Märkte trotzen Zinserhöhung, Adidas mit 20-Prozent-Sprung

Börsianer waren zur Wochenmitte nach der Leitzinserhöhung durch die Fed zunächst erschrocken, schon am Freitag kehrte aber der Optimismus zurück. Spekulationen über eine Lockerung der Null-Covid-Politik in China hatten dem Dax zusammen mit dem robusten US-Arbeitsmarktbericht Auftrieb gegeben. Für Aufmerksamkeit sorgte ein Kurssprung bei den Aktien von Adidas um mehr als ein Fünftel.

© Getty Images

Börsianer geht es ja nichts mehr an. Aber bei Twitter geht es nach der Übernahme durch Elon Musk nun voll zur Sache. Wie der Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg berichtete, sollen 3700 Mitarbeiter, also die Hälfte der Belegschaft, entlassen werden. Betroffen sind offenbar alle Abteilungen. In der Tat steht der reichste Mann der Welt unter enormem Druck, Kosten zu senken: Das 2006 gegründete Twitter schrieb in acht der letzten zehn Jahre einen Verlust. Wie die Washington Post berichtete, hatte der inzwischen aufgelöste Aufsichtsrat ebenfalls vorgehabt, mehrere tausend Mitarbeiter zu entlassen, um 700 Millionen Dollar an Salären einzusparen.

Durch die Privatisierung sind 13 Milliarden Dollar an zusätzlichen Schulden entstanden, die nun auf der Firma lasten. Allein die Zinsen auf die neuen Schulden dürften jährlich eine Milliarde Dollar kosten. Laut amerikanischen Medienberichten wurden Twitters Ingenieure gebeten, Möglichkeiten vorzuschlagen, um jährlich 500 Millionen Dollar an Kosten einzusparen. „Es scheint so, als ob es hier zehn Manager pro Programmierer gibt“, twitterte der 51-Jährige bereits kurz nach der Übernahme.

Börsianer hatten dagegen ein wachsames Auge auf die amerikanische Notenbank (Fed), und waren zur Wochenmitte zunächst erschrocken. Die Währungshüter hoben den Leitzins erneut um 0,75 Prozentpunkte an. Dass die Leitzinsen womöglich bald weniger stark steigen könnten, hatte Investoren nur kurz aufatmen lassen. Schwerer wog die Aussicht auf ein vorerst noch nicht absehbares Ende der Zinserhöhungen.

Schon am Freitag kehrte dann aber der Optimismus zurück. Die US-Wirtschaft hatte im Oktober deutlich mehr Arbeitsplätze als erwartet geschaffen; zudem wurde der Beschäftigungsaufbau in den beiden Vormonaten nach oben revidiert. Helaba-Experte Ulrich Wortberg sprach von einer weiter soliden Arbeitsmarktverfassung. „Daher gibt es für die US-Notenbank auch keinen Grund, den Zinserhöhungsprozess zu beenden. Zwar könnten die Zinsschritte allmählich kleiner werden, das Zinstop ist aber noch längst nicht erreicht.“ Diese Einschätzung deckt sich mit Aussagen von Fed-Chef Jerome Powell vom Mittwoch. Demnach könnten die Währungshüter schon im Dezember ihre Leitzinsen weniger deutlich als zuletzt anheben. Powell hatte aber auch keinen Zweifel daran gelassen, die Zinserhöhungen fortzusetzen. Es sei „sehr verfrüht“, um über eine Pause bei den Zinserhöhungen nachzudenken.

Neben dem Arbeitsmarktbericht standen am Freitag etliche Unternehmensnachrichten im Fokus. Die Aktien des Cloudsoftware-Anbieters Twilio brachen vorbörslich um knapp ein Viertel ihres Werts Prozent ein, da die guten Quartalszahlen den schwachen Ausblick auf das Schlussquartal nicht kompensieren konnten. Etliche Analysten stuften die Titel zudem ab. Beim Online-Bezahldienst Paypal wog das starke Umsatzwachstum im Sommer die enttäuschenden Ziele für das Schlussquartal ebenfalls nicht auf, wie der Kursrückgang um 5,5 Prozent zeigte. Das Unternehmen rechnet mit einer deutlichen Abschwächung der Umsatzdynamik.

Dagegen zogen die in New York gelisteten Anteile von Biontech um knapp sieben Prozent an, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem Besuch in Peking grünes Licht für die Zulassung des Corona-Impfstoffs von Biontech und Pfizer für in China lebende Ausländer bekommen hatte. Die Pfizer-Titel legten um fast 1,5 Prozent zu. Die Aktien von Starbucks gewannen sechs Prozent. Die weltgrößte Café-Kette berichtete für das vergangene Quartal einen Rekordumsatz und lag mit dem Gewinn trotz einer guten Halbierung zum Vorjahr über den Erwartungen.

Per saldo haben die US-Börsen am Freitag deutlich zugelegt. Zu Handelsende in New York wurde der Dow mit 32.403 Punkten berechnet, ein Plus in Höhe von 1,3 Prozent im Vergleich zum vorherigen Handelstag. Der S&P 500 ging bei rund 3.770 Punkten mit 1,4 Prozent Plus aus dem Markt, der Nasdaq Composite war rund 1,3 Prozent stärker und schloss bei 10.475 Punkten.

Erneute Spekulationen über eine Lockerung der Null-Covid-Politik in China hatten zuvor schon dem Dax zusammen mit dem robusten US-Arbeitsmarktbericht kräftig Auftrieb gegeben. Für Aufmerksamkeit sorgte auch ein Kurssprung bei den Aktien von Adidas um mehr als ein Fünftel. Der deutsche Leitindex Dax war am Nachmittag kurz über die Marke von 13.500 Punkten geklettert und hatte damit den höchsten Stand seit Mitte September erreicht. Am Ende gewann das Börsenbarometer nach zwei schwachen Handelstagen 2,5 Prozent auf 13.460 Punkte. Auf Wochensicht bedeutet dies ein Plus von 1,6 Prozent. Der MDAX der mittelgroßen Werte zog um 2,4 Prozent auf 23.812 Zähler an.

Angesichts der Gerüchte über ein baldiges Ende der chinesischen Null-Covid-Politik erholten sich Stahlwerte wie Thyssenkrupp, Klöckner und Salzgitter zwischen fünf und acht Prozent. Auch die Aktien der beiden Sportartikelhersteller Adidas und Puma hatten zunächst deutlich von diesen Spekulationen profitiert, denn China ist ein wichtiger Markt für sie. Nach einem personellen Paukenschlag in der fränkischen Sportartikelmetropole Herzogenaurach aber sackten die Anteilscheine von Puma plötzlich ab, während die von Adidas noch weiter in die Höhe schnellten: Puma-Vorstandschef Björn Gulden wird seinen Vertrag nicht verlängern und könnte schon bald an die Spitze des größeren Rivalen Adidas wechseln.

Die Nachricht schockte die Anleger von Puma aber nur kurz. Die Anteilscheine machten ihre zwischenzeitlich deutlichen Verluste fast komplett wett und schlossen 0,5 Prozent im Minus. Für die Papiere von Adidas ging es um gut 21 Prozent in die Höhe. Angesichts des guten Rufs, den Gulden genieße, und seines sichtbaren Einflusses bei Puma würde er die Ernennung von Gulden zum Firmenchef als positiv für Adidas werten, schrieb Analyst Piral Dadhania von der kanadischen Bank RBC. Die Aktien von Continental sicherten sich mit einem Plus von 9,5 Prozent den zweiten Platz im Dax hinter Adidas. Sie wurden vom italienischen Reifenhersteller Pirelli mit nach oben gezogen. Dieser konnte im dritten Quartal die Verkaufspreise deutlich erhöhen.

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Kommentare ( 5 )

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Rosalinde
1 Jahr her

Ich glaube nicht, dass es aktuell um Optimismus an den Börsen in Europa geht.
Die die jetzt noch kaufen haben eher Angst auf das letzte Quentchen Kursgewinn zu verzichten. Sobald die Zinsen höher sind wie jetzt und die Dividenden bei vielen Firmen ausfallen wird sich das umkehren.

Irdifu
1 Jahr her

Kein Wunder , ich sehe täglich wer und was in den Sportklamotten durch unsere Städte flankiert. Die meisten Biodeutschen greifen dagegen eher zu Nonamemarken ohne drei Steifen oder Raubtier Puma.

Aegnor
1 Jahr her

Abwarten. Es scheint mir nicht so, dass die Märkte das aktuelle Zinsniveau bereits vollständig realisiert haben (vom zukünftigen ganz zu schweigen). Wir sind aktuell bei fast 4% – das ist mehr als die meisten Aktien als Dividende abwerfen. Früher oder später wird das auch bei den Anleihezinsen ankommen und dann ist Schluss mit den Verschuldungsorgien. GB hat ja schon gezeigt, was passiert wenn man in ein steigendes Zinsniveau weitere Milliarden Schulden aufnehmen will. Das wird auch im Eurosystem nicht mehr lange auf sich warten lassen, auch wenn wir keine geleveragten Pensionskassen haben. Außerdem dürften die hohen (US-)Zinsen auf Schwellenländer wie… Mehr

Oneiroi
1 Jahr her

Angesichts der druckorgien die letzten Jahre muss da noch in ganzes Stück weiter runter, damit man wenigstens wieder in Sichtweite der Realwirtschaft kommt.

RMPetersen
1 Jahr her

Die Kurse sind nach wie vor traurig (- mit einigen Ausnahmen), aber immerhin fliessen noch die Dividenden.