Innovationen – Die USA erfinden, Deutschland bastelt, China verdient
Die neuesten China-Klone zeigen, wie man es besser macht und unfassbar viel damit verdient
Eines der grössten Vorurteile gegenüber China ist, dass das Land zwar Weltmeister im Kopieren ist, sich aber mit eigenen Innovationen doch eher schwer tut.
Nun ist ersteres natürlich richtig: wohl nirgendwo sonst auf der Welt, wird so viel, so gut, so schamlos kopiert. Der rundumkopierte Apple-Store in Kunming hat es ja sogar bis in die deutschen Medien geschafft, aber das ist eigentlich fast nichts im Vergleich zu anderen Fälschungen. Gerade vor ein paar Jahren erst hat man zum Beispiel eine Fälscherbande hochgehen lassen, die im grossen Stil Erbsen gefälscht hat. Erbsen. Kulturellen Hintergrund und Auswirkungen dieser Kopiersucht zu erläutern, würde hier den Rahmen sprengen – es ist aber richtig, dass China mehr als nur ein kleines Problem mit dem Schutz von Ideen hat.
Womit China aber ganz sicher gar kein Problem hat, sind Innovationen. Wenn auch in einem anderen Sinne, als wir im Westen ihn verstehen. China versteht Innovation nicht zwingend als neue Idee. Eine bessere Idee ist völlig ausreichend. Chinas Start-Ups erschaffen nicht, sie verbessern – und das mit unfassbarem Erfolg.
WeChat schlägt WhatsApp
Beispiel Whatsapp. Die im Westen fast ubiquitäre Kommunikationsplattform hat sich Facebook im letzten Jahr knappe 20 Millarden Dollar kosten lassen. Ohne dass der Laden je Gewinn gemacht hätte. Zwar bin ich mir sicher, dass Herr Zuckerberg deutlich mehr von Investitionen in Start-Ups versteht als ich, erstaunlich ist ein Blick nach China zum Vergleich aber dennoch.
Chinas Nummer Zwei im digitalen Markt, Tencent, bietet WeChat (auf chinesisch Wēixìn ‚kleine Nachricht‘) an und ist auf den ersten Blick erst mal ein ziemlich dreister, wenn auch hübscher Klon von Whatsapp. Der zweite Blick jedoch offenbart, warum China einen Schritt voraus ist. WeChat ist nicht nur besser, es ist VIEL besser.
Zum einen die reinen Funktionalitäten: WeChat besitzt einen Social Media Stream, der es automatisch zum besseren, weil mobileren, Facebook macht. WeChat ermöglicht Sprachtransfer und macht damit Skype Konkurrenz. WeChat hat eine “Nearby”-Funktion, die einem einen nach Geschlecht sortierten Einblick in die unmittelbare Umgebung verschafft und ist damit das bessere, weil weit gestreutere Tinder. Die Liste der verbesserten Funktionalitäten ist sehr, sehr lang.
Was Tencent aber scheinbar noch besser kann, ist die Monetarisierung dieses Dienstes: ob Mobile Gaming oder Werbeumsatz – WeChat soll nicht nur Nutzer locken, es soll Geld verdienen. Im letzten Jahr hat Tencent 12.5 Milliarden Dollar Umsatz gemacht und damit 3,7 Millarden verdient, zu einem grossen Teil durch WeChat. Seit kurzem bietet WeChat nun mobile payment an. Mit einer App, die auf mehr als einer halben Milliarde Smartphones installiert ist, kann man bald an jeder Ecke in China fast alles schnell, sicher und einfach bezahlen. Ich vermute mal stark, dass das den Unternehmenszahlen nicht schaden wird.
Was Chinas digitale Unternehmen anpacken, wird meistens zu Geld. Natürlich liegt das erst einmal auch an der schieren Grösse des Landes – selbst eine mittlere Idee erreicht hier eine sehr grosse Masse. Viel entscheidender für den Erfolg aber ist, und das ist meine persönliche Theorie, dass jede Innovation, jede App, jede Website relevant für unendlich viele, unendlich verschiedene Nutzer sein muss:
TaoBao ist überall
Das Leben in Shanghai hat sehr wenig mit dem Leben in Datong, einer nach chinesischen Massstäben eher winzigen Stadt im rauheren Norden Chinas zu tun. Während digitale Angebote in den Tier-1 Städten des Landes das Shoppen vereinfacht, sind sie in den Tier-4 Städten oftmals der einzige Weg um bestimmte Produkte überhaupt zu erwerben. E-commerce muss überall einfach funktionieren – ob auf einem vorsintflutlichen Gerät in der tiefsten Provinz oder bei Starbucks in einer der modernen Megacities. Taobao, das chinesische Äquivalent zu E-Bay, mag mit seiner für westliche Augen doch eher unübersichtlichen Oberfläche aussehen wie ein digitaler Basar – es funktioniert jedoch schnell, einfach und vor allem überall.
Viele Angebote der Start-Ups in China richten sich nicht an eine bestimmte Zielgruppe wie in Deutschland, sondern an eine breite Masse. Chinas digitale Unternehmen wollen nicht die Welt verändern wie Uber, AirBnB & Co. sondern sie einfacher machen für Menschen in ganz China, jeden Tag.
Innovation heisst Lösungen schnell, aber vor allem Nutzer- UND gewinnorientiert anzubieten. Wozu etwas neu erfinden, wenn man eine gute Idee noch besser machen kann?
Eigentlich genau das, was sich Rocket Internet auf die Fahnen geschrieben hat: ein funktionierendes Geschäftsmodell erfolgreich kopieren. Der grosse Unterschied: während Rocket Internet einen Haufen kleiner Start-Ups plus einem grossen, jedoch selbst mit Wohlwollen mässig erfolgreichen, sein eigen nennt und zwar viel Umsatz aber wenig Gewinn macht, verdient China jeden Tag. Und zwar massiv.
Die USA erfinden, Deutschland bastelt, China verdient.
Beispiel Alibaba. China’s digitaler Superstar, macht allein am Single’s Day, dem grossen Rabatt-Tag Chinas mehr als eine Milliarde US Dollar Umsatz auf seiner Plattform Taobao. An einem Tag. Im ersten Quartal diesen Jahres hat dabei der Gewinn der Meinung von Analysten nach ‘enttäuscht’. Durch verstärkte Investitionen verursacht, rutschte der Gewinn unter die Erwartungen des Marktes auf 964 Millionen Dollar. Wohlgemerkt – das sind immer noch satte 22 Prozent Marge. Im Vergleich dazu hat Deutschlands Zalando in diesem Jahr überhaupt erst mal Gewinn gemacht, das erste Quartal in dem die Firma profitabel war – mit einer Rendite von etwas mehr als 4%.
Man würde sich wünschen, Zalando würde mal den Markt so wie chinesische Start-Ups enttäuschen.
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