Hamburg-Wahl: Triumph der SPD, totale Niederlage für CDU

Nach Prognose um 18.00 Uhr steht in Hamburg die linke Mehrheit aus SPD, Grünen und Linken. Die bürgerliche Mitte ist buchstäblich ausradiert. Die AfD dürfte nicht in die Bürgerschaft einziehen, zum derzeitigen Zeitpunkt (18.00) ist der Verbleib der FDP ungewiss.

Patrik Stollarz/AFP/Getty Images

In Hamburg ist die Rechnung der LINKEN und ihre Strategie, wie sie in Thüringen angewandt wurde, erstmal voll aufgegangen:

Die linken Parteien, SPD (37,5 Prozent), Grüne (25,5%) und Linke (9%) verfügen eine satte Mehrheit von rund 70 Prozent, zählt man die Prozente des linken Lagers zusammen. Das linke Lager hat damit eine verfassungsändernde Mehrheit.

Die früher „rechten“ Parteien: CDU hat jämmerlich 11,5 Prozent, die AfD bangt um den Einzug und die FDP wird voraussichtlich zwischen 5 und 6 Prozent landen, sicher ist das nicht; zusammen also hat die Opposition nur noch über klägliche 18 Prozent. Die bürgerliche Mitte ist damit ausradiert; besser gesagt: Sie hat sich selbst ausradiert.

(Die Zahlen sind die Prognose nach Exit-Poll).

Der Triumph der Hamburg SPD

Nun war Hamburg immer schon eine Stadt, die Weltoffenheit mit links und Fortschritt mit grün verwechselt hat. Hamburg ist ein Wirtschaftsstandort, dem es so gut geht, dass er lächelnd seine eigenen Wurzeln zerstört. Es ist ja alles da! Unmittelbar vor der Wahl verkündete SPD-Spitzenkandidat und alter wie neuer Bürgermeister Peter Tschentscher noch schnell das Aus für eines der modernsten und saubersten Kohlekraftwerke. Dafür sollen Strom und Wärmeversorgung mit Gas gesichert werden. Das bringt nur einen um wenige Prozentpunkte niedrigeren Schadstoffausstoß, kostet deutlich mehr, belastet Bürger und Wirtschaft und erhöht die Abhängigkeit von Wladimir Putin. In Hamburg gilt das als Coup, mit dem Greta Thunberg und ihren Wahlkampfauftritt zu Gunsten der Grünen abgefangen wurde. Ein weiteres Geheimrezept von Peter Tschentscher: Er hat das lustige Duo der SPD-Vorsitzenden Esken und Walter-Borjans gar nicht erst eingeladen und versprochen, in Hamburg habe die SPD nichts zu sagen, auch wenn sie gewählt wird. Der Trick, sich als selbständige Partei zu camouflieren ist aufgegangen. So gut, dass sogar die korruptionsgeschüttelte SPD eine Art Lazarus-Stunde erlebte – und die Korruptionsvorwürfe überlebte, wonach sie an die 50.000 € Wahlkampfspende von der Warburg-Bank kassiert haben soll, um der Bank lästige Steuerstrafzahlung auf dem Verjährungsweg zu ersparen. So steht die SPD vom Totenbett auf, trotz erkennbarer Korruptionsskandale. Was sind da schon 8,1 Prozent Verluste?

Die Grünen bleiben zurück

Die Grünen sind nicht stärkste Partei geworden, sondern bleiben die Nummer Zwei. Damit können sie gut leben. Die Spitzenkandidatin Katharina Fegebank konnte lange ihr verheerendes Wirken bei der Politisierung und wissenschaftlichen Entkernung der Hamburger Hochschulen verbergen. Aber sie trat letztlich zu penetrant auf. Der Trend hatte sich in den vergangenen beiden Wochen gedreht. Nachdem klar wurde, dass die SPD das Rennen machen würde, desertierten weitere Wähler weg von den Grünen zur SPD. Man ist immer gerne bei den Siegern.

Eine historische Schlappe mit nur 11,5 Prozent hat die CDU eingefahren. Es ist ein Selbstmord vor laufenden Kameras. Die CDU fällt in sich zusammen, seit die
Ausgrenzung der Konservativen und Liberalen unter Merkel zur Leitlinie wurde und die CDU von einer vielfarbigen zu einer einfarbigen Partei entwickelt hat. Es ist das Ende einer Entwicklung: Zunächst die Anbiederung bei der SPD, die Sozialdemokratisierung der Union unter  Merkel. Aber wenn es denn nur das wäre. Merkel geht ihren Weg konsequent weiter. Jetzt ist die LINKE der Maßstab aller Dinge, das Ziel ihrer Bemühungen.

Sie hat aufgegriffen, was in der DDR herrschende Lehre war, um die Vorherrschaft der SED zu sichern: den sogenannten „Anti-Faschismus“. In der DDR war der Antifaschismus Staats- und Geschichtsdoktrin. „Faschisten“, das war die BRD, ihre Politiker, ihre Unternehmen, die Bundeswehr, alle Institutionen wie Bundestag und Bundesverfassungsgericht. Dagegen richtete sich der Faschismusbegriff der DDR. Unter Merkel wird er gegen die Mitte der Gesellschaft angewandt – und mit der CDU implodiert diese Mitte, die kein politisches Sprachrohr mehr hat. Am Ende richtete sich der Faschismus-Vorwurf sogar gegen die CDU selbst. Die Linke wird zwar in Hamburg zur Regierungsbildung nicht gebraucht – aber ideologisch beherrscht sie den Diskurs. Der Jubel der Linken-Chefin Katja Kipping um 18.15 war berechtigt. Sie hat erkannt, dass es um ein paar Prozente hin oder her im linken Lager nicht ankommt. Das Lager hat gesiegt, das Versagen von FDP und CDU beim Umfallen in Thüringen hat sich für das linke Lager ausgezahlt.

Erwartbare Katastrophe für die AfD

Zur Katastrophe wird das Wahlergebnis auch für die AfD. Der öffentliche Druck, die mediale Dauerbeschallung haben noch immer Wirkung; zuletzt wurden dieser Partei ja sogar die Morde von Hanau angerechnet. Auch davor hat sie praktisch kaum Wahlkampf betreiben können. Plakate fast noch schneller abgerissen als aufgehängt, kaum Veranstaltungsorte, die Stände praktisch belagert und die Parteimitglieder angepöbelt. Diese Art von Wahlkampf kennt man aus Putins Russland in seinen wilden Tagen. Heute geht es sogar dort mit der Opposition gesitteter um. Die Verfemung der AfD hat verhindert, dass eine neue politische Repräsentanz entstehen konnte – was allerdings der CDU nicht viel hilft. „Nazis raus“ wird skandiert, schon hörbar im ARD-Studio. So macht man Politik. Man nennt es Demokratie.

Wie Merkel die CDU ruiniert hat

Hamburg markiert damit die Totalniederlage von Merkels Strategie, die für ihren persönlichen Machterhalt alles opfert – auch die CDU, die sie groß gemacht hat: Merkel greift auf die Formeln zurück, die ihr als Schülerin und Studentin in der DDR pauken mußte – die Annäherung an die Linke und letztlich die Unterordnung der CDU unter die straff geführte Kaderpartei. In Hamburg erhält sie jetzt die Quittung für das Versprechen, in Thüringen den Linken-Politiker Bodo Ramelow statt des liberalen FDP-Politikers Kemmerich als Ministerpräsident zu wählen oder wählt sie ihn dadurch, dass ihre Abgeordnetenhaus Klo gehen, oder vielleicht ein Los ziehen: Wer das längere Höschen zieht muss Ramelow wählen? Selten hat sich eine Partei so selbst erledigt und dem erbittertsten Gegner aufs Pferd geholfen. Dabei bildete die Abgrenzung von sozialistischen Ideen die vielleicht wichtigste Konstante in der Politik der CDU seit ihrer Gründung vor fast 75 Jahren. „Mit dem Wort Sozialismus,“ so Adenauer lakonisch, „gewinnen wir fünf Menschen und zwanzig laufen weg.“ Die Anerkennung des Privateigentums und der wirtschaftlichen Freiheit der Person durch die CDU war die Voraussetzung dafür, dass das kriegszerstörte Westdeutschland zu einem der wirtschaftlich erfolgreichsten Länder der Welt wurde.

Im Programm der Linkspartei steht hingegen immer noch, dass Deutschland ein „anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem“ brauche – „den demokratischen Sozialismus“. Aber wer sich freiwillig den Linken unterwirft erhält die Quittung.
Und so bleibt nur noch die FDP. Da sie ohnehin nicht mehr regieren will und öffentlich nichts so sehr bedauert wie ein Staatsamt, das ihr in den Schoß fällt, gibt es auch keinen Grund mehr, über sie zu schreiben.

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Kommentare ( 173 )

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Nixverstehen
4 Jahre her

Man muss auch bedenken, dass in Hamburg das Wahlalter auf 16 herabgesetzt wurde, womit vor allem den Grünen Stimmen zugeführt wurden. Dazu kam noch eine Propaganda Vorstellung von FFF kurz vor der Wahl.

butlerparker
4 Jahre her

Kann man wirklich als SPD sagen, wenn man 6,6% und damit die höchsten Verluste aller Parteien eingefahren hat, daß man triumphiert hat? Wirklich jetzt? Und die AfD ist in der Bürgerschaft und hat 0,8% verloren. Ist das unter den gegebenen Umständen nicht ein respektables Ergebnis und ganz und gar keine Katastrophe? Ja. das bürgerliche Lager hat 8% verloren, aber ist das wirklich angesichts der Ereignisse der letzten Tage und dem andauernden Trommelfeuer der Medien wirklich verwunderlich. Dazu die CDU in einem katastrophalem Zustand. Die CDU läßt sich aus Angst vor Neuwahlen inzwischen von der SPD zu jedem sozialistischen Experiment zwingen… Mehr

Tesla
4 Jahre her

Bis zur Bundestagswahl ist es zwar noch eine Weile hin, und bis dahin kann noch einiges passieren (sowohl im Guten als auch im noch Schlechteren) – aber ich habe immer mehr den Eindruck, dass Merkel bewusst versucht, auf eine Kanzlerschaft Habecks hinzuarbeiten, und die Nachfolge in ihrer eigenen Partei dann nur noch Makulatur sein wird. Sie weiß, dass ihre Zeit 2021 abläuft – und so dumm, wie sie die CDU schreddert, kann kein normaler Mensch und auch kein normaler Berufspolitiker sein.

Aufgewachter
4 Jahre her

Ein traumhafter Sieg für Merkel, sie hat ganze Arbeit geleistet.
Eine Frau zerstört die CDU von innen heraus, damit hat sie für die SED hat einen Meilenstein erreicht. Wir sollten gute Verlierer sein, gratulieren und unseren Kindern raten das Land zu verlassen.

pabst1
4 Jahre her

Herr Tichy. Vielen Dank für ihre Analyse.Trifft alles zu.

Meykel
4 Jahre her

Man muß feststellen, diese permanenten Negativmeinungen über alles Konservative, in der Politik und in Presse und Fernsehen und das Hochjubeln der Grünen, Kommunisten und manchmal noch der SPD, schadet am meisten der CDU.

Die AFD ist relativ immun dagegen, weil ihre Wähler hartgesottene Konservative sind. Die AFD ist praktisch die Avantgarde der Idee des Konservativismus, die da ist: „Wenn nötig was ändern aber das Sinnvolle behalten.“

Aber die CDU wird damit untergehen.

„Selbstgewähltes Elend“ kann man dazu nur sagen. Denn die CDU ist ja im vordersten Graben bei der Verächtlichmachung alles Konservativen.

Hannibal ante portas
4 Jahre her
Antworten an  Meykel

Nein, die CDU geht an einem ganz uralten und wohl ewig gültigem Gesetz in der Politik zugrunde: Mangel an Glaubwürdigkeit.Wer seit Kriegsende dauernd rechts blinkt aber seit Merkel NUR noch links abbiegt, dem fährt niemand mehr hinterher.

Christiansen
4 Jahre her

Der grün-rote Erfolg ist wirklich nicht unverdient, der Regierende ist vertrauenswürdig und das Programm kann man mal versuchen. Glückwunsch! Aber der Wahlkampf kann den unvoreingenommenen Beobachter schon bestürzen: Der Umgang der anderen Parteien mit der AfD ist demokratietheoretisch hochproblematisch: Die pauschale Verteufelung, die Stigmatisierung und insbesondere die praktizierte systematische Ausgrenzung der AfD aus dem demokratischen Prozess und dem öffentlichen Leben wäre nur zu rechtfertigen, wenn die AfD sich von der Demokratie losgesagt hätte. Dies ist aber nicht der Fall. Daran ändern auch die höchstproblematischen Einlassungen Einzelner nichts. Dagegen stellen die sogenannten „echten Demokraten“ mit ihrer unverhohlen ausgelebten pauschalen Intoleranz, die… Mehr

Casa Done
4 Jahre her

„Deutschland schafft sich ab“ Thilo Sarrazin schrieb dieses Buch im Jahr 2010. Wir beobachten Schritt für Schritt, wie der Buchtitel zur Realität wird: Meinungsfreiheit (NetzDG, Talkshows der MSM, Hetze gegen die AfD), parlamentarische Demokratie (Thüringen – der Staat im Würgegriff der Parteien, Diffamierung von Opposition als staatsfeindlich), Eigentum (Zwangsenteignungen, Mietpreisdeckel, Dieselhysterie), Energieversorgung (Atom-/Kohleausstieg, höchster Strompreis der Welt, Klimahysterie), innere Sicherheit (Antifa-Verbrechen, öffentliche Förderung linksradikaler Gruppen, „Messerstechereien“, überproportional hohe Migrantenkriminalität), Verteidigung (desolate Bundeswehr, Abschaffung der Wehrpflicht), Bildung (PISA, hohe Zahl der Schul-/Studienabbrecher, Schulen als neue No-Go-Zonen, ausgebrannte Lehrer), Wirtschaft (Mangel an qualifizierten Fachkräften, zunehmende Pleiten, CO2-Steuer, „Wirtschaftstransformation“ von oben) – man… Mehr

Horst
4 Jahre her
Antworten an  Casa Done

Ich hatte das Buch kürzlich erneut gelesen und war erschüttert, wie treffend die Analysen damals waren. Und wie sehr die verursachenden Gründe mutwillig verstärkt wurden.
Sollte ich jemals das Argument hören „das haben wir nicht gewusst“, werde ich einfach auf dieses Buch verweisen.
Ich gönne Herrn Sarrazin seinen Zufluchtsort in der Schweiz von ganzem Herzen, er hat sich wahrlich verdient gemacht.

D. Ilbert
4 Jahre her

Die erwartbare Katastrophe ist nicht eingetreten. Zumindest nicht bei der AfD. Erwartbar war sie bei den Medien und eingetreten ist sie dort auch. SPD: minus 6,6%-Punkte oder -14,2% vom vorherigen Ergebnis CDU: minus 4,7%-Punkte oder -29,5% vom vorherigen Ergebnis FDP: minus 2,4%-Punkte oder – 32% vom vorherigen Ergebnis AfD: minus 0,8%-Punkte oder -13,1% vom vorherigen Ergebnis Für die SPD wird das Ergebnis auf WO z.B. mit Jubel begrüßt, für die CDU wird es als erwartbar bezeichnet, die FDP wird ignoriert und bei der AfD wird der Rückgang obwohl er, prozentual verglichen, der geringste ist, als „Zäsur“ und als „Afd-Absturz“ bezeichnet.… Mehr

Andreas aus E.
4 Jahre her
Antworten an  D. Ilbert

Die Qualitätsmedien interesserieren eh nur die „grünen“.

Der Michel
4 Jahre her
Antworten an  D. Ilbert

Wer interessiert sich denn heutzutage noch für Zahlen? Bauchgefühl zählt! Leider…

Epouvantail du Neckar
4 Jahre her
Antworten an  D. Ilbert

Man kann nur hoffen, dass die WO-Hofpostille gemeinsam mit der SPD-und nachfolgend mit der CDU den Weg über den Styx geht.

Robby
4 Jahre her

Das Links-Rechts-Schema ist nicht entscheidend. Die Menschen wählen, wenn er oder sie einigermaßen vernünftige Politik macht, den Amtsinhaber. Das sind in Hamburg SPD und Grüne mit der Scholz-SPD. Dieselben Parteien sind in NRW mit der Walter-Borjans-SPD abgewählt worden, eben weil sie grottenschlechte Politik gemacht haben. In Bayern sind es CSU und Freie Wähler, in Sachsen der Amtsinhaber, die wiedergewählt werden. Natürlich kann man CDU und FDP so nicht wählen. Die CDU will weitere linke Partei sein, damit Merkel (oder doch die Grünen) mit SPD, Grünen und Linken weiterregieren kann. Die SPD müsste nur einigermaßen vernünftige Leute wie etwa ihre Hamburger… Mehr

Andreas aus E.
4 Jahre her
Antworten an  Robby

Mein Bauchgefühl sagt mir: Wenn schon Union, dann Röttgen. Warum? Weil die „Qualitätsmedien“ von dem wenig begeistert sind, das werte ich als Pluspunkt.