Banken müssen mit massiven Kreditverlusten rechnen

Banken werden gezwungen sein, zur Deckung von Verlusten aus unbezahlten Krediten einen wachsenden Teil ihrer bestehenden Kredite abzuschreiben. Eine Studie sieht neue private und öffentliche Rekordverschuldungen voraus.

imago Images/Ralph Peters

Um die Auswirkungen von COVID-19 auf das Finanzsystem zu reduzieren, stellen viele Länder ihre staatlichen Fördermaßnahmen auf die Vergabe privater Kredite um. Damit wird die Verantwortung, die Wirtschaft in Zeiten von COVID-19 am Laufen zu halten, weitgehend auf private Kreditgeber übertragen. Einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens Accenture zufolge gehen die europäischen Banken davon aus, im laufenden Jahr bis zu 415 Milliarden Euro für die Deckung pandemiebedingter Kreditverluste aufbringen zu müssen.

Aus der Untersuchung „How Banks Can Prepare for the Looming Credit Crisis” geht hervor, dass Banken weltweit bis zu 2,4 Prozent ihrer bestehenden Kredite zur Deckung von Verlusten aus unbezahlten Krediten zurücklegen werden. Das ist fast doppelt so viel, wie die Institute während der globalen Finanzkrise 2008 abschreiben mussten. „Unsere Banken spielen eine entscheidende Rolle dabei, die wirtschaftlichen Auswirkungen der globalen Pandemie abzufedern und für eine schnelle Erholung der Privathaushalte und kleinen Unternehmen zu sorgen“, so Markus Hamprecht, Leiter des Bereichs Financial Services von Accenture in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Wenn die staatlichen Hilfsprogramme auslaufen, müssen die Institute mehr Kapital zum Schutz vor Kreditausfällen vorhalten.“

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Im vergangenen Jahr stellten europäische Banken 80 Milliarden Euro zur Deckung potenzieller Kreditverluste bereit. Nach Einschätzung von Accenture benötigen die Finanzinstitute im Jahr 2020 zusätzlich 265 bis 335 Milliarden Euro zur potenziellen Abschreibung notleidender Kredite. So können Banken in den USA im Jahr 2020 bis zu 320 Milliarden US-Dollar abschreiben, was einem Anstieg von 265 Milliarden US-Dollar ab 2019 entspricht. Chinesische Banken können im gleichen Zeitraum Abschreibungen in Höhe von bis zu 360 Milliarden US-Dollar vornehmen, was einem Anstieg von 190 Milliarden US-Dollar ab dem Jahr 2019 entspricht.

In einer zunehmend fremdfinanzierten Wirtschaft stehen die Banken vor der Aufgabe, ihre Kreditbestände zu managen und gleichzeitig Entscheidungen über neue Kreditvergaben zu treffen. Die Studie stellt weiterhin fest, dass dies weltweit zu einem Rekordniveau der öffentlichen und privaten Verschuldung führen könnte. Analysten prognostizieren, dass diese bis Ende 2020 bis zu 200 Billionen US-Dollar erreichen könnte. Das kann zu einer ernsthaften Gefährdung der Rückzahlungsfähigkeit von Unternehmen und Privathaushalten führen.

Zahlreiche Banken waren zu Beginn der Pandemie finanziell so gut aufgestellt, dass sie erhebliche Kreditverluste auffangen konnten. Nach einer Analyse von Accenture hielten die größten Banken der Welt Kapitalreserven, die deutlich über den Anforderungen der Aufsichtsbehörden lagen. Die Studie stellt weiterhin fest, dass die fünf größten US-Banken im ersten Halbjahr Reserven in Höhe von 60 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen konnten. Die europäischen Banken legten im ersten Quartal 2020 fast 18 Milliarden US-Dollar zurück. Diese Rückstellungen können abgerufen werden, sobald die staatlichen Fördermittel auslaufen und Kunden in Zahlungsverzug geraten.

„Die Banken werden sorgfältig wirtschaften müssen, um das richtige Gleichgewicht zwischen der finanziellen Rettung ihrer Kunden und dem Schutz der eigenen Rentabilität und Solvenz zu finden“, stellt Hamprecht fest. „Dies verlangt schwierige Entscheidungen zwischen Kreditverlängerungen, die finanziell überlebensfähigen Kunden helfen, und der Verschleppung einer unvermeidbaren Zahlungsunfähigkeit,“ so Hamprecht. „Wer als Bank nun vorausschauend agiert, kann seine bisher erworbenen Daten- und Analysefähigkeiten nutzen, um operative Strategien für das Kreditmanagement zu entwickeln, die auf einzelne Branchen und Regionen zugeschnitten sind.“ In einem Klima, in dem sich Zahlungsausfälle nicht auf die Kreditwürdigkeit der Verbraucher auswirken und die tatsächliche wirtschaftliche Lage eines Unternehmens aufgrund von Kurzarbeits- und Lohnschutzregelungen unklar ist, können Banken einen datengestützten Ansatz zur Verwaltung ihres Kreditportfolios verfolgen.

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In den vergangenen zehn Jahren schrumpfte das Kreditmanagement der Banken auf ein Minimum. Um den steigenden Ausfallraten gerecht zu werden, müssen jetzt viele von ihnen ihre Ressourcen in einem Maße erweitern, das weit über die traditionellen Kapazitäten in diesem Bereich hinausgeht. Doch dank in dieser Zeit erfolgter Investitionen in digitale Technologien können Bankmitarbeiter heute individuelle Lösungen für ihre Kunden entwickeln, um finanzielle Engpässe zu überbrücken.

Die Accenture-Studie will zeigen, wie Banken ihre Kompetenzen im Kreditmanagement stärken und ihr Geschäft auf die kommenden Herausforderungen vorbereiten können:

• Zusammenarbeit mit Aufsichtsbehörden, um unbeabsichtigte Folgen, wie das Ausdünnen neuer Kredite, zu vermeiden beziehungsweise zu minimieren;

• Einführung klarer Leitlinien und Transparenz in Bezug auf die Rückzahlung von Krediten;

• Gewährleistung einer fairen Behandlung der Kreditnehmer bei klaren Regeln zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Kunden;

• Bilanzrisikomanagement bei gleichzeitiger Beratung von Unternehmen und Privathaushalten zur Bewältigung finanzieller Krisensituationen.

„Für Banken ist es schwer, sich aus dem derzeitigen Kreditgeschäft zurückzuziehen auch wenn es für sie verlockend erscheint. Die Nachfrage nach Krediten wird unweigerlich steigen und muss erfüllt werden. Wenn die Banken sich zurückziehen, wird das Kreditgeschäft von anderen Marktteilnehmern bedient“, sagt Hamprecht. „Die größten Wettbewerber sind nicht allein FinTechs und BigTechs, sondern zunehmend auch große, kapitalstarke Unternehmen, die Finanzierungsmöglichkeiten für ihre Produkte und Dienstleistungen anbieten. Wenn Banken versuchen, das Kreditangebot drastisch zu reduzieren, riskieren sie, ihre Kunden zu verlieren.“


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F.Peter
3 Jahre her

Die seit März d.J. von der Politik getroffenen Maßnahmen und ihre wirtschaftlichen Folgen, wird niemand mehr nach tatsächlicher Risikosituation einschätzen können. In einem Quartal ist in den Unternehmen mehr Risiko entstanden, als sonst im Verlauf mehrerer Bilanzen zu sehen war. Und da die Banken am Ende der wirtschaftlichen Kette bei Unternehmen stehen, Kreditrisiken bei Vergabe von Krediten und dann periodisch beurteilt werden, werden die Folgen des Lockdown wie ein Dampfhammer das Kreditportefeuille der Banken einstampfen. Keine Bank wird in der Lage sein, diese Risiken wirtschaftlich sinnvoll zu bilanzieren bzw. abzuschreiben! Die Folgen dürften wohl jedem klar sein – da war… Mehr

CIVIS
3 Jahre her

Und ein Kreditausfall ist ein Kreditausfall ist ein Kreditausfall !

Und um selbst überleben zu können wird es in nächster Zeit interessant sein zu beobachten, welcher Bank/Sparkasse das eigene Hemd näher ist als die fremde Hose des Schuldners !

Aber wahrscheinlich werden sich Vater Staat und die EZB mal wieder „solidarisch“ zeigen und beiden Seiten mit viel frisch gedrucktem Schuld-Geld unter „alle“ Arme greifen !

Nibelung
3 Jahre her

Wieso, den Banken wird doch schon kräftig geholfen um ihre Forderungsausfälle zu minimieren, das hat man doch schon mit der Insolvenzverlängerung erreicht, denn hat der Schuldner erst mal Insolvenz angemeldet, dann können sich die Hauptgläubiger und das sind meistens die Banken nicht mehr allein am Vermögen der Schuldner bedienen und wenn sie die Kreditrahmen kündigen, können sie derzeit noch auf vohandenes Vermögen vordergründig zurückgreifen, was sonst teilweise verloren wäre und das wäre dann die Hauptlast, die die Banken zu tragen hätten und mit der Insolvenzverlängerung bevorteilt werden um noch möglichst viel herausquetschen zu können. So lebt der Schuldner im Glauben… Mehr

StefanB
3 Jahre her

Was solls? Die Notenbanken werden auch weiterhin wie verrückt Geld drucken und Banken, die defacto pleite sind, retten. …Bis es nicht mehr geht.

F.Peter
3 Jahre her
Antworten an  StefanB

Es wird nicht mehr gehen, weil das Vertrauen in den Euro – also in das Geld, und mehr als Vertrauen ist das Geld seit Aufhebung der realen Bindung des Geldes an das Gold bzw. die Realwirtschaft nicht – mit dieser Krise gegen Null gehen wird!

Nibelung
3 Jahre her

Wer früher kein Geld hatte, der ging zu seiner Hausbank, hat einen Kreditantrag gestellt und konnte je nach Bonität innerhalb kürzester Zeit über die gewünschte Summe verfügen. Heute ist trotz digitaler Technik dieses Prozedere weit komplizierter geworden, weil die Politik ihre Finger mit im Spiel hat und anstatt alles zu vereinfachen, die Geldvergabe immer schwieriger wird und auch hier wird Sozialismus groß geschrieben, indem man alles überreguliert und damit Angebot und Nachfrage behindert, anstatt es den freien Kräften des Marktes zu überlassen, denn wer meint, er könne auch im Geldverkehr eine Gerechtigkeit schaffen, der verkennt die Sachlage des Geben und… Mehr

luther
3 Jahre her
Antworten an  Nibelung

„Wer früher kein Geld hatte, der ging zu seiner Hausbank, hat einen Kreditantrag gestellt und konnte je nach Bonität innerhalb kürzester Zeit über die gewünschte Summe verfügen“
Für den Kredit waren allerdings n % Zinsen zu zahlen. Ein verständiger Kreditnehmer mußte folglich vorher prüfen ob der Einsatz des Kredits einen Ertrag/Gewinn/Vorteil über dem Kreditzins bringt. Geht der Kreditzins gegen Null gehen auch die Anforderungen an die Rentabilität gegen Null, das Risiko der Fehlinvestition steigt. Zugleich bringt die Investition des Kreditgebers wenig/keinen Ertrag und ist damit entwertet. Auf Dauer wird das nicht funktionieren und in einem Desaster enden.