Bei Illner: War der Atomausstieg doch ein Fehler?

Bei Illner wird die Energiepolitik zerpflückt. Nur: Warum erst jetzt? Musste Deutschland erst international abgehängt werden, damit das ZDF merkt, dass man einem Wirtschaftsland nicht den Strom abschalten kann? Mussten die Preise erst durch die Decke gehen, damit der Atomausstieg hinterfragt wird?

Screenprimt: ZDF / Maybrit Illner

Maybrit Illner ist braungebrannt aus der Sommerpause zurück. Aber zum Glück geht es hier ja nicht um „Klimaschutz”, sondern um die Frage: „Deutschland abgehängt – Warum wächst die Wirtschaft nicht?“ Wobei die Antwort darauf zumindest zum Teil doch wieder „Klimaschutz” wäre. Und am Ende wird es dann irgendwie auch doch noch um „Klimaschutz” gehen. Die fünf Gäste der Sendung kann man folgendermaßen zusammenfassen: drei Unternehmer und zwei Theoretiker, drei Politiker und zwei Neutrale, zwei in Regierungsverantwortung und zwei Präsidenten von Verbänden und Instituten.

Verena Hubertz (SPD) ist stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und frühere Unternehmerin. Claus Ruhe Madsen (CDU) ist Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein – Sie kennen ihn vielleicht noch aus den ewigen Corona-Folgen, in denen Madsen noch als Oberbürgermeister von Rostock am Start war, auch er ist langjähriger Unternehmer. Veronika Grimm, Ökonomin und „Wirtschaftsweise“, Marcel Fratzscher dagegen wird als Ökonom und Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aufgelistet und Marie-Christine Ostermann ist ihres Zeichens Unternehmerin und Präsidentin des Verbandes „Die Familienunternehmer“.

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Als erstes bekommt das Wort die Vertreterin der Kanzlerpartei (SPD, falls Sie’s vergessen haben, Olaf Scholz vergisst ja auch gern mal) Verena Hubertz. Bei ihr, das wird man noch an mehreren Stellen merken, spricht mehr die Politikerin als die Unternehmerin. Eins muss man der SPD aber lassen, sie zeigt in ihren Ausreden Konsequenz. Die Wirtschaft in Deutschland ist nicht unbedingt rosig, aber sie könnte ja auch schlimmer sein. Erinnert das nur mich an „Die Coronazahlen sind hoch, aber ohne Maßnahmen wären wir schon alle tot“? Was mich an dieser Argumentation immer so verblüfft, ist, wie sehr sie mich an den Religionsunterricht erinnert. Auf die Frage, wie Gott so viel Leid auf der Welt zulassen kann, wurde da geantwortet, dass es ja noch schlimmer wäre, wenn Gott uns nicht retten würde. Eins haben Gott und die Regierung gemeinsam: Man muss dran glauben.

Auch konsequent bleibt Claus Ruhe Madsen. Als Bürgermeister von Rostock war er vor allem in der Corona-Politik immer für mehr Digitalisierung und weniger Bürokratie. Immerhin ist er das in Bezug auf die Wirtschaft nun immer noch. Auf die Frage, ob Deutschland der kranke Mann Europas sei, antwortet er: „Ich würde nicht vom kranken Mann sprechen, möglicherweise vom dicken Mann.“ „Ein bisschen übergewichtig“, wirft Illner ein, vielleicht um es politisch korrekter auszudrücken. „Ja, wir haben viel zu viel Bürokratie, Gesetze, Verordnungen. Es macht ja vielen Unternehmerinnen und Unternehmern kaum noch Spaß, Unternehmer zu sein.“

Als nächstes kommt die Präsidentin des Verbandes der Familienunternehmer Ostermann zu Wort: „Wir sind von den Kosten her einfach viel zu teuer, zu hohe Energiepreise, dann der krasse Arbeitskräftemangel, wir sind bei Innovationen rückständig und hinken hinterher. Das liegt daran, dass wir im Prinzip seit über 15 Jahren keine strukturellen Reformen in diesem Land erlebt haben, die uns wieder wettbewerbsfähig gemacht hätten.“ Sie spricht von weniger Subventionen und dafür Steuersenkungen, damit sich arbeiten wieder lohnt.

Unterschwellig kann man bei ihr auch Kritik an dem Atomausstieg raushören. Nicht nur unterschwellig kritisiert ein Einspieler bei Illner den Atomausstieg. Es wird Macron zitiert, der den Atomausstieg als historischen Fehler bezeichnet. Die Industrie-Strompreise unterschiedlicher Länder werden grafisch aufgeschlüsselt: „In Frankreich zahlen Unternehmen ein Drittel des deutschen Energiestrompreises, in den USA ein Viertel und in China ein Siebtel – drei Länder, die weiter auf Atomkraft setzen.“

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Mit dem Beitrag von Frau Ostermann wird ein sehr regierungskritischer Teil der Sendung eingeleitet. Während sie sowohl die Ampel-Regierung als auch die Merkel-Regierung kritisiert – in beiden Koalitionen war die SPD in Regierungsverantwortung –, guckt die Genossin Hubertz von den Sozialdemokraten groß. Und das ZDF zerpflückt doch tatsächlich die Energiepolitik. Nur steht hier die Frage offen: Warum erst jetzt? Musste man Deutschland wirklich erst international als abgehängt und international als zerbrochen darstellen, damit das ZDF auch mal merkt, dass man einem Wirtschaftsland nicht den Strom abschalten kann? Mussten die Preise erst durch die Decke gehen, während die Regierung den Atomausstieg durchzieht, damit das alles hinterfragt wird? Jetzt, wo die Atomkraftwerke bereits abgeschaltet und teilweise sogar zerstört sind, jetzt kommt man um die Ecke und schlüsselt die Industrie-Strompreise anderer Länder auf, die auf die Atomkraft gesetzt und gewonnen haben.

Es ist tragisch: Die deutsche Wirtschaft hätte nicht einbrechen müssen. Es sind keine Naturereignisse gewesen oder sonst irgendwelche Geschehnisse, die wir nicht in der Hand hatten. Wir haben unserer Wirtschaft eigenhändig und künstlich geschadet und sind sehenden Auges in die Katastrophe gesteuert. Wir hätten nicht aus der Atomkraft aussteigen müssen, wir haben es freiwillig getan. Die Konsequenzen sind blitzschnell eingetreten. Und während wir nun in Talkshows diskutieren, mit welchem Pflaster wir die klaffende Fleischwunde heilen, die wir uns selbst in den Bauch geschnitten haben, fragen wir uns nun, wie es jemals so weit kommen konnte.

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Kommentare ( 97 )

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AlexR
7 Monate her

Das ZDF! Kaum zu fassen. Wenn jetzt noch Böhmermann von der Bildfläche verschwinden würde…

horrex
7 Monate her

Mit Faulheit hat das nix zu tun. Am gefährlichsten sind immer die „fleißigen Dummen“ die sich überall tummeln und reden und ohne Sinn und Verstand „irgendwas“ machen was ihnen in den Sinn kommt und sie „bedeutend“ erscheinen lässt. – Mit jedem Blödsinn kann man hunderte von Säuen durchs Dorf treiben und findet IMMMER noch Beklopptere die eifrig mittun. Früher am Stammisch ließ man den unvermeidliche Dorfdeppen reden. Und jeder wusste, Ohren zuklappen und ihm nen … ausgeben. Heute haben wir in Form von zahlreichen Medien, agewissermassen „Dummen-Verstärker“. Man schaue sich nur mal an was im TV so alles an Schwachsinnigem… Mehr

horrex
7 Monate her

Was ich mich frage ist,
merkt der Eine oder Andere beim ZDF vielleicht langsam, dass der Wind – wenn auch viel zu langsam – beginnt zu drehen?
Will man sich eines Tages zu Denjenigen zählen können die „damals“ schon gesagt haben – nur zum Beispiel – der A-Ausstieg war ein Fehler???
Taktisch klug wäre das.
Eines – leider noch recht fernen – Tages wird man schließlich unterscheiden müssen wer ein Wendehals ist/war, wer nicht.

Grumpler
7 Monate her

War der Atomausstieg ein Fehler? Ja! Brauchen wir das ZDF noch? Nein! Brauchen wir die ARD noch? Nein! Wieso nicht? Wenn die ihren journalistischen Auftrag korrekt und gewissenhaft ausgeführt hätten, hätte es den Atomausstieg und die Energiewende in dieser Form samt den entstandenen Schaden in Höhe von hunderten Milliarden Euro nicht gegeben. Oder ein aktuelles Beispiel: Kein Schwein spricht das Thema des „Digital Services Act“ (DSA) an, einem Eingriff in die bürgerlichen Freiheitsrechte par excellence, nämlich der freien Meinungsäußerung. Aber Gedöns bestimmt die Talkshows und die Nachrichten. WEG MIT DIESEN UNNÜTZEN PROPAGANDAMSCHINERIEN!!! WEG! WEG! WEG! Besser sofort als irgendwann! Die… Mehr

Last edited 7 Monate her by Grumpler
Werner Geiselhart
7 Monate her

Was viele nicht wissen, das modernste Kernkraftwerk der Welt, der Schnelle Brüter in Kalkar, wurde bereits 1985 von der SPD-NRW-Regierung zu Fall gebracht. Ein absolut sicherer natriumgekühlter Reaktor, der sich seinen Brennstoff selbst erbrütete, dadurch kaum Abfall erzeugte und konkurrenzlos billig Strom erzeugen konnte. Der Reaktor war trotz maximaler Querschüsse von linken Politikern und Verbänden fertig! Die Nichtinbetriebnahme war der Anfang vom Ende der deutschen Energiewirtschaft, absolut sauberer Strom zum Niedrigstpreis wurde in Ideologie eingetauscht. Man muss allerdings sagen, dass damals die Bevölkerung mehrheitlich gegen Kernkraft war, die linksgrüne Propagandamaschinerie hat damals schon gewirkt. Die besondere Schuld der Ampel liegt… Mehr

Evero
7 Monate her
Antworten an  Werner Geiselhart

Die Union hat von der US-Regierung dieselbe Agenda erhalten, die sie befolgt, wie die Ampel.
USA first, Germany last.
Es ist tatsächlich Hochverrat, was die Altparteien hier machen.

Grumpler
7 Monate her
Antworten an  Werner Geiselhart

Ich gehöre (noch) nicht zu denen, die sagen „Nur noch AfD!“ (aber mal die Hessenwahl abwarten), jedoch zu denen, die sagen „Nie wieder Union!“. Unter anderem wegen der erwähnten Geschichte des „Schnellen Brüters“.

Riffelblech
7 Monate her

Ganz sicher sind die katastrophalen Entscheidungen der Vorgänger — und der derzeitigen Regierung zum Atomausstieg und zur unqualifizierten Anbetung von Wind und Sonne als Energielieferanten nicht aus einer Laune heraus getroffen worden . Sowohl Merkel als auch die derzeitigen Abbruchbirnen deutscher Wirtschaft in der Regierung wussten und wissen ganz genau was sie tun. Die Lösung ist in den USA zu suchen . Deindustrialisierung hier durch Energieknappheit und extreme Kostensteigerungen auf diesem Gebiet und Bezug von Energieträgern aus den USA zu überhöhten Preisen . Und wer setzt das Procedere um ? Na die Grünen. Freilich . Kommen sie doch von dort… Mehr

Bleichgesicht
7 Monate her

Natürlich ist diese Regierung die dümmste, die es hierzulande je gab, besonders der grün-faschistische Teil. Aber gerade diese Volksverrä…, äh, Volksvertreter fahren den Deutschland-Karren mit voller Absicht in den Schlamassel. Wer daran noch Zweifel, möge sich an Habecks Äußerungen zu Deutschland und Vaterlandsliebe erinnern.

Mausi
7 Monate her

Es musste erst größtmöglicher Schaden auch bei den Kraftwerken angerichtet werden. Keine Ausbildung, kein Studium, Personal weg, Gebäude und Zubehör gesprengt oder anderweits beschädigt, Lieferketten unterbrochen.
Ein kritischer Blogger hat schon mal vermutet, dass aufgrund der Facharbeiterkrise in naher Zukunft eh kein Kernkraftwerk mehr hätte betrieben werden können. Für die Sicherheitsanforderungen sei die Facharbeit zu unqualifiziert.

barth68
7 Monate her

Wie schizophren ist die Regierung, die drei AKW mit zuverlässiger Stromproduktion abschaltet, sprich verschrottet, um nun den hohen Strompreis herunter zu subventionieren?! Ideologie vor Verstand. So zieht also der Aufbruch aus. Industrie als primäre Wertschöpfungsquelle brauchen wir nicht mehr.

Evero
7 Monate her
Antworten an  barth68

Vielleicht sollten SPD, Grüne und FDP ihre Regierungsverantwortung abgeben und alle duese Träumer VR-Brillen aufsetzen. Ein Grüner schreibt dann ein VR-Programm, wo der Himmel auf Erden passiert. Dann sind alle zufrieden.

Juergen Semmler
7 Monate her

Die Gründe für den Untergang der deutschen Wirtschaft weisen in mancherlei Hinsicht auffällige Parallelen zu denen der angeblich unsinkbaren Titanic auf. Vor allem die sog. Ehrgeiz-Theorie besagt, dass die Verantwortlichen aus Reputationsgründen ungeachtet der Gefahren aufs Tempo drückten und Sicherheitsvorschriften missachteten. Zudem sollen Fernrohre, mit denen man den Eisberg frühzeitig hätte erkennen können, weggeschlossen worden sein. Wie der grüne „Öko“-nomie – Minister als Verantwortlicher aus Ideologie-Gründen, ungeachtet der Gefahren für die Wirtschaft, aufs Transformations-Tempo drückt und an den der Realität angepassten Prognosen vorbeischippert und fehlenden wirtschaftlichen Weitblick auch noch verdrängt. Das erinnert mich auch an folgenden Notruf, den ein junger,… Mehr