Mit der „Strommarktreform“ direkt in die Planwirtschaft

Berlin will auf dem Strommarkt einen „Basisverbrauch“ definieren und Brüssel mit einem „Binnenmarkt-Notfallinstrument“ die Produktion bis auf die Unternehmensebene hinunter regulieren. Die Politik kann nicht genug bekommen vom süßen Gift des Interventionismus. Von Ulrich van Suntum

IMAGO / Political-Moments
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, 29.08.2022

Mit dem Interventionismus ist es wie beim Alkohol: Erst nippt man nur ein bisschen dran, dann kommt man auf den Geschmack, und am Ende kann man gar nicht mehr genug davon bekommen. Ein abschreckendes Beispiel für diesen Mechanismus ist die EU. Ursprünglich war sie einmal als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gestartet, mit klar marktwirtschaftlichen Zielen und auch durchaus erfolgreich. Bleibende Verdienste waren die Liberalisierung des Binnenmarktes und die Privatisierung früherer Staatsmonopole wie Eisenbahn, Post und Energieversorgung.

Aber dann ging es los mit dem süßen Gift des Einmischens in alles und jedes: Ob Umwelt, Arbeitsmarkt, Soziales, Einwanderung oder Gesundheit – überall glaubten die Brüsseler Bürokraten reglementieren und harmonisieren zu müssen. Nicht nur die nationale Souveränität der Mitgliedsstaaten ging dabei über die Wupper, sondern immer mehr auch der ursprüngliche liberale Denkansatz. 

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Mittlerweile kann in der EU kaum jemand noch das Wort Marktwirtschaft auch nur buchstabieren. Bei Kommissionspräsidentin von der Leyen reicht der aktive Wortschatz diesbezüglich bestenfalls bis Kita. Dabei steht die Soziale Marktwirtschaft sogar als verpflichtendes Element der EU-Politik sowohl im Vertrag von Lissabon von 2009 (Art. 3 Abs. 3) als auch im Maastrichter Vertrag von 1992 (Art. 3a). Das war damals dem Einfluss der Deutschen zu verdanken. Wir haben uns aber mittlerweile selbst von unserem Erfolgsmodell verabschiedet und huldigen stattdessen anderen Idealen, insbesondere dem Klimagott. Das gilt auch für die CDU, die längst wieder zum Herz-Jesu-Sozialismus ihrer unmittelbaren Nachkriegsgeschichte zurückgekehrt ist. Mittlerweile kann man schon froh sein, wenn die Mitglieder Ludwig Erhard nicht mit Heinz Erhardt verwechseln. Auch Friedrich Merz springt inzwischen auf jeden links-populistischen Zug auf, den er noch erwischen kann. So will er neuerdings den Strompreis durch staatliche Intervention „vom Gaspreis abkoppeln“, sprich staatlich regulieren. Womit wir beim aktuellen Thema sind. 

Denn die EU und die Ampel starren inzwischen panisch auf die explodierenden Energiekosten, die sie zu einem guten Teil selbst zu verantworten haben. Statt aber die Ursachen anzugehen und endlich alle verfügbaren Energiequellen zu nutzen, hantieren sie mit Preiskontrollen, Rationierungen und inflationsfinanzierten „Entlastungsprogrammen“. Dass solche Planwirtschaft noch nie irgendwo funktioniert hat, wird dabei einfach ausgeblendet. Hauptsache, man kann den Wählern Tatkraft und soziale Gerechtigkeit vorgaukeln. In Wahrheit aber versinken wir so immer weiter im Sumpf von Bürokratie und Misswirtschaft.

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Ein Beispiel: Im Strommarkt richtet sich der Preis wie auf allen anderen Märkten stets nach den Kosten des letzten und teuersten Anbieters. Wer billiger als zu diesen sogenannten Grenzkosten produziert, erzielt entsprechende Gewinne. Wer noch teurer produziert, kommt gar nicht erst zum Zug. Auf den Energiemärkten nennt man das Merit Order, aber das gleiche Prinzip gilt ganz generell und automatisch auf allen freien Märkten. Und es hat auch seinen guten Sinn. Denn die Grenzkosten zeigen an, was es kosten würde, noch eine weitere Einheit von dem Gut zu produzieren. Und der Marktpreis sagt uns umgekehrt, was die Verbraucher für eine weitere Einheit Strom bezahlen würden. Wenn beides übereinstimmt, ist das gut. Denn noch mehr von dem Gut herzustellen, würde dann mehr kosten, als es an Nutzen bringt. So einfach und genial funktionieren Märkte, wenn man sie nur lässt. 

Aber da sind Scholz, Habeck und Ursula von der Leyen davor. Keiner von den dreien hat jemals auch nur ein Semester Ökonomie studiert, aber sie glauben es trotzdem besser zu wissen. Jetzt sollen die Gewinne der kostengünstigsten Anbieter (irgendwie) „abgeschöpft“ und damit der Strompreis heruntersubventioniert werden. Allerdings nur für einen vom Staat festgelegten „Basisverbrauch“. Wer mehr Strom benötigt, soll weiter den Grenzkostenpreis zahlen. Klingt gut, ist aber Murks.

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Denn damit sind wir in einer Zuteilungswirtschaft mit all ihren aus den sozialistischen Länder bekannten Problemen: Wie soll man zum Beispiel den „Basisverbrauch“ von Privathaushalten und Unternehmen gerecht definieren? Nach Personenzahl, Quadratmetern, Art der Heizung oder was immer einem dazu noch einfallen mag? Und wie verhindert man Umgehungen, Korruption und Manipulationen, etwa durch falsche Angaben? Wieso erhalten überhaupt Nicht-Bedürftige eine Strompreisermäßigung, statt den Knappheitspreis wirken zu lassen und stattdessen nur Bedürftige gezielt mit höheren Transferleistungen zu unterstützen? Wie rechtfertigt sich eine Sonderabschöpfung allein für Stromanbieter, wo doch Gewinne ohnehin schon stark besteuert werden und auch anderswo oft ungewöhnlich ausfallen? Vor allem aber: Wie wirken sich solche Eingriffe langfristig auf die Anreize für Unternehmen und Haushalte aus, kostengünstig zu produzieren und sparsam mit knappen Gütern umzugehen?

Die EU will das Interventions-Rad aber noch viel weiterdrehen. Mit einem neuen „Binnenmarkt-Notfallinstrument“ soll künftig die Produktion und Lagerhaltung von aus ihrer Sicht wichtigen Produkten bis auf die Unternehmensebene hinunter reguliert werden. Für Halbleiter gibt es bereits entsprechende Instrumente, nun sollen sie auf alle möglichen anderen Produkte wie etwa LED-Leuchten, seltene Erden und natürlich auch Gas und ÖL ausgeweitet werden. Wie immer beginnt es erst mit scheinbar harmlosen Informations- und Frühwarnsystemen. Darauf folgen dann schon bald direkte Vorschriften, wer was in welcher Menge zu produzieren bzw. vorzuhalten hat. Am Ende weiß dann niemand mehr, was die Dinge wirklich kosten und wie viel davon wirklich benötigt wird. Mangel, Fehlinvestitionen und schwarze Märkte bestimmen dann das Bild.

All das hatten wir schon mal, bis Ludwig Erhard dem mit der Preisfreigabe am 20. Juni 1948 ein schnelles und verdientes Ende bereitete. Heute würde er sich im Grab umdrehen, und ein neuer Erhard ist leider nicht in Sicht.  


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Kommentare ( 23 )

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R.Baehr
1 Jahr her

Diese EU ist hoffentlich bald Geschichte und bei so einer wie da oben auf dem Bild die weder gewählt ist, noch irgendetwas kann, beherrscht oder überhaupt begreift, sondern nur abgehoben größenwahnsinnig geworden ist, kann das gar nicht schnell genug gehen. Wann begreift der deutsche Bürger endlich, das dieser ganze Verein nur seinen erarbeiteten Wohlstand vernichten will, und er die Brüsseler Hohlköpfe wohl lebenslang durchfüttern muss.

horrex
1 Jahr her

Na klar spukt denen – als Ideal – die Planwirtschaft im Kopf rum.
Nicht „umsonst“ wurde jede schuliche Ausbildung/Aufkläung in Sachen Witschaft gründlichst sabotiert (siehe all die zig angeblichen Schulreformen des „langen Marsches durch die Institutionen“). Stattdessen irgendwas mit „sozial“ als grandioses Ideal als Non-plus-ultra propagiert, als „Modernität“, als „Zeichen der Zeit“ ins Schaufenster gestellt.

Übrigens:
Selbst hier haben garnicht Wenige und sehr lange nicht begriffen, dass GRÜN – und zwar von Anfang an – ganz eindeutig nicht nur Rot, sondern sogar Knallrot bedeutet. (Siehe nur z.B. Trittins und Kretschmers „Herkommen“.)

GefanzerterAloholiker
1 Jahr her

Bleibende Verdienste waren die Liberalisierung des Binnenmarktes und die Privatisierung früherer Staatsmonopole wie Eisenbahn, Post und Energieversorgung.
Aus meiner Sicht lautet der Satz richtig so:
Bleibende Debakel sind die deutlichen Zeichen eines shithole countries.

  • Teure, unzuverlässige, schmutzige Energie
  • Ausverkauf moderner Technik längst abgeschlossen
  • Überfremdung
  • prekäre Beschäftigungsverhältnisse
  • drakonische Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit
  • alarmierende Preissteigerungen bei Lebensmitteln
  • mangelhafte Währungshoheit und dem entsprechende Verantwortungslosigkeiten im Haushalten
  • Verlust der Bildungschancen und der Zukunft
  • von Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, gar politischem Wettbewerb ist keine Spur mehr über
Last edited 1 Jahr her by GefanzerterAloholiker
Jerry
1 Jahr her

Ein neuer Ludwig Erhard ist nicht in Sicht, das stimmt leider. Wenn ich aber an die Äußerungen unseres „Ministers für Wirtschaft“(!) Robert Habeck bei Maischberger denke, dann aber durchaus wirklich ein neuer Heinz Erhard. Die Auftritte haben einen enormen Unterhaltungswert! Ich frage mich, was Firmenbosse, Manager etc. denken, wenn ein Robert Habeck eine Rede vor ihnen hält? Sowohl in Deutschland als auch in Europa, sitzen nur Leute in politischen Positionen, die in ihren jeweiligen Fachgebieten keinerlei Ausbildung oder Erfahrung haben. Teilweise sogar ganz ohne jegliche Ausbildung, beste Beispiele findet man zuhauf eben bei den „Grünenden“. Solange politische Führungspositionen und Ministerposten… Mehr

Physis
1 Jahr her

Wenn ich dieses Bild der Frau schon sehe, platzt mir die Krempe.
Wahrscheinlich versucht sie gerade mit zwei Händen voll Finger eine Rechnung über Milliarden zu erklären.
Kann die keine Raute? Dann sähe es nämlich zumindest nicht so aus, als dass da gerade Tante Uschi den Kleinen das von den Bienen und den Blumen erzählen würde.

mkraetzschmar
1 Jahr her

Das Modell der Grenzkosten kann man nicht auf Produkte unterschiedlicher Qualität anwenden. Energie aus klassischen Kraftwerken ist von höherer Qualität, weil sie zu einem gewünschten Zeitpunkt geliefert werden kann, was bei Wind-und Solarenergie (weil wetterabhängig) nicht der Fall ist. Nicht ohne Grund ist ein Auto von Mercedes in der Regel teurer als ein Auto von VW, obwohl es sich in beiden Fällen um ein „Auto“ handelt.

Jerry
1 Jahr her
Antworten an  mkraetzschmar

Das Beispiel mit dem Auto sehe ich anders. Ein Mercedes ist deshalb teurer weil es ein „Mercedes“ ist, der Preis entsteht hier nicht, bzw. nicht vollständig, auf Basis der Produktionskosten. Zumindest früher mal war ein Mercedes ein Statussymbol und das hat die Preisbildung massiv beeinflusst. Nicht umsonst lautete ein älterer Werbeslogan von Daimler mal: „Es war schon immer etwas teurer einen besonderen Geschmack zu haben“.

Physis
1 Jahr her
Antworten an  Jerry

Das fällt mir beim sog. Ökostrom auch immer auf.
NOCH fliesst allerdings ein Strom-Cuvée durch unsere Leitungen 😉

max mutzke
1 Jahr her
Antworten an  mkraetzschmar

so ein Quatsch, VW und Mercedes verkaufen auf der ganzen Welt ihre Autos. Warum wohl verkauft Mercedes keine A und B Klasse mehr, weil Sie für diese Fahrzeuge kein Geld verdienen. Die Deutschen meinen noch immer ihr neues Auto von deutschen Hersteller zu kaufen. Wenn einer schlau ist, dann schaut er ganz genau die Firmeninhaber an von beiden Marken. Die Hauptaktionäre lachen sich tot über das deutsche Volk. Beide Konzernen schicken ihre Arbeiter in die Kurzarbeit und der deutsche Michel zahlt das alles. So war es bei der Pandemie und so wird es jetzt in der Energiekrise.

89-erlebt
1 Jahr her

Der Tanker EU ist inzwischen gegen mehrere Eisberge gerammt – Schuldenunion – Asyl – SüdländerSchulden – selbstgeschaffene Inflation uam. Dieser Tanker wird untergehen, da:
– Euro als Treibstoff ihn von innen zerfrisst
– die Inflation das Nord – Süd Gefälle zur Explosion bringt
– die Rohstoffabhängigkeit unbezahlbar ist
– der Zahlmeister absehbar ausfällt und damit der EU Gau eintreten wird.
Und wieder hatten die pöösen Räächten RECHT.

Jerry
1 Jahr her
Antworten an  89-erlebt

Der Tanker ist eigentlich die Titanic. Aber anders als beim echten sinkenden Schiff, brennt bei uns beim Untergang weder Licht noch spielt die Kapelle bis zum Schluss. Rette sich wer kann…

ReneKall
1 Jahr her

Die Energiemärkte sind alles, aber keine freie Marktwirtschaft und das jetzt schon. In freien Märkten könnte keine Grenzkosten festgelegt werden, sondern der Anbieter der den günstigsten Preis bei gleichem Service anbietet, gewinnt. Wer nicht mithalten kann, geht pleite. (Sagt man heute nicht mehr. Gehabeckt sagt man „die verkaufen eben nichts mehr“). Damit wären die ideologisch motiviert, in den Markt eingebrachten Solar- und Windanbieter schon mal weg bzw. hätten nie Fuss fassen können. Stattdessen hat man diese planwirtschaftlich subventioniert. Jetzt werden sie es noch tolldreister treiben, verwundert aber auch nicht, denn es ist in der Tat wie bei jedem Rauschmittel. Aber… Mehr

Hegauhenne
1 Jahr her

Kann man uns solche Bilder, wie oben, nicht endlich ersparen?
Es gruselt mich von Tag zu Tag mehr. Auch die Hirnlosigkeit, die von der neuen Feudalklasse tagtäglich mehr und mehr ausgedünstet wird ist erschreckend.
Wie das wohl kracht, wenn der Ast abbricht, die Blase platzt.
Ach, war doch herrlich zu Meseberg, so gänzlich befreit von jeglicher Realität.
Da konnte man sich mal wieder auf die Schulter klopfen: Wir, die Guten, die Allwissenden, die Zukunftszauberer, wir schaffen das.
Und dann macht’s PÄNG!!!

Harald Kampffmeyer
1 Jahr her

„… und ein neuer Erhard ist leider nicht in Sicht.“

Würde er auftauchen, so würden ihn die Medien als Populisten, Schwurbeler Hetzer und Nazi brandmarken.
Der Verfassungsschutz würde ihn als Delegitimierer des (sozialistischen) Staates unter Beobachtung stellen.