Heiko Maas verteidigt NetzDG mit tendenziöser Umfrage und unwürdigem Argument

Das marktfundamentalistische und rechtsferne Vertrauen, dass es keine Diskriminierung durch Unternehmen geben kann, wenn Diskriminierung das Unternehmen einen vermutlich einstelligen Centbetrag pro Opfer kosten würde, ist mit Verlaub lächerlich.

© Steffi Loos/Getty Images

Der von von Juristen, Bürgerrechtlern und Journalisten auf sein Gesetz zur Facebook-Zensur einprasselnden Kritik begegnet Heiko Maas auf Facebook mit Verweis auf eine falsch interpretierte Meinungsumfrage und einem, eines Juristen unwürdigen, marktfundamentalistischen Argument.

Auf Facebook freute sich Heiko Maas:

Dass laut einer Umfrage 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger den Gesetzentwurf für sinnvoll halten, ist eine ungewöhnlich hohe Zustimmung.

Das ist falsch, auch wenn das Meinungsforschungsinstitut YouGov das auch so schreibt.

Manipulierte Umfrage

Die Teilnehmer wurden nicht gefragt, ob sie den Gesetzentwurf für richtig halten. Sie wurden vielmehr gefragt:

Die Bundesregierung will stärker gegen Hasskommentare und Falschnachrichten im Internet vorgehen. Sie stimmte dem Gesetzentwurf von Heiko Maas zu. Dieser sieht vor, dass Betreiber sozialer Netzwerke innerhalb von 24 Stunden strafbare Inhalte löschen müssen. (…) Sind sie der Meinung, dass dieses Vorgehen sinnvoll ist, um gegen Hasskommentare und Falschnachrichten im Internet vorzugehen.

Es fängt schon damit an, dass hier fälschlicherweise Hasskommentare und Falschnachrichten mit strafbaren Inhalten gleichgesetzt werden. Wie Heiko Maas selbst in seinem Facebook-Text einräumt, sind viele Hasskommentare und viele Falschnachrichten NICHT strafbar. Doch wichtiger ist:

Maas untergräbt den Rechtsstaat
Heiko Maas' Zensurgesetz: Wenn Anzeige und Verurteilung eins werden
Wer hätte schon etwas dagegen, wenn ein Gesetz verlangen würde, dass Netzwerkbetreiber von einem Gericht oder ähnlich kompetenter Stelle für rechtswidrig erklärte Inhalte schnell löschen müssten, und im Nichtbefolgungsfall bestraft würden. Ich jedenfalls nicht. Alle Befragten, die den Gesetzentwurf und die Kritik daran nicht im Detail kennen und etwas Verständnis für unser Rechtssystem haben, durften annehmen, dass die Strafbarkeit mach deutschem Recht von kompetenter Seite festgestellt wird, und nicht von einem Gremium eines an der Westküste der USA beheimateten Konzerns, wie das Maas‘ Gesetzentwurf vorsieht.

Nahmen die Befragten das vernünftiger Weise an, antworteten sie mit Ja, obwohl sie den Kritikern des Gesetzentwurfs vielleicht zustimmen würden. Entsprechend verzerrt und nutzlos ist auch die Frage danach, ob die Befragten durch den Gesetzentwurf eine Einschränkung der Meinungsfreiheit befürchten. Natürlich erstreckt sich die Meinungsfreiheit nicht auf strafbare Äußerungen, wie Heiko Maas immer wieder ebenso richtig wie am Thema vorbei betont.

Die Frage: „Finden sie es in Ordnung, wenn US-Konzernen aufgetragen wird, über die Rechtswidrigkeit von Inhalten nach deutschen Recht zu urteilen?“, hat YouGov wohlweislich nicht gestellt. Jede Wette, es wäre eine Mehrheit für ein Nein herausgekommen. Ob es einen Auftraggeber für die Umfrage gab, erfährt man von YouGov nicht.

Marktfundamentalismus statt Rechtskunde

Heiko Maas liefert ein Argument gegen den Vorwurf der Anstiftung zum Overblocking, also der Gefahr, dass die Betreiber zur Vermeidung von Strafen lieber einmal zu viel als einmal zu wenig löschen und blockieren. In der Tat sind der Gesetzentwurf und seine Begründung voll von Sätzen und Statistiken, die nahelegen, dass ein Betreiber umso weniger Ärger bekommt, je mehr und schneller er auf Beschwerden hin löscht. Nichts ist in dem Gesetzentwurf, was dieser eingebauten Tendenz zum Overblocking begegnen würde. Das sei auch nicht nötig, meint Maas, denn:

Kritiker fragen auch: Droht uns nicht ein Overblocking? Werden die Unternehmen nicht aus Furcht vor Sanktionen, lieber einmal mehr als einmal zu wenig löschen? Ich teile diese Befürchtung nicht. Die Betreiber der sozialen Netzwerke haben ein wirtschaftliches Interesse an allem, was bei Ihnen erscheint. Mit jedem einzelnen post, tweet oder Beitrag verdienen sie Geld. Ihr wirtschaftliches Interesse spräche also dagegen, dass Sie nun umfassend auch Einträge löschen, die nicht strafbar sind. Soziale Netzwerke werden auch nicht riskieren, ihre Nutzer zu verlieren, die sich sicher abwenden würden, wenn ihnen ständig zu Unrecht Einträge gelöscht würden.

Das also ist die Antwort eines Volljuristen und Justizministers auf die Sorge um ein Grundrecht: Das marktfundamentalistische und völlig rechtsferne Vertrauen darauf, dass es keine Diskriminierung durch Unternehmen geben kann, wenn Diskriminierung das Unternehmen einen vermutlich einstelligen Centbetrag pro Opfer kosten würde. Mit Verlaub: lächerlich ist für dieses Argument eine freundliche Charakterisierung. Ganz abgesehen davon, dass die größten Social-Media-Konzerne auf politischen Druck hin bereits eine gemeinsame Datenbank für zu sperrende Inhalte auf den Weg gebracht haben, sodass die Gesperrten auch nicht zu Konkurrenzkanälen abwandern können.

Der Beitrag von Norbert Haering ist zuerst hier erschienen

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Kommentare ( 79 )

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Zahlmichel
7 Jahre her

Maas ein Zeitreisender der Spezial-SOZIALISTEN. Wiedergeboren um das Maas voll zu machen. Mit der Aufgabe das DEUTSCHE Volk erneut zu unterjochen und auf den Endsieg einzuschwören.
Mit VDL haben sie eine tolle Unterstützerin aus dem BDM
(Bund Deutscher Ministerinnen).
Die Gesinnungspolizei bei der Bundeswehr erinnert auch stark an frühere willkürliche Maasnahmen bei den N-SOZIALISTEN.
Bald ist wieder Zeit gekommen ……….

Thomas
7 Jahre her

Wahrscheinlich entwickelt sich der „einstellige Centbetrag pro Diskriminierungsopfer“ so ähnlich wie die jährliche Kugel Eis zur Finanzierung der Energiewende. In diesem Fall bleibt den Betreibern sozialer Netzwerke nur die ungeprüfte Massenvernichtung von allen Beiträgen, die von der steuerlich alimentierten Hatespeechpolizei denunziert werden.

mc6206a
7 Jahre her

Es gibt den politischen Willen die Meinungsfreiheit einzuschränken. Daher sind alle Argumente dagegen nutzlos. Früher hat sich die FDP gegen Staatseinmischung in die Bürgerfreiheiten gestellt. Wieso hört man nichts von ihr, noch von anderen Rechtsexperten in der CDU oder SPD, gegen die Pläne von Maas. Warum ist der deutsche MSM Blätterwald nahezu still zu dem Thema? Ich kann mich noch an die Kampagnen gegen den digitalen Personalausweis erinnern, und jetzt totale Stille. Das bedeutet Merkel/Schaeuble wollen das, sonst könnten sich leicht dem bösen Treiben von Maas Einhalt gebieten. Was mich wundert ist dass islamradikale Texte weiterhin ungestraft weiter publiziert werden… Mehr

bfwied
7 Jahre her

Das Entsetzlich ist, dass die wenigen, die überhaupt etwas von diesem Vorhaben mitbekommen sich wieder aufteilen in diejenigen, die nur den Kopf schütteln, aber davon überzeugt sind, dass sich für sie nichts ändern wird, es sie also nichts anginge, und diejenigen sehr, sehr wenigen, die die Tragweite erkennen. Und die Letztgenannten sind viel zu wenige, um wirklich etwas zu ändern. Nach der Wahl dürfte höchstwahrscheinlich dieser unselige äußerst gefährliche Mensch wieder eine tragende Rolle spielen in der Politik. Dann wird die Auflösung der Gesellschaft vollendet, mithilfe eines neuen DDR-Systems. Wie unten jemand schrieb, dass er nun wisse, wie es zum… Mehr

Antisozialist
7 Jahre her

Ein Justizminister, der Freiheitsrechte im Internet ohne Gerichtsbeteiligung einschränken möchte, fordert uns Deutsche auf, „aufzustehen und uns nicht wegzuducken“? Ich denke er meint damit nicht, dass wir gegen sein Gesinnungsschnüffelgesetz auf die Straße gehen sollten? Das wäre aber bitter nötig!. Ein Buch von ihm zu lesen ist dagegen sicher nicht nötig!

Berny
7 Jahre her

Geht H.Mass auf Wahlkampftour wieder in den Osten?
Könnte wieder lustig werden wenn er auf politisch aufgeklärte Bürger trifft.
Ich vermute aber er wird eher seine Verwendung in den alten Bundesländern finden um seine Auffassung von Demokratie dem gewogenen Publikum näher zu bringen.

Gunnar Herbst
7 Jahre her

Freiheit statt totalitärem (oder alternativ islamischem) Sozialismus ! Maarsmännchen in die Wüste !

tc
7 Jahre her
Antworten an  Gunnar Herbst

Meinen Sie die Wüste würde ihn integrieren? Auch eine Wüste hat ihren stolz.

Dorito
7 Jahre her

Die Zensur wird noch viel weiter gehen,der focus macht es vor.
Man schreibt einfach „Namen geändert“ und macht aus Angeklagten mit türkischen Namen Angeklagte mit deutschen Namen. Der verletzte Polizist hat natürlich einen türkischen Namen,ob wenigstens das stimmt ist fraglich.
http://www.focus.de/panorama/welt/anklage-im-knoellchen-streit-von-dueren-mit-faeusten-und-werkzeug-familie-verpruegelte-polizisten-und-beschuldigt-nun-beamte_id_6803645.html#comments

tc
7 Jahre her

In einem alten Dokument habe ich eine Umfrage aus der Wikingerzeit gesehen.
Den Wickinger/innen wurde die Frage gestellt:
Sie wissen, dass die Erde eine Scheibe ist. Wenn sie nun an diesen Rand der Erdscheibe kommen und einen Schritt über den Rand machen, glauben Sie, dass Sie von der Erde herunterfallen?
Ergebnisse der Umfrage: 100% der Befragten antworteten: ja, ich würde von der Erde herunterfallen. Soviel zum Thema von solchen Umfragen.

Liberal
7 Jahre her

Wir sind mit der Zensur inzwischen so so weit, dass sogar Kommentare zu Reiseberichten nicht freigeschaltet werden. Begründung wie in der 7. Schulklasse: Thema verfehlt! Folgender Kommentar wurde von mir verschickt (die Journalistin wurde von mir direkt angesprochen, da sie im Titel klar und unmissverständlich darauf hinweist, warum es IHR in Japan nicht gefaellt): Nur weil Sie mit der Kultur und den Menschen dieses wunderbaren Landes nicht zurechtkommen, sollten Sie nicht gleich so einen herabwürdigenden Artikel schreiben. Bei uns verbiegt man sich inzwischen, um der Political Correctness zu genügen, aber die Höflichkeit in Japan wird verunglimpft. https://www.welt.de/icon/unterwegs/article164731023/Warum-nur-gefaellt-es-mir-in-Japan-nicht.html Hier die Begründung… Mehr

mc6206a
7 Jahre her
Antworten an  Liberal

Ich habe mir den Artikel angesehen. Ich bin schon sehr erstaunt dass etwas derartig penaelerhaftes in einer Zeitung wie die Welt veroeffentlicht wird. Dümmstes Banausentum.