DER SPIEGEL, Nr. 37: Alles wird Wut!

Diese Woche hält es der SPIEGEL für berichtenswert, dass es durchaus noch erlaubt sei, der Bundeskanzlerin kritische Fragen zu stellen. Aber bitte nicht so! Sondern gebückt. Die Abdankung eines früher mal kritischen und wichtigen Magazins.

Der Titel: eine in der Allgemeingültigkeit, wie sie daherkommt, aus der Luft gegriffene These, die am trefflichsten durch den Leserbrief der Spiegel-Leserin Hannelore Schreiner aus Saarlouis entlarvt wird: „Was mich an diesem Wahlkampf nervt, ist der ständig wiederholte und medial befeuerte Vorwurf der gähnenden Langeweile. Was ist denn so ungeheuerlich daran, dass offenbar die Mehrheit des Volkes den Eindruck hat, es werde souverän durch unruhige Zeiten geführt? Was wäre denn die Alternative? Dass man in Berlin irgendeinen Mist zusammenregiert, nur um das Volk zu empören, damit es auf die Barrikaden geht?

Beim SPIEGEL brodelt alte Suppe

Wer im SPIEGEL nach dem Brodeln sucht, findet Altbekanntes: AfD, Wutbürger und eine hochgeschriebene Trollpanik. Man kann sich des Eindrucke nicht verwehren, die SPIEGEL-Redaktion sehe sich selbst als einzige Instanz an, die den Wahlkampf richtig betreibe: Die Redaktion begab sich für „Früchte des Zorns“ auf Marktplätze-Recherchetour und fahndete im Internet nach „rechten“ Verschwörungstheorien, deren Konzentrat der Leser in den Beiträgen „Früchte des Zorns“ und „Aufmarsch der Trolle“ wiederfindet. Der schlimmste aller Trolle sei angeblich Andrew Auernheimer und der sei derzeit dabei, eine finstere Truppe von Untertrollen um sich zu scharen, um gemeinsam mit modernen russischen Datenanalytikern der AfD wichtige Prozentpunkte bei der Bundestagswahl zuzuschanzen. Neu ist das alles nicht. Auch Andrea Nahles brodelt nicht. Sie hält sich auffällig unauffällig im Hintergrund, und Veit Medick weiß, weil es ein offenes Geheimnis ist, dass sie nach der Wahl eine Schlüsselfigur ihrer Partei sein wird und verrät das in „Die Andere“. Das sind Geheimnisse, die der SPIEGEL heute enthüllt.

Die Abdankungsurkunde

Seit dem an Langeweile kaum zu überbietenden TV-Duell von Merkel und Schulz – was dem Vernehmen nach den Vorgaben des Kanzleramts, dann aber auch in williger Folge den fragenden Damen und Herren zu schulden ist – ist für SPIEGEL-Redakteure und „Linkspopulisten“ endlich klar, dass sich Claus Strunz, der ehemalige Chefredakteur der Bild am Sonntag, der AfD-Nähe und des „Rechtspopulismus“ verdächtig macht. Das Karriereloch sei schuld, schreiben Isabell Hülsen und Alexander Kühn in „Clausi-Mausi auf Krawall“, dass Strunz immer lauter medial schreien müsse, um Aufmerksamkeit zu erheischen, ähnlich wie auch Roland Tichy und Ex-SPIEGEL-Mann Matthias Matussek. Strunz ist derzeit nicht beliebt; er hat im sogenannten „Duell“ zwischen der Kanzlerin und Martin Schulz die „Flüchtlingsfrage“ gestellt. Das hat der Kanzlerin nicht gefallen. Denn schließlich ist der Wahlkampf für sie gut gelaufen; irgendwie hat sie das Meisterstück vollbracht, das Thema auszusparen. Irgendwie ist sie seit langem Kanzlerin, nur in der Krise seit der Grenzöffnung 2015 bis zum Beginn der heißen Phase war sie nicht Kanzlerin und schon gar nicht für irgendetwas verantwortlich.

Ach, Spiegel!
Zwar interessieren sich die Wähler nicht für Schulzens aufgeregtes Gerechtigkeitsthema, auch nicht für vermeintliche Trolls – aber das Einwanderungsthema. Nur erlauben Hülsen und Kühn sogar, dass Strunz sich fragend des Themas annahm. Es darf gefragt werden! Danke, SPIEGEL, dass du das Selbstverständliche als so außergewöhnlich ansiehst, dass es beschrieben gehört. Journalisten dürfen noch fragen! Aber wenn: Doch nicht so, in der „Pose eines Ein-Mann-Stammtisches“. Strunz war laut, vorlaut sogar und  hat sich nicht hundertprozentig an die Regie aus dem Bundeskanzleramt gehalten. Kritik daran vom SPIEGEL!  „Da ist doch enorme Unruhe da draußen“, schrieb der langjährige frühere Spiegel-Redakteur Matthias Matussek vor zwei Wochen in Vorwegnahme des SPIEGEL-Titels, aber er meinte es anders. „Der Spiegel früherer Tage hätte das aufgegriffen und Fragen gestellt. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass diese einst stolze Redaktion zu einer säuselnden linksliberalen Begleitcombo der Regierung degeneriert und gemeinsam mit den Wählern eindämmert.“

Zwei Wochen später erlaubt der SPIEGEL noch Fragen, wenn sie nicht zu vorlaut gestellt werden. Es ist die Abdankungsurkunde des Spiegel. Seit Wochen fordert die Redaktion lautstark inhaltlich kontroverse Auseinandersetzungen im Wahlkampf, hat aber selbst die Rolle des Advocatus Diaboli längst aufgegeben und sich im Mainstream-Einerlei wohlig eingerichtet. Eine kuschelige Deckung, aus der heraus es sich nur allzu bequem auf andere feuern lässt, die Meinungen und Fragen inzwischen pointierter formulieren als das abgewrackte Schlachtschiff aus Hamburg, und dabei denselben medialen Mechanismen folgt, die man beklagt. Twitter und Social Media sei Dank.

Das rassistische Deutschland – und US im Abstiegskampf

SPIEGEL-Redakteurin Dialika Neufeld, deren Vater Nigerianer und deren Mutter Deutsche ist berichtet in „Unter der Haut“ von ihren Erlebnissen bei einer Reise durch Deutschland. Das rassistische Deutschland ist eine hässliche Fratze. Sie dem Wahlkampf zuzuschreiben, ist eine  Verharmlosung. Abschaffen jetzt, den Wahlkampf?

Sehr interessant finde ich den klugen Beitrag „Im Abstiegskampf“ und die Analyse von Christian Reiermann über die USA, den Dollar und Donald Trump. Ich würde dem zitierten Experten Stanley Fischer, derzeit die Nummer zwei in der Federal Reserve, sicher alles glauben, wenn nicht vor einigen Jahren zahlreiche deutsche Experten den unaufhaltsamen Untergang von Euro und EU prognostiziert hätte, auf den viele Spekulanten heute noch warten. Die USA ist wirtschaftlich stark und – noch wichtiger – sie werden wieder aufstehen und um ihren wirtschaftlichen Wiederaufstieg kämpfen.

Ein Hoch auf Landwirt Rudolf Bühler, dem wir es nicht nur verdanken, dass in Deutschland weiterhin das Schwäbisch-Hällische Landschwein unter uns weilt und uns schmackhaft nährt. Die Geburtstagshommage „Bauer sucht Sau“ auf den Bauernführer und „personifizierte Alternative zur industriellen Landwirtschaft“ von Michaela Schießl

„Der kalifornische Albtraum“ ist der Beitrag von Simon Hage zur IAA, die kommende Woche in Frankfurt am Main ihre Tore öffnet. Dieselskandal, mögliche Kartellabsprachen, E-Mobilität und die Konkurrenz durch Tesla bilden einen informativen Rundumschlag. Der wird wenige Seiten später ergänzt durch „Zukunftslabor China“ von Bernhard Zand. Der China-Experte zeigt, wie weit die Chinesen den selbstgefälligen deutschen Automobilbauern enteilt sind. Beim Automobil- und Batteriehersteller BYD in Shenzhen gibt es neben Elektrobussen und elektrischen Gabelstaplern auch Müll- und Kehrlaster. In Shenzhen und Taiyuan werden jetzt schon die Taxiflotten auf E-Autos umgestellt.

Die Nachricht, dass die Spezialistin Suzanne DiMaggio einen Kompromiss zwischen den USA und Kim Jong Un aushandeln soll, ist nicht neu. Das Hauptproblem sei, so DiMaggio im Beitrag „Reden und Zähneknirschen“, dass Konfusion darüber herrsche, was die USA eigentlich wollten. Sind wir schon so weit, dass die Diplomatie privatisiert und Consultern übertragen wird?

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Kommentare ( 20 )

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Poco100
6 Jahre her

Der SPIEGEL weiß alles, er will es aber nicht wissen, aus rein dogmatischen Gründen, etwa so „ich esse meine Suppe nicht, meine Suppe es ich nicht….2

satya_prevails
6 Jahre her

Aufpassen, das das Tier keinen Durchfall bekommt. Katzen reagieren sensitiv auf negative Schwingungen.

Steuerzahler
6 Jahre her

Der kalifornische Alptraum ist das Ergebnis der hoffnungslosen Überbevölkerung einer Wüste. Die Landwirtschaft ist nur möglich, weil die Amerikaner dem Colorado River im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser abgegraben haben. Die ersten Abenteurer, die sich in Kalifornien eingefunden haben, haben mit Ausnahme der Rocky Mountains nur Sand und Steine vorgefunden. Nur ausgemachte ökoreligiöse Spinner wie die Frau Lawrence und die Grünen können sich darüber wundern, das es in Kalifornien so gut wie nie regnet.

AngelinaClooney
6 Jahre her

Die Fragen von Claus Strunz während des „Duells“ waren also nicht kanzlerinnen-konform und populistisch. Dann sollen die „sauberen“ Medienvertreter das Fragen doch einfach einstellen und die Partei-Presseerklärungen in Hochglanz abdrucken. Keine Fragen, keine Debatten, keine Zweifel, keine diffusen Ängste, keine Kritik – Die Reihen fest geschlossen.

ioeides
6 Jahre her

Hat der Spiegel seinen grünen eMobilitätsfans eigentlich verraten, dass der Strom für die Auto-Akkus aus Atom- ,Kohle- und Wasserkraftwerken kommt? Im Gegensatz zu unseren Meinungsbildnern, gerade auch beim Spiegel, wissen die Chinesen nämlich, dass das mit Wind und Sonne nicht funktioniert.

Schwabenwilli
6 Jahre her

Haben sie heute Abend 10.09.2017 Spiegel TV gesehen? Ein Beitrag „durch den braunen Sumpf Ostdeutschaland mit Merkels Wahlkampftruppe“. Da werden die Demonstranten die, natürlich nicht nur in Ostdeutschland, wie vom Spiegel unwahr behauptet, Frau Merkel nieder machen als wirklich Stumpfsinnige Nazis dargestellt, muss man sich im Internet anschauen, was soll den so eine Polemik noch. Zeitgleich werden „Flüchtlinge“ ebenfalls auf Merkels Auftritten gefilmt, wie sie alle freudig und brav Merkel zuwinken, dem Unbedarften kommen die Tränen vor Rührung, dem Realisten wird schlecht.

Keno tom Brok
6 Jahre her

Aber bitte vorher alle Bilder von Merkel entfernen, sonst ist das Majestätsbeleidigung. Und zudem erschrecken sich die Katzen. 🙂

Th. Hanisch
6 Jahre her
Antworten an  Keno tom Brok

Da kommt doch noch Katzenstreu auf’s Papier. So sehen die Katzen die Fotos nicht und können also auch nicht werden.
😉

Th. Hanisch
6 Jahre her
Antworten an  Keno tom Brok

“ … und können also auch nicht beleidigt werden.“ – muß es im letzten Satz natürlich heißen.

Sandrine Märzthaler
6 Jahre her

Michael Klonovsky hat heute auf einen offenen Brief aufmerksam gemacht, den Thomas Hoof, einst Grünen-Politiker, dann Gründer der „Manufactum“-Kette und Eigentümer des Manusciptum-Verlages, in dem das Gesamtwerk Rolf Peter Sieferles erscheinen wird, an Thomas Schmid von der WeLT gerichtet hat und der sich hier lesen lässt: https://www.manuscriptum.de/media/wysiwyg/home/pdfs/Thomas_Hoof.pdf Nach dieser interessanten Lektüre bin ich auf ein Interview Hoofs aus dem Jahr 2003 aufmerksam geworden, das er dem Wirtschaftsmagazin brand eins gegeben hat: https://www.brandeins.de/archiv/2003/das-neue/konservativ-ja-einsam-nicht/ An dessen Ende verweist er auf den Wirtschaftswissenschaftler Hans-Hermann Hoppe, dessen damals aktuelles Buch er auf die Kernaussage verkürzt: „In Massendemokratien gerate jede Langfristorientierung und ein staatlich verfolgtes… Mehr

Schwabenwilli
6 Jahre her

Focus, Welt und Zeit haben alle ihre Kommentarapalten für eigentlich sämtliche Artikel, der Spiegel behält sich natürlich vor exklusiv nur im genehme Artikel zum Kommentieren frei zu geben, ebenso wie die faz, was soll das? sowas lese ich doch gar nicht und sie entschuldigen Herr Canibol, auch ihre Besprechung dieses kruden Blattes lese ich nur quer.

John Galt
6 Jahre her

So verhält es sich. Nachdem die klassische Trennung zwischen Nachricht und Kommentar aufgehoben wurde, läßt der SPIEGEL alle Zurückhaltung fallen und beschäftigt Aktivisten statt Journalisten.
Möglicherweise aus Kostengründen.