Twitter bleibt für private Nutzer weiter kostenfrei – und offen für Donald Trump

Bereits vor der eigentlichen Übernahme bastelt Elon Musk an der Zukunft von Twitter. Für private Nutzer soll der Dienst kostenfrei bleiben und ein neuer technischer Service kommen. Für Geschäftskunden, vor allem aber für Twitter-Vorstände, könnte Musk indes ungemütlich werden.

IMAGO / Future Image

Elon Musk persönlich hat Entwarnung gegeben: „Twitter will always be free for casual users“, private Nutzer müssen also weiter nichts zahlen, schreibt er – natürlich auf Twitter. Es ist, neben der Ankündigung, die Sperre des früheren US-Präsidenten Donald Trump aufzuheben, die zweite aufsehenerregende Nachricht des künftigen Twitter-Besitzers, noch ehe er es ist.

Der „Kurznachrichtendienst“ ist mittlerweile ein Faktor in der öffentlichen Kommunikation: Politiker, Unternehmen, Behörden, Ministerien oder Fernsehsender nutzen Twitter, um Botschaften zu verbreiten. Damit erreichen sie die Zielgruppe direkt und machen sich unabhängig von Vermittlern wie etwa Zeitungen.

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Den Geldwert dieser gesellschaftliche Funktion von Twitter hat Musk erkannt. Deswegen bezieht der Milliardär ihn in seine strategischen Überlegungen ein. Vor allem in der Frage, wie er die Investitionskosten von vermeldeten 43 Milliarden US-Dollar refinanzieren will. Denn es werde „maybe a slight cost for commercial/government users“ geben. Sprich: Wer mit Twitter Geld verdient oder geldwerte Vorteile erhält, der soll davon etwas an Twitter abgeben.

Das könnte zum Beispiel Zeitungsverlage treffen, die Twitter nutzen, um ihre Inhalte zu verbreiten. Gerade bei Artikeln, die hinter einer Bezahlschranke stehen, ist das bisher ein Ärgernis für Twitter und seine Nutzer. Die Zeitung profitiert, indem sie kostenlose Werbung verbreiten kann. Der Nutzer bekommt nur etwas, wenn er der Zeitung Geld überweist. Twitter selbst geht leer aus. Nachvollziehbar, warum Musk das ändern will.

Auch könnte das Zitieren von Twitter-Beiträgen kostenpflichtig werden. Allerdings nur bei Nutzern mit dem blauen Haken für eine bestätigte Identität. Wobei noch offen ist, wer von beiden zahlen soll: die Medien, die sich über Twitter eine Quelle besorgen, ohne für die Recherche bezahlen zu müssen, oder die Nutzer mit dem blauen Haken, für die Twitter die Aufgaben einer Pressestelle übernimmt.

Klar ist: Musk muss an die Wirtschaftlichkeit von Twitter ran. Denn der anstehende Deal ist auch für den Milliardär nicht ohne: Laut einem Schreiben an die US-Börsenaufsichtsbehörde will Musk 33,5 Milliarden US-Dollar aufbringen. 21 Milliarden Dollar hat er selbst, für 12,5 Milliarden Dollar muss er Kredite aufnehmen. Zudem kommen 13 Milliarden Dollar von einer Investorengruppe, zu der laut der Nachrichtenagentur Reuters auch die Wertepapierhändler von Morgan Stanley gehören. Musk hätte also ein Investitionspolster von 3,5 Milliarden Dollar, das über dem kolportierten Kaufpreis liegt.

Auf dem Werbemarkt schlägt dem neuen Paar Musk/Twitter schon Gegenwind entgegen. NGOs und Stiftungen mit einer inhaltlichen und geschäftlichen Nähe zu den Regierungen Clinton und Obama haben einen offenen Brief geschrieben, in dem sie Konzerne wie Disney oder Coca Cola davor warnen, Werbung bei Musk zu schalten. Musk selbst hat auf Twitter gekonnt auf diese Initiative reagiert: Man solle sich anschauen, wer als Geldgeber hinter diesen Institutionen stecke, um ihre Absichten zu erkennen. Und: Sonnenlicht ist das beste Desinfektionsmittel.

Nur 3 Millionen Dollar kann Musk an den Vorständen sparen, wie T-Online berichtet. Doch an diesen Posten will er ran. Schon allein aus Vergeltung. Anfang des Jahres wehrte sich der Vorstand noch gegen mehr Einfluss Musks auf Twitter – das könnte sich jetzt für die Mitglieder rächen. Bisher erhalten sie laut T-Online Jahresgehälter von bis zu 300.000 Dollar. Er wolle es auf Null runterfahren, kündigte Musk an.

Das kann Gepolter sein. Aber daran, dass er an die Vorstandsposten ran will, lässt der Milliardär nur wenig Zweifel. So schrieb er am Freitag: Er sei zutiefst davon überzeugt, dass alle Manager im technischen Bereich über hohes Technikwissen verfügen müssten. Ein Manager im IT-Bereich, der selber keine Programme schreiben könne, sei wie ein Hauptmann der Kavallerie, der nicht reiten könne. Hört sich so an, als ob er da jemanden oder mehrere in seinem Vorstand im Auge habe. Zumal sich Twitter laut Musk künftig stark darauf konzentrieren werde, Design, Programme und Technik für die digitale Welt zu entwickeln.

Dazu könnte ein Service kommen, der von Twitter-Nutzern schon lange gefordert wird: der „Edit-Button“. Anders als bei Facebook können Twitter-Nutzer ihre Beiträge anschließend nicht mehr korrigieren. Schreibt er „Ihr seit schlau“ statt „Ihr seid schlau“, bleibt das so stehen. Auch wenn die Autokorrektur falsche Wörter in den Text schmuggelt. Das soll der Edit-Button nun ändern. Der offizielle Twitter-Twitter-Account hat dies verkündet. Am 1. April, sodass es viele zuerst für einen Scherz hielten. Aber mittlerweile wurde das Gerücht bestätigt.

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Nun ist eine Edit-Funktion grundsätzlich kein technisches Problem. Das zeigt zum Beispiel Facebook. Aber Twitter lebt von der Interaktion der Nutzer untereinander. Da kann die Edit-Funktion zu einem Problem werden, wenn jemand seinen Beitrag nachträglich ändert. Ein fiktives Beispiel: Jemand verkündet eine erfreuliche, private Nachricht. Zum Beispiel eine Geburt. Daraufhin wird er als Reaktion Glückwünsche und andere positive Beiträge erhalten. Dann ändert er den Beitrag und schreibt stattdessen eine Beleidigung. Die positiven Kommentare würden bleiben, jetzt aber die Beleidigung feiern. In Zeiten linker, jakobinischer Empörungskampagnen kann so etwas Karrieren und Existenzen zerstören.

Eine Lösung könnte sein, dass die ursprünglichen Beiträge sichtbar bleiben oder die Veränderungen nachvollziehbar. Auch eine Lösung, die Eingriffe würden begrenzt, wäre denkbar. Die Änderung könnte auf eine gewisse Zeichenzahl begrenzt sein. Dann ließe sich nachträglich aus einem „udn“ ein „und“ machen, aber der Sinn bliebe erhalten. Auch der Einsatz von Algorythmen wäre möglich.

Bisher verläuft dieser Einsatz primitiv, wie Facebook demonstriert. Die Apostel von Palo Alto fühlen sich berufen, der Welt die wahre Lehre vom Klimawandel zu verkünden. Jeder Beitrag, der sich irgendwie dazu bezieht, wird von Facebook mit Informationen zum Klimawandel versehen. Ein Buzzwort löst einen Vorgang aus – eine innovative Lösung wäre das vielleicht für den C64 gewesen. Es wäre ein schöner Anfang im Stile von Musk, zu zeigen, wie das im Jahr 2022 moderner funktionieren kann.

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Kommentare ( 5 )

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H. Priess
1 Jahr her

Das Editieren, wenn die Autokorrektur mal wieder zugeschlagen hat, finde ich gut. Aber es muß ersichtlich sein worauf sich die Korrektur bezieht. Bei Wiki kann man auch etwas hinzufügen editieren wird aber permanent von Leuten überwacht und gelöscht wenn es bestimmte Themen betrifft. Musk ärgert es, daß es viele prominente Stars gibt die zwar einen Account und hunderttausende Follower haben aber kaum twittern. Viele von denen benutzen Twitter als Werbeplattform und an die will er ran. Das hat er getwittert, ich denke, das ist legitiem. Daran, daß er seine Ankündigungen umsetzt, werde ihn viele messen. Ich hoffe, er zieht das… Mehr

Andreas aus E.
1 Jahr her

Das mit dem Editieren finde ich lustig. Hier bei TE klappt das doch auch, nach Absenden kurz drüberlesen, nötigenfalls korrigieren und gut. Danach bleibt das eben so stehen. Ich hatte vor Jahrzehnt auf privater Homepage mal so ein Forum, da handhabte ich das auch so. Da konnten Nutzer dann editieren wie sie wollten, da war das mit dem Zensurzwang allerdings noch nicht so ausgeprägt und strafrechtlich vermint, da stand dann auch drunter „vom Nutzer editiert dann und dann“, mit erstem Kommentar dazu ging das aber nicht mehr, das blieb dann. Wobei ich natürlich Nutzerwünschen stets entgegenkam. Wenn jemand das Geschriebene… Mehr

Ralf Poehling
1 Jahr her

Zitat:“Musk selbst hat auf Twitter gekonnt auf diese Initiative reagiert: Man solle sich anschauen, wer als Geldgeber hinter diesen Institutionen stecke, um ihre Absichten zu erkennen. Und: Sonnenlicht ist das beste Desinfektionsmittel.“ Dazu ein Link auf Sciencefiles, der hier „Sonnenlicht“ ins Dunkel bringt: https://sciencefiles.org/2022/05/09/auswaertiges-amt-finanziert-ngo-die-gegen-elon-musks-twitter-uebernahme-opponiert-wo-tichy-zu-wenig-einblick-hat/ Eine wunderbare Ergänzung zu den Artikeln hier auf Tichys Einblick! Es sollte jeder nach Lektüre des Artikels und der Kommentare 😉 mal ein wenig googeln, wer hier wem mit welcher Absicht Geld zuschiebt und Musk in die Zange nehmen will. Der Titel des Artikels deutet es ja schon an. Zitat:“Eine Lösung könnte sein, dass die ursprünglichen… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Ralf Poehling
ketzerlehrling
1 Jahr her

Oh weh, in der linksgrünen Welt ist Schnappatmung angesagt. Gleich zwei Klatschen auf einmal haben sie bekommen, vorerst. Weiss der Geier, was noch im Kopf von Musk herumspukt. Er ist nun mal Unternehmer und ein innovativer noch dazu. Den Ònkel Donald wird es freuen, wenn er wieder vom Leder und den Linksgrünen eine überbraten kann. Vielleicht lohnt sich ein Account bei Twitter doch 😉

Biskaborn
1 Jahr her
Antworten an  ketzerlehrling

Bei Twitter reinzuschauen lohnt auf jeden Fall, jetzt erst Recht wenn die Linken vor Wut schnauben.