Tichys Einblick
Kostenvorteile sinken, Nachteile bleiben

Strompreise killen den Boom der Elektro-Mobilität

Hohe Strompreise und sinkende Fördergelder werden den Boom von Elektroautos ausbremsen. Mit Sicherheit. Ohne staatlich finanzierte Kostenvorteile werden die Benutzernachteile bei Elektroautos unübersehbar.

Stromtankstelle in Düsseldorf

IMAGO / Michael Gstettenbauer

Natürlich ist die Interessenlage des Staates, der für das Gemeinwohl zu sorgen hat und dazu das Geld von den Bürgern nimmt und ausgibt, konträr zur Interessenlage seiner Bürger, die für ihr privates Wohl sorgen müssen und daher dem Staat möglichst wenig von ihrem sauer verdienten Geld zur Verfügung stellen wollen. Der Konflikt ist so alt, wie es Staaten gibt. Bei Elektroautos wird dieser Interessengegensatz 2022 sehr deutlich. 

Während der Staat zur Erreichung seiner Klimaziele der Klimaneutralität bis 2050 im Verkehr die Verbrennerflotte mit ihren fossilen CO2-Emissionen möglichst rasch von den Straßen verbannen und durch Elektroautos ersetzen will, schaut der Bürger als Autofahrer auf seinen Geldbeutel. Für ihn ist die Frage, welches Transportmittel klimafreundlicher ist, Verbrennerauto oder E-Auto, zweitrangig – für Unternehmen gilt das Gleiche. Erstrangig ist für ihn als Normalbürger und als Homo oeconomicus sein knappes Budget und wie er damit den meisten Nutzen erzielt für sich – auch wenn die Gutmenschen von der Umweltpolitik ihn am liebsten als „grünen“ Homo socialis einschätzten. Und sich dabei in der Regel verschätzten … Denn wie sagte Bert Brecht schon: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ (1928, Dreigroschenoper).

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Und in seiner Eigenschaft als Homo oeconomicus stellt sich der Normalbürger die Frage, mit welchem Auto er am kostengünstigsten sein Ziel erreichen kann: mit dem Verbrennerauto oder mit dem Elektroauto? Die sonst immer wieder kontrovers diskutierte Frage, ob Elektroautos in der Lebensbilanz tatsächlich klimafreundlicher sind als Verbrennerautos, soll an dieser Stelle, wo es um reale Kosten geht, ausgeklammert bleiben – andere Baustelle.

Unbestritten ist inzwischen, dass Voll-Elektroautos auf Batteriebasis (BEV) gegenüber Verbrennern große strukturelle Kauf-Nachteile aufweisen. Als da sind:  

  • hohe Anschaffungskosten wegen der teuren Batteriesätze, die im Durchschnitt immer noch mit etwa 10.000 Euro am Fahrzeugendpreis zu Buche schlagen und mit der Fahrzeuggröße weiter ansteigen. Faustregel ist, dass Elektroautos ab Hersteller etwa ein Drittel mehr kosten als Verbrennerautos;
  • lange Ladezeiten, die selbst an Schnellladestationen immer wieder zu längeren Zwangspausen führen und Terminvereinbarungen unsicher werden lassen;
  • Reichweitenangst der Fahrer wegen des nach wie vor dünnen Netzes an E-Tankstellen. Der Ausbau kommt trotz Tendenz zur Besserung mit der wachsenden Zahl von E-Autos abseits der Fernstraßen nicht mit.

Das sind starke Kaufhemmschwellen für E-Autos bei privaten Käufern. Dem standen als starke Kaufanreize bisher die hohen staatlichen Kaufprämien von bis zu 9.000 Euro und mehr, vor allem aber Tankkosten-Vorteile wegen niedrigerer Strompreise und geringe Wartungs- und Inspektionskosten als Kaufanreize gegenüber.

Wegen der hohen Belastung der Staatskassen werden die staatlichen Kaufsubventionen ab 2023 gekürzt und sollen ab Ende 2024 völlig entfallen. Verblieb bis Jahresanfang 2022 der Kostenvorteil niedriger Tankkosten mit günstigem Strompreis an der heimischen Wallbox oder an den öffentlichen Ladestellen gegenüber den höheren und weiter steigenden Preisen für Benzin und Diesel. 

"Coole Socke"
VW-Vorstandschef und Baustellenleiter Oliver Blume – Ein Porträt
Die Rahmenbedingungen für die Energiewende in Deutschland haben sich durch den russischen Angriff auf die Ukraine dramatisch verändert. Alle Energiepreise sind drastisch gestiegen, insbesondere auch für Strom. Die neuen geopolitischen Realitäten und die EU-Entscheidung, zukünftig auf russisches Gas zu verzichten, treffen auch den Stromsektor – denn flexible Gaskraftwerke müssen helfen, die Volatilität erneuerbarer Energien auszugleichen. 

In Deutschland wurden 2021 zur Stromerzeugung immerhin noch 12,6 Prozent Erdgas eingesetzt. Vom massiven Ausbau der Erneuerbaren, über eine stärkere Nutzung des Stroms aus Europa bis hin zu weitgehender Selbstversorgung auf Basis von Kohle und Kernkraft -– eine Analyse dreier Szenarien für den Strommix im Jahr 2030 zeigt: Deutschland bleibt weiterhin auf Erdgas angewiesen. Diese Zahlen liefert der aktuelle Energiewende-Index (EWI) von McKinsey.

Aktuelles Fazit (und eine Verbesserung im Vergleich zum vorherigen EWI aus dem März 2022): Sechs der 15 untersuchten Indikatoren zum Status der Energiewende in Deutschland sind in ihrer Zielerreichung stabil realistisch, sechs stehen auf der Kippe, drei sind unrealistisch. Positiv entwickelte sich vor allem der Indikator Anteil Erneuerbarer am Bruttostromverbrauch, der wegen des guten Wetters im ersten Halbjahr von 41 auf fast 49 Prozent zulegte. 

Wachstums-Zenit überschritten
Der deutsche Automarkt wird dauerhaft schrumpfen
All das reicht aber nicht, um die Klimaziele zu erreichen. In Deutschland waren Mitte 2022 rund 1,2 Millionen Elektroautos registriert, den Klimazielen zufolge müssten es 2,8 Millionen sein. Dazu wird es auch in Zukunft so schnell nicht kommen. Denn die Strompreise sind in ungeahnte Höhen geschnellt, auch der Gaspreise wegen, da auch bis 2030 Erdgas zu Stromproduktion unverzichtbar ist. Trotz Senkung der EEG-Umlage ist Strom in Deutschland mit 16 Prozent immer noch am teuersten unter den großen Industrieländern, zuvor waren es über 30 Prozent. Dazu folgende Fakten:
  • Der durchschnittliche Strompreis für Privathaushalte in Deutschland ist seit dem Jahr 2000 von 13,94 auf 34,64 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) in 2022 gestiegen. Dies entspricht einer Steigerung von 148 Prozent beziehungsweise 6,4 Prozent pro Jahr. In diesen 34,64 Cent sind die Kosten für Stromerzeugung, Energietransport und alle Steuern und Abgaben enthalten.
  • Auch wenn Steuern, Abgaben und Umlagen dank der gesunkenen EEG-Umlage um 1,83 ct/kWh gesunken sind, betragen sie immer noch 14,60 ct/kWh. 
  • Inzwischen ist der Haushaltsstrom weiter im Preis auf 37,30ct/kWh gestiegen – ein Ende ist nicht abzusehen.
  • An den Elektro-Schnellladesäulen an den Fernstraßen sind die 70 ct/kWh längst erreicht oder sogar überschritten.

Mit dieser Entwicklung ist Kostenäquivalenz zu Verbrennerautos fast erreicht, lediglich bei der heimischen Wallbox-Tanke ergeben sich kleine Vorteile für das Elektroauto.

Individuelle Mobilität und Klimaschutz
E-Fuels oder Elektroautos? – Warum man beide braucht
Aber auch diese schwinden 2023 zur Gänze, wenn die staatlichen Kaufprämien drastisch auf 3000 bis 4500 Euro abgesenkt werden, beziehungsweise ganz auslaufen. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer und das CAR Institut reihen sich nahtlos in den Gesang ein, den die Spatzen vom Dach schon seit langem prognostiziert haben: Elektroautos drohen ab 2023 „deutliche Kostennachteile“. „Ab 2023 laufen Elektroautos in deutliche Kostennachteile für die Verbraucher in Deutschland“, konstatiert CAR-Direktor Ferdinand Dudenhöffer. Denn „bei nüchterner Berechnung“ (?) würden sich batterie-elektrische Modelle aufgrund wegfallender Fördergelder und der rasant gestiegenen Strompreise kaum noch rentieren. „Das schmälere die Attraktivität von Elektroautos und wird eine „deutliche Kaufblockade nach sich ziehen“, resümiert Dudenhöffer (Handelsblatt vom 18. September 2022).

Die Wahrheit ist: Hohe Strompreise und sinkende Fördergelder werden den Boom der Elektroautos ausbremsen! Mit Sicherheit. Denn ohne staatliche monetäre Kostenvorteile werden die Benutzernachteile bei Elektroautos den Absatz zusammenschrumpfen lassen. Zumal dann, wenn am Horizont die Vision von Klima-Sprit (E-Fuels) auf Basis von Wasserstoff aufsteigt – Wasserstoff, der ohnehin zum Ersatz von fossilen Brennstoffen unumgänglich ist.

Anzeige