Ist Merz die Lage im Land wirklich bewusst? – Die Wahrheit über die deutsche Wirtschaft

Während die Bundesregierung auf den Start des milliardenschweren Schuldenpakets wartet, bohrt sich die reale Ökonomie immer tiefer in die Krise. Die Zahlen aus dem Gastgewerbe sprechen eine deutliche Sprache: Es geht weiter bergab.

picture alliance/dpa | Michael Matthey

Am Montag besuchte Bundeskanzler Friedrich Merz den sechstägigen Kongress der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, IG BCE. Dort betonte er die hohe Bedeutung der Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Politik und versicherte der Gewerkschaft, dass ihm die zunehmend schwierige Lage vieler Menschen im Land durchaus bewusst sei.

Merz hätte in diesen Tagen besser die deutsche Gastronomie besucht. Dort, ohne die glamouröse Ablenkung eines Funktionärskongresses, hätte er sich von der Realität der deutschen Wirtschaft aus erster Hand überzeugen können: Das Interesse an erbaulichen Kanzlerreden indes dürfte bei den Gastronomen verschwindend gering sein, zu schlecht laufen die Geschäfte.

Kalte Dusche in der Urlaubssaison

Das Statistische Bundesamt (Destatis) lieferte für den August katastrophale Zahlen für das gesamte deutsche Gastgewerbe, also sowohl für die Gastronomie als auch die Hotellerie: Selbst im wichtigsten Ferienmonat verloren Restaurants, Hotels, Caterer und Imbisse real im Vergleich zum Vorjahr ein Umsatzvolumen von 3,5 Prozent. Nominal stand noch immer ein Minus von 0,6 Prozent in der Gesamtbilanz. Auch zum Vormonat Juli verlor das Gastgewerbe realen Umsatz in Höhe von 1,4 Prozent.

Eine derart schlechte Entwicklung, ausgerechnet in den umsatzstarken Urlaubsmonaten des Jahres, ist fataler Beleg, dass in der deutschen Wirtschaft nichts mehr rund zu laufen scheint – genau jetzt hätte man Kasse machen sollen. Hier hätte das bislang schwache laufende Jahr mit einem Minus von etwa 4 Prozent wenigstens einen kleinen Hoffnungsschimmer bieten sollen. Pustekuchen. Die Sommermonate gerieten zum Desaster.

Der Verbraucher leidet unter den politischen Rahmenbedingungen, den hohen Energiepreisen, der Inflation und dem mittlerweile längst in schwere See geratenen Arbeitsmarkt.

Wer einen Blick in den Maschinenraum der deutschen Wirtschaft wirft, wird auf der Suche nach den Ursachen für diese Krise schnell fündig. Sie ist Ausdruck eines ökonomischen Desasters, das medial und politisch nach wie vor nicht hinreichend beschrieben wird. Der industrielle Kern der deutschen Wirtschaft konnte den Wellenschlägen der Brüsseler Ökoregulatoren und der nagenden Angriffe von interessengeleiteten NGOs wie der Deutschen Umwelthilfe nicht dauerhaft standhalten.

Allgemeiner Niedergang

Und so kam es, wie es kommen musste. Ausgehend von ihrem besten Jahr 2018 verlor die deutsche Industrie über die Sektoren hinweg ein Produktionsvolumen von beinahe 25 Prozent – ein unbeschreiblicher Exodus an Firmen ins Ausland, zahllose Insolvenzen: Ein ökonomischer Knockout, herbeigeführt durch einen selbst verpassten Kinnhaken.

Große Teile der Ökonomie hängen an diesem industriellen Fundament wie an einer Nabelschnur – wird diese durchtrennt, stürzen auch die Dienstleister, die Zulieferer, die Gastronomie, der Tourismus ab. Rund 1,3 Millionen Stellen in der Privatwirtschaft sind bislang verschwunden.

Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem regelrechten Ausverkauf – in einer Spirale der Deindustrialisierung. Vom Juli 2024 bis heute gingen in den Bereichen des Verarbeitenden Gewerbes, der Metall-, Elektro- und Stahlindustrie, über 270.000 Arbeitsplätze verloren. Gleichzeitig expandierte die öffentliche Verwaltung in diesem Jahr um fast 50.000 neue Stellen.

Absturz setzt sich fort

Eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung im privaten Sektor muss für ein wachsendes Heer an Transferempfängern und die grotesk wachsende öffentliche Verwaltung aufkommen. Das kann auf lange Sicht nicht funktionieren. Das müsste selbst Friedrich Merz nachvollziehen können, der seinen Ausflug in die Welt der BlackRock-Frühstücksdirektoren offensichtlich nicht zum vertiefenden Studium ökonomischer Zusammenhänge zu nutzen wusste.

Diese eklatante Unwucht, eines wachsenden Staatsapparats auf der einen und einer rasch schrumpfenden Privatwirtschaft auf der anderen Seite, kann keine Ökonomie der Welt ausgleichen. Dies gelingt erst recht nicht vor dem Hintergrund, dass die deutsche Wirtschaft seit 2018 kontinuierlich an Produktivität einbüßt. Ein hausgemachtes Desaster, das nun gigantische Kreditpakete überfluten sollen.

In der Gesamtschau ist es also alles andere als verwunderlich, dass Essen gehen, Urlaubsreisen, ja selbst das Feierabendbier für viele zum Luxus geworden ist. Nicht die Inflation allein, sondern der strukturelle Zusammenbruch von Beschäftigung und Kaufkraft, gepaart mit einer erdrückenden Steuer- und Abgabenlast, treiben die Menschen in den Konsumverzicht. Die Energiepreise bleiben hoch, der Mittelstand ächzt unter Bürokratie und Lohnnebenkosten.

Insolvenzen und kein Ende in Sicht

Das Katastrophenjahr der Branche spiegelt sich auch im Insolvenzgeschehen wider: Wie der Branchenverband DEHOGA meldete, stieg bis zum Sommer die Zahl der Insolvenzen in der Branche um etwa 27 Prozent. Gemessen am Vorjahr ist also davon auszugehen, dass in diesem Jahr etwa 2.500 Gastgewerbe aus dem Markt ausscheiden.

Die Lage im Gastgewerbe ist im Vergleich zu anderen Krisenbranchen noch dramatischer: 52,7 Pleiten auf 10.000 Betriebe – deutlich mehr als im ebenfalls stark geschrumpften Bau- oder Verkehrssektor. Ausdruck dieser Misere ist die seit über zehn Jahren anhaltende Beschäftigungszurückhaltung. Die prekäre Personalsituation, schlechte Bezahlung – all das ist ein Spiegelbild der Krise in der Branche.

Grundsätzlich steuert die Bundesrepublik auf ein Rekordjahr bei den Insolvenzen zu. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts lagen sie im ersten Halbjahr im Bereich der Unternehmensinsolvenzen 12,2 Prozent über dem Vorjahreswert, bei den Verbraucherinsolvenzen um 7,5 Prozent höher. Das macht, dass im laufenden Jahr wahrscheinlich 25.000 Unternehmen aus der deutschen Wirtschaft ausscheiden werden. Der insolvenzbezogene Schaden dürfte die Marke von 60 Milliarden Euro überschreiten.

Mehrwertsteuer soll wieder gesenkt werden

Und was leistet die Politik? Ab dem 1. Januar 2026 soll die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie von derzeit 19 auf 7 Prozent gesenkt werden, wie während der Corona-Zeit. Doch es ist absehbar, dass die Branche angesichts steigender Energie- und Personalkosten diese Margen nutzen wird, um die eigene Kapitalbasis zu stabilisieren. Für die Kunden bleibt dann wenig übrig.

Guido Zöllig, Präsident des DEHOGA-Bundesverbandes, warnte kürzlich eindrücklich vor einem Sterben gastronomischer Vielfalt. Für ihn ist die Mehrwertsteuersenkung eine essenzielle Maßnahme zur Rettung der Branche. Mit den zahlreichen Pleiten von Restaurants und Imbissen verliert Deutschland – verlieren Deutschlands Städte – an Lebensqualität. Deutschland blutet ökonomisch und in seiner urbanen Struktur aus – auch das ist ein Aspekt des allgemeinen Stadtbilds, den die Politik offen diskutieren sollte.

Doch eine tatsächliche Kehrtwende in der Politik, ein Ende der Regulierung, der hohen Fiskallasten, des Migrationschaos oder der grotesken Klimaregulierung, die alle Elemente des Konsumentenverhaltens beeinflussen, ist vorerst nicht in Sicht. Die Politik zeigt keinerlei Bereitschaft, den Kurs zu ändern.

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Kommentare ( 83 )

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Waldschrat
1 Monat her

Merz war und ist noch nie Herr der Lage. Eigentlich müsste ihm langsam bewusst werden, dass seine Tage als Bundekanzler gezählt sind. Es ist unbegreiflich, wie man sehenden Auges mit Hochgeschwindigkeit an die Mauer donnern kann, obwohl ein Stoppschild davor steht. Ist es Ignoranz, ist es Arroganz oder muss er jeden Tag zum Rapport bei Larry Fink antreten und anschließend bei Klingbeil, um zu betteln, dass er noch eine Weile Bundeskanzler bleiben darf.
Er will doch noch Russland zerstören und Putin kaputt machen (einmal Taurus fliegen), bevor er abtritt. Vermutlich wird eher umgekehrt ein Schuh daraus.

rainer erich
1 Monat her

Tauschen wir doch den Begriff und nehmen “ bekannt“. Gibt es immer noch Liberalkonservative, welche wie weiland die Anhänger des Gröfaz glauben, dass Merz nichts weiss ? Bzw anders herum , dass Merz , wenn er es wüsste, aber mal so richtig eingreifen würde ? Ich hoffe nicht zum ersten Mal, dass zumindest den etwas kundigeren Micheln der Vorsatz des Herrn klar ist, wie der Vorsatz von Merkel und allen anderen Kartellfunktionären. Man hört es natürlich immer wieder heraus, dieses verdaechtige Narrativ des Unvermögens, des sich dahinter verbergenden guten Willens, wobei die damit verbundene Unkenntnis der Machthaber pathologisch waere, IQ… Mehr

Fulbert
1 Monat her

Und dann die immer noch erhobene lächerliche Forderung, Deutschland müsse attraktiv für Arbeitskräfte aus dem Ausland bleiben. Wo sollen die eigentlich arbeiten? Es gibt ja bald nicht einmal mehr genügend Stellen für die eigenen Fachkräfte. Wenn jetzt noch eine internationale wirtschaftliche Krise auftauchen sollte, dann darf man tatsächlich 100 Jahre zurück schauen.

Kontra
1 Monat her

Gastro? Da war doch mal was…..“ohne 2 G kommst du hier nicht rein“, „AfDler werden nicht bedient“ usw. . Mein Mitleid hält sich in überschaubaren Grenzen. Der Bundes Lars hat ja die Mwst Senkung heute auch schon wieder eingesammelt. Prost-Mahlzeit!

wat nu
1 Monat her

„Merz spielt auf Zeit“
Das glaube ich auch. Abgesehen von dem unerträglichen Habitus des Krampflers, glaube ich nicht, dass er sich nur bis zum Ablauf der Legislatur durchmogeln will.
Ich nehme an, dass er schlicht den Befehl zum Stillhalten von seinen abgewählten Freunden der Democrats bekommen hat.

Mocha
1 Monat her

Erst Merkel, Scholz, Habeck und nun Merz und Klingbeil. Das wird nix mehr, rette sich wer kann.

Amadeus
1 Monat her
Antworten an  Mocha

Exakt, sonniger Gruß aus Kapstadt, südafrikanischer Wein und Popcorn stehen bereit…

Rainer Schweitzer
1 Monat her

„Doch eine tatsächliche Kehrtwende in der Politik, ein Ende der Regulierung, der hohen Fiskallasten, des Migrationschaos oder der grotesken Klimaregulierung, die alle Elemente des Konsumentenverhaltens beeinflussen, ist vorerst nicht in Sicht. Die Politik zeigt keinerlei Bereitschaft, den Kurs zu ändern.“

Wozu auch? Vgl. die Ergebnisse der Sonntagsumfragen, CDU/CSU + SPD + Grüne. Und wenn das nicht genügt, käme Die Linke noch hinzu. Daß die CDU/CSU sich notfalls sogar zum Steigbügelhalter der umbenannten SED herabwürdigen würde, hat sie in Thüringen ja hinlänglich bewiesen. Solange die AfD nicht stärker als alle diese zusammen ist, wird sich tatsächlich gar nichts ändern.

Biskaborn
1 Monat her
Antworten an  Rainer Schweitzer

Sie bringen es auf den Punkt!

Benedictuszweifel
1 Monat her

Wie: Die Politik zeigt kein Zeichen, diesen suididalen Prozess zu beenden??? „Die“ aktuelle Regierungs- die: UnsereDemokratie- Politik (Politiker bzw. Parteien) haben sich noch nie an die Macht geputscht. „Diese“ katastrophale Politik wurde von der überwältigenden Mehrheit der Bürger immer und immer wieder per freier und geheimer Wahlen exakt so bestellt! Und wäre kommenden Sonntag wahl, würde eine satte Mehrheit der Bürger wieder so wählen: Die UnsereDemokratie. Das sind die einzigen Schuldigen: Die überwältigende Mehrheit der Souveräne, der Chefs dieser Demokratie (= Herrschaft des Volkes). Wer sich als Chef einer Wurstbude vom lügenden und betrügenden Angestellten „befehlen“ lässt, ihn nicht auszutauschen… Mehr

Anne W
1 Monat her

Das dürfte ihm im Ansatz bewusst sein.
Ist aber nicht sein Ding, hilfreich mit wirklichen Reformen und Reduzierung der „Einwanderungsströme“ entgegen zu wirken.

Das ergäbe zu viel „Gegenwind“ (von NGOs, den Mainstream Journalisten, der SPD, den Linken etc.) und das sowieso kaum vorhandene Rückgrat liesse ihn jäh nach hinten kippen.

Last edited 1 Monat her by Anne W
Ho.mann
1 Monat her

„Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!“ Lügen, Manipulation und Opportunismus sind Fachgebiete, die Merz ja bestens beherrscht.