IG Metall setzt auf Subventionen, EU erhöht Zollmauer

Anstatt an tragfähigen Lösungen und der Wiederherstellung von Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit zu arbeiten, setzen Gewerkschaften und nationale wie EU-Politik auf mehr von dem, was die europäische Wirtschaft in den Abgrund reißt: schuldenfinanzierte Subventionen und Zölle.

picture alliance / Rupert Oberhäuser | Rupert Oberhäuser

Wir erleben dramatische Wochen in der deutschen Industrie. Vor dem anstehenden Stahlgipfel fordert nun die IG Metall einen geförderten Industriestrompreis zur Stabilisierung der Stahlproduktion und Subventionen für grünen Stahl. Das goldene Kalb der grünen Transformation soll nicht geschlachtet werden – es wird gemästet. Die EU beantwortet die Krise derweil mit Protektionismus.

Die Lage der deutschen Industrie hat erschreckende Züge angenommen. Produktionszahlen fallen quer durch sämtliche Bereiche und Sektoren ins Bodenlose. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen bewegt sich auf Rekordstand, zudem erhöht nun eine unübersehbare Entlassungswelle den Handlungsdruck auf die Politik.

Keine Wende in Sicht

Wer nun allerdings mit einer ideologiepolitischen Wende gerechnet hat, weg von teuren grünen Projekten, zurück zur marktwirtschaftlichen Steuerung bei gleichzeitigem Rückzug des Staats aus der Wirtschaft, der muss sich eines Besseren belehren lassen: Berlin hat die Subventions-Bazooka in Stellung gebracht.

Kollaps der Automobilwirtschaft
Gewerkschaften wollen den Status quo einfrieren
Zusätzliche Schulden in Höhe von 500 Milliarden Euro plant die Bundesregierung in den kommenden zehn Jahren ein, da eine Nettoneuverschuldung von 3,3 Prozent im Jahr nicht genügt, um die aus Sicht der Politik unverzichtbaren staatlichen Aktivitäten zu finanzieren.

Ein Teil dieses neuen Kredits, der nicht zur Schließung der Defizite des deutschen Sozialwesens verwendet wird, soll partiell auch der deutschen Industrie zugute kommen. Diskutiert wird unter anderem die Subventionierung des Industriestrompreises auf fünf Cent pro Kilowattstunde. Energieintensive Unternehmen wären dann wieder in der Lage, wenigstens im Bereich des Strompreises auf dem Weltmarkt zu konkurrieren – dass der Strom in der Zukunft dann aber auch zuverlässig fließt, ist eher unwahrscheinlich.

Die Energiepolitik hat mit dem Ausstieg aus der Atomkraft und dem Aus des günstigen russischen Gases einen Zustand genereller Instabilität der Netze heraufbeschworen und treibt damit energieintensive Produktion aus dem Land.

Auch die IG Metall ist an Bord

Dennoch: Eine weitere Subvention soll es also richten. Auch die IG Metall ist direkt auf den Zug aufgesprungen und fordert für die Betriebe der Stahlbranche und weitere energieintensive Bereich diese industriepolitische Maßnahme. Etwa 2.000 energieintensive Unternehmen würden von einem solchen Subventionspreis profitieren, sollte die EU-Kommission der Beihilfe zustimmen, was als wahrscheinlich gilt. Etwa 11 Milliarden Euro müssten aufgebracht werden, rechnet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer Modellanalyse vor.

Steigen die Energiepreise am Standort weiter, kann es teuer werden. Den Öl- und Gasmärkten steht die Preisfindung noch bevor. Niemand sollte davon ausgehen, dass sich die Energieabhängigkeit Deutschlands und Europas nicht mittelfristig in deutlich steigende Importpreise für Energie übersetzt.

Beschimpfungen und Gefälligkeitsgutachten
Realitätsverweigerung auf höchster Ebene
Hinzu kommt der in Nordrhein-Westfalen ab 2030 geplante Ausstieg aus der Kohleverstromung, der mit der Abschaltung der Kohlekraftwerke in der Lausitz 2038 abgeschlossen werden soll. Kein Wort der IG Metall davon, diesen nächsten existenziellen Schlag gegen den Energiestandort Deutschland zu verhindern und Druck von den Energiepreisen zu nehmen.

Stattdessen klagt die Gewerkschaft über Billigkonkurrenz aus China, die Krise in den Kernsektoren der deutschen Industrie und eben über die hohen Energiepreise. Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall forderte am Mittwoch im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur schnelle politische Lösungen angesichts der „riesengroßen Verunsicherung unter den Beschäftigten der Stahlbranche“. Kerner wird die Probleme der Stahlbranche in einer vorbereitenden Gesprächsrunde zum bevorstehenden Stahlgipfel unter anderem mit Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) vortragen.

Eine erste schnelle „Lösung“ lieferte am Mittwoch die EU-Kommission. Sie kündigte an, Stahlimporte strenger zu regulieren, um die europäische Stahlbranche vor Billigkonkurrenz, insbesondere aus China, zu schützen. Die zollfreie Einfuhrmenge wird künftig halbiert, der Zollsatz oberhalb des Kontingents wird von 25 auf 50 Prozent angehoben. Industriekommissar Stéphane Séjourné kündigte an, diese Maßnahmen seien dauerhaft und notwendig, um Dumpingpreise, die durch staatliche Subventionen (insbesondere chinesische) am Markt etabliert werden, zu verhindern.

Wie die USA nach dem vor wenigen Wochen vereinbarten Handelsdeal auf diese Verschärfung reagieren werden, bleibt abzuwarten.

Weiter mit grünem Stahl

Medial rudimentär beleuchtet, vollzieht sich der Niedergang eines politischen Prestigeprojekts – dem des grünen Stahls. Bei grünem Stahl handelt es sich um eine neue Form der Stahlerzeugung, bei der Eisenerz nicht mehr mit Koks im Hochofen, sondern mithilfe von Wasserstoff und erneuerbarem Strom reduziert wird. Ziel ist eine CO₂-freie Produktion – doch die hohen Kosten und Energiepreise werfen massive Zweifel an der Wettbewerbsfähigkeit auf.

Luftnummer Wasserstoff
RWE steigt aus Wasserstoffprojekt aus
Ganz der grünen Agenda verschrieben, fordert die IG Metall auch für dieses vielfach gescheiterte Marktsegment staatliche Beihilfen. Die Pleiteprojekte von ArcelorMittal in Bremen oder die Aussetzung der Investitionen bei ThyssenKrupp in Duisburg sollten eigentlich eine Lehre gewesen sein und auch den Gewerkschaften einen Hinweis geben, dass man sich hier auf dem Holzpfad befindet.

Firmen streichen ihre grünen Projekte trotz zugesagter Subventionen – das ist die Höchststrafe für jeden überzeugten Planwirtschaftler. Doch offenkundig ist man in Gewerkschaftskreisen, in Brüssel und auch in Berlin der Ansicht, lediglich die Beihilfen nachsteuern zu müssen, um dieses Kapitalgrab in eine blühende Industrielandschaft zu verwandeln.

Von einer Kurskorrektur oder gar dem Ende der grünen Transformationsagenda ist nicht die Rede. Auch die IG Metall weigert sich mit Händen und Füßen, das Scheitern der Klimapolitik anzuerkennen, nachdem man über Jahre hinweg die moralisch aufgeladene und realitätsferne Agenda unterstützt hat. Das hat alles nichts mehr mit Arbeitnehmervertretung zu tun – die IG Metall versucht in der Politik mitzumischen, in maximaler Distanz zu den Interessen der Belegschaften und Betriebe der Industrie.

Erschreckende Zwischenbilanz

Dabei ist der reflexhafte Ruf nach Subventionen angesichts der Schwere der Krise beinahe verständlich. Allein im ersten Halbjahr des laufenden Jahres brach die Stahlproduktion in Deutschland um 12 Prozent ein.

Weitere Krisensymptome
Öffentliches Finanzvermögen schrumpft weiter
Damit sinkt der deutsche Anteil an der weltweiten Stahlerzeugung bei einer voraussichtlichen Produktion von 33 bis 34 Millionen Tonnen erstmals unter zwei Prozent. 2017, im besten Jahr der Branche, lag der Anteil noch bei 3,4 Prozent. 43 Millionen Tonnen Stahl wurden seinerzeit produziert – die Stahlbranche hat seitdem etwa ein Viertel ihres Produktionsvolumens eingebüßt und bewegt sich damit im Mittelfeld anderer Krisenherde wie dem Maschinenbau oder der Automobilindustrie. China konnte in dieser Zeit seinen Marktanteil auf etwa 53 Prozent ausbauen.

In Deutschland dreht sich derweil die Insolvenzspirale: Unternehmenspleiten wie die von Sande Stahlguss (2025, 200 Entlassungen), Stahlwerk Bösdorf/Leipzig (2025, 250 Jobs weg) oder der Verkauf von Buderus Edelstahl durch Voestalpine (2024, 1.250 Stellen betroffen) belegen die beschleunigte Deindustrialisierung eines Landes, dessen politische Führung, zu der gerade auch die Unionsparteien zählen, der Ansicht ist, Wirtschaft ließe sich am grünen Tisch zentral planen und steuern.

Auch ehemalige Flaggschiffe der deutschen Industrie wie ThyssenKrupp ziehen sich zurück. Das Unternehmen zerlegte sein Stahlgeschäft und stieß es häppchenweise ab – etwa an die britische Liberty Steel oder die tschechische Moravia Steel.

Systemischer Kollaps

Wir erleben einen systemischen Kollaps des industriellen Kerns der deutschen Wirtschaft. Die Antwort von Politik, Konzernwirtschaft und Gewerkschaften auf die Krise ist simpel: weitere Subventionen. Während die IG Metall öffentlich kaum darüber spricht, fließen die Gelder auch in den Ausbau des Militärsektors. Allein in diesem Jahr steigt das Budget für die Kriegswirtschaft von zehn auf 86 Milliarden Euro – möglich gemacht durch das neue Sondervermögen.

Die Pleitefabrik
Kriegswirtschaft soll Lücke schließen
Die Botschaft ist klar: Der Staat greift dem Bürger immer tiefer in die Tasche, während die eigentlichen Probleme der Industrie weiter ungelöst bleiben. Und auch die mit Dauersubventionen künstlich beatmete Klimaindustrie soll vom neuen Schuldenprogramm massiv profitieren. Etwa 10 Milliarden Euro könnten hier jedes Jahr zusätzlich in politisch gesteuerte Kanäle fließen und längst gescheiterte Projekte wie den grünen Stahl wiederbeleben.

Was man weder in Berlin noch in den Chefetagen der Gewerkschaften wahrhaben will, ist die Tatsache, dass jedes subventionierte Projekt, jeder Euro, der dem freien Kapitalmarkt entzogen wird, Deutschland ein Stück weit ärmer macht, da mit diesem Kredit der tatsächliche Bedarf der Konsumenten konsequent ignoriert wird. Die Zeche der Schuldenorgie und der eingebuchten Insolvenzen zahlen die Beschäftigten und Steuerzahler über höhere Abgaben und die wieder anziehende Inflation. Die Günstlinge der Kunstökonomie werden das Spielfeld derweil mit gefüllten Taschen verlassen. So stellt sich Gewerkschaftsarbeit im Zeitalter der grünen und militärischen Transformation dar.

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Kommentare ( 14 )

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H. Hoffmeister
2 Monate her

„Die Günstlinge der Kunstökonomie“ sind inzwischen zur Mehrheit im Land herangewachsen. Neben den „Klimaschützern“, den „Erneuerbarenden“ und den sich im Weltsozialamt-Wohlfühlenden, hat das versprengte Häuflein verbliebener Nettowertschöpfer noch das Millionenheer öffentlich Bediensteter und die gesamte „Sozialindustrie“ zu schultern. So eine Situation nennt sich Sozialismus und scheitert immer.

Chrisamar
2 Monate her

„Der Staat greift dem Bürger immer tiefer in die Tasche, während die eigentlichen Probleme der Industrie weiter ungelöst bleiben.“ Und jetzt ein Blick auf Friedrich Merz: 03.09.2025 „Wir leben über unsere Verhältnisse!“ 04.10.2025 „Berlin – Bundespräsident, Kanzler und Minister dürfen sich auf satte Gehaltserhöhungen einstellen. Ihre Bezüge sollen um 5,8 Prozent steigen! Gehaltsplus für die Staatsspitzen – so viel gibt es mehr: Rückwirkend ab April sollen die Bezüge – wie bei den Bundesbeamten – um drei Prozent erhöht werden und ab Mai 2026 um weitere 2,8 Prozent… …Das Amtsgehalt von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (69) steigt entsprechend zunächst um knapp 700… Mehr

abel
2 Monate her

Das Problem der Gewerkschaften: Sie sind alle SPD_LINKS verseucht mit einem grünen Anstrich. Der grüne Anstrich bröckelt zwar derzeit aber die sozialistischen Ansichten (Wohlstand ohne eigene Leistung) sind nach wie vor fest verankert.

Paul Brusselmans
2 Monate her

„Hinzu kommt der in Nordrhein-Westfalen ab 2030 geplante Ausstieg aus der Kohleverstromung“
Ja und? Dafür bekommen wir laut der Neubauers Kabinettchef Wüst Rechenzentren!
Mit Atomstrom aus Frankreich….

Gernoht
2 Monate her

Ist der „grüne Stahl“ der, aus dem Panzer gemacht werden? Sehen sie doch so aus.

Willi4
2 Monate her
Antworten an  Gernoht

Der war gut!

GefanzerterAloholiker
2 Monate her

Billigkonkurrenz aus China?
China hat die besten STEM Universitäten aufgebaut. Sie produzieren hundertausende fähiger STEM Absolventen jährlich.

Und das ist billig?

Für jeden Absolventen kann man 23 Jahre Zeit veranschlagen.

Wer solche Sprüch reißt, der leiht sie sich aus dem Buch über Billige Sprüche aus dem Sesselpfurzerland .

Last edited 2 Monate her by GefanzerterAloholiker
GeWe
2 Monate her

Unsere Ehre heißt Treue, wie seit vergangenen glorreichen Zeiten.
Die grünwoken Fanatiker wollen von ihrem Irrsinn nicht lassen, denn sie
wissen: nach dem Endsieg kommt eine strahlende Zukunft zum Staunen der
übrigen Welt.

wegmitdenaltparteien
2 Monate her

Geliert wie bestellt! Israel führt mit einem deutlich geringerem Budget sogar einen sehr teuren Krieg. Zum Krieg führen sind unsere Politdarsteller zwar zu dämlich, selbst mit dem riesigen Sondervermögen würde das nichts geben, aber stacheln können diese bildungsfernen, geisteskranken Fanatiker unter Eigenapplaus doch ganz gut.

Peter Buchmeier
2 Monate her

Es hört und hört nicht auf. Lieber Gott lass endlich Hirn regnen! Das unheilvolle Triumvirat aus Politik, Gewerkschaften und Industrieführung scheint letztlich an seine intellektuelle Grenze gestossen zu sein. Das Land der Dichter und Denker am Ende seiner Möglichkeiten. Die Einen, ideologie- und planwirtschaftlich verblendet, die Anderen, durch Nullzinspolitik und endlosen Subventionen am Leben erhaltenen Zombis, haben leider ihren gesunden Menschenverstand verloren. Wo ist der bloss abgeblieben? Bin gespannt auf das Geheule dieser Menschen, wenn sie dann einmal vor der deutschen Industriebrache stehen. Wem wollen sie dann die Schuld in die Schuhe schieben? Die schlauen Unternehmer werden dann bereits ihre… Mehr

Waldschrat
2 Monate her

Die Chinesen werden in der Ecke sitzen und sich ins Fäustche lachen. Die brauchen doch nur noch abzuwarten, bis wir kollabieren. Wir sollten froh sein, dass die überhaupt noch Stahl liefern, Abnehmer haben die für ihren Stahl auch ohne die EU sicher reichlich. Da legt sich David mit Goliath an. Der Ausstieg aus der Kohle ist eine Chimäre und gar nicht umsetzbar. Aktuell wird nach wie vor den etwas mehr als 70 GW, die Deutschland wochentags um die Mittagszeit benötigt, etwa ein Drtittel aus konventioneller Energiegewinnung geliefert. Das wird sich auch nicht ändern, weil nun mal regelbare Energie benötigt wird… Mehr