Sparen statt Schienen: Aus der Traum von der Verkehrswende

Das 49-Euro-Ticket sei die Motivation, auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen, hieß es noch vor zwei Monaten. Doch mit Christian Lindners (FDP) Haushalt ist die Euphorie vorbei. Der Ausbau der Bahn wird deutlich langsamer vorankommen.

IMAGO / Gottfried Czepluch
Gleisbauarbeiter am Essener Westbahnhof

Der VDV ist der Branchenverband des Verkehrswesens. Da die einzelnen Betriebe eng mit der Politik verwoben sind, neigt der VDV in seiner Kritik zur Zurückhaltung. Doch seine Zahlen zum Haushalt sind vernichtend: 45 Milliarden Euro sollte der Bund in den nächsten vier Jahren zusätzlich für Schienen ausgeben. Das hatte der Koalitionsausschuss im März beschlossen. Tusch. Schlagzeile. Das werde den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel massiv befördern. Wohlwollender Kommentar. Die Verkehrswende schien bereits geglückt zu sein. Utopie.

Doch davon ist nicht viel übriggeblieben, wie der VDV feststellt. Von den versprochenen 45 Milliarden Euro bleiben nicht einmal 12 Milliarden Euro übrig. Nur etwas mehr als ein Viertel von dem, für das sich die Ampel im März als Verkehrswende-Helden hat feiern lassen. „Das ist nicht zielführend für die bis 2030 angestrebten und im Koalitionsvertrag festgelegten Wachstumsziele der Branche“, konstatiert der VDV.

Was bedeutet das für den Ausbau der Schiene? Was für den Deutschlandtakt? Zur Erinnerung: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte den „Deutschland-Takt“ versprochen. Mit einem ähnlichen Angebot hat in Wissings Heimatland Rheinland-Pfalz einst der junge Rainer Brüderle (FDP) Punkte gesammelt: Die Züge verkehren zwischen den großen Städten in einem kurzen Takt, der den Fahrgästen ein Umsteigen mit kurzen Wartezeiten ermöglicht. Doch die erste Ernüchterung hat Wissing schon hinter sich. Bis die Züge im Deutschland-Takt fahren, wird es noch fast 50 Jahre dauern.

Das musste Wissing schon eingestehen, bevor Finanzminister Christian Lindner (FDP) den Etat seines Parteifreundes zusammengestrichen hat. Lässt sich der Deutschlandtakt nun überhaupt noch halten, wollte TE vom Ministerium wissen? Das antwortete zuerst gar nicht. Als wir nachhakten, vertröstete uns die Pressestelle mit einer Pressemitteilung. Weder auf die Frage nach dem Deutschlandtakt noch auf die nach dem Schienenausbau ging das Ministerium ein.

Stattdessen die übliche Erfolgspoesie: „Wir investieren mehr als je zuvor in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.“ Danke. Applaus. Aber was heißt denn das? Reicht das Geld für den Ausbau des maroden Netzes oder nur für seine Sanierung? „Wir wirtschaften solide und legen einen klaren Schwerpunkt auf Investitionen.“ Danke. Ist gut. Von der Seite sind keine Antworten zu erwarten. Wenn das Verkehrsministerium schon keine Streckeneröffnungen feiern kann, soll es sich wenigstens selbst feiern.

Damit das Verkehrsministerium mehr Geld für die Bahn bekommt, hat die Regierung Scholz (SPD) die LKW-Maut erhöht – mit allen zu erwarteten Folgen für die ohnehin im zweistelligen Bereich steigenden Lebensmittelpreise. Doch wie der VDV nun vorrechnet, kommt nur knapp die Hälfte dieses Geldes an: 5,4 Milliarden Euro Mehreinnahmen aus der LKW-Maut sind zu erwarten, weniger als 3 Milliarden Euro gehen davon jährlich ans Schienennetz. Der Rest versickert zwischen Wumms und Doppelwumms im Haushalt, sodass sich nicht nur der VDV fragt: „Wo sind dann die restlichen Mittel aus der LKW-Maut?“.

So ein bisschen räumt Wissing ein, dass Lindner ihn über den Tisch gezogen hat. Zwischen den Zeilen. Man muss genau hinschauen: „Wir bekräftigen auch den Beschluss des Koalitionsausschusses vom 28. März 2023, bis zu 45 Milliarden Euro des Investitionsbedarfs der Deutschen Bahn unter anderem aus dem CO2-Zuschlag der LKW-Maut zu decken.“

Aha. „Wir bekräftigen.“ Was heißt denn das? Bekommt Wissing das Geld? Fordert er es nur? Stellt der Minister sich mit einer Kerze in der Hand in die Berliner Wilhelmstraße, um an das gebrochene Versprechen zu erinnern? Oder klebt er sich sogar vor dem Finanzministerium fest? Wissings Haus informiert gezielt am Thema vorbei. Dafür ist es in Sachen Poesie unschlagbar. Stilrichtung rot-grüner Irrealismus: „Im Verkehrsbereich ist der Haushalt vor allem ein klares Bekenntnis zur klimafreundlichen Schiene.“

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Kommentare ( 43 )

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Dieter Rose
1 Jahr her

Wie wäre es für 10 Jahre die Schieneninfrastruktur von Chinesen erbauen lassen?
Amerika und Schweiz ( da waren es Italiener und Deutsche) haben es vorgemacht!

bkkopp
1 Jahr her

Die Schweizerische Bundesbahn ist nicht nur seit Jahrzehnten besser weil dort über ebenso lange Zeit proportional viel mehr investiert wurde und wird. Es muß eine andere Management-Philosophie geben, es muß andere Strukturen von Kontrolle und Verantwortung geben. Nur deshalb hat der schweizerische Staat die Möglichkeit, und haben die Bürger die Bereitschaft, regelmäßig mehr zu bezahlen. Es scheint ein Grundvertrauen zu geben, dass auch mit unvermeidlicher Bürokratie und Fehlern am Ende doch ausreichend effektiv und effizient gearbeitet wird. Dieses Vertrauen fehlt bei uns, weil zuviele “ Nieten in Nadelstreifen “ die Managementstrukturen unter massivem politischen Einfluß gründlich verbockt haben.

Andy Malinski
1 Monat her
Antworten an  bkkopp

Politiker und Juristen, manchmal sogar in Personalunion, haben die Fäden in der Hand. Da sieht es mit der dringend nötigen Fachkompetenz eher mau aus. Aber jene wird dann eben durch Beratungsallergie und Haltung kompensiert …

Phil
1 Jahr her

Ob und wie in diesem Land die öffentliche Hand Infrastrukturprojekte realisiert, hat man am Bau des Berliner Flughafens gesehen. Ob das Geld für den Neubau von Infrastruktur noch vorhanden ist, wage ich zu bezweifeln, da die Zinsen für die über 2.54 Billiarden Euro Schulden seit 2022 stark ansteigen, mittlerweile liegen sie auf 4%, gestartet sind sie bei 0%, daraus resultiert eine Zinslast von ca. 102 Milliarden im Jahr und dies ohne Schuldtilgung. Hätte der Staat keine Schulden aufgenommen, so würden ihm für Infrastrukturprojekte, innerhalb eines Jahres, 102 Milliarden zur Verfügung stehen. Benötigen würde er 45 Milliarden in den nächsten 4… Mehr

fatherted
1 Jahr her

Statt den Individual-Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bekommen, sollte man lieber versuchen den Fernlastverkehr auf die Schiene zu kriegen….nur der Güterverkehr steht ganz hinten bei der Bahn….und das will was heißen bei dem „verlässlichen“ Personen-Transport. Ich bin immer wieder fasziniert wenn in Calais die LKW einfach mal eben in den Zug der durch den Tunnel nach Dover geht, einfahren…..nach 15 Minuten mit allen PKW und LKW abfahrbereit. Warum so ein Konzept nicht im Deutschen Fernverkehr zu günstigen Preisen eingeführt wird? Man will es nicht….wahrscheinlich viel zu einfach.

ilmstromer
1 Jahr her

Wir sind nicht im dünn besiedelten Schweden und nicht in der kleinen Schweiz, die sich den Transit weitgehend vom Hals hält. Die deutschen Stammstrecken sind hoffnungslos überlastet, da helfen auch Milliarden für die Sanierung nicht.Ich war als Jugendlicher bei der Deutschen Reichsbahn tätig. Wer mehr Verkehr auf der Schiene will, hat nachmittags, wenn sich die Ursachen gegenseitig aufgeschaukelt haben, durchschnittlich vier Stunden Verspätung im Personenverkehr. So war das und so wird es wieder sein.

StefanH
1 Jahr her
Antworten an  ilmstromer

Ach. Und wie schaffen das dann die Japaner? Shinjuku (Tokyo, 3,5 Millionen Passagiere täglich), Ikebukuro (Tokyo, 2 Millionen Passagiere täglich), Shibuya (Tokyo, 1,9 Millionen Passagiere täglich), Yokohama (Yokohama, 1,6 Millionen Passagiere täglich). Das sind nur ein paar Bahnhöfe im Großraum Tokyo (allein die U-Bahn hat da 290) und die Züge sind normalerweise absolut pünktlich. Die DB hat im Vergleich allein zu den 4 genannten schon weniger, nämlich läppische 7,5 Millionen auf dem gesamten Streckennetz. Es liegt schlicht und einfach an der völligen Unfähigkeit der Deutschen Bahn.

Andy Malinski
1 Monat her
Antworten an  ilmstromer

Die Schweiz hält sich den Transit vom Hals? Dann wird wohl die zweite Gotthardröhre für die vor Ort wohnenden Radfahrer gebaut?

Dr.KoVo
1 Jahr her

Muss ich unter „Deutschlandtakt“ einen Zug pro Tag, oder einen Zug aller zwei Tage, oder Schienenesatzverkehr wöchentlich verstehen?

Judith Panther
1 Jahr her

„Die einzige „Wende“, die auch dem Bürger real genutzt hätte ist also nicht finanzierbar“
Das haben Größenwahnvorstellungen so an sich, daß sie nicht finanzierbar sind. Dafür braucht man in ihren Luftschlössern allerdings auch keine Miete zu zahlen und heizen muß man dort auch nicht.
Allerdings spuken mir dort zu viele unheilbar Grüne herum, Flüchtlinge aus Wolkenkuckucksheim mit Realitätsmigrationshintergrund.

Last edited 1 Jahr her by Judith Panther
Judith Panther
1 Jahr her

Gestern auf https://www.achgut.com/artikel/corona_ticker_wie_das_narrativ_zerfaellt_9: „… Pfizer, Biontech, Moderna, Johnson & Johnson und AstraZeneca erzielten damit im vergangenen Jahr einen Umsatz von 71 Milliarden Euro …“ Von den Maskendeal-Milliarden ganz zu schweigen. Mit der Kohle hätte man sämtliche Waggons mit Blattgold überziehen können! Da nachweislich Betrug seitens der Pharmafia im Spiel war sind die Verträge allerdings sowieso null und nichtig. Natürlich wissen das die Hochverräter an der Regierung auch, aber das gehört ja schließlich zum Deal. Aber wenn die AfD demnächst an die Macht kommt, vielleicht sogar mit einer Koalition im Bund mit den Wutbürgern zusammen den Augiasstall ausmistet werden sie dafür… Mehr

Andy Malinski
1 Monat her
Antworten an  Judith Panther

Die rotgrüne Mafia hatte Zeit genug, ihre Gesinnungsgenossen überall in den mittleren Leitungsfunktionen zu installieren. Ein Berliner Grünling hat das doch neulich in erschreckender Deutlichkeit öffentlich gemacht. Die wird versuchen, schaufelweise Sand in’s Getriebe zu werfen, sobald es daran geht, dem gesunder Menschenverstand wieder Vorrang zu geben… schließlich muss bewiesen werden, dass nur das Woki-Tukaland-Prinzip funktionieren kann.

Michael Palusch
1 Jahr her

Tja, man muss sich eben entscheiden! Entweder eine gute Verkehrsinfrastruktur und eine sichere Energieversorgung oder einen Doppelwumms für die BW, ergo für die Ukraine, und der Vollversorgung für schutzsuchende Nicht-AfD-Wähler.

Juergen P. Schneider
1 Jahr her

Mit der Verkehrswende ist es wie mit allen anderen Politikbereichen in unserem Land, wenn man das Politgeschwafel an der Realität misst, ergibt sich eine gewisse Lücke, um es einmal diplomatisch auszudrücken. Die Absurditäten die dem denkfaulen Untertanen jeden Tag zugemutet werden, haben schon lange zu einer Art geistig-seelischer Erschöpfung bei unseren Landsleuten geführt. Unsere mehrheitlich naiven und denkfaulen Mitbürger bekunden zwar bei Meinungsumfragen, dass sie die Schnauze gestrichen voll haben von den Zumutungen einer übergeschnappten Weltrettungspolitik, ob dies aber zu einem geänderten Wahlverhalten führt, glaube ich erst, wenn sich dies bei Landtags- oder Bundestagswahlen auch tatsächlich zeigt.