Peer Steinbrück bei Maischberger: „Ich würde mir eine deutlichere und heftigere Auseinandersetzung wünschen“

Ulrich Wickert, Peer Steinbrück, „Verstehen Sie Spaß?“ und Brandts Ostpolitik. „Maischberger“ wird zum Teil der Retrowelle im Fernsehen. Doch immerhin spricht ein Ehemaliger Klartext – und kündigt schwere Zeiten an.

Screenprint: ARD / maischberger

Ulrich Wickert sitzt in der ARD und redet über Willy Brandts Ostpolitik. Es ist nicht das Jahr 1972, das Raum-Zeit-Kontinuum funktioniert noch und es gibt auch Themen der Gegenwart. Doch Sandra Maischberger setzt jetzt ebenfalls auf die Retrowelle und lädt gerne Ehemalige ein. Wobei dieser Schritt angesichts der Qualität der aktuellen Gäste auch wieder irgendwie nachvollziehbar ist. Zum Beispiel Ulrike Herrmann. Sie ist „Wirtschaftsexpertin der Taz“. Das ist so etwas wie Beauftragter für die Kleiderordnung in der Nacktsauna. Zum Glück suchen ARD und ZDF immer nach Talkshow-Gästen, die stramm grün-linke Positionen vertreten – und folglich ist Herrmann gut im Geschäft.

Einer dieser Ehemaligen auf Maischbergers Gästeliste ist Peer Steinbrück (SPD). Zum Image des ehemaligen Wirtschaftsministers gehören Attribute wie „direkt“ oder „kompromisslos“. Und entsprechend deutlich spricht Steinbrück bei Maischberger: So lässt er das Märchen nicht gelten, dass es durch den Ukraine-Krieg zur Inflation gekommen sei: „Die Inflation ist seit über zwei Jahren angelegt.“ Schuld sei die „ultraexpansive Geldpolitik“ der Europäischen Zentralbank (EZB). Die habe den Markt mit Geld geflutet und so eben zur Inflation beigetragen.

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Angesichts der Inflation geht diese Politik nun zu Ende. Steinbrück zeigt das „enorme Dilemma“ auf, in dem die EZB jetzt stecke. Einerseits könne die Zentralbank die Zinsen nicht zu schnell erhöhen, weil sonst die Haushalte vieler Länder der Europäischen Union vor die Wand fahren könnten – etwa der Italiens. Andererseits ist ihm die „Zinswende zu vorsichtig“. Zumal die US-amerikanische Zentralbank die Zinsen viel aggressiver erhöhe, was wiederum den Euro unter Druck setze. Mit entsprechenden Folgen: Kapital fließt in die Vereinigten Staaten ab und die Exportpreise steigen.

Ohnehin prognostiziert Steinbrück den Deutschen schwierige Zeiten: „Das Wohlstandsparadigma der Bundesrepublik Deutschland steht deutlich in Frage.“ Die Zeiten des Wachstums seien vorbei, viele schwere Aufgaben zu schultern: die Folgen von Corona, der Klimawandel, bezahlbares Wohnen, die Digitalisierung oder der Zustand der Schulen. In seiner Ukraine-Politik hat Steinbrück Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch verteidigt. Doch als Regierungschef versäume er es bisher aus Steinbrücks Sicht, den Deutschen deutlich zu sagen, was auf sie zukomme. Zumal es gravierende Maßnahmen brauche, um die Aufgaben zu bewältigen. Steinbrück schlägt den Abbau überflüssiger Subventionen oder die Erhöhung der Erbschaftsteuer vor: „Ich würde mir eine deutlichere und heftigere Auseinandersetzung über solche Fragen wünschen.“

Ein Blick auf Twitter zeigt: Was Steinbrück sagt, kommt gut an. Warum ist dann also Scholz Kanzler und nicht Steinbrück, der 2013 antrat, aber deutlich gegen Angela Merkel (CDU) verlor? Ein Bild, das die Redaktion einspielt, erklärt, warum es so ist. Es zeigt Aufnahmen einer Fotorubrik aus der Süddeutschen Zeitung, in der Politiker Aussagen per Gesten machen. Scholz ist mit der Merkel-Raute zu sehen, Steinbrück mit dem erhobenen Mittelfinger. „Das Foto hat mich zwei Prozent gekostet“, räumt der gescheiterte Kandidat ein. Heute. Die Aggressivität sei bei den Älteren nicht gut angekommen.

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Steinbrück unterhält. In der Talkshow. Als Ehemaliger. Wählen tun die Deutschen das aber nicht. Zweimal ist er angetreten – einmal im Bund, einmal in Nordrhein-Westfalen. Gewählt haben die Menschen ihn nie. In all seine Jobs ist er durch die Partei gekommen. Gewählt haben die Deutschen Scholz, den Vizekanzler Merkels. Und wenn auch jetzt Journalisten wie die aktuelle Taz-Autorin Herrmann und der ehemalige Tagesthemen-Moderator Wickert sich bei Maischberger über das „Scholzen“ lustig machen. Dieses Hin und Her zwischen Waffen versprechen, aber nicht liefern und dann doch, aber nur teilweise, dieses Scholzen, dieses Unentschlossene ist das, was die Deutschen offenbar wollen.

Sogar das ermüdende Spekulieren darüber, was Scholz gesagt und wie er es gemeint hat, schauen sich seit Monaten zwischen 1,5 und 4 Millionen Menschen Woche für Woche in den Talkshows an. Wenn Steinbrück, der Ehemalige, Klartext einfordert, applaudiert ihm das Publikum – würde es aber ein aktiver Politiker all zu deutlich aussprechen, wäre seine Karriere tot. Und so hat dann ein Land auf Realitätsflucht auch die Unterhaltung, die es verdient. Dazu gehört ein „Uli“ Wickert, der erzählt, dass er ja lange in Frankreich gelebt hat, der Willy Brandts Ostpolitik erörtert, von seiner Zeit in Frankreich erzählt und sich für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke ausspricht.

Am Schluss geht es um „Verstehen Sie Spaß?“. Die Show wurde früher von einem Mann moderiert und war unlustig und altbacken. Jetzt ist alles anders. Die Show wird von einer Frau moderiert. Barbara Schöneberger erzählt, was Unterhaltungsleute immer erzählen, wenn sie in politische Talkshows eingeladen werden, nämlich das mit den schweren Zeiten und der nun benötigten Abwechslung. Man könnte wunderbar dabei einschlafen, wenn Schöneberger nicht in so einer extrem unangenehmen Stimmlage sprechen würde. Immerhin ist der Einspieler nett: Marcel Reich-Ranicki ist zu sehen und rundet die Retrowelle bei Maischberger würdig ab.

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Kommentare ( 31 )

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Fieselsteinchen
1 Jahr her

Ließ Herr SPD-Steinbrück gestern nicht auch verlauten, dass er das Volk als „träge“ empfinde? Alle Ereignisse, die jetzt auf Deutschland einprasseln, sind das Resultat von ideologiebehafteter, unfähiger, auch korrupter Politik. In welcher Kategorie sehen Sie sich, Herr Steinbrück? Seit langem wurde vor den Folgen der sog. Energiewende gewarnt (eingeleitet von der SPD, fortgeführt von der Uckermark-Raute). Corona-Maßnahmen sollen im Herbst weitergehen, Milliarden in den Sand, nein in der Mainzer Goldgrube versenkt. Und dann noch Gelder für Indien (Elektromobilität), Afghanistan (Demokratie der Taliban), China (Entwicklungshilfe), Äthiopien (Zirkusprojekt) usw., usw. Von dem sich seit 2015 in Deutschland aufhaltenden Personenkreis, Clans gar nicht… Mehr

tomo
1 Jahr her

Erbschaftssteuer ist überfällig, die Amis und alle! anderen Industrieländer schütteln nur den Kopf! Leider hält der Deutsche die Wahrheit nicht aus, siehe Bärbock oder Habeck.
Manchmal verzweifle ich, erst wird zu viel gelogen, dann Klartext. Beides will der meckernde Deutsche nicht.
Angst vor Fakten hat noch keinen Unfall verhindert, auch das wegsehen macht das Geschehene nicht ungeschehen. Es ist eine bittere Zeit und das ist einer dieser Fakten.
Einfach auf unsere deutschen Denker hören, z.B. Immanuel Kant „Kritik der reinen Vernunft“.

Jens Frisch
1 Jahr her

„…die Folgen von Corona, der Klimawandel, bezahlbares Wohnen, die Digitalisierung oder der Zustand der Schulen.“

Das mit dem bezahlbaren Wohnen wäre ganz einfach zu bewerkstelligen: Alle illegal Eingereisten, alle Bigamisten und Polygamisten, alle DiTiB Erdogan „Soldaten“ und alle anderen Krimenellen aus dem Land werfen und wir haben von heute auf morgen 2-2,5 Millionen freie Wohnungen.

Man wird doch noch träumen dürfen…

EinBuerger
1 Jahr her

Zumal es gravierende Maßnahmen brauche, um die Aufgaben zu bewältigen. „:
Seit Jahrzehnten „lösen“ die Politiker unsere Probleme. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese gravierenden Maßnahmen irgendeine Art von Lösung bringen.
Meine Meinung: Keine Art von Maßnahme kann irgendeine Lösung bringen, weil sich die Leute doch noch nicht mal über die „Probleme“ einig sind. Und sie noch nicht mal aussprechen dürfen. Aber ohne Analyse kein Lösung. Niemals.

usalloch
1 Jahr her

Der umtriebige Herr Steinbrück ist ein „respektabler“ Mann. Wer es schafft neben seinem Amt noch jährlich ca. 500 000 Euro durch Vorträge abzugreifen, hat den Sozialismus sehr gut interpretiert. Schade das er nicht Kanzler geworden ist. Er wäre in der Lage gewesen, zeitgleich seine Memoiren zu veröffentlichten.

Endlich Frei
1 Jahr her

Die Inflationsquote in der Schweiz, die mit genau den selben äußeren Faktoren zu kämpfen hat, beträgt aktuell lediglich 2,9% ggü. rund 8% bei uns. Das Hauptproblem der Inflation hierzulande liegt weder in der Pandemie noch im Ukraine-Krieg. Während sich die Bilanzsumme der Schweizer Nationalbank seit 2019 lediglich um 20 Prozent ausgedehnt hat, ist es bei der EZB im selben Zeitraum Zeitraum fast 90 Prozent (Erhöhung von 4,7 auf 8,8 Billionen Euro). Zudem hat die Inflation bereits vor dem Krieg kräftig an Fahrt aufgenommen. Mit ihrer Geldschwemme hat die EZB die Preise systematisch getrieben. Dazu kommen gewaltige energiepolitische Fehler und mangelnde… Mehr

Endlich Frei
1 Jahr her

Herr Steinbrück als ehemaliger Protagonist derregulierter Geldmärkte war zusammen mit seinem ehemaligen Finanzsekretär Jörg Asmussen der Architekt der deutschen Finanzkrise-I und somit selbst ein wesentlicher Faktor für die Zustände, welche die Geldpolitik ins Straucheln brachten.

Iso
1 Jahr her

Schlimm genug, dass Maischberger jetzt 2-mal die Woche funkt. Wenn jetzt aber noch Leute aus der Versenkung geholt werden, die auch nochmal absenfen dürfen, dann lassen Sie das Fernsehgerät besser aus und tun Ihre verdammte Pflicht. Strom sparen!

Kristallo
1 Jahr her

Steinbrück führt als erster vor, wie sich demnächst alle vom politischen Versagen der Vergangenheit distanzieren werden, – um dann fröhlich weiterwurseln zu können!

littlepaullittle
1 Jahr her

Finanzminister (?) Steinbrueck wollte auch mal die „Kavallerie“ in die Schweiz schicken, weil diese nicht so „spurte“, wie er sie einpeitschte. Das hat die Schweiz nie verziehen.
Und dass der deutsche Staat als Hehler illegaler Steuerdaten agierte, fiel auch in seine Regie. (Das mag populistisch erfolgreich sein, aber juristisch freute sich jeder Dealer …… )
P.S. Die Inflation hat nicht erst seit 2 Jahren begonnen, da EZB bereits sehr viel laenger mit Dr. Merkel den Geldhahn aufdreht. Plus die Nutzlosigkeiten fuer Migration, Corona, etc.