Jean-Luc Picard

Picard ist der Vater, der große Bruder oder der Freund, der Gesprächspartner, der Lehrer, der Ratgeber oder auch der moralische Prüfstein, den sich fast jeder von uns in manchen Situationen seines Lebens wünscht – oder wünschen sollte.

Screenshot: Youtube

Kann ein Raumfahrerkapitän in einer fernen, fiktiven Zukunft, die gestern erfunden wurde, Inspiration und Anleitung für ein Dasein im Hier und Jetzt liefern? Bei den Raumfahrern handelt es sich um die Sternenflotte. Sie fliegt durch die ferne Zukunft, in der die Abenteuer des neuen Raumschiffs Enterprise spielen und in denen Captain Jean-Luc Picard die neue Enterprise befehligt; gedreht wurde von 1987 bis 1994.

Je höher und irrationaler die Hysterie um alles und jedes Nichts in den letzten Wochen und Monaten gekocht ist, je mehr Beleidigungen gefallen sind von unseren politischen Eliten und den Medien, desto stärker wünscht man sich eine kühl analytische, logisch überlegte Person wie die des Captains der Sternenflotte, aus dem 24. Jahrhundert herbei/zurück. Das macht die Figur vom Serienhelden seiner Zeit zum Klassiker.

Die Figur des Jean-Luc Picard ist eine der herausragendsten, die man in der Film- und Seriengeschichte finden kann. Wie viel von ihrem Darsteller Sir Patrick Stewart, Mitglied der Royal Shakespeare Company, in sie hineingeflossen ist, wie viel von ihm selbst tatsächlich in Jean-Luc Picard steckt, das konnte man vorzüglich an an seiner wahrhaft überragenden und stillen Performance im Rahmen der medialen Hysterie um die „Ice Bucket Challenge“ erkennen. Wir erinnern uns: Übergieße Dich mit einem Kübel Eiswasser – oder spende.

Jean-Luc Picard ist der Captain des neuen Raumschiffs Enterprise, „das viele Lichtjahre von der Erde entfernt ist, um fremde Welten zu entdecken, unbekannte Lebensformen, neue Zivilisationen.“

Die „neue“ Enterprise fliegt mit Warp-Geschwindigkeit durch den Alpha-Quadranten der Galaxie, in der Serie „Star Trek – The Next Generation“, die rund acht Jahrzehnte nach der originalen Serie „Star Trek“ spielt.

Picard ist der Vater, der große Bruder oder der Freund, der Gesprächspartner, der Lehrer, der Ratgeber oder auch der moralische Prüfstein, den sich fast jeder von uns in manchen Situationen seines Lebens wünscht – oder wünschen sollte. Er verkörpert die Vernunft, das Wissen und das Streben danach, die Weisheit und die Suche nach ihr. Das Gute und das Gerechte. Den Dialog. Den Mut und die Loyalität. Die Integrität. Die Größe.

Mit einer Serie wie „The Next Generation“ aufgewachsen zu sein und einer Leitfigur wie der des Jean-Luc Picard, bedeutet eine gewisse Form von innerem Reichtum. Die Figur hat begleitet, über das Gesagte wurde reflektiert. Die Dialoge und die Handlungen mancher Folgen waren von einem philosophischen Tiefgang, den man als früher Teenie noch nicht in Gänze erfassen konnte. Aber man ahnte – da ist was Großes.

Man wusste auch, man kann nie genau so werden. Aber Commander Data, eine Figur aus der Serie, der Android, der so gerne menschlich sein möchte, sagte in einer Folge so treffend: „Dabei ist es nicht wichtig, dass wir das angestrebte Ziel nicht erreichen. Der Weg ist der Lohn für uns.“ Das Bemühen um das Leben dieser Werte, das ist das Erstrebenswerte, was uns ruft und leitet.

Picard verliert sehr selten die Contenance – wenn, dann meist durch Q. Das ist ein höheres Wesen, das zwischen Zeit und Raum existiert und in der Lage ist, Galaxien zu bewegen, zu verkleinern, Planeten aus der Bahn zu kugeln oder sich alleine oder gemeinsam mit anderen vor- und rückwärts durch die Zeit zu bewegen. Leider stellt er damit die Crew der Enterprise und sein spezielles Lieblingsexemplar der Gattung Mensch, Picard und seine Nerven auf harte Proben, indem er ihn und die Mannschaft großen Gefahren aussetzt.

Oder auch in der Gegenwart von Kindern wirkt Picard oft unbeholfen, ungeduldig, harsch und verschlossen, Kinder sind ihm suspekt. Sich auf sie einzustellen, gar mit Verniedlichungen beruhigend auf sie einzuwirken, das ist ihm fremd. Aber es ist eine schöne Herausforderung, die an den doch nicht vollkommenen Charakter gestellt wird. Es gibt doch noch ein paar Hürden auf dem Weg zur Perfektion. Beruhigend.

Innerhalb einer einzigen Folge fallen oft Zitate, die einen ein Leben lang begleiten sollen. In „Das Standgericht“ geht es um die sich permanent ausweitenden Untersuchungen zu einem Sabotage-Fall an Bord des Raumschiffs. Eine Sonderermittlerin, Admiral Satie, kommt an Bord, um Befragungen durchzuführen. Im Zuge dieser Ermittlungen, die auch von einzelnen Mitgliedern aus Picards Crew unterstützt werden, weitet Admiral Satie ihre Verdächtigungen und Beschuldigungen aus, klare Beweislagen werden von ihr ignoriert. Beinahe in einer Art Wahn versucht sie einen weiteren Verdächtigen als Schuldigen zu überführen. Picard stellt sich ihr entgegen, obwohl es in diesem Moment bedeutet sich mit den Obersten der Sternenflotte anzulegen:

  • „Wissen Sie, als ich ein Schuljunge war, habe ich einige Worte gehört: ‚Mit dem ersten Glied ist die Kette geschmiedet. Wenn die erste Rede zensiert, der erste Gedanke verboten, die erste Freiheit verweigert wird, sind wir alle unwiderruflich gefesselt‘.“
  • „Oh ja. So fängt es an. Aber der Weg von einem legitimen Verdacht zu blindem Verfolgungswahn ist weitaus kürzer als wir denken.“
  • „Schurken, die ihre Schnurrbärte zwirbeln sind leicht zu erkennen, aber diejenigen, die sich in gute Taten kleiden, sind hervorragend getarnt. Wachsamkeit Mr. Worf, das ist der Preis den wir kontinuierlich für unsere Freiheit zahlen müssen.“
  • „Wir glauben, dass wir so weit gekommen sind. Folter von Ketzern, Hexenverbrennungen, das alles ist Geschichte. Dann – in einem Augenblintzeln – droht es plötzlich wieder von vorne anzufangen.“
  • „Das ist, wie es beginnt. Doch der Weg von legitimem Verdacht hin zu grassierender Paranoia ist sehr viel kürzer, als wir denken. Hier stimmt etwas nicht, Mr. Worf. Ich mag nicht, was wir geworden sind.“ (→ Video)

So vieles von dem spielt sich auch immer stärker und schneller in den letzten Monaten ab, verselbständigt sich. Ganz ohne Raumschiff. Dafür mit ganz viel Paranoia. Und was man von Oberen – ob Politik oder und Medien – hierzulande durchaus erwarten darf, ist, dass sie sich nicht dümmer anstellen als die Menschen, die sie als „Chaoten“, als „Pack“ diffamieren und einer „geistigen Brandstiftung“ überführen wollen. Es ist schlimm, dass man sie daran erinnern muss. Einmal Gesagtes lässt sich schwer wieder zurücknehmen. Beleidigungen sind, einmal ausgesprochen, nicht mehr zurückzunehmen.

Eine mediale Hexenjagd, an der sich bereitwillig Mitmenschen beteiligen in der Form, dass sie Aufrufen folgen, ihre Freundeslisten zu säubern. Diejenigen, die sich in gute Taten kleiden, sind hervorragend getarnt. Und in einem Augenblinzeln fängt alles wieder von vorne an.

Aber wer ist Captain Picard heute, wer übernimmt seine Rolle?

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