Corona-Update zum Morgen des 24. März: Island das Modell-Land

In den Bundesländern steigen die Fallzahlen weiter, nur in einem sollen es kurioserweise nur zwei Neuerkrankungen sein. Island testet seine Bevölkerung großflächig auf Corona und in Italien kommen dringend benötigte Hilfsgüter nicht an.

Credit Fusion Animation
Die Graphiken der letzten Tage werden korrigiert. Das Abflachen mehrerer Kurven in den vergangenen Tagen war doch nur eine statistische Schummelei, weil aus lokalen Gesundheitsämtern die Fallzahlen nicht überall weiter gemeldet wurden.

Besonders in Baden-Württemberg fällt auf, dass die Kurve nach einem ersten Abflachen nun wieder steiler steigt. Auch in Berlin steigt nach dem Montag die Kurve wieder steil an. Fragwürdig ist Bremen: Dass es dort seit Freitag zu keinen nennenswerten Neuerkrankungen kam, ist unwahrscheinlich. Seit gestern wurden dort zwei neue Fälle gemeldet – es werden also prinzipiell neue Fälle gemeldet, aber viel weniger, als zu erwarten wären.

Es ist noch nicht bekannt, warum dies so ist. Möglicherweise ist aber das Gleiche wie in Baden-Württemberg passiert: dort gingen einem Labor Chemikalien aus, die für das Durchführen von Tests nötig waren. Dieser Engpass erklärt auch zu einem Teil den starken Einbruch der dortigen Neu-Meldungen am 21. März.

Der starke Anstieg im Saarland überrascht. In den vergangenen Tagen hatte sich eine langsam abschwächende Kurve abgezeichnet. Das langsame Abflachen über mehrere Tage legt nahe, dass es dort nicht zu großflächigen Nicht-Meldungen kam. Doch der starke Anstieg am Montag ist besorgniserregend.

Das kleine Island (rund 364.260 Einwohner) hat es sich zum Ziel gemacht, alle Einwohner auf Corona zu testen. Es wurden bislang 10.301 getestet (Stand: 23.März 22:00); das sind immerhin 2,8% der Bevölkerung. 588 wurden positiv getestet, davon befinden sich 537 in Isolation und 51 sind geheilt. 13 Personen müssen im Krankenhaus behandelt werden. 6.816, also 1,8% der Bevölkerung, befinden sich in Quarantäne – unter anderem, weil neu Einreisende für zwei Wochen in die häusliche Quarantäne müssen, ebenso die Angehörigen von Erkrankten.

Ziel dieser weitreichenden Testmaßnahmen ist es, wertvolle Daten über das Virus zu erlangen. Island ist eine relativ isolierte Gesellschaft; man kommt in das Land quasi nur über den Flughafen Reykjavik oder per Schiff hinein. Das bedeutet, dass sich externe Einflüsse relativ einfach nachvollziehen lassen und Island gut geeignet ist, um das Coronavirus zu untersuchen.

Interessant ist, dass in Island nur die Hälfte aller positiv auf Corona Getesteten auch Symptome zeigen. Selbst wenn man annimmt, das es eine relativ hohe Rate von falschen Positiven gibt (also Tests die positiv ausfallen, aber eigentlich negativ sind) bedeutet das doch, dass ein signifikanter Teil der deutschen Bevölkerung schon Corona haben dürfte, es aber „nur“ weiterverbreitet. In dem Fall ist das Tragen von Gesichtsmasken auch Nicht-Getesteter durchaus sinnvoll. Damit entpuppt sich die Aussage der Bundesregierung, dies sei eine nicht sinnvolle Maßnahme, endgültig als Falschbehauptung – wie schon viele Aussagen in dieser Krise.

In Island sind übrigens die meisten Infizierten 40 bis 49 Jahre alt. Es sind auch mehr unter 40-Jährige infiziert als über 49-Jährige – wobei dies natürlich auch damit erklärbar ist, dass es mehr Isländer gibt, die unter 40 sind, als solche, die über 49 sind, denn das Durchschnittsalter der Isländer beträgt 34,2 Jahre. Insgesamt gehören rund 69% der Infizierten der Gruppe der überdurchschnittlich Älteren an. (Annahme: Die Alterskohorte der 30-39 jährigen Infizierten ist gleichmäßig auf alle Jahrgänge verteilt).

Gestern wurde Bundeskanzlerin Merkel Corona-negativ getestet. Dennoch: Gerade in einer Pandemie-Situation war es fahrlässig, dass der Gesundheitszustand ihres behandelnden Arztes nicht vorher geprüft wurde.

Im Vereinigten Königreich wurde derweil eine Ausgangssprerre verhängt. Es sind mittlerweile 335 Menschen in Großbritannien an Covid19 gestorben, bei bisher 6.724 bestätigten Erkrankungen. Zum Vergleich: In Deutschland sind laut Johns Hopkins Universität 118 Menschen gesichert an Corona verstorben, bei gut 29.000 Erkrankungen (Länderinformationen: 28.719; Johns Hopkins Universität: 29.056). Allerdings agieren deutsche Gesundheitsbehörden auch nach dem Motto „Wer nicht suchet, der nicht findet“: Die an einer Lungenentzündung sterben, werden zum Beispiel in der Regel nicht noch nachträglich auf Corona untersucht.

Auch sind in Deutschland die meisten Corona-Erkrankten zwischen 20 und 50 Jahre alt, denn es waren Skifahrer und Berliner Club-Feierer, die sich als erstes infizierten. Diese Altersgruppen sind jedoch in der Regel noch relativ gesund und haben eine geringere Mortalität als Ältere.

In den Niederlanden wurden inzwischen alle Veranstaltungen verboten. Auch zuhause dürfen maximal drei Gäste empfangen werden. In Frankreich werden die Ausgangssperren verschärft: Man darf für nicht essentielle Besorgungen wie Sport nur noch maximal eine Stunde am Tag das Haus verlassen und sich höchstens einen Kilometer von seinem Wohnsitz entfernen.

In Polen und in Tschechien wurden Hilfslieferungen, die die chinesische Regierung für Italien gekauft hatte, an den Grenzen abgefangen und mindestens in Tschechien wurde einiges Material an dortige Krankenhäuser verteilt. Man spricht von einem Fehler und entschuldigt sich, doch derweil fehlen in Italien die zahllosen Masken und die tausenden Beatmungsgeräte aus diesen Lieferungen.

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Kommentare ( 56 )

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Sonny
4 Jahre her

Für mich sieht es so aus, als wäre fast die ganze Welt unter Quarantäne. Bringt das wirklich was?
Ein Virus, der sich so flächendeckend ausbreiten konnte, ist höchstwahrscheinlich nicht zu stoppen, bis jeder entweder Antikörper dagegen entwickelt hat, immun oder gestorben ist.
Nachts träume ich von „The Walking Dead“.
Unglaublich vorausschauend, diese Serie.

Werner Holt
4 Jahre her

Das soll vermutlich bedeuten, daß alle Alterskohorten sich mit Corona infizieren können, wenn auch mit graduellem Unterschied, der aber nicht so groß ist. Der entscheidende Unterschied ist der, daß mit steigendem Alter und bei Vorerkrankungen das Risiko stark steigt, daß es zu einem schweren Krankheitsverlauf kommt, der u.U. (ca. 0,5 % der Fälle) auch tödlich enden kann.

Werner Holt
4 Jahre her

Infiziert ist nicht gleichbedeutend mit krank. Das RKI beschreibt unter Pkt. 6 des „Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) den sog. „Manifestationsindex“ also den Anteil der Infiziert, der tatsächlich auch erkrankt. Der liegt nach den vorliegenden Studien (Kreuzfahrschiffausbruch, Reiserückkehrer uss.) bei Werten zwischen 51 % und 81 %. Mittelt man diesen Wert, so kommt man auf 66 %. Das läßt mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf schließen, daß es bei ca. 1/3 der Bevölkerung eine vorhandene Immunität gibt.

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText12

Werner Holt
4 Jahre her

Wer sich die Modellszenarien in dieser Studie ansieht, deren Grundannahmen auf Basis der bekannten Daten realistisch erscheinen, kommt zu der Erkenntnis, daß es langfristig nicht die Einschränkung der sozialen Kontakte generell, sondern die FRÜHZEITIGE Erkennung und möglichst KOMPLETTE Isolierung der Infizierten sowie die möglichst VOLLSTÄNDIGE Quarantäne deren enger Kontaktpersonen sind, die eine exponentielle Ausbreitung des Virus hemmen und sogar ein vollständiges Containment der Epidemie möglich machen: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Modellierung_Deutschland.pdf?__blob=publicationFile Die Konsequenz analog zu Südkorea muß also sein: 1. Maximale Ausweitung der Testkapazitäten auch außerhalb der Risikocluster wie 2. konsequente Identifizierung der Infizierten und Umsetzung deren Isolation, wenn nötig, über Mobilfunkortung und Hausdurchsuchungrecht… Mehr

Werner Holt
4 Jahre her

Es ist klar, daß die derzeit verhängten drastischen Maßnahmen in den EU- und anderen westlichen Ländern wie Kontakt- und Ausganggssperre nur eine begrenzte Zeit durchzuhalten sind, sowohl wirtschaftlich auch psychologisch. Darum wird es zweckmäßig sein, wenn man sich nach Beendigung dieser Phase auf die beiden Hauptwaffen im Kampf gegen das Virus richtet: 1. Zeitige Feststellung sowie möglichst vollständige Isolierung von infizierten Personen sowie 2. möglichst vollständige Quarantäne deren enger Kontaktpersonen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls infiziert sind. Die nachfolgende durch das RKI veröffentlichte Studie von Beispielszenarien zeigt, wie durch diese beiden Maßnahmen in einer zeitigen Phase der Edpidemie ein Containment… Mehr

Werner Holt
4 Jahre her

Eine Erklärung für die steiler gewordene Kurve der gemeldeten Infektionsfälle könnten die Coronaparties sein, die in den Ländern Baden-Württemberg, Hamburg und evtl. auch Saarland bis zum 18. März gefeiert wurden und die sich um bis 5 – 6 Tage zeitverzögert im Anstieg der Coronafälle bemerkbar machen.

Bayern hatte trotz Pandemiealarm auch nicht auf seine Kommunalwahl am 15.03. 2020 verzichtet, die trotz erhöhter Vorsichtmaßregeln (eigener Kugelschreiber erlaubt, desfinfizierte Kugelschreiber vorrätig, größerer Abstand Wahlkabinen) ebenfalls noch einmal eine neue Welle von Infektionen gebracht haben dürfte.

Agrophysiker
4 Jahre her

Fehlende mittelfristige Strategie! Der aktuelle Lock-down mag tatsächlich jetzt notwendig sein, kann aber sicher nicht ansatzweise durchgehalten werden bis die Pandemie vorbei ist, es eine Impfung gibt oder die Durchseuchung erreicht ist. Es fehlt daher eine Strategie wie man danach die Ansteckungsquote möglichst unter Eins drückt und gleichzeitig die Wirtschaft einigermaßen funktionsfähig hält. Naheliegend sind dabei zumindest die drei Maßnahmen. Konsequentes umfangreiches Testen und Isolation aller wahrscheinlichen Infektionsträger incl. Hilfsmaßnahmen, damit diese die Quarantäne nicht verlassen müssen. Konsequente Ausstattung mit Schutzmitteln. Natürlich Angefangen im Gesundheitswesen. Aber offensichtlich müsste man eigentlich jeden in der Öffentlichkeit vorübergehend eine Schutzmaske vorschreiben. Und Bereitstellung… Mehr

Silverager
4 Jahre her
Antworten an  Agrophysiker

Alles richtig, was Sie sagen … müsste … könnte … sollte.
Passieren wird allerdings davon nichts.

Anna-Maria
4 Jahre her

Ich habe mein Zweifel kundgetan, dass die Polen oder Tschechin die Lieferung aus China nach Italien beschlagnahmt hatte.
Hier ist die chinesisches Flugzeug, das in Budapest angekommen ist – direkt aus China!
https://www.magyarhirlap.hu/belfold/20200324-tobb-millio-maszk-erkezett-kinabol

Tee Al
4 Jahre her
Antworten an  Anna-Maria

Ja, ich finde den Kommentar mit der Beschlagnahmung auch merkwürdig. Ich habe ebenfalls mitbekommen, dass Ungarn Lieferungen aus China bekommen hat.
Meine Quelle? – Meine Frau, die Ungarin ist. Die Beziehung zwischen den beiden Ländern ist außerordentlich gut, deshalb ist Ungarn auch eines der ersten Länder, welches aus China beliefert wurde.
In diesem Sinne, Viszlát Anna-Maria

tube
4 Jahre her

das Beschaffungsamt der Bundeswehr sollte Nachschub besorgen, durch eine „Panne“ sind 6 Mill. bestellte Schutzmasken nun verschwunden.
Kramp-Karrenbauer hat keine Ahnung wie das passieren konnte….

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/coronavirus-in-deutschland-sechs-millionen-schutzmasken-spurlos-verschwunden-a-b3ba8e1e-2a79-438a-9d85-dd52f53e428e

WGroeer
4 Jahre her
Antworten an  tube

Lieber 6 Millionen Flüchtlinge mit Corona, als 6 Millionen Masken gegen Corona.
In Meck-Pomm wird schon Platz geschaffen!
https://www.bild.de/video/clip/news-inland/falscher-hauptwohnsitz-deutsche-familie-nach-paris-zurueckgeschickt-69548034-69550526,auto=true.bild.html

UngebetenerGast
4 Jahre her
Antworten an  tube

Mein Gott, hat die Bundeswehr noch nicht genug Auslandseinsätze abgeleistet, um endlich zu wissen, wie es in der Dritten Welt zugeht? Im Ernstfall (den wir gerade haben) gehört einem dort nur das, was man verteidigen kann. Millionen Schutzmasken, die gerade so wertvoll sind wie Gold, auf dem Flughafen eines für seine Korruptheit berüchtigten afrikanischen Landes nicht (von e i g e n e n Leuten) bewacht rumliegen zu lassen, ist einfach saudumm.

Alfonso
4 Jahre her

Die EU und die Corona-Krise.

Was machen eigentlich derzeit diese EU-Koryphäen:

Stella Kriakides – Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ???

Janez Lenarcic – Kommissar für Krisenmanagement ???

Silverager
4 Jahre her
Antworten an  Alfonso

Die machen Home-Office, haben aber leider ihren PC im Brüsseler Headquarter vergessen.