Energieintensive Industrie geht: Die deutsche Wirtschaft karbonisiert anderswo

Zahlreiche Industrieunternehmen aus den Branchen Stahl, Chemie, Glas und Zement wollen Investitionen ins Ausland verlagern. Doch Merz hat Wichtigeres zu tun, als sich um Energieversorgung und Wirtschaft zu kümmern: den Kampf gegen die AfD. Meint er wirklich, damit Wachstum und Wohlstand zu erreichen?

picture alliance / imageBROKER | Sylvio Dittrich
Energieintensive Stahlindustrie verlagert Investitionen ins Ausland

Dieses ständige und boshafte Karbonisieren der deutschen Wirtschaft ist nicht mehr auszuhalten, besser sie karbonisieren woanders, mag Friedrich Merz denken. Es ist wirklich besser fürs Klima, wenn die nicht mehr in Deutschland CO2 zwischen die Windräder blasen, dürfte der Bundeskanzler meinen, fürs Klima hinter der Brandmauer, für das Klima mit der SPD, für das Klima mit den Grünen und für das Klima mit den Linken. Denn Klimaschutz ist Brandmauerschutz und Brandmauerschutz ist Klimaschutz.

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Bundeskanzler Friedrich Merz, aber auch Zinsenminister Lars Klingbeil von der früheren Arbeiterpartei SPD sowie der Superfunktionär für alles und nichts, der zufällig gerade Umweltminister ist, Carsten Schneider, könnte die neue Studie von der Unternehmensberatung Simon Kucher gefallen. Die deutsche Wirtschaft dekarbonisiert früher, als in den kühnsten Projektionen skizziert, das heißt genauer gesagt: Sie karbonisiert demnächst tatsächlich außerhalb Deutschlands. Da dürfen sie auch karbonisieren, so viel sie wollen, weil woanders AKWs genutzt werden. Genial: De-Karbonisierung durch De-Industrialisierung. Warum produzieren, wenn man kreditieren kann?

Aus einer Befragung der Unternehmensberatung Simon Kucher unter 240 hochrangigen Managern aus den Branchen Chemie, Stahl, Glas und Zement in Europa und den USA geht laut Handelsblatt hervor, dass 31 Prozent der Befragten in Deutschland Produktionen in andere Kontinente verlagern oder sie dort ausweiten wollen. Zudem möchten weitere 42 Prozent der Befragten Investments in europäischen Ländern, aber nicht in Deutschland tätigen, oder sie schieben die Investitionen vorerst auf. Das bedeutet, dass derzeit 73 Prozent der Befragten nicht in Deutschland investieren werden bzw. Produktionen, und damit auch Arbeitsplätze und Wertschöpfungsketten, aus Deutschland ins Ausland verlagern. Laut Handelsblatt schätzt der Geschäftsführer des Chemiestandortbetreibers Infraleuna, Christof Günther, ein: „Viele Unternehmen können ihre Anlagen seit Jahren nicht richtig auslasten und sehen jetzt final keine Perspektive mehr. Aktuell verlieren wir jede Woche massiv und unwiederbringlich industrielle Wertschöpfung in Deutschland.“

Und was sagt Friedrich Merz im Umkreis der Klausurtagung des Präsidiums der CDU am Wochenende zu Robert Habecks phänomenaler Dekarbonisierungsleistung? „Es gibt zwischen der CDU und der AfD keine Gemeinsamkeiten.“ „Wir unterscheiden uns in allen wesentlichen politischen Grundüberzeugungen von der AfD.“ Gut, dass das mal klar ist.

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Doch weiter: Nur 27 Prozent der deutschen Unternehmen in der energieintensiven Industrie wollen weiter wie geplant in Deutschland investieren. Die anderen sehen keine andere Chance, als sich für die USA, Indien oder China zu entscheiden. Die Enttäuschung, ja Abwendung der deutschen Wirtschaft von der CDU vollzieht sich immer unaufhaltsamer. Und nicht nur dies, auch die bange Frage macht die Runde, ob man mit der AfD nicht besser dran sei als mit der CDU.

Für Friedrich Merz steht hingegen fest: „Wenn wir gemeinsam erfolgreich regieren, dann wird es keine sogenannte Alternative für Deutschland brauchen, und deswegen setzen wir dieser Miesmacher-Rhetorik der AfD ein anderes Bild entgegen.“ Schluss mit der Miesmacher-Rhetorik der AfD und Schluss mit der Miesmacher-Rhetorik der deutschen Wirtschaft. Zeit also für ein neues Bild. Übrigens war der russische Fürst Grigori Alexandrowitsch Potjomkin ein Meister im Anmalen von Attrappen, im Herstellen schöner Bilder und berückender Eindrücke. Ein Mann wie Potjomkin fehlt dem Bundeskanzler, obwohl sich Kanzleramtsminister Torsten Frei redlich bemüht

Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Glasindustrie, Christiane Nelles, kommt laut Handelsblatt zu dem Schluss: „Wir kennen einige Unternehmen, die Investitionsentscheidungen für Standorte außerhalb Deutschlands getroffen haben.“

Friedrich Merz wiederum kennt die drängendsten Aufgaben eines deutschen Bundeskanzlers, denn: „Und darum wird der Meinungskampf mit der AfD und werden die zukünftigen Wahlkämpfe in Deutschland vermutlich allein um die Frage gehen: die oder wir.“ Also nicht um Wirtschaft, sondern um Merz oder Weidel. Es stellt sich nur die Frage, ob mit „die“ „die AfD“ oder „die Wirtschaft“ gemeint ist. Für Merz steht jedenfalls fest: „Wir werden mit der AfD jetzt auch inhaltlich sehr klar und sehr deutlich sagen, wo sie steht. Wir werden uns jetzt sehr klar und sehr deutlich abgrenzen. Wichtig ist vor allem, dass wir dem eine erfolgreiche Regierungsarbeit entgegensetzen und das ist nicht nur eine Aufgabe der Union.“ Schließlich liegt die industrielle Wertschöpfung unter 3,6 Prozent unter dem Niveau, bevor Merkel in der Corona-Diktatur mit der Wirtschaft ihr fröhliches An-/Aus-Spiel veranstaltete und Robert Habeck fast rotfleckig im Gesicht vor Freude in die Hände klatschte, dass Corona zeige, wie man einer Volkswirtschaft aus „ethischen Gründen“ den Stecker ziehen kann.

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Selbst Merzens Wirtschaftsministerin, die kluge Dinge sagen darf – nur halt nicht im Kabinett – zeigte sich erschrocken, als sie von den Mittelständlern erfuhr, dass seit dem Jahr 2022 in den mittelständischen Firmen 325.000 Arbeitsplätze nur dafür da sind, um Auflagen, die der Staat erlässt, in irgendeiner Form zu verwalten, 325.000 Arbeitnehmer, die nur für die ausufernde Bürokratie der EU und des Staates arbeiten. Doch Friedrich Merz ist sich sicher „Wir wollen ein erfolgreiches, offenes, freiheitliches Land sein und bleiben.“ Erfolgreich für die Bürokratie, offen für die Einwanderung in die sozialen Systeme, mit freiem Zugriff rot-grüner NGOs auf die Staatskasse. Geht doch.

Zu den beiden großen Problemen steigender Energiepreise und in Zukunft unsicherer Energie und Migration hat der Bundeskanzler auf der Pressekonferenz nach der Klausur des CDU-Präsidiums am letzten Wochenende geäußert: „Diese AfD ist parteipolitisch für uns ein harter Gegner. Und den werden wir mit allen uns zur Verfügung stehenden demokratischen Mitteln bekämpfen.“ Denn von einem scheint der Bundeskanzler wirklich überzeugt zu sein: Wohlstand und Wachstum erreicht man am besten durch den Kampf gegen die AfD, denn „wir wollen die bestimmende politische Kraft in unserem Lande bleiben und wir sind zuversichtlich, dass uns das gelingt“.

Vorsorglich hat Torsten Frei ein Schild an die Tür des Kanzleramtes gehängt: „Bitte nicht stören, wir träumen gerad so schön.“

Schließlich: Friedrich Merz will genießen den enormen „Herbst der Reformen“.


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Kommentare ( 43 )

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43 Comments
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gmccar
1 Monat her

 „Wir werden mit der AfD jetzt auch inhaltlich sehr klar und sehr deutlich sagen, wo sie steht. Wir werden uns jetzt sehr klar und sehr deutlich abgrenzen. Wichtig ist vor allem, dass wir dem eine erfolgreiche Regierungsarbeit entgegensetzen und das ist nicht nur eine Aufgabe der Union.“
So redet ein Versicherungsvertreter eines Struktur-Vertriebes.

yeager
1 Monat her

Was bedeutet: „Wir unterscheiden uns in allen wesentlichen politischen Grundüberzeugungen von der AfD.“ Es bedeutet, die CDU ist für offene Grenzen und unkontrollierte Massenmigration, für die Ausbeutung unserer Sozialsysteme für diesen Zweck, für krude Identitätspolitik, für Verschwendung deutscher Steuergelder an NGOs, sinnlose Entwicklungshilfe etc., für staatliche Lenkung der Wirtschaft und überbordende Regulierung, für Totalüberwachung, für Zensur, für die Abgabe von Kompetenzen und Handlungsfähigkeit an EU, WHO etc. und damit Entmachtung des Parlaments und der Bürger, … Merz hat es nun deutlich genug gesagt, für CDU-Wähler gibt es da wirklich keine Ausrede mehr, keine Möglichkeit zu behaupten sie hätten eine konservative… Mehr

Verzeihtnix
1 Monat her

Diese Partei, die CDU, will erklärtermaßen zerstören. Sie will ein anderes Land.

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
1 Monat her

…auch die bange Frage macht die Runde, ob man mit der AfD nicht besser dran sei als mit der CDU.

Was für Blitzmerker. Naja, solange den Nieten in Nadelstreifen nur diese Frage „bange“ macht, muss das Altparteienkartell noch lange nicht um seine Pfründe fürchten.

Proffi
1 Monat her

Wer nicht die AfD wählt, glaubt an den menschengemachten Klimawandel. Wer an den menschengemachten Klimawandel glaubt und für dessen Bekämpfung die Deutsche Wirtschaft ruinieren will, ist ein Vollidiot. Aus diesen beiden Sätzen kann man eine Gleichung machen.

thinkSelf
1 Monat her

Herr Mai will es einfach nicht verstehen. It’s a Feature, not an Error.
Mit Dummheit oder Opportunismus hat das nicht das Geringste zu tun.

Weshalb er ja auch weiterhin von fast 30% der Wähler innigst geliebt wird.

Deutscher
1 Monat her

Es ist müßig, sich mit diesem Krawattenständer noch länger zu befassen. Er taugt nix, das hat er nie, und es ist am besten, man hakt ihn einfach ab und nutzt die Zeit, die Opposition bis zur nächsten BTW zur Sperrminorität aufzubauen.

Last edited 1 Monat her by Deutscher
Losko
1 Monat her

Ist doch schön, ganz Deutschland wird einem raschen Degrowth Programm unterzogen! Endlich weniger Arbeit, weniger Lärm, weniger Industrie, weniger CO2, weniger lästiger Strom, den eh niemand braucht, weniger Steuern, das Bürgergeld wird dann halt von einem zusätzlichen Sondervermögen bezahlt, und vor allem: weniger Kapitalismus. Das Geld und die Macht in der Hand einiger weniger reicher (linker) Bonzen, und der normale „Bürger“ ist glücklich damit, wenn ihm alles weggenommen wurde und er auch gar nicht mehr denken kann oder soll oder muss …

Satire Ende.

giesemann
1 Monat her

Wenn wir Halbzeug importieren, dann importieren wir das bitte zollfrei. Volkswirtschaftlich ist das sinnvoll, weil wir auf diese Weise billige Energie importieren. CO2? Interessiert nicht.

Rainer Schweitzer
1 Monat her

„Wenn wir gemeinsam erfolgreich regieren, dann wird es keine sogenannte Alternative für Deutschland brauchen, und deswegen setzen wir dieser Miesmacher-Rhetorik der AfD ein anderes Bild entgegen.“

Dieses „andere Bild“ ist das eines Menschen, der schon lügt, wenn er nur den Mund aufmacht. Jedenfalls wenn man sein Reden vor und nach der Bundestagswahl vergleicht und weiß, daß er letzteres nachgewiesenermaßen schon vor der Wahl geplant hat.
Dieses „andere Bild“ ist für mich das des Lügenkanzlers einer Lügenregierung, gebildet aus einer Lügenkoalition, die einen Lügenaufschwung verspricht. Und Lügensteuererleichterungen.
Nach der „Ampel-Koalition“ kam die „Die Lüge“.