Das Versagen der politischen Elite

Wir steuern auf eine Großkrise zu: Die Freiheitsrechte und die Marktwirtschaft erodieren, das monetäre System kollabiert, die Eliten versagen. Durch maßlose Umverteilung gleiten wir in einen planwirtschaftlichen Staatsmonopolkapitalismus ab.

In welchem Umfang die Verzinsung stattfindet, hängt davon ab, wie produktiv die durch Konsumverzicht investierten Ressourcen eingesetzt werden können. Je höher das Wachstum der Produktivität durch technischen Fortschritt, desto höher auch die Verzinsung. Da die Menge produktivitätssteigernder Investitionen bei gegebenem Wissen aber begrenzt ist, ist das Produktivitätswachstum der Investitionen auch abhängig vom Sparangebot. Der Preis des Konsumverzichtes wird so – wie in jedem Markt – zu einem Ergebnis des Wechselspiels von Angebot und Nachfrage.

Der Zins wird damit zum Preis der in einer Gesellschaft im Durchschnitt vorhandenen zeitlichen Konsumpräferenzen bei gegebenem technologischem Produktivitätsfortschritt. In einer Gesellschaft aus individuell planvoll handelnden Menschen kommt ihm daher die kritische Signal- und Informationsfunktion zu. Je höher der Zins ist, desto höher ist der Preis sofortigen, kurzfristigen Konsums in Form von Opportunitätskosten. Ist der Zins sehr hoch, dann lautet die Botschaft: Verzichte heute auf einen Kleinwagen, dann kannst du dir in 15 Jahren einen Oberklasse-12-Zylinder leisten.

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Ist der Zins sehr niedrig oder sogar null, so lautet die Botschaft: Geh feiern und denke nicht ans Morgen, denn dein Verzicht wird nicht belohnt werden. Ein Zins von null ist also eine Einladung zum Affenappetit, oder zur Bonobo-Wirtschaft. Die Bonobo-Wirtschaft führt aber unvermeidlich zur Bonobo- Gesellschaft. Betrachten Sie die zeitlichen Konsumpräferenzen unserer im Konsumterror und Sexualisierung aufgezogenen Generation der Millennials und Sie wissen sofort, wovon hier die Rede ist. Das »Cogito, ergo sum« des vernunftbegabten Menschen degeneriert zum »Coito, ergo sum« des vernunftberaubten Objekts der Manipulation.

Die politische Elite, wie sie sich in Europa entwickelt hat, gedeiht jedoch in ihrer korrumpierten Selbstverliebtheit auf dem Dünger dieser kurzfristigen Bedürfnisbefriedigung. Es ist geradezu die neue Staatsraison, jede kurzfristige Unbequemlichkeit, jede Volatilität, jede Abweichung vom gewohnten Trott vom Wähler fernzuhalten. Dieser erweist sich als dankbares Objekt der Bevormundung einer als Fürsorge verkleideten Entmündigung, weil ihm die langfristigen Folgen dieser Politik nicht bewusst sind. Um diese zu erkennen, müsste er sich entweder mit den historischen Erfahrungen einer auf Kurzfristigkeit angelegten Politik auseinandersetzen oder sich mit dem ökonomisch-analytischen Rüstzeug ausstatten, welches ihm die Zusammenhänge transparent macht. Beides wird in den bildungsfernen Konsumwelten unseres Landes nur von einer kleinen Minderheit betrieben.

Eine politische Elite, die diesen Namen auch verdient hätte, würde sich daher Gedanken darüber machen, wie sie trotz dieser kurzfristigen Wählerwünsche durch Aufklärung und geistige Führung das langfristig Notwendige rational und mit Argumenten vermittelt und so unbequeme Entscheidungen wählbar macht. Ich rede dabei ausdrücklich von Argumenten und nicht von »Nudging«, »Framing« und einer immer häufiger anzutreffenden manipulativen Presseberichterstattung, die sich zum willfährigen Instrument der Macht deklassiert hat.

Dies kann unsere politische Klasse aber nicht leisten. Sie kann es deshalb nicht leisten, weil sie durch adverse ökonomische Selektionsprozesse ausgewählt wird, die die intellektuell nicht-befähigten und die Rückgratlosen an die Spitze bringt. Kaum eine Hypothese hat mir wütendere und schrillere Proteste eingetragen als diese Aussage, getätigt in meinem Buch »Wenn schwarze Schwäne Junge kriegen« und in einigen öffentlichen Vorträgen. Ich will diesen Gedanken hier im Folgenden noch einmal kurz darstellen.

Die tieferen Ursachen für das Elitenversagen in der Politik liegen demnach in der Auswahl unseres politischen Personals. Es unterliegt zwei ökonomischen adversen Selektionen:

1. Die Fixeinkommen der Abgeordneten in Höhe vom Zwei- bis Dreifachen des Durchschnittseinkommens der Bürger machen es für Bezieher unterdurchschnittlicher Einkommen attraktiver, in die Politik zu gehen, als für Bezieher höherer Einkommen. Da aber Einkommen und Intelligenz positiv korreliert sind, führt dies zu einer Negativauswahl. Die intellektuelle Elite dieser Republik geht nicht in die Politik, und es gilt der Satz von Franz Josef Strauß: »Man muss sich die Gestalten nur anschauen.«

2. Das Listensystem der Parteien sorgt dafür, dass die Karriere der Politiker der Kontrolle durch die Parteiführung unterliegt. Nicht der Wähler, sondern die Parteiführungen entscheiden. Das macht unabhängiges Denken und Rückgrat zu einem Karrierehindernis.

Beide Effekte in Kombination lassen stark daran zweifeln, dass unsere politische Klasse der aufziehenden Krise gewachsen ist. Das gilt nicht nur für die Frage ihrer Eingrenzung, sondern auch bezüglich der Bewältigung der Folgen, wenn diese Krise in vollem Umfang ausgebrochen sein wird.

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Man ging wegen dieser Überlegungen so weit, mir Gegnerschaft zur verfassungsmäßigen Ordnung zu unterstellen, weil ich das Ende der Parteiendemokratie heutiger Prägung in der von ihr verursachten unvermeidlichen Krise prognostiziert habe. Diese Kritiker sollten sich einmal zu Gemüte führen, was unser Grundgesetz zur Rolle der Parteien zu sagen hat. Da steht: »Die Parteien wirken am politischen Willensbildungsprozess mit.« Da steht nicht, dass es sich umgekehrt verhalte, und schon gar nicht steht da: »Der Staat gehört den Parteien.«

Die politische Klasse hat über Jahrzehnte die kurzfristige Konsumneigung mit immer neuen Schulden akkommodiert. Als dies durch die einer Exponentialfunktion folgenden Zins- und Zinseszinskosten an seine Grenzen stieß, hat man die Geldpolitik vor den Karren gespannt und einen Manipulationsnullzins eingeführt, der die Party noch eine Weile am Laufen hielt und hält. Man hat sich mit dieser Manipulation absichtsvoll und sehenden Auges in die Überschuldung begeben und hofft nun, durch dauerhafte Manipulation des Zinses auf null oder darunter die nicht nachhaltige Party ad infinitum fortsetzen zu können. Man verzögert aber lediglich den Offenbarungseid, während das wirtschaftliche Lebensblut des Landes ausgepresst und vergeudet wird.

Dieser Nullzins hat gewaltige Verwerfungen und Spannungen in unser Wirtschafts-, Finanz- und Bankensystem eingeführt. Auf sie soll hier nicht näher eingegangen werden, denn sie wurden in meinen früheren Publikationen im Detail dargestellt.

Der Nullzins hat jedoch darüber hinaus noch etwas anderes bewirkt: Er hat die gesellschaftliche Nutzenfunktion auf die Bonobo-Wirtschaft umgestellt. Die Verschiebung des Konsums bringt keinen Vorteil mehr. Der Anreiz zur Vorsorge ist maximal unterdrückt. Die Voraussicht und die individuelle Lebensplanung wird durch den Nullzins sabotiert in einer Weise, als gäbe es keine Einsicht in die künftigen Notwendigkeiten der Vorsorge. Es wird, mit anderen Worten, gewirtschaftet, als gäbe es kein Morgen.

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Der Nullzins wirft die Gesellschaft in gewisser Weise auf den intellektuellen Stand der Tierwelt zurück. Das tut er natürlich nicht in allen Dimensionen, aber er tut es beim Thema Abwägung von Konsum und Vorsorge, beim Niveau der Investitionen und bei ihrer Auswahl. Selbst der, der in Einsicht dieser Zusammenhänge korrekt schlussfolgert, dass er eben mehr Geld für das Alter zurücklegen muss, wenn der Spargroschen nicht durch akkumuliertes Zinseinkommen im Laufe der Jahrzehnte vervielfacht wird, hat keine Chance auf eine langfristig rationale Anlagestrategie für das Zurückgelegte. Der Grund liegt in der Fehlbewertung von Vermögenswerten wie Immobilien, Aktien und Anleihen und der Blasenbildung, die der Nullzins bewirkt. Anleihen erbringen nicht nur keinen Zins mehr, sondern sind auch massiv überbewertet. Eine irgendwann einsetzende Rückkehr des Zinses wird zu Kursverlusten in derartiger Höhe führen, dass sie mit einer Pleite des Anleiheemittenten vergleichbar sind. Dazu kommt das Ausfallrisiko, das durch die nullzinsinduzierte Überschuldung der Staaten, aber auch des Unternehmenssektors täglich wahrscheinlicher wird.

Das Gleiche gilt für Aktien und Immobilien, Kunst, Oldtimer und was sonst noch an »alternativen Assets« kreucht und fleucht. Verluste sind programmiert, wenn die Blasen platzen. Und platzen werden sie.

Zugleich führt der Nullzins dazu, dass auch die real in der Volkswirtschaft erwirtschafteten Kapitalrenditen schrumpfen. Dies geschieht durch nachhaltige Zerstörung des Produktivitätswachstums. Da der Nullzins ineffiziente, unproduktive und schlechte Unternehmen als unsichtbare Subvention künstlich am Leben erhält, fließen immer mehr Ressourcen in unproduktive und schlechte Verwendungen. Von Mises, von Hayek, Rothbard und andere haben das vorausgesehen und daraus die österreichische Konjunkturtheorie abgeleitet. Wo durch Fehlallokation das Produktivitätswachstum abgewürgt wird, trocknen aber die Investitionsmöglichkeiten immer mehr aus.

Die Zinspolitik hat es so geschafft, für die Anleger und Sparer den risikofreien Zins abzuschaffen und durch das zinsfreie Risiko zu ersetzen.

Die Enteignung künftiger Erträge macht die Altersarmut unvermeidlich. Der Bürger wird so zu der Schlussfolgerung kommen, dass er im Alter sowieso Sozialhilfe in Anspruch nehmen muss. Was er dann noch übrig hat, wird ihm angerechnet werden. Dann ist es also auch egal, wenn er nichts übrig hat. So richtet er seine Bedürfnisbefriedigung auf das Hier und Jetzt – und zwar sofort bitte!

Die Väter unseres Grundgesetzes haben dieses Problem in gewissem Umfang vorausgesehen. Es war ihnen klar, dass die polit-ökonomischen Anreizstrukturen auch in einer Demokratie das Risiko bergen, dass sich die Gesellschaft auf einen abschüssigen Pfad begibt, bei dem eine Art Teufelskreislauf von Anreizen die Wechselwirkung zwischen Souverän und politischer Elite in einer Weise determiniert, die die Voraussetzungen des wirtschaftlichen Erfolges und damit letztlich auch die Voraussetzungen für eine funktionierende Demokratie untergräbt.

An den Folgen der Geldpolitik können wir erkennen, dass die Ausschaltung des Zinses genau das bewirkt. Die Wachstumskräfte der Volkswirtschaft erlahmen, und die wirtschaftliche Krise ist die unausweichliche Folge.

Exklusiver Auszug aus dem am 17. März erscheinenden neuen Buch von
Markus Krall, Die Bürgerliche Revolution. Wie wir unsere Freiheit und unseren Wohlstand erhalten. LangenMüller, 300 Seiten, 22,00 €


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Kommentare ( 7 )

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Odysseus JMB
4 Jahre her

In D (speziell in NRW) heißt es, wer Karneval kann, kann auch Regierung. Welch‘ ein Irrtum. Das systhemische Versagen in der Geldpolitik hat einen Namen MMT – Modern Money Theorie – und verkehrt „nur in besten“ Kreisen. Um die Ausführungen von Herrn Krall allerdings in ihrer gesamten Komplexität verstehen zu können, müsste man ja versuchen zu verstehen, was die Aufgaben von Zentralbanken sind, und dieses Verständnis ist eben nicht ohne redliches Bestreben, auch Studium genannt, zu erlangen. Mich ärgert ständig die Dreistigkeit, mit der Typen wie Marcel Fratzscher sich mit Erfolg als Ökonomen ausgeben können und z.B. die ideologischen Praktiken… Mehr

Reinhard Peda
4 Jahre her

„Die Quelle des Zinses Daraus folgt: Der Konsumverzicht, in Form von Sparen, verzinst sich. Der Zins setzt Konsum und Zeit in eine preisliche Beziehung und ermöglicht es so den Mitgliedern der Gesellschaft, ebenso planvoll eine Abwägung zu treffen, die heutige und künftige Bedürfnisse ins Gleichgewicht bringt. Diese Preisinformation kann in ihrer Bedeutung kaum überschätzt werden. Deshalb ist die Existenz des Zinses eine zwingend notwendige Voraussetzung für Sparen und Investieren und damit wiederum für die Verfeinerung der Arbeitsteilung und den menschlichen Fortschritt schlechthin. Es ist daher keine Überraschung, dass Unternehmen bei Nullzinsen weniger Zukunftsinvestitionen tätigen: Ihre existierende Ineffizienz und Unproduktivität im… Mehr

Peter Pascht
4 Jahre her

Sie haben die Zusammenhänge sehr tiefgründig und komplex richtig beschrieben. In Spiel kommt aber nun die normative Kraft des Faktischen, die diese Analyse wirkungslos macht, denn die wenigsten Menschen, begreifen die Zusammenhänge oder wollen sie gar nicht begreifen aus einem Vereinfachungsdenken heraus. Das gleiche gilt wohl für Politiker. Es fragt sich nun wie kann man die Erkenntnisse dieser Analyse umsetzen. Es liegt vor allem an persönlichen und Kollektiven Interessen die ein Umsetzen ohne Veränderung der Wege des Zustandekommens nicht zulassen. Es gibt Prozesse und Ereignisse die nur dem System zukommen aber nicht dem Einzelteil. Das Verhalten eines Systems folgt stochastisch… Mehr

Dr. Slonina
4 Jahre her

Nur ein kleiner Einwand: es gibt durchaus Tiere, die für die Zukunft planen, Orang-Utans, Rabenvögel z. B. Etwa auf dem Niveau eines vierjährigen Kindes, was man bisher so weiß . Aber immerhin. Man sollte mit absoluten Aussagen immer vorsichtig sein, vor allem dann, wenn man fremdes Fachgebiet betritt.

Runderneuert
4 Jahre her

Vielen Dank Herr Krall für die erhellende Lektüre, ihr Buch habe ich bereits bestellt und erwarte daraus, wie schon aus Ihren Videos, stimulierenden Erkenntnisgewinn. Bitte weiter so!
Der Atlasinitiative wünsche ich ebenfalls viel Erfolg!

Vulkan
4 Jahre her

Das Versagen der Möchte-Gern-Eliten, von denen sich viele im Bundestag völlig daneben benehmen, dazwischen quasseln und blöken, die Konkurrenz mobben, telefonieren, Grimassen ziehen und pöbeln. Eliten, die auf ein Kind hören, „das an der Supermarktkasse vor der buchstäblich so genannten »Quengelware« (zuletzt: menschengemachter Klimawandel) steht und die Schokolade (oder die Co2 Reduktion) jetzt, sofort, unverzüglich haben möchte“ und ansonsten einen bühnenreifen Trotzanfall hinlegt.
Es ist bitter, dass sich die Krise, die viele vorausgesehen haben und die deswegen angefeindet wurden, nicht vermeiden ließ. Aber Honecker hat auch erst eingepackt, als nichts mehr ging.

DerElfer
4 Jahre her
Antworten an  Vulkan

Die Honecker’s haben bis zum Tod nicht verstanden (resp. begriffen), warum die Leute nicht mehr mitmachen wollten. Die waren zerfressen von Ideologie. Und lebten dazu noch im Elfenbeinturm. Parallelen zu heutigen Politikern und Parteien?! Nö, nicht niemals nimmer und überhaupt garnicht. Alles rein fiktiv.