Böhmermann zwischen den Fronten – Wenn Wokeness zum Bumerang wird

Nach einem Skandal um antisemitische Tendenzen beim HKW-Festival attackiert Jan Böhmermann kritische Medien – doch aus der linken Szene wächst der Druck auf den einst unangreifbaren Satiriker. Das Gespräch zwischen ihm und Weimer desavouiert den Kulturstaatsminister, rettet Böhmermann aber nicht: Der Moralist steht selbst unter Moralverdacht.

Screenprint: ZDF Magazin Royale

Angriff ist die beste Verteidigung. Nach diesem Motto handelt Jan Böhmermann seit Jahren. Der Empörungssturm gegen den ZDF-Moderator hat sich noch nicht gelegt, da setzt der verzogene Sohn – vulgo: „Krawallschachtel“ (Harald Schmidt) – am Freitag nach. Er greift öffentlich die Berliner Zeitung und NIUS an. Beide von „reichen Männern“ unterhalten, die „Sorge“ um Deutschland hätten. Mit einem geschätzten Vermögen von 5 Millionen Euro ist auch Böhmermann kein Kind von Traurigkeit, aber wer will da gleich sozialneidisch werden?

Kurzum: Lauter Krawall soll den anderen lauten Krawall übertönen. Anfang des Monats noch hatte sich Böhmermann gleich doppelten Unmut eingehandelt. Am 7. Oktober – ausgerechnet der Jahrestag des Hamas-Massakers an israelischen Zivilisten – wollte der besorgte Millionär im Berliner „Haus der Kulturen der Welt“ (HKW) ein zweifelhaftes Programm abhandeln. „Showacts“ waren dabei auch durch antisemitische Couleur schillernde Persönlichkeiten.

Böhmermann allein zu Hause
Antisemitismus-Eklat: Mit Böhmermann will keiner spielen
Nicht nur Chefket – alias Şevket Dirican – fiel als einer dieser Stars mit israelfeindlicher Schlagseite auf. Er gilt aber als eigentlicher Stein des Anstoßes. Der türkischstämmige Rapper trug ein T-Shirt mit einer Landkarte, auf der Palästina den Judenstaat komplett ersetzte. Selbst Böhmermann musste mittlerweile eingestehen: Er finde das T-Shirt von Chefket „scheiße“. Das T-Shirt wurde zum pars pro toto für eine Veranstaltung, die dem ZDF-Moderator dann doch zu heiß wurde, weil sich Indizien und das eine oder andere „Gschmäckle“ an diesem besonderen Tag aneinanderreihten.

Gewicht bekam die Äußerung des Merz’schen Kulturstaatsministers Wolfram Weimer: „Dass nun ausgerechnet am Jahrestag des Hamas-Anschlags auf Israel am 7. Oktober ein Konzert mit einem Künstler stattfinden soll, der antisemitische Inhalte verbreitet, empfinde ich als Provokation. […] Deshalb sollten die Veranstalter wissen, dass ich als Aufsichtsrat des Hauses der Kulturen der Welt nicht akzeptiere, wenn das HDK für antisemitische Aktionen missbraucht wird.“

Den Medien, sonst routinierte Aus-der-Hand-Fresser des mehrfachen Grimme-Preisträgers, wurde der Fall nicht minder unheimlich. Böhmermann zog die Reißleine, sagte die Veranstaltung für den 7. Oktober ab. Ein über Monate geplantes Festival wurde innerhalb weniger Tage über den Haufen geworfen. „Die Möglichkeit der Unvernunft“ war jetzt nicht mehr Show, sondern Programm.

Böhmermann, der in Corona-Zeiten aufgrund seines unantastbaren Status Kinder sogar als „Pestratten“ verunglimpfen durfte – alles Satire! –, ging es nunmehr an den Kragen. Denn Böhmermann hatte nicht mit den woken Geistern gerechnet, die er selbst gerufen hatte. In der Causa Israel/Palästina hatte er sich nicht entscheiden wollen. Nachdem er zuerst den Eindruck zerstreuen wollte, er unterstütze anti-israelische Statements, brodelte aus der linksbewegten Szene der Vorwurf, er wende sich gegen Palästina.

Man ist bekanntlich niemals woke genug. Und nun machten Böhmermann zahlreiche linksradikale Aktivisten exakt diesen Vorwurf.

Dem ZDF ist nicht zu helfen – weg damit
Vertrag mit „Krawallschachtel“ Böhmermann nun doch verlängert
Jan in der Mangel? Kurz sah es aus, als könne selbst „Magazin Royal“ fallen. Das ZDF hatte bereits vor dem Eklat die gelbe Karte gezeigt und die Sendungen von 33 auf 20 für das kommende Jahr runtergeschraubt. Harald Schmidt hatte schon 2019 darüber spekuliert, dass man „Böhmi“ im Grunde lieber los wäre.

Dass dies immer noch nicht passiert ist, hängt dabei nicht nur an ZDF-Intendant Norbert Himmler. Es gilt offenbar die Devise: Böhmermanns Ende spielt „den Rechten“ in die Hand. Deswegen darf Himmlers böhmermann’scher Gefreiter nicht geopfert werden. Der Unmut in der linken Blase wäre enorm, gäbe man schließlich „den Rechten“ nach. Exakt das ist nämlich Böhmermann passiert: Sein „Einknicken“ beim HKW wird als Sieg „der Rechten“ deklariert. So, als hätten „die Rechten“ Böhmermann dazu gezwungen, die Gästeliste zu erstellen.

Exakt in diesen Kontext gehören aber NIUS, die Berliner Zeitung und Weimer. Die beiden ersten Täter haben Böhmermann immer wieder mit Dauerfeuer beschossen, so sehr, dass er offenbar glaubt, die Ausnutzung seiner Medienmacht sei ein gerechtfertigtes Mittel für seine persönliche Vendetta. So jedenfalls deutet es der Höcker-Anwalt Brennecke.

Die Personalie Weimer indes steht unter Beobachtung. Angeblich – so das neue Narrativ – habe NIUS Weimer eingeflüstert, was er zu sagen habe, Zitat: „Was Ihnen vorgeworfen wurde, ist ja, dass Nius.de, dieses rechte Hetzportal, Ihnen die Feder geführt hat und dass Sie den dogmatischen Umgang mit dem Thema Antisemitismus des Springer-Verlags sich zu eigen machen.“

Denn nach der Aktion, Reaktion und Gegenreaktion herrscht nun neuerlich der Kampf ums Narrativ: Irgendwie muss man Böhmermann schließlich retten. Vor allem er sich selbst. In einer Diskussion zwischen Böhmermann und Weimer geht es nicht mehr darum, dass der ZDF-Star sich verhoben hat. In einer Umdrehung der Tatsachen war es nun Weimer, der ins Kreuzfeuer gerückt wurde. Nicht etwa Böhmermann ist verantwortlich, weil er Chefket und Konsorten eingeladen und damit einen Skandal erzeugt hat; nein, Weimer ist es, der sich verantworten muss, weil er „Kulturkampf“ betrieben hätte.

Eine bezeichnende Wirklichkeitswahrnehmung in einem ÖRR-Milieu, das zur Fehlerkorrektur unfähig ist. Böhmermann versteigt sich sogar zum Vorwurf, Weimer hätte ihn doch anrufen sollen, bevor er sich in die Öffentlichkeit stellte. Auch das eine Umkehr: Hätte nicht eher Böhmermann die Pflicht gehabt, den Aufsichtsrat zu kontaktieren, dass es Probleme beim Festival gibt? Hat Böhmermann nicht gewusst, wen er einlädt? Kann man jemandem ein Festival anvertrauen, wenn er gar keine Ahnung hat, was er für degoutante Persönlichkeiten versammelt?

„Links ist – nicht – vorbei!“
Weimer und Merz: Chamäleons im Kanzleramt
Statt das eigene Versagen einzugestehen, muss die Schuld beim Gegner liegen. Auch die „Moderatorin“ tut ihr Nötiges, dass nicht etwa Böhmermann, sondern Weimer als böser Bube dasteht. Chefket und das Festival-Versagen stehen nicht im Mittelpunkt, sondern Weimers vermeintliche Einflussnahme. Es sei „ungewöhnlich“, dass ein Politiker „auf diese Weise“ den Zeigefinger hebt und sich in die Programmplanung einmische, moniert Eva Schulz. So, als hätte der Schirmherr eines Festivals nicht die Pflicht, eine anrüchige Veranstaltung zu unterbinden, die in seinem Namen stattfindet. Böhmermann schafft es auf dem Podium, seinen unangreifbaren Status wieder aufzubauen, weil er sich auf seine ideologischen Helfer verlassen kann.

Und Weimer zeigt neuerlich der ganzen Welt, warum Konservative verlieren: Indem er ihm anbietet, gemeinsam „gegen die rechten Brüder“ zu kämpfen. Weimer glaubt tatsächlich, sich in den Augen des Justemilieu reinwaschen zu können, obwohl jeder, der ihn aus seiner Zeit als Chefredakteur des Cicero kennt, weiß, dass er definitiv rechts von der Mitte steht. In den 2000ern war Weimer einer der wenigen, der die Rückkehr der Religion nicht nur für den Islam prognostizierte und abendländisches Denken und Kultur verteidigte. Glaubt er tatsächlich, die Linke würde ihm derlei je verzeihen?

Dass Böhmermann darauf nicht eingeht, ist deswegen offensichtlich. Weimer ist selbst einer der „rechten Brüder“; und der Mann von „Magazin Royale“ hat es an diesem Tag mehrmals zu verstehen gegeben. Appeasement gegenüber Woken endet damit, dass das Krokodil einem die Hand abbeißt. Zuerst scheint das Aufeinanderprallen Böhmermanns und Weimers wie ein Gegensatz. Sie sitzen aber paradoxerweise in einer ähnlichen Situation. Sie werden jeweils von den Wokeren angegriffen und versuchen, durch den Angriff auf die „rechtere“ Seite das Feuer abzulenken.

Weimer muss noch am selben Abend entdecken, dass diese Strategie nutzlos ist. Bei Böhmermann dauert es etwas länger. Böhmermann wirft Weimer vor, man habe ihn nicht angerufen; und Chefket, der Ausgeladene, macht Böhmermann in einer Retourkutsche denselben Vorwurf. Man sei nicht vorab informiert worden. Die Mitteilung per Mail sei zeitgliech mit einer Pressemitteilung versendet worden. Überdies habe das Böhmermann-Team den Eindruck erweckt, dass die Veranstaltung später nachgeholt würde.

Kein persönliches Wort vom besorgten Millionär, der den Kulturstaatsminister dafür als Kulturkämpfer bezeichnete und von der Moderatorin sich Vorhaltungen gefallen lassen musste. Böhmermann ist in Böhmermanns Welt eben ein Stück gleicher als andere.

Aber im Kindergarten des Medienzirkus.

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Kommentare ( 24 )

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24 Comments
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Sonny
1 Monat her

Woher hat böhmermann eigentlich ein geschätztes Vermögen von über 5 Millionen Euro?
Hat er ein reiches Elternhaus oder kam ihm das abgepresste Geld der Bürger zugute?
Ein lupenreiner Hassprediger, der sich unter dem Vorwand von Satire immer wieder aus Gerichtsverfahren herauswindet. Die Beschäftigung eines solchen Mitarbeiters sagt eben auch viel aus über die Belegschaft dieses Zwangsenders zdf.
Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich… na ja.

Last edited 1 Monat her by Sonny
Martin Mueller
1 Monat her

Böhmermann ist ein begnadeter Hetzer und Hassverkäufer. Und er hat schnell begriffen, dass das Bedienen des linksgrünen Zeitgeistes ihm Geld aufs Konto bringt.
Aber er hat nicht begriffen, dass er sich damit auch in die Fänge von Ideologischen Fanatikern begibt, die nur absolute Loyalität tolerieren.

Wer überall Minen legt, wird irgendwann auf eine treten.

Last edited 1 Monat her by Martin Mueller
Siggi
1 Monat her

Ich hoffe sehr, dass der mir mal allein über den Weg läuft. Ich würde ihm dann meine Meinung „sagen“.

Radikaler Demokrat
1 Monat her

Die Initiatoren der frz. Revolution endeten unter der Guillotine derjenigen, denen es nicht revolutionär genug war; Lenin ließ Trotzki, der ihn an die Macht brachte, in Mexiko ermorden; Hitler verfuhr in gleicher Weise mit den „Putschisten“ um Röhm usw.
Linke sind Linke bleiben Linke, werden immer Linke sein und immer auf diese Weise agieren.

Heiner Wirth
1 Monat her

Das ist doch schon lange (oder immer?) eine Grundkonstante der Linken. Wenn man eben noch meint an der Spitze der Bewegung zu stehen, kann man morgen schon ausgeschlossen werden. Wer gestern noch für das schwule Leben in den Großstädten gekämpft hat, dem werden heute die islamistischen Strukturen vor die Nase gesetzt. Wer gestern noch für Wasserstoff und PtG war, ist heute ein Knecht der fossilen Industrie, usw.

ra.hoffmann
1 Monat her

Ich will diese „Pestratte“ nicht mehr im zwangsgebührenfinanzierten TV sehen.

Janosik
1 Monat her
Antworten an  ra.hoffmann

Das ist doch ganz einfach – gar nicht schauen!
Einziges, was dann noch ätzend bleibt, ist die Zwangfinanzierung. Die Fresse und üble Witze muss man aber nicht sich antun – es ist immer noch nicht verpflichtend, die Erzeugnisse der Propagandaarbeit zu konsumieren.
Chancen sind gut, dass sie ihn abstoßen, wenn nicht wegen seiner Mangel dann wegen seiner sinkenden Wirkung.
Schlafmichel merkt natürlich immer noch nix. Das dauert noch ein paar Jahrzehnte.

Siggi
1 Monat her
Antworten an  ra.hoffmann

Ganz einfach. Dann wählen Sie die AfD und ihnen wird geholfen, wie Millionen anderen.

ceterum censeo
1 Monat her

Satiriker, Herr Gallina? Zuviel der Ehre! Bommelmann ist ein Hetzer, wie er im Buche steht. Hätte er nicht Himmler und den ÖRR hinter sich, wäre er ein seeehr kleines Licht – ein angemessenes…

Karl Renschu
1 Monat her

Böhmer ist Schmutz, dieser kann weg. Und ein paar Klagen hinterher, sodass ihm von seinen erraubten Millionen nur eine Privatinsolvenz bleibt. Der Kerl hat locker mehr als 19 Euro Umsatzsteuer hinterzogen…

Siggi
1 Monat her
Antworten an  Karl Renschu

Das letzte Hemd hat keine Taschen. Wenn der linksextreme Spuk vorbei ist, muss er die Beine in die Hand nehmen, wie viele dieser linken Deutschlandhasser.

rainer erich
1 Monat her

Der 7.10. war kein Anschlag, das war ein Massaker oder Gemetzel, das in seiner sadistischen Grausamkeit seinesgleichen sucht und das in einer Geschichte , die hier durchaus einiges zu bieten hat. Die Frage ist, welcher Art die psychischen Abnormitaeten nicht nur der Taeter, sondern ihrer medialen Unterstützer im deutschen Fernsehen oder in der SZ sind. Da dürften sich interessante Abgründe eröffnen. Aber es sind für die Polittaeter aufgrund ihrer besonderen Verfasstheit natürlich sehr willige und nützliche Helfer. Da leben etliche im Narrativ der Satire ihre perversen Phantasien aus. An sich ebenso verdruckste wie vor allem feige Typen , die im… Mehr

Iso
1 Monat her

>>Moralische Empörung ist die Strategie von Idioten, sich selbst mehr Würde zu verleihen.<< Herbert Marshall McLuhan