Bei Miosga: Stuhlkreis der Ehemaligen

Treffen sich vier Ehemalige zu einem Gesprächskreis. Da kommen aber mal die ganz großen Themen aufs Tapet. Die ganze Welt in einer Stunde. Da werden Parolen posaunt, Probleme erkannt und mit einem Federstrich gelöst, dass es nur so eine Freude ist – für irgendjemanden. Für wen eigentlich? Von Brunhilde Plog

Screenprint: ARD / Caren Miosga

Ursprünglich war Ex-Außenminister Sigmar Gabriel für die Sendung angekündigt. Dass der offenbar keine Lust hatte, ist schon kein gutes Zeichen. Gabriel hat lieber seinen Stellvertreter losgeschickt. So kommt – mal wieder – Norbert Röttgen zum Zug. Der war vor Urzeiten mal Umweltminister, bevor er die Außenpolitik entdeckte. Heute ist er Gabriels Stellvertreter bei der Atlantik-Brücke und im Bundestag nur noch Hinterbänkler (Reihe 12 von 15). Doch wenn es darum geht, die Kriegstrommel zu klopfen, ist er für das deutsche TV allererste Kajüte, wie der große Philosoph Bugs Bunny sagen würde.

Dass in der Ukraine ein Frieden zustande kommen könnte, schwebt wie ein Damoklesschwert auch über dieser Sendung. Noch immer geht es um Durchhalteparolen für die Ukraine und die weitere Finanzierung des Krieges. Erstaunlich dabei, wie unbekümmert ein Röttgen die Beschlagnahme der russischen Vermögenswerte in Europa durchwinken würde. Brüssel solle endlich ein Zeichen nach Moskau senden, sagt Röttgen: „Wir zeigen euch mal, was europäische Souveränität ist.“ Dass zugleich der ganzen Welt ein Zeichen gesendet würde, wie unsicher Geldgeschäfte in Europa sind, und dass die Reputation der gesamten Wirtschaftsregion auf dem Spiel steht, ist Röttgen keinen Gedanken wert.

Auch Nico Lange nicht. Der zweite Ehemalige des Abends hat Feuerwasser getrunken, so aggressiv formuliert er. Lange war mal Abteilungsleiter im Verteidigungsministerium, heute ist er „Politikberater“ und Heißsporn. Selbst die umstrittene Rede des NATO-Generalsekretärs ist ihm noch nicht hart genug. Marc Rutte hatte mit markerschütternden Worten vor einem heißen Krieg in ganz Europa gewarnt, vor Not und Elend an jedem Ort. Er sei „dankbar“ für diese Rede, sagt Lange. Sie sei auch überhaupt nicht beunruhigend,. Man müsse jetzt nämlich „eine Botschaft der Abschreckung nach Moskau schicken: Tu das nicht! Wir sind stärker als Du!“

Auch die Beschlagnahme der russischen Gelder kann Lange gar nicht schnell genug gehen. Man solle endlich „die Assets vom Tisch nehmen“, sie unter europäische Kontrolle bringen und für die Verteidigung einsetzen. Auf Donald Trump sei ja kein Verlass mehr. „Die Methode Daddy ist ans Ende gekommen.“

Was aber, wenn nun ein Frieden geschlossen wird und Russland möglicherweise gar keine Reparationen zahlen muss. Ob dann Deutschland als Bürge für die Russengelder womöglich auf weiteren Milliardenschulden sitzen bleibt, will Caren Miosga – ehemalige Nachrichtensprecherin – wissen. Für die Antwort braucht Röttgen volle zwei wortklaubende Minuten. Er labert wie ein Hörbuch. Ergebnis: Ja, die Gefahr gibt es. Ist aber nicht schlimm.

Auch in dieser Sendung kommt mal wieder eine Kriegskarte an die Wand. Frontverläufe, gestrichelte Gebiete, wer bekommt was. Hier wird Geschichte geschrieben, heute Abend beim Ententanz der Ehemaligen. Das mit der Sonderwirtschaftszone etwa habe der amerikanische Unterhändler Steve Witkoff gar nicht überrissen, weiß Lange. Kein Wunder, denn der Mann habe „in Moskau in der Vergangenheit öfter mal Dinge falsch verstanden“. Miosga hat auch eine Erkenntnis: Trump übernehme jetzt „russische Desinformation“, er stehe also offenbar auf der Seite Russlands. Röttgen bestätigt: Es sei „eine Parteinahme russischer Interessen auf Kosten Europas“ und „das Ende einer Ära.“

Annett Meiritz geht noch weiter: Die ehemalige US-Korrespondentin des Handelsblatts hat die jüngsten US-Papiere analysiert und Famoses festgestellt. Alles sei extra so formuliert, um Memes für das Internet produzieren zu können. Es sei „für TikTok geschrieben“ worden. Sie sagt übrigens, sie sei Journalistin und habe es nicht so mit Verschwörungstheorien.

Und noch etwas: Früher sei der NATO-Chef viel häufiger von den USA eingeladen worden, um positive Signale zu setzen. „Solche Signale sind weniger geworden“, sagt Meiritz, denn in Washington gebe es jetzt „viele Leute, die mit der NATO nichts anfangen können“ und „die europafeindlich sind“.

Womit – Überraschung! – auch gleich der Bogen zur AfD geschlagen wäre. Denn dass jetzt eine AfD-Delegation genau diese Europafeinde in den USA besuche, sei ja nur folgerichtig, so die Runde. Aber irgendwie auch wieder nicht, denn – Moment mal – es gebe ja viele USA-Kritiker in der AfD. Hmm, jetzt bloss nicht ins Schlingern kommen in der Argumentationskette.

Egal, sicher sei jedenfalls, so Meiritz, „dass Europa keine Rolle mehr spielt“. Lange schwadroniert: „Mich stört nicht, dass Donald Trump keine Vision für Europa hat. Mich stört, dass Europa keine Vision für Europa hat.“ Man kann sich ungefähr vorstellen, wie sich die Beraterpapiere dieses Mannes lesen.

„Was ist das Ziel dieser Vernetzung der neuen Rechten“, will die ehemalige Nachrichtensprecherin wissen. „Ganz klar Disruption“, antwortet die ehemalige Korrespondentin. Sie habe bereits 2020 über „diese Bande“ recherchiert. Damals habe man in den USA noch „gesagt, dass man mit der AfD nichts zu tun haben will“. Doch das habe sich „radikal verändert, und zwar über Nacht mit der Wahl von Donald Trump“. Meiritz zeichnet ein seltsames Bild vom Wahlabend. Sie ist offenbar sehr lange durch irgendwelche Gänge patrouilliert, wie eine Gouvernante nach dem abendlichen „Licht aus!“. Sie habe bei vielen Wahlpartys „Türen aufgemacht und gleich fünf bekannte Gesichter gesehen von der AfD“.

Dass Trump mit seiner „National Security Strategy“ den Kurs Europas kritisiert, perlt an der Ehrengarde der Ehemaligen ab. Migrationspolitik, Zensur, Repressalien gegen Andersdenkende, Regulierungswahn – „Die Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten wird dort zum außenpolitischen Ziel“, konstatiert der Ex-Minister. „Es ist Einmischung in Demokratien“, bekräftigt die Ex-Korrespondentin. Und der Ex-Abteilungsleiter eskaliert: „Diesen herablassenden Tonfall muss man sich verbitten.“

Doch Meiritz warnt: „In Deutschland, Frankreich und Großbritannien sind rechtspopulistische, Schrägstrich rechtsnationalistische Parteien in den Umfragen auf Platz Eins.“ Jetzt gehe es offenbar länderübergreifend darum, „transatlantische Interessen zu manipulieren“, und dies unter Führung der USA. Das „Zusammenspiel mit der AfD“ sei dabei „ein Zangengriff auf die Parteien der Mitte“.

Und nächstes Mal bei Miosga: alles über politische Zangengeburten.

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Kommentare ( 14 )

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Janosik
40 Minuten her

Man spricht mittlerweile über die Blockade von Kaliningrad und findet es gut. Der Krieg ist denk ich unvermeidbar. Mal sehen, wie viele sterben müssen bis Schlafmichel aufwachen und wie viele dann sterben müssen, damit die Verbrecher aus der Spitze weg gefegt sind. Vlt gewinnen wir den Krieg aber, dann wachen die Schlafmichel nie. Nur was bedeutet dann den Krieg gegen Russland zu gewinnen? Sie haben ja keine Ahnung was das in Fall von Ukraine bedeuten würde. Na ja ich muss mal auf die Arbeit, das Geld für den Krieg zu verdienen.

Haba Orwell
41 Minuten her

> Treffen sich vier Ehemalige zu einem Gesprächskreis.

Wie genau soll es meine Zukunft beeinflussen? Die wird ganz woanders entschieden: https://tkp.at/2025/12/14/europa-steht-dank-seiner-fuehrer-kurz-vor-der-finanziellen-selbstzerstoerung/

> „… Die Beschlagnahmung russischer Staatsreserven wird den Verlauf des Krieges in der Ukraine nicht im Geringsten verändern. Es geht hier nicht um die Finanzierung der Ukraine, sondern darum, ob es in einem westlichen Finanzsystem, das stillschweigend das Gesetz durch kultartige Gehorsamkeit ersetzt hat, noch Staatsvermögen gibt. …“

Vielleicht kollabiert das System – blöd, dass ich darin jahrzehntelang gespart habe.

Harry Charles
52 Minuten her

STELLDICHEIN DER HAS-BEENS Das denkfaule Establishment will den „wind of change“ (also vor allem Trump) nicht wahrnehmen. Es ist ja so viel bequemer, ausgetretene Pfade zu beschreiten, statt etwas Neues an sich heran zu lassen. Aber dem „wind of change“ ist deren Denkfaulheit und Bequemlichkeit natürlich total egal. Dabei wird diese devitale, dysfunktionale EU (die sich immer mehr zu einem korrupten, undemokratischen Moloch entwickelt) natürlich mal wieder maßlos überschätzt. Der EU wurde immer mehr das politisch korrekte Zwangsdenken des Merkel-Schlands aufgezwungen. Aber genau dieses Schland hat sich selbst – und damit auch die EU – in die politische Bedeutungslosigkeit manövriert.… Mehr

Biskaborn
56 Minuten her

Einfach nur peinlich wer da sitzt und spricht! Die schämen sich nicht, den größten Schwachsinn von sich zu geben, merken es in ihrer ideologischen Gefangenschaft nicht einmal. Nur gibt es aber immer noch Menschen die das Alles glauben und somit auch nicht besser sind als diese unterirdischen Diskutanten!

merkelinfarkt
58 Minuten her

Die Unseredemokraten im ÖRR quatschen lassen und AfD wählen! Mitglieder einer AfD-Bundesregierung wären für die USA, China und Russland offensichtlich ernsthaftere Verhandlungspartner als MItglieder des Bundestagsschuldenlügenmerkelsozialistenklimakassierunbegrenztezuwanderungblocks von CSU bis ExSED.

Last edited 57 Minuten her by merkelinfarkt
Dr. Friedrich Walter
1 Stunde her

Ich bin immer wieder erstaunt darüber, mit welcher Selbstverständlichkeit und Unbekümmertheit einige aktuelle und ehemalige Politiker und Journalisten die Schlichtheit ihrer Gemüter öffentlich zur Schau stellen, ohne es selbst zu bemerken. Röttgen an erster Stelle. Von solchen Menschen regiert bzw. informiert zu werden, erzeugt bei mir nur das „kalte Grausen“. Das ist schon nicht mehr nur die Besatzung eines „Narrenschiffes“, sondern eher die eines Geisterschiffes.

Wilhelm Roepke
1 Stunde her

Das interessante ist, dass diese Leute nicht lügen. Die glauben ihren eigenen Unfug sogar. Darum haben sie immer noch so viele Wähler, sie wirken authentisch. Das Problem ist nur, dass ihre Wähler auch nicht klüger sind.

Laurenz
42 Minuten her
Antworten an  Wilhelm Roepke

Seit der Eskalation des Kriegs in der Ukraine, März ’22, sind aber 3,7 Mio. Unionswähler in Deutschland weggestorben. Was klügeres konnten diese Leute aus Ihrer Sicht ja gar nicht tun. Ich denke nicht, daß die Gäste von Miosga glauben, was sie sagen. Sie vertreten nur die Interessen jener, die sie bezahlen.

PaulKehl
1 Stunde her

Der Artikel ist lustiger als die Sendung. Wenn lt. Röttgen Brüssel ein Zeichen nach Moskau senden sollte, kann Moskau auch ein Zeichen nach Brüssel oder vielleicht direkt in Röttgens Wahlkreis am deutschen Schicksalsstrome senden. „Die Gefahr gibt es. Ist aber nicht schlimm.“

Laurenz
41 Minuten her
Antworten an  PaulKehl

Die Russen haben mutmaßlich weniger Hemmung, das Kanzleramt zu Berlin in Schutt & Asche zu legen als den Marienpalast zu Kiew.

humerd
1 Stunde her

immerhin Roettgen war ehrlich, wenn auch nur im Konjunktiv. Als es um die Verwendung der eingefrorenen russischen Gelder in Höhe von 140 bis 160 Milliarden Euro ging. Miosga fragte „Was passiert im schlimmsten Fall?“ und Roettgen versuchte sich um eine Antwort zu drücken, dann aber musste er antworten.  „Im schlimmsten Fall müssen die Deutschen dafür haften.“ Und schob dann nach: „Nur im schlimmsten und extremsten Fall.“ Wie auch immer, für Deutschland war der Ukrainekrieg teuer und der Frieden wird noch teurer. Nun, die Bevölkerung zeigte eine große Bereitschaft zu noch weiteren Rentenkürzungen. Auch ist sie bereit für Leistungskürzungen bei den BeitragszahlerInnen… Mehr

Laurenz
39 Minuten her
Antworten an  humerd

Die Mehrheit hat die Partei Röttgens ins Kanzleramt gewählt. Es ist völlig ok, wenn die Deutschen zahlen müssen. Die Deutschen werden auch wieder Reparationen an Rußland zahlen müssen. Das wird noch richtig spaßig werden.

H. Hoffmeister
1 Stunde her

ÖRR in der Endlosschleife mit Trump- und AfD-Bashing. Es werden nur Hinterbänkler des grünwoken Establishments eingeladen, deren belangloses Geschwätz inzwischen nicht einmal mehr wütend macht.