Pflegenotstand, Überalterung, Migration, Veganismus, Gewalt, Kriegsschuld. Der Wiener Tatort will alles zugleich korrekt abarbeiten und ertrinkt dabei fast im selbst eingelassenen Moralbad. Ein Sonntagskrimi als sozialpädagogische Checkliste, bei dem am Ende nur die Selbstjustiz klarer ist als die Botschaft.
screenshot/ ARD - Tatort
Ohne die großzügige Zurverfügungstellung eines gerade fertiggestellten, blitzsauberen Blindenheims im 14. Wiener Bezirk als Drehort hätte der ORF wohl auch noch den schlechten baulichen Zustand von Alters – und Pflegeheimen thematisch in diesen Krimi einbauen können. Aber auch ohne diesen Punkt, nicht in alphabetischer Reihenfolge: Überalterung, Pflegenotstand, Fachkräftemangel, ICD-Defibrillatoren (siehe Tatort Zürich), Unlauterer Einsatz von Beruhigungsmitteln und Gewalt in der Pflege, Ehrenamt, „Problematische“ Jugendliche, Gewalt in der Familie, Auflösung der Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns und nicht zuletzt Diskriminierung von alternativen Ernährungsformen (Veganismus).
Zwar gibt Ingo Scheel vom Nachrichtenportal n-tv zu, dass in dem Sonntagskrimi „natürlich auch die Themen…eines Sozialdramas im Erklärungsmodus…verabreicht werden,“ aber, so sein Eindruck, „in ansprechender Dosis.“ Dem darf man widersprechen, denn gefühlt wird hier mit wenig Fingerspitzengefühl eine Liste abgearbeitet. Deren Genese könnte man sich ohne viel Fantasie an Hand der Schilderung von Regisseur Harald Sicheritz beim Interview mit dem „Standard“ ausmalen: „die Entscheidung, ob ein Drehbuch verwirklicht wird oder nicht, fällt bei den Damen und Herren vom (Künigl-) Berg (Sitz des ORF, Anm.) in spannenden, geheimen Redaktionssitzungen.“
Anrührend, wie sich die beiden alten Haudeginnen Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) kurz vor dem Ruhestand (nur noch zwei Episoden „Tatort Wien“ bleiben ihnen 2026) vom Drehbuch dorthin dirigieren lassen, wo die Realität des Alterns wie nirgendwo sonst unbarmherzig einschlägt; In der Einsamkeit eines Altenheims. Launig und tiefgehend philosophieren die Beiden über die „Bummerl“ (Wienerisch, in etwa A..-Karte“) des Altwerdens, spielen Karten (Bauernschnapsen, eine Form von „66“) mit den Heimbewohnern und zanken sich um Lutschbonbons.
Im Pflegeheim „Laetitia“ ist der gehbehinderte 73jährige Danijel Filipovic (Roman Frankl) während eines Feueralarms und anschliessendem Stromausfall im gerade für ihn eingelassenen Bad ertrunken. Die Untersuchung ergibt, dass da jemand nachgeholfen hat. Filipovic war nicht grade beliebt, kaufte sich von dem, was abzüglich der 80 % fürs Heim noch von seiner Rente übrigblieb, zum Ärger seiner Tochter Linda (Gabriela Garcia-Vargas) Liebesdienste von Ramona (Claudia Kottal) vom „Studio Happy“. Stritt sich mit dem vorbestraften Serbischen Landsmann Ivica Djuric (Aleksandar Petrovic), der in dem Heim Fusspflege anbot.
Aber reichen solche Querelen, um den hilflos im Badelift hängenden pensionierten Haustechniker in seinem eigenen Badewasser ersäufen zu wollen? Die Ermittler zweifeln, verdächtigen schon Pfleger Horst Windisch (Michael Edlinger) oder die überarbeitete Krankenschwester (Beruhigungsmittelsüchtige Patricia Quiambao, gespielt von Nina Fog) sich hier als „Todesengel“ eines lästigen Patienten entledigt zu haben.
Zwar rücken die finanziellen Probleme von Linda mit ihrer veganen Bäckerei „Veggerl“ (läuft eben nicht “super“) sowie der vom Vater versetzte Schmuck der Mutter und Ivica Djuric’ (trainiert ehrenamtlich eine Judogruppe) Vorstrafen wegen Drogendelikten und Körperverletzung nochmal in den Fokus, aber erst die minutiöse Dokumentation der Bewegungen der Verdächtigen am Tatabend bringt die Lösung. Mit dem von Assistentin Meret Schande (Christina Scherrer) angefertigten Papp-Modell des Pflegeheims (offenbar hat man bei den Wiener „Kieberern“ genug Zeit, Talent und Material für solche Basteleien) gelingt der Beweis, dass sich Bewohnerin Anna (Elfriede Schüsseleder) und Linda im Flur während des Feueralarms nur hätten begegnen können, wenn Anna geradewegs aus dem Badezimmer, also vom Tatort, gekommen wäre.
Kriegsverbrecher im Ruhestand
Anna gibt zu, in Filipovic schon vor längerem einen berüchtigten Folterer aus einem Internierungslager im Bosnienkrieg erkannt zu haben, der dort wegen der Verabreichung von Stromstössen an die Gefangenen den Spitznamen „der Elektriker“ getragen habe. Sie plante, ihn mit einem ins Badewasser geworfenen Fön umzubringen, was aber durch das Auslösen der Fehlerstrom-Sicherung des Heims vereitelt wird. Ihr Freund Fritz (Johannes Silberschneider) gesteht Eisner und Fellner, dass er sich durch Filipovic an seinen brutalen Vater erinnert gefühlt und deshalb den Mord mit geplant und schließlich vollendet habe, in dem er den Hilflosen an den Beinen unter Wasser zog und anschließend den Fön versteckte.
„t-online“ versteht den Tatort als „Anklage gegen ein überlastetes System“ in dem „das Drehbuch gesellschaftliche Widersprüche und Missstände beleuchtet, konkret: den Pflegeberuf als Berufung ohne ausreichende Ressourcen. Denn schon in den ersten Minuten wird deutlich: Hier fehlt Personal, hier fehlt Zeit.“
Rache geniesst man am besten gekühlt
Die wesentlich verkürzte Moral könnte lauten: Die Aburteilung von Verdächtigen sollte man der Justiz überlassen…und wer Selbstjustiz übt, sollte überlegen, ob er dem Täter damit nicht die Buße, die das Leben für ihn bereits ausgeteilt hat, erspart.

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Die Rezension mag den realen Einschaltquoten geschuldet sein, doch im Versuch, substantielles beizutragen: es war zwar nicht immer so, doch wer aktuell seinen Sonntag Abend mit dem TATORT verbringt, vergeudet nicht nur Lebenszeit, sondern setzt sich auch intellektuell beschämender ÖRR-Propaganda aus.
Ein Buch, dessen Autor ja nicht Dick Francis oder Jonathan Coe („Allein mit Shirley“ GRANDIOS) sein muß, oder ein Abendessen mit einem charmanten Menschen – vorzugsweise des gegensätzlichen Geschlechts – bereitet ein vielfachen Lebensnutzen.
Carpe diem!
Einen banalen spannenden Krimi bekommen die Drehbuch-Fuzzis in Deutschland nicht mehr hin. Wer Spannung und intelligente Dialoge will, der muss entweder auf schwedische oder englische Krimis zurückgreifen oder sich bei Youtube alte Derrick-Folgen ansehen. Die Serie war ja der Exportschlager schlechthin, bis nach Japan und China haben es Stephan und Harry gebracht. Dieser Schmu von heute sollte deutsch-österreichische Gefilde nie verlassen. Da muss man sich ja schämen.
Alternativ dazu in den anderen OeRR TV : Politik Talks mit links grün rot Moderator : Innen und handverlesenen Publikum, links verstrahlte Journalist:Innen wie Dunya Ha. .., Politiker wie Friedrich M.. , Lars Kl….beil, Katrin GE..,
alternativ dazu die links grüne Zeitung “ Zeit“ ueber „mutmaßliche Schüsse“ am bondi Beach / Australien….