Howard Stern – Was Haltung wert ist

Der heutige Sonntagsheld hat sich von einem schüchternen Schlaks mit hell überschlagender Stimme zum weltweit erfolgreichsten Radiomoderator hochgearbeitet. Wie hat er das geschafft? Mit sehr viel Willen und sehr viel Haltung. Einschlafen und Mainstream ist woanders.

An einem Tag im Mai (oder so) durfte der kleine Howard seinen ihn permanent anschnauzenden Vater Ben Stern („Halt die Klappe!“, „Sei nicht so ein Idiot!“) nach New York begleiten, um ihn einen Tag bei seiner Arbeit zu beobachten, Ben Stern arbeitet bei einem Radiosender im Big Apple. Fasziniert von dieser Welt, reift fortan in Howard der Wunsch heran, auch zum Radio zu gehen. Dem Kleinen liegt es schon früh, andere Menschen zu unterhalten. Allerdings fällt auch schon ebenso früh sein Hang zur Provokation auf. Nachdem er mit seinem Marionettentheater Senioren im Altenheim bespasst hat, diese aber erst dann in eine Wachphase eintreten, als Howard die Puppen nicht mehr tanzen, sondern sich wie wilde Gorillas kopulierend auf dem Bett wälzen lässt, verschwanden die Marionetten in der Kiste. Nicht aber Howards Streben danach seinen Lebenstraum zu verwirklichen.

Der Film „Private Parts“ aus dem Jahr 1997 behandelt das bewegte Leben des größten Radiomoderators der Weltgeschichte: Howard Stern.

Sein Weg führt ihn von kleinen Dorfsendern hin zu größeren regionalen Sendern. Er wird immer begleitet von seiner Frau Alison. Allerdings schlafen die Hörer bei seinen Sendungen ebenso ein wie die Senioren damals im Altenheim. Eines Tages beginnt Howard damit kleine ehrliche und direkte Schwenks aus seinem Leben zu erzählen. Am Abend bekommt er das Feedback seiner Frau; dies sei seine bisher beste Sendung gewesen. Ermutigt von dem eingeschlagenen Pfad, wagt sich Howard immer weiter vor. Wird immer provokativer. Spricht über seine Zeit im Vietnamkrieg, in dem er viele kleine gelbe Menschen, Kinder in einer Schule, ermordet hat. Und sein Truppenführer meinte: Howard, das sind Kinder, da zählen zwei nur als einer. Gut, er war niemals im Vietnamkrieg, aber was tut das schon zur Sache. Empörung und Schreiben der FCC, der staatlichen Zensurbehörde der USA, folgen. Nicht zu knapp. Was Howard nicht ent- sondern erst recht ermutigt, weiter zu gehen. Noch viel weiter. Er sagt im Radio Dinge, die sich kein anderer zu sagen traut. Er gilt als rassistisch, sexistisch, schamlos und absolut niveaulos. Er bringt eine Frau während einer Live-Sendung dazu, sich rittlings auf einen großen Lautsprecher zu setzen – und treibt sie nach dem Hochdrehen der Bässe und seinem lauten Brummen übers Studiomikrophon zum Orgasmus. Was für ein unglaublicher Skandal! Na gut. Damals. Es gab ja Zeiten, da war Sex noch privat.

Die ersten Werbepartner kündigen. Weitere ziehen nach. Howard steht massiv unter Druck. Doch dann, ein Wunder: Der erste neue Werbekunde kommt – und mit was für einem Volumen! So setzt es sich fort.

Zu dem Zeitpunkt hat ihn das Flagschiff der NBC-Kette in New York bereits engagiert. Der Boss des Senders ist bei einem Zusammenschnitt über Howards Greatest Entgleisungen so sehr darüber erzürnt, dass er die komplette Führungsriege auf einen Schlag entlässt, die so frei war, Howard bereits mit einem Zweijahresvertrag auszustatten.

Kenny Rushton, der Programmchef, verspricht „den Dreckskäfer stubenrein zu kriegen“. Ihn zu dressieren, so sehr einzuhegen, dass er nachher darum bitten würde, sich den „Arsch abwischen zu dürfen“. Gesagt, getan. Mit Howard kommen seine Kollegen Robin Quivers und Fred Norris nach Manhattan, die ihn bereits seit längerem in seiner Show als Sidekicks unterstützen. Und Howard natürlich in seiner ungezügelten Freigeist-Art befeuern. Nach und nach räumt Kenny Rushton einen nach dem anderen aus dem Weg, weil wieder mal eine Grenze überschritten worden ist.

Wie reagiert Howard? Howard hat für Kenny bereits einen „Kosenamen“ gefunden: Schweinekotze. Weil er aussehen würde wie ein Schwein und ihn zum Kotzen bringen würde. Natürlich teilt er diesen Kosenamen auch mit seinen Hörern. An einer Stelle sitzt er alleine in dem großen Studio, isoliert. Aber bewaffnet mit seiner Stimme und seiner Haltung. Und er spricht zu Gott. Er sagt: „Lieber Gott, den ich so sehr liebe. Mehr als alles andere auf der Welt. Bitte schick einen Auftragskiller nach New York City, der Schweinekotze auf der Stelle umlegt. Ich werde auch nie wieder für etwas anderes beten. Amen.“

An einem der nächsten Tage geht Schweinekotze mit dem Marktforscher durch die Redaktionsräume und fragt nach dem Hörerverhalten der Menschen, die Howard Sterns Sendungen folgen. Der Martktforscher sagt, dass der durchschnittliche Radiohörer jeden Tag 18 Minuten zuhört. Der Howard Stern Fan hingegen hört eine Stunde und 20 Minuten zu. Schweinekotze ist fassungslos. Wie das sein könnte? Die am meisten gegebene Antwort, so der Marktforscher: „Ich möchte hören, was er als nächstes sagt.“ Aber was mit den Howard Stern Hassern sei? „Das ist ein guter Punkt“, sagt der Marktforscher nüchtern. Der Howard Stern Hasser hört zweieinhalb Stunden zu. Schweinkotze ist erschüttert und möchte erfahren, wie das denn sein könnte, wenn sie ihn doch hassen. „Nun, die am meisten gegebene Antwort“, so der Martforscher: „Ich möchte hören, was er als nächstes sagt.“

Howard Stern ist die unangefochtene Nummer 1. Er hat alle anderen weggeblasen. Vernichtet. Mit seiner Haltung, die er selbst im größten Druck bewahrt hat. Er wurde von der FCC zu einer Zahlung von 2.5 Mio Dollar verdonnert. Allerdings stehen dem mit 100 Mio Dollar dotierte Verträge entgegen, die ihn in 2005 auf der Liste der besten Promiverdiener auf Platz 2 nach Steven Spielberg katapultiert hat – mit einem Jahreseinkommen von 237 Mio Dollar.

Wenn man sich viele Reaktionen in Form von Kommentaren auf dieser Webseite hier ansieht, wenn wir auswerten, dass die Verweildauer der Leser kontinuierlich zunimmt, dann kann man dieser Aussage „Ich möchte hören, was er als nächstes sagt“ lächelnd zustimmen. Wie viele haben schon wütend geschrieben: „Ich lösche diese Seite jetzt aus meinen Favoriten.“ Und schreiben doch immer und immer wieder ihre Empörung ins Buch.

Was wäre aus Howard Stern geworden, wenn er den Einschüchterungs- und Einkehrversuchen Schweinekotzes und der WNBC-Spitze erlegen wäre? Wenn er nicht mehr provoziert hätte, wenn er nachgegeben und sich untergeordnet hätte, weil ihm ein hochdotierter Job wichtiger gewesen wäre als Prestige und Renommee und das, was er als seine persönliche Freiheit empfunden hat. Er wäre in der Versenkung verschwunden. Er wäre in der Masse an gefälligen Moderatoren versandet. Beliebigkeit ist der Tod zu Lebzeiten.

So aber hat er sich gegen jede Beschneidung zur Wehr gesetzt. Gekämpft. Howard Stern hat jeder versuchten Zensur widersprochen und jeder Bedrohung zum Trotz seinen Stiefel durchgezogen.

Das unterscheidet ihn von Journalisten ohne Haltung. Die ermordeten Journalisten von Charlie Hebdo sind kaum unter der Erde, da weiß der Berliner Tagesspiegel, was sie falsch gemacht haben und rät: Es wäre besser gewesen, nicht Mohammed-Karriakturen zu zeigen, sondern Marine Le Pen zu kritisieren, die Chefin der Rechtspopulisten.

Sehr wahrscheinlich hätte es den brutalen Anschlag nicht gegeben, wenn Charbonnier rechtzeitig beschlossen hätte, seine satirischen Attacken mehr auf die französische Regierung, auf Marine Le Pen oder andere mächtige Schlüsselgestalten der Politik zu fokussieren.“

Dieser Satz steht da wirklich, bitte prüfen Sie es nach.

Abgesehen davon, dass nun Charlie Hebdo über Le Pen noch übler hergezogen hat als über jeden Muselmanen: Sicherlich fühlen sich die stolzen Tagesspiegel-Redakteure alle wie Charlie, und sind doch nur Bettvorleger. Sie starten als Charlie und landen als …. Tagesspiegel eben. Ohne Haltung.

Im Jahr 2006 wechselte Howard Stern zum Internetradio-Sender SIRIUS. Sein Fünfjahresvertrag wurde mit 500 Mio Dollar dotiert.

Der Tagesspiegel soll sich um kleine PR-Artikel bemühen, die er als Redaktion verkauft. Das macht eben den Unterschied.

 

War es für Howard Stern immer einfach? Nein. War es immer ohne Risiken? Nein.

Ist es heldenvoll? Ja, das ist es.

No risk, no fun. No pain, no gain.

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