Corona-Update zum 10. Mai: Demonstrationen in ganz Deutschland

Das RKI schätzt die Reproduktionszahl sehr grob auf 1,1. In vielen Städten kommt es zu Demonstrationen gegen die Corona-Verordnungen.

imago Images/Carsten Thesing

In seinem täglichen Situtationsbericht zur Corona-Pandemie errechnet das Robert Koch-Institut eine Reproduktionszahl von 1,1. Das bedeutet, dass jeder Corona-Infizierte momentan 1,1 andere Personen infiziert. Allerdings handelt es sich dabei um einen statistisch ermittelten Wert, der mit Unsicherheiten verbunden ist. Der 95-Prädiktionsintervall beträgt 0,9 bis 1,34 – das RKI schätzt also, dass die tatsächliche Reproduktionszahl mit 95% Wahrscheinlichkeit zwischen 0,9 und 1,34 liegt.  Gerade auch wegen der momentan geringen Zahl der Neumeldungen – laut RKI 1.251 neue Fälle – unterliegt die Berechnung höheren Ungenauigkeiten als noch vor vor einigen Wochen. Ob die Reproduktionszahl also tatsächlich über 1 liegt, zeigt sich erst, wenn die Fallzahlen wirklich wieder steigen. In ihrer Pressekonferenz vom 15. April erklärte Angela Merkel, dass das Gesundheitssystem im Oktober an seine Grenzen stoßen würde, wenn die Rerpoduktionszahl konstant bei 1,1 läge. Seitdem ist ein Monat vergangen, es gibt weniger aktiv Infizierte und die Krankenhäuser haben ihre Kapazitäten weiter ausgebaut, aber daran, dass bei einer Peproduktionszahl von 1,1 das Gesundheitssystem gegen Ende des Jahres an seine Grenzen stößt, dürfte sich nichts geändert haben.

Der gesellschaftliche Konsens über den richtigen Vorgang im Kampf gegen das Corona-Virus zerbricht zusehends, die Akzeptanz der Maßnahmen schwindet.

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Noch vor wenigen Wochen schien es ruhig im Land. Noch Ende April fand eine Studie der Technischen Universität Ilmenau, dass 77% der Bürger mit dem Krisenmanagement der Regierung zufrieden sei. Doch diese Unterstützung der breiten Masse der Bevölkerung sahen die Forscher schon in Gefahr, da nur gut ein Drittel der Befragten angab, Angst davor zu haben sich anzustecken. Ebenso gab ein Drittel an, dass sich ihre wirtschaftliche Lage verschlechtert habe. Zusehends zerbricht dieser gesellschaftliche Konsens über die Bekämpfung des Corona-Virus.

In vielen Deutschen Städten kam es zu Demonstrationen gegen die Verordnungen:

In Frankfurt kam es zu einer nicht angemeldeten Demonstration von circa 500 Teilnehmern. Die Polizei löste die Versammlung nicht auf.

In Stuttgart demonstrierten mehrere Tausend im Rahmen einer angemeldeten Demonstration. Bereits letzte Woche protestierten hier – nach Angaben der Initiative „Querdenken“, die die Demonstrationen organisiert – 5.000 Personen. Da das Abstandsgebot größtenteils eingehalten wurde, löste die Polizei diese Demonstration nicht auf.

Aus Berlin berichtete der rbb gleich von mehreren Demonstrationen:

  • Am Alexanderplatz demonstrierten gut 1.200 Personen. Die Versammlung wurde aufgelöst, es wurde Pfefferspray eingesetzt.
  • Vor dem Reichstag demonstrierten etwa 150 Personen. Die Versammlung wurde nicht aufgelöst, es wurden aber 30 Personen zur Personalienaufnahme abgeführt. Unter ihnen war der vegane Kochbuchautor und bekannte Vegan-Koch Atilla Hildmann.
  • Um die Volksbühne und den Rosa-Luxemburg-Platz herum war eine Vielzahl von Veranstaltungen angemeldet – mit jeweils bis zu 50 Teilnehmern sind diese erlaubt. Die Polizeisprecherin sprach in diesem Zusammenhang von einer „Vielfalt der Meinungen“. So gab es Veranstaltungen wie „Grundgesetz statt Corona-Wahnsinn“, „Gegen Rechtsextremismus“ und „Gemeinsames Beisammensein bei Sonnenschein“.

In München protestierten auf dem Marienplatz 3.000 Personen – 80 waren angemeldet. Die Polizei bewertete ein Auflösen der Veranstaltung trotz Missachtung der Abstandsregeln als nicht verhältnismäßig und räumte dem Platz nicht, auch um „eine Eskalation zu vermeiden“.

Es gab sieben weitere angemeldete Veranstaltungen in München, die sich, laut Polizei „inhaltlich kritisch mit den getroffenen Maßnahmen rund um die Corona-Pandemie auseinander setzten.“

Sie blieben allerdings alle im vorher festgelegten Teilnehmerbereich. In Bayern sind Veranstaltungen mit 50 Personen erlaubt, mit Sondergenehmigung kann die Teilnehmerzahl auf 80 erhöht werden.

In Nürnberg war es ähnlich: Eine angemeldete Veranstaltung zog immer mehr Teilnehmer an, bis schließlich 2.000 Personen versammelt waren. Die Polzei beobachtete, dass „sich in der Menschenmenge teilweise unabhängig vom ursprünglichen Versammlungsgeschehen weitere Interessengruppen unterschiedlichster gesellschaftlicher und politischer Ausrichtungen bildeten“. Ein Teilnehmer versuchte, eine Spontandemonstration anzumelden. Die Polizei verweigerte die Genehmigung hierzu, doch der vergebliche Demonstrations-Anmelder „verhielt sich gegenüber dieser Anordnung allerdings absolut uneinsichtig.“ Nachdem er einen Platzverweis nicht befolgte, nahm die Polizei ihn in Gewahrsam. Gegen ihn führt das örtliche Kommissariat für Staatsschutz eine Verfahren nach dem Versammlungsgesetz. Gegenüber dem br sagte die Polizei, es seien einschlägig bekannte Mitglieder der rechtsextremen Szene anwesend gewesen und durch aggressives Verhalten aufgefallen. Insgesamt verlief die Versammlung aber eher ruhig. Auch in vielen anderen Städten kam es zu Protesten, beispielsweise in Köln, Heidelberg, Bonn und in Gera, wo sich erstmal der Kürzestzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) unter den Demonstranten zeigte; da wird er wieder von seinem Parteichef Christian Lindner einen Rüffel kriegen.

Geleakt aus dem BMI: brisante Analyse
Exklusiv auf TE: „Ein Vorwurf könnte lauten: Der Staat hat sich in der Coronakrise als einer der größten fake-news-Produzenten erwiesen.”
Interessant ist, dass es sich bei den Demonstrationen – insbesondere bei den größeren – eben nicht um Veranstaltungen eines bestimmten politischen Lagers handelt. Ja, es fallen – wie in Nürnberg – stellenweise Rechtsextreme auf, aber nicht als tonangebend oder als Initiatoren, sondern Trittbrettfahrer. Ganz im Gegenteil, es kommt zu einer regelrechten Querfront der politischen Lager, Gruppen und Gesellschaftsschichten. Meist ist der Ton alarmistisch, die Angst vor vermeintlichen Mikrochip-Impfungen, dem dauerhaften Verlust der Grundrechte, einer Diktatur, aber vor auch dem wirtschaftlichen Absturz ist groß und verschafft sich Ausdruck in Rangeleien mit Polizisten, die ihrerseits gelegentlich überaggressiv reagieren.

Auf der anderen Seite stehen, beziehungsweise sitzen auf der heimischen Couch, jene, die mit den Maßnahmen der Regierung im großen und ganzen zufrieden sind. Es sind jene, die um eine Infektion mit dem Corona-Virus zu vermeiden auf keinen Fall eine Demonstration besuchen würden. Auch hier ist der Ton schrill: Panisch, vor der Überlastung des Gesundheitssystems warnend, Todeszahlen wie in Italien fürchtend, werden die Demonstranten als Spinner, als „Corona-Kritiker“, als fast verrückt bezeichnet. #COVIDIOTS ist auf Twitter einer der am häufigsten verwendeten Begriffe.

Es ist eine Spaltung im Land, wie man sie bisher noch nicht gesehen hat, und die sich entlang einer gesellschaftlichen Linie entwickelt, wie man sie wohl nicht vermutet hätte. Attila Hiltmann, Kochbuchautor, wurde von der Polizei abgeführt; vorher hatte er seine „muslimischen Brüder“ zur Demo aufgerufen. Diesmal steht der Regenbogen gegen die Bundesregierung und die Demonstranten sind bunt; was ja neuerdings als Qualitätsmerkmal gilt. Die bisherige Teilung in echte wie vermeintliche Links- und Rechtspopulisten löst sich auf; da helfen auch ständige Warnungen vor einer „Vereinnahmung durch Verschwörungstheoretiker und Rechtspopulisten“ nicht, wie hier beim br . Diese Entwicklung ist wohl auch eine Folge der verfehlten Kommunikation der Bundesregierung in dieser Krise. Wer der ursprünglichen Regierungslinie folgt, wonach das Virus nicht so schlimm und Masken sinnlos seien, den werden die fortdauernden Einschränkungen seiner Grundrechte und die Maskenpflicht befremden. Wer dagegen der ursprünglichen Linie der Regierung nicht folgt, dem fällt auf, wie schnell die Regierung ihre Meinung mal eben ins Gegenteil verkehrt, ohne auch nur eine Rechtfertigung zu liefern. Jetzt rächt sich, dass sich Merkel nur gelegentlich und hoheitsvoll zum Thema erklärt. Anders Sebastian Kurz: Er informierte wöchentlich, insgesamt über 30 mal über Maßnahmen und Aussichten. Das schafft Vertrauen.

Die CDU sonnt sich noch in Zustimmungswerten von bis zu 40 Prozent bei den üblichen Fragen, welche Partei man wählen würde, wenn am Sonntag der Gang zur Wahlurne wäre. Aber die Entwicklung ist labil, Wählerstimmen sind Flugsand und die befürchtete 2. Welle der Infektion könnte das Land noch mehr unter Streß setzen, Unzufriedenheit und Ängste weiter anheizen.

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Kommentare ( 91 )

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Aufgewachter
3 Jahre her

Die Maske im Gesicht eines Menschen ist für mich eher Ausdruck der Unterwerfung. Zuerst wurden Vom RKI/Regierung etc. Masken als völlig unsinnig bezeichnet, vermutlich sind sie es auch. Allerdings zeigt diese Verschandelung des eigenen Gesichtes auch deutlich und für jeden sichtbar was man Macht gepaart mit Willkür erreicht.

Dr. Slonina
3 Jahre her

Es ist so zu hoffen, daß diese Proteste der Beginn einer grundsätzlichen Veränderung nach der bleiernen Merkelepoche sind. Aber Vorsicht: die kleinen Wichtigtuer, die Denunzianten und Anscheißer, die Blockwarte, Abschnittsbevollmächtigten etc. sind da, und sie passen auf. Ich habe es persönlich erlebt. Heute im Laden, als jemand die VORSCHRIFT nicht ganz so ernst nahm. Der wurde sofort beim Ladeninhaber angezeigt. Ordnung muß ja schließlich sein. .

MajorTOm
3 Jahre her

Das hat schon Goebbels gewusst, dass Propaganda aggressiv sein muss, sich aber stets nah am Volk zu halten hat. Wird die Propaganda zu abgehoben und die Divergenz zwischen Propaganda und Realität zu groß, dann wird die Propaganda unglaubwürdig und verliert ihre Wirkung. Genau das geschieht gerade. Passend dazu habe ich den Muttertag genutzt und in meinem Familen- und Freundeskreis gefragt, ob es in deren Freundes- und Bekanntenkreis Fälle von Corona gibt. Keinen einzigen, wo diese Seuche doch so schrecklich grasiert.

Dedaidn
3 Jahre her

Dämmerts jetzt einigen? Schön wäre es ja……hoffen wir, dass immer mehr aufwachen… Wobei ich glaube, dass Covid-19 oder Corona dabei nur der berühmte Tropfen ist. Es hat sich halt alles angehäuft, – alles wird teurer (von Energie bis zu Lebensmitteln), – die Wirtschaft wird zunehmend schwächer, was auch wiederum Existenzängste schürt – das Finanzsystem ist marode, was auch bei vielen Angst auslöst, dass ihre hart erarbeiteten Geld und damit die Existenz bedroht ist – die Leistungen des Sozialstaates (u.a. bei Pflege, Krankenversorgung, Rente etc) werden immer weniger und auch der Eigenanteil immer höher und so weiter zudem kommt jetzt noch… Mehr

Franz O
3 Jahre her
Antworten an  Dedaidn

„Wobei ich glaube, dass Covid-19 oder Corona dabei nur der berühmte Tropfen ist.“ Hmm. Sie haben das selbst schon weiter unten angedeutet, ich will das aber noch etwas ausführen. Ich habe nicht den Eindruck, dass das jetzt ein Tropfen ist. Selbst die schlimmste Katastrophe des Regimes, die Grenzöffnung, hatte weitaus weniger direkte Exposition erzeugt. Klar, die Innenstädte sind ohne Deutsche zur Vormittagszeit, aber das ist sowieso eine schleichende Entwicklung seit mehreren Jahrzehnten mit Gewöhnungseffekt. Und viele, seien es Erdogans Soldaten oder die Kulturmarxisten, wollen das natürlich so. Klar, hin und wieder gabs den vermeidbaren unfreiwilligen Messer-, Lastwagen- oder Peniskontakt durch… Mehr

Nibelung
3 Jahre her

Manche Blätter, die sich mit dem Spiegel als Ablichtung des Gegenübers gerne in Verbindung bringen, sehen darin natürlich nur ihre eigene Visage und Vorstellungen und der Spiegel kann ja nichts dafür, wer hineinsieht, er gibt nur die Wirklichkeit wieder, auch wenn diese noch so verlogen ist. So ein linkes Blatt hat die Demonstrationen der Impfgegner in verschiedenen Großstädten in altgewohnter Weise diffamiert, und der Gegenseite nicht einmal ein Quäntchen Raum gelassen um darüber nachzudenken, daß auch dort ein Stückchen Wahrheit vorhanden sein könnte. Dieser linke Allmachtsanspruch ist dermaßen widerlich, daß man fast ko…. könnte und wer seinen Mitbürgern grundsätzlich jedes… Mehr

Rosa Kafko
3 Jahre her

Sehen wir es Positiv. Nach 2015, Klimawahn und nun Coronawahn ist der „Qualitätsjournalismus“ als das entlarvt was er ist: Propaganda für linke Ideologien!

schwarzseher
3 Jahre her

Die Deutschen werden doch wohl nicht echte Revoluzzer werden?

Dr_Dolittle
3 Jahre her
Antworten an  schwarzseher

Sehen Sie ein Big Business für den Verkauf von Bahnsteigkarten?

taliscas
3 Jahre her

Herr Kurz ist ein souveräner Kommunikator und mit dieser Strohpuppe mit Artikulationsschwierigkeiten namens Merkel nicht zu vergleichen. Wenn die den Mund aufmacht, kommen ja nicht nur Lügen und Halbwahrheiten, sondern auch schlicht unerträgliches Gestammel und phrasenhaft-inhaltsleeres Gesabbel einer intellektuellen Nullnummer.
Je schneller Deutschland diese Kreatur los wird, umso eher wird es sich erholen

Rosa Kafko
3 Jahre her
Antworten an  taliscas

Kurz, der Neofeschist, spielt als „Kommunikator“ sehr gut mit den Ängsten der Menschen. Und er hat Rudolf Anschober, einen grünen Inkompetenzler an seiner Seite, den CNN (Sick man of Europe) für den „Ausbruch“ von Covid in Europa hauptverantwortlich macht.

Montesquieu
3 Jahre her

„dass bei einer Reproduktionszahl von 1,1 das Gesundheitssystem gegen Ende des Jahres an seine Grenzen stößt, dürfte sich nichts geändert haben.“ Mater dixit? Wie kommen Sie darauf? Die „Überlastungsszenarien“ stammen aus einer Zeit, in der man die durchschnittliche klinische Relevanz einer Infektion völlig falsch (hoch) eingeschätzt hatte, weil man sich hartnäckig weigerte, die Dunkelziffer von Infektionen zu eruieren. Im Übrigen war die Reproduktionszahl der mater prudens sowie ihrer RKI-Hohepriester vor kurzem noch als irrelevant bezeichnet worden. Merkel führte das epidemiologisch neue Prinzip der statistisch epidemiologischen Koeffiziententrias ein, aus der manfraues sich nach Bedarf dasgerade passende raussuchen und zurecht erklären könne.… Mehr

Alf
3 Jahre her

„Der 95-Prädiktionsintervall beträgt 0,9 bis 1,34 – das RKI schätzt also, dass die tatsächliche Reproduktionszahl mit 95% Wahrscheinlichkeit zwischen 0,9 und 1,34“ liege. Also demnach gibt es neben der geschätzten Reproduktionszahl eine „tatsächliche“ Reproduktionszahl? Dabei ist doch die Wahrscheinlichkeit immer zwischen 0 und 1 und das ganze multipliziert mit 0,95. Frage: Gibt es jemand unter den Lesern von TE, die glauben, daß die Erde viereckig ist? „Die CDU sonnt sich noch in Zustimmungswerten von bis zu 40 Prozent bei den üblichen Fragen, welche Partei man wählen würde, wenn am Sonntag der Gang zur Wahlurne wäre.“ Die CDU scheint wirklich zu… Mehr