Wie der Tatort Hannover das Alte Land ganz schön alt aussehen lässt

Aus einem Krimi im Alten Land macht die ARD wieder ein schlichtes politisches Lehrstück. Bienen gut, Bauern böse, Kapital schuld. Öffentlich-rechtliche Moral-Erziehung im Abendprogramm.

screenshot/ ARD Tatort

In einer längst von einem progressiven Rennwagen abgehängten Filmwelt wäre das ein spannender Krimi vor malerischer Landschaft geworden. Aber die Konstellation Bäuerin liebt knackigen Knecht reicht halt nicht mehr…die ARD macht daraus wie gewohnt einen Kreuzzug gegen Chemie in der Landwirtschaft, Kapital, Grosshandel und eine angeblich rückständige Landbevölkerung, die „an der Scholle klebt wie Generationen vor ihr.“ (NDR)

Janna Halbroth nimmt die Linie der ARD bei T-online gerne auf: „…karge Felder, leere Gehöfte, weite Flächen, die mehr verbergen als offenbaren. Es ist kein überhöhtes Landidyll, das hier dargestellt wird, sondern Realität, ungeschönt…“
Die Seite weiter: „.. Lindholm in einem von Sturheit und Verschlossenheit geprägten Milieu der Höfe im Alten Land…“

Der NDR zu Lina Wendel, die die Altbäuerin und Umweltaktivistin Marlies spielt: „Es ist ein großes Thema, und sie haben große Bilder dafür gefunden. Wie wollen wir in Zukunft leben? Und wie gehen wir mit der Wahrheit um? Das sind die zentralen Fragen des Films.“

Kann das gut gehen: Dektivistin macht Kriminalfilm?

Johannes Naber über die Hauptdarstellerin, die ihn gebeten habe, die Regie zu übernehmen: „ sie verknüpfe ihre Popularität immer auch mit einem gesellschaftlichen Auftrag…für sie waren das Thema Biodiversität in der Landwirtschaft und die kritische Betrachtung von Pflanzenschutzmitteln zentral…“ Furtwängler dazu: „Ich meine, der „Tatort“ hat grundsätzlich die Chance, die Zuschauer für ein Thema zu sensibilisieren…aber ihre Beteuerung, dass „… es nicht dessen Aufgabe sei, von bösen Buben und guten Biobauern zu erzählen, sich auf eine Seite zu schlagen“, scheint die Hobby-Imkerin dann doch zu vergessen, wenn es um Insekten geht: „Die Bienen sind das Opfer von Landnahme und Profitgier. Sie sind ein Symbol für alles, was der Mensch den Insekten und der Natur insgesamt antut.“

Es beginnt mit dem Verlust einer Märchenhaften Fachkraft

Ein ungeklärter Todesfall führt Hauptkommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler), grade aus 4-jähriger Beamtenverbannung in Göttingen in ihr Kommissariat in Hannover zurückgekehrt, in die Provinz. In der Nähe von Stade ist auf dem Feldhusenschen Bio-Apfelhof der Hilfsbauer Victor Popescu (Greg Stosch) scheinbar bei der Reparatur einer Landmaschine geköpft worden. Allerdings fehlt das abgetrennte Körperteil. Victor war ein Energiemensch und hat den Hof nach der Krebs-Erkrankung von Bauer Pit (Josef Volmer) alleine geschmissen. Offenbar war er aber auch der Liebhaber der Altbäuerin Marlies Feldhusen.

Land unter im alten Land?

Wenn man sich die Szenerie bei der Ankunft der smarten Kommissarin aus Hannover so betrachtet, dann fällt auf, wie Recht doch Sven Feldhusen (Henning Flüsloh) mit seinem verzweifelten Hilfeschrei hatte: „Hier geht alles den Bach runter“.

Der Jungbauer ist ausgebrannt, depressiv und überfordert von der Pflege für den Krebskranken Vater, enttäuscht, keine grosse Karriere als Surfer gemacht zu haben, hat einen Selbstmordversuch hinter sich, muss Medikamente nehmen, ist schon seit seiner Kindheit auf dem Bauernhof (Muddern Marlies macht Glyphosat dafür verantwortlich) Zeugungsunfähig. Seine Frau Frauke (Ronja Herberich) leidet unter der Dreifachbelastung, sich gleichzeitig um Mann, Pit und die Landwirtschaft kümmern zu müssen. Sie träumt davon, ihre eigene Physiotherapiepraxis zu eröffnen, spekuliert deshalb auf den Verkauf des Hofs. Hier sieht es aus wie in den Fünfziger Jahren, grausige Tapeten, Verbrennerofen, Jagdtrophäen an der Wand, Steinhäger am Küchentisch, Schrott in der Scheune. Nebenbei lernt man viel über das Landleben, wo man einerseits zwar jede Menge moderne Videoüberwachung hat, aber immer noch mit dem Nadeldrucker arbeitet (Büro des Grosshändlers). Beim Dorffest wird hier kleinen Jungs das erste Bier gekauft und immer Donnerstags Doppelkopf gespielt.

Dorf-Gendarm mit leichten Fehlern

Dorfbulle Olaf Gerke (Ole Fischer) macht sich gleich bei Ankunft Lindholms zur Wurst, als er ihr weiss zu machen versucht, dass Reineke Fuchs sich das abgetrennte 7 Kilo-Haupt von Victor geschnappt hat. Er kuscht eher vor dem höheren Dienstrang der Kriminalerin, als vor ihrem überlegenen Intellekt. Löscht heimlich belastende Fotos auf dem Handy des Opfers, um seinen Kumpel vom Landhandel-Grossmarkt, Hajo Klinkicht (Tim Porath) zu schützen, der ihm beim Ausbau einer Touristenunterkunft (die lieben diese Apfelmonokulturen!) unter die Arme greift. Als Rechtfertigung stammelt er nur ein „man hilft sich hier eben!“ gefolgt von einem erläuternden „ich muss hier mit DENEN leben“. Beim Einladen der Zementsäcke bekleckert er dann symbolträchtig seine schnoddrig sitzende Uniform. Lichtblicke sind die eifrige Polizeianwärterin Swantje Vollmer (Denise Teise) und die Försterin Volkert (ohne Nennung der Darstellerin) die ihren Jagd – auch als Fährtenhund einzusetzen weiss.

„Der ist alles zu zutraun“

Muddern Feldhusen hat sich zur Umweltaktivistin und Imkerin entwickelt, kurvt mit ihrem alten VW Bulli vor den Grosshandel von Hajo Klinkicht und filmt ihn und seine Kunden beim Abfüllen diverser Spritz – und Düngemittel und schwärzt ihn als Umweltsau an, die illegale chemische Substanzen vertreibt. Klinkicht, dessen Name nicht von Ungefähr klanglich nah an „Hai“ und „Dickicht“ rangiert, hat sie deshalb wegen Verleumdung verklagt. Ausserdem steht er heimlich in Verhandlungen mit Frauke, um den Hof zu übernehmen. Offenbar zur Ermunterung zum baldigen Auszug brennen die Bienenstöcke von Marlies Feldenhusen ab, und jemand erstattet anonym Anzeige beim Bioverband gegen den Feldenhusener Biohof, weil angeblich ein verbotenes Gift gegen Schädlinge eingesetzt wurde. Frauke beteuert: Zwar habe man Brennesseljauche, Rapsöl, Kupfer und Schwefelzusatz verwendet, aber die Finger von synthetischen Stoffen gelassen. Es droht der Entzug des Bio-Siegels. In Gedanken hat sich zumindest Frauke aber schon weit vom Bio-Hof entfernt.

Anders der tote Victor, dem viel am Erbe der Vorväter und Ehrbegriffen lag (beschimpft Sven, als der ihm mitteilt, er wolle den Hof verkaufen). Er hatte Zukunftspläne mit der Altbäuerin, in denen gleichwohl seine Familie in Rumänien, der er regelmässig Geld überwies, keine grosse Rolle mehr gespielt hätte. Er ist topfit, trägt ständig eine Fitnessuhr und macht bis zu 36000 Schritte am Tag, flechtet selbst Bienenkörbe. Von Marlies losgeschickt brach er in das Büro von Grosshändler Klinkicht ein und fotografierte Listen, in denen festgehalten wurde, wer wie oft wo Gift auf seine Obstpflanzen verteilt. Aber es war Frauke, die ihn letztlich mit einem Fäustel niederstreckte, weil er ihre Pläne vom Verkauf der Immobilie behinderte, und Marlies, die ihn zur Vertuschung der Tat unter die Klinge des Heuballenschneiders legte und diese auslöste. Was sie nicht ahnte – Victor starb erst durch die Enthauptung, der Schlag hatte ihn nur betäubt.

Wer nach so viel verspritztem Gift noch Lust auf einen Apfel z.B. der Sorte „Gala“ hat, dem gilt wohl die Tatort-Information, dass die Billigeren aus Spanien auch gespritzt werden…….

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Kommentare ( 24 )

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Konservativer2
1 Monat her

Wie das ganze „Unterhaltungs“programm halt. Ich sehe mir schon lange kaum noch Serien, Krimis oder Fernsehspiele an. Bis auf wenige Ausnahmen mittlerweile nicht mal mehr subtile Indoktrination.

Last edited 1 Monat her by Konservativer2
Egozentrik
1 Monat her

Bitte vermeidet offensichtliche Rechtschreibfehler, vor allem in kritischen Berichten: „Dorfbulle Olaf Gerke (Ole Fischer) macht sich gleich bei Ankunft Lindholms zur Wurst, als er ihr weiss zu machen versucht, dass … Sogar das Rechtschreibüberprüfungsprogramm – aber ich natürlich auch – findet sofort den sinnentstellenden Fehler!

olive
1 Monat her

Danke für diese äusserst unterhaltsame Beschreibung eines politisch korrekten Tatorts, der mich darin bekräftigt, keinen mehr zu schauen. Ausser dem aus Münster.

humerd
1 Monat her

Tatorte mit Maria Furtwängler kann man sich sparen.
Danke für die Zusammenfassung

LiKoDe
1 Monat her

Die Sendungsbeschreibung liest sich vergnüglich. Das erspart, selbst die Sendung zu gucken. Danke.

Okko tom Brok
1 Monat her

Im Tatort Hannover kommt die Landbevölkerung gegenüber den Erleuchteten aus der Großstadt von jeher schlecht weg: düster, verschlagen, kriminell und politisch rückständig. Da hilft nur: abschalten.

Klaus Uhltzscht
1 Monat her

Mir fällt auf, daß ARD-Tatortkommissarinnen (es sind immer :innen, auf dem Land meist weiße) wie Verfassungsrichterinnen aussehen.

Nibelung
1 Monat her

Wer interessiert sich den noch für so einen produzierten Mist, der allenfalls in kranken Gehirnen entstehen kann und durch ebenso kranke Darsteller, mit dem Hang zur Selbstüberschätzung für teueres Geld produziert wird und man nur genügend Dumme benötigt, die dem Spektakel folgen, weil es die Seele kitzelt und der Mehrwert dabei gleich null ist, so wie das alte Colloseum, wo die Massen bedient wurden, bevor sie selbst aufeinander los gingen. Die heutigen Massenspektakel in den Arenen sind nur die Fortsetzung alter Rituale und der Unterhaltungsfilm ist ein Teilaspekt der trivialen Befriedigung, als könnte man sich nicht mit sinnvollerem beschäftigen und… Mehr

Micha.hoff
1 Monat her

Altes Land? Ganz Deutschland ist ein Tatort. Wird Zeit, dass eine Alternative das Kommissariat von Frau Furtwängler ablöst und schonungslos ermittelt.

Erfurter
1 Monat her

Ach, ich kann mir schon durchaus kriminelle Energie auf dem kargen Land vorstellen. Zum Beispiel wie man den Euroertrag/Hektar mit Propellern oder Fotovoltaik virtuos steigern tät.