dazu! Da er immer Teil der Öffentlichkeit war, nutzt er sie – wer soll ihm das verdenken? Und Boris als Tenniskommentator ist das Beste was man kriegen kann,..fachlich und menschlich – er hat Witz und die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen! Schaut auf… Mehr
Ob Herr Becker als Tenniskommentator das Beste ist, weiß ich nicht. Dazu interessiert mich dieser Sport zu wenig, als daß ich mir da Kenntnisse anmaßen würde. In allem anderen stimme ich Ihnen zu. Danke für Ihren Kommentar.
Stimme Ihnen zu.
Boris ist zusammen mit John McEnroe einer der besten Tenniskommentatoren weltweit. Seine Expertise ist unter Fachleuten unbestritten.
Traurig zu sehen, wie sehr hier viele vom Neid zerfressen auf Boris Becker dreinschlagen.
Dabei haben sie nicht den blassesten Schimmer, was es bedeutet, seine ganze Jugend der sportlichen Höchstleistung geopfert – und dabei einzigartigen Erfolg zu haben!
Bisher hat noch kein Tennisspieler auf diesem Planeten geschaft was Boris Becker geschafft hat – Wimbledon, das meistbedeutende Tennisturnier der Welt zu gewinnen, und das im zarten Alter von 17 Jahren!
Ich wünsche Boris Becker alles Gute auf seinem weiteren Lebensweg.
Dieser Typ ist in meinen Augen ein Krimineller, der, hätte er nicht den Promi-Bonus, noch deutlich länger hätte sitzen müssen. Daß er jetzt auch noch ein Selbstbeweihräucherungsformat incl. Tränendrüseneffekt zum Besten geben darf, ist an Ekelhaftigkeit kaum zu überbieten. Man schaue sich an, wie sich sein weibliches Pendant Steffi Graf geschlagen hat: Ohne Mätzchen, ohne Skandale – voilà, so sieht eine Karriere aus. Das ganze miese Verhalten von diesem Kerl spiegelt sich auch in seinem Aussehen wider: Verbraucht bis dorthinaus. Auch hier wieder Steffi Graf: Sicher nicht jünger geworden, aber immer noch TOP. Der Knabe verdient meiner Ansicht nach nur… Mehr
Sicher hat Frau Graf es besser gemacht. Herr Becker hat es anders gemacht. Er hat ein Leben in vollen Zügen gelebt. Er war ganz oben und ist ganz unten angekommen. Dabei hat er nichts ausgelassen. Frauengeschichten, Geldgeschichten, Wollust, Gier, Betrug, Gefängnis. Für mich ist Herr Becker eine spannende Person. Wäre er uneinsichtig, würde ich nicht für ihn sprechen. Aber er scheint aus seinen Fehlern gelernt zu haben. Ich sage das mit aller Vorsicht, wissen kann ich es nicht. Was ich überhaupt nicht verstehen kann, ist die Unbarmherzigkeit, die aus Ihren Zeilen spricht. Für mich gilt: Verachte die Tat, aber nicht… Mehr
Ehrlich? Das können Sie bereits nach den wenigen Tagen, in denen Becker den Gefängnismauern den Rücken gekehrt hat, einschätzen.
Mal schaun wie’s wird, wenn sich Becker für den schönen Schokoladenkuchen bei seinen Beschützern wird erkenntlich zeigen müssen.
Unvergessen sein erster Wimbledon-Erfolg. Irgendwie hat dieses Spiel in seiner Konzentriertheit doch Kultur, ebenso wie Fußball, wenn nicht Pop-verzehrt. Es ist eben nicht nur Sport. Und wie man sich am Anfang über sein Lispeln lustig gemacht hat, das er endlich auch überwand. Dass er Deutscher ist und nicht kleinkariert, ist schon Verdienst. Der Rest mag Geschmackssache sein. Als astrologisches Ideal-Beispiel einer 12. Haus Skorpion-Sonne wird auch ein Tennisschuh draus.
Der „Fall Becker“ ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Steuerzahler! Ein abgehalfterter Tennis-Profi, der noch immer nicht begriffen hat, dass die Karriere zu Ende ist und dass das richtige Leben mit richtiger Arbeit begonnen hat, bekommt von einem deutschen Fernsehsnder ein Exklusiv-Interviewe, wo er aus seiner Knastzeit berichten darf! Mitleidige Kommentare und teilnahmsvolle Leidbekundungen begleiten diesen peinlichen Auftritt eines verurteilten Straftäters, der seinen Prominentenbonus für eine rührselige Geschichte nutzen dafr, in der er vom Täter zum Opfer mutiert. Selten ist eine Doppelmoral in Deutschland deutlicher ins Bild gerückt worden, selten wurde soviel Heuchelei betrieben. Wir sind hier wirklich ganz… Mehr