Schwacher September, Börsengang Porsche, Anleihekrise in Großbritannien

So einen großen Börsengang hat es seit der Privatisierung der Telekom vor 26 Jahren in Deutschland nicht mehr gegeben:

IMAGO / Arnulf Hettrich

Am Donnerstag wurde die Aktie des Sportwagenherstellers Porsche AG zu einer Bewertung des Gesamtunternehmen zu Rund 75 Milliarden Euro erstmals gehandelt. Allerdings hätte das Umfeld mit dem Ukraine-Krieg, der Energieversorgungskrise und einem ebenfalls am Donnerstag veröffentlichten neuen Rekordwert für die Inflation von zehn Prozent ungemütlicher kaum sein können. Nach der Eröffnung stieg der Kurs gemessen am Ausgabepreis von 82.50 Euro zwar zunächst um gut fünf Prozent bis auf 86.78 Euro. Im späteren Verlauf legte er aber den Rückwärtsgang ein und lag zum Börsenschluss wieder auf Höhe des Ausgabepreises.

Gleichzeitig haben die Familien Porsche und Piëch über ihre Porsche Automobil Holding SE 25 Prozent plus eine Aktie des Stammaktienkapitals von Porsche zu einem Kaufpreis von 88.69 Euro pro Aktie erworben. Daraus erzielte Volkswagen einen Erlös von 10,1 Milliarden Euro, so dass der Bruttoerlös aus dem Verkauf der Porsche-AG-Vorzugs- und Stammaktien insgesamt rund 19,5 Milliarden ausmacht. Einen Teil davon wird der Konzern als Sonderdividende an seine Aktionäre zahlen. Mit dem Rest soll das Investitionsprogramm in die Elektromobilität dotiert werden.

International fand in der vergangenen Woche das Beben an den britischen Anleihemärkten die meiste Beachtung. Auslöser waren Ankündigungen des neuen britischen Schatzkanzlers Kwasi Kwarteng, die Steuern für Konsumenten und Unternehmen stark zu senken. Da die Entlastungen durch noch mehr Schulden finanziert werden sollen, löste dies heftige Verwerfungen an den Finanzmärkten aus, die eine Not-Intervention der Bank of England erforderlich machte.
Innerhalb kürzester Zeit war es zu einer Schieflage bei milliardenschweren britischen Pensionsfonds gekommen, die stark in britische Staatsobligationen investiert sind.
„Problematisch an der jüngsten Entwicklung in Grossbritannien war sicherlich die Geschwindigkeit, mit der sich der Renditeanstieg bei 30-jährigen Gilts vollzog“, kommentierte Daniel Hartmann, der Chefökonom des Vermögensverwalters Bantleon. In der Tat waren die Renditen innerhalb von nur drei Tagen von 3,50 auf 5,14 Prozent explodiert. Die massiven Rendite- und Kursbewegungen führten zu Problemen am Derivate-Markt.

Faktisch sei wieder einmal eine der berüchtigten Finanzinnovationen – in diesem Falle sogenannte „liability-driven investments“ (LDI) – in Schieflage geraten, sagte Christian Gattiker, Chefstratege der Bank Julius Bär der „Neuen Zürcher Zeitung“. Laut Thorsten Polleit, dem Chefökonomen bei Degussa Goldhandel, zeigt die Entwicklung, dass es für die Bank of England wichtiger sei, das Finanz- und Wirtschaftssystem zu stützen, als die Inflation zu reduzieren. Andere Zentralbanken dürften wohl dem Vorgehen der Briten über kurz oder lang folgen. „Auch hier wird die bedrückende Wahrheit ans Licht kommen: Die hohe Verschuldung sowie die Abhängigkeit der Konjunktur und der Finanzmärkte von niedrigen Zinsen erlauben keine Normalisierung des Zinsniveaus“, so Polleit. Um einen Crash zu verhindern, müssten die Zentralbanken weitermachen mit ihrer Inflations- und Niedrigzinspolitik.

Die Wall Street hat vor diesem Hintergrund am Freitag einen sehr schwachen Börsenmonat beendet. Mahnende Worte der Vizechefin der US-Notenbank – man dürfe die mit Zinserhöhungen verbundenen steigenden Kreditkosten für die Weltmärkte noch aus dem Blick verlieren – konnten die Märkte nur kurz stützen. Am Ende überwog die Erkenntnis, dass sich der Preisauftrieb jüngst wieder verstärkt hat. Damit bleibt der Druck auf die Fed hoch, die Leitzinsen im Kampf gegen die hohe Inflation weiter anzuheben.

Der Leitindex Dow Jones Industrial fiel um 1,7 Prozent auf 28.726 Punkte. Zwischenzeitlich war er auf den tiefsten Stand seit November 2020 abgesackt. Auf Wochensicht bedeutet das ein Minus von 2,9 Prozent. Den September beendete der Dow mit einem Abschlag von 8,8 Prozent. Einen größeren Monatsverlust hatte es zuletzt im März 2020 und damit auf dem Höhepunkt der Corona-Krise gegeben. Gleichwohl fällt die Bilanz für das dritte Quartal mit einem Minus von 6,7 Prozent weniger negativ aus als im Vorquartal. Allerdings hat das Börsenbarometer damit den dritten Quartalsverlust in Folge verzeichnet – dies gab es zuletzt 2015. Bei dem marktbreiten S&P 500 stand am Freitag ein Abschlag von 1,5 Prozent auf 3.586 Zähler in den Büchern. Der Technologiewerte-Index Nasdaq 100 verlor 1,7 Prozent auf 10.971 Punkte.

Auf Unternehmensseite brachen die Nike-Papiere nach der Vorlage von Geschäftszahlen und einem eingetrübten Ausblick um fast 13 Prozent ein. Damit waren die Anteilscheine des Sportartikelherstellers das klare Schlusslicht im Dow. Branchenkenner sprachen zwar von einem soliden ersten Geschäftsquartal, störten sich aber an den unerwartet schwachen Margen. Am S&P-500-Ende knickten die Papiere von Carnival um mehr als 23 Prozent ein. Die von der Kreuzfahrtgesellschaft gemeldete Auslastung für das dritte Geschäftsquartal hatte enttäuscht. Dies weckte die Sorge, dass die Erholung der Nachfrage in der Branche länger auf sich warten lässt als erhofft. Stark unter Druck gerieten auch die Aktien der Wettbewerber Norwegian Cruise Line und Royal Caribbean.

Der Dax hatte zuvor einen versöhnlichen Wochenausklang gezeigt. Nach einem zwischenzeitlichen Durchhänger drehte der deutsche Leitindex wieder nach oben und schloss 1,2 Prozent fester bei 12.114 Punkten. Der MDAX, der die mittelgroßen Unternehmen beinhaltet, konnte sich noch stärker erholen: Er verabschiedete sich mit einem Plus von 2,7 Prozent auf 22.370 Punkte ins Wochenende.
Auf Wochensicht steht beim Dax allerdings ein Minus von fast anderthalb Prozent zu Buche. Für den September beträgt der Kursrückgang über fünfeinhalb Prozent und damit fast soviel wie im dritten Quartal.

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