Lauterbach in der Zange zwischen Maischberger und Gassen

Der treue Herbert ließ seinen geprügelten Landesherrn Laschet derart als eine Art Lichtgestalt aufleuchten („Ein feiner Kerl, anders als die anderen“), dass er am Ende sogar als einziger Gast Szenenapplaus bekam. Ansonsten ist er eben „kein Hellseher“, was die Regierungs-Zukunft betrifft, und bei den Durchstoßereien von Interna hat er „Vermutungen“, aber die behält er für sich.

Screenprint: ARD/maischberger

Wen man alles nicht kennt, wenn man den ÖRR weitgehend umschifft! Zum Beispiel den Kabarettisten Florian Schröder oder Katharina Hamberger vom Deutschlandradio. Viel haben wir offensichtlich nicht verpasst. Neben den beiden saß Rainer Hank in der Eröffnungsrunde bei Maischberger, uns noch vertraut als Wirtschafts- und Finanzressortleiter der FAZ, und der alte Fahrensmann hatte auch den einzig interessanten Gedanken zum öffentlichen Spiel zwischen Union, Grünen und Lindnerpartei: Wer hat ein Interesse daran, dass das Durchstechen von Informationen aus den Vorgesprächsrunden so aufgebauscht wurde? Na, der Lindner. Für den sei das die perfekte Entschuldigung für seinen offensichtlichen Empathiewechsel von Jamaika zur Ampel.

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Was soll bei einem Meinungsaustausch zwischen Herbert Reul, CDU-Innenminister von NRW, und Cem Özdemir, grüner Direktmandatsgewinner für den neuen Bundestag, groß herumkommen? Özdemir ist nicht mal im 10-köpfigen Verhandlungsteam der Grünen, so dass er da nichts berichten kann, dafür rauschte er als Laubbläser durchs Programm, der auch nicht vergaß, neben Klima die AfD-Gefahr hochzuwirbeln, von der nicht mal der Staatsfunk zuletzt noch groß berichtet hätte.

Der treue Herbert ließ seinen geprügelten Landesherrn Laschet derart als eine Art Lichtgestalt aufleuchten („Ein feiner Kerl, anders als die anderen“), dass er am Ende sogar als einziger Gast Szenenapplaus bekam. Ansonsten ist er eben „kein Hellseher“, was die Regierungs-Zukunft betrifft, und bei den Durchstoßereien von Interna hat er „Vermutungen“, aber die behält er für sich.

Apropos Hellseher: Maischberger hatte doch tatsächlich Karl Lauterbach in die Sendung geladen, und wir müssen uns wohl langsam Sorgen machen. Die Haare hatte er zwar schön, aber unter dem Scheitel geht’s doch recht seltsam zu.

Das Freedom-Day-Foto der SPD-Fraktion (maskenfrei und froh dabei) will er „gar nicht wahrgenommen haben“, obwohl er als einziger Maskierter mit drauf war. Als er als Exkulpation für die Genossen wiederholte, der Frevel sei „nur ganz kurz“ gewesen, spielte Maischberger ein paar Minuten den Film ab („Soll ich‘s laufen lassen?“), dann schwenkte Karl um, man habe ja nicht gesungen oder laut gerufen (Aerosole!), was Maischberger wiederum konterte, indem sie den Ton anmachte. Mit einem Wort: Party.

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Lauterbachs Gegenpart war die coole Socke Dr. Andreas Gassen (Vorsitzender Kassenärztliche Bundesvereinigung), der Karl regelrecht schrullig aussehen ließ. Die waren ja alle geimpft, was soll da passieren, nahm er Karls Genossen in Schutz. „Die Regeln sind beanstandungswürdig, nicht die Abgeordneten.“

Keine Sorge, wir lassen nicht sämtliche Corona-Geschichten der letzten Jahre zum x-ten Mal hier vom Stapel, aber der Schlagabtausch war schon erfrischend. Hellseher Lauterbach sagte voraus, die Vierte Welle komme zwar, aber „ganz so schlimm wie im letzten Winter“ würde sie „natürlich nicht“.

Gassen war bekannt geworden, weil er einen Freedom-Day nach dem Beispiel Großbritanniens auch für Deutschland vorgeschlagen hatte, man habe schließlich 75% geimpft, und der Rest wolle sich partout nicht impfen lassen, da müsse der Staat nun nicht länger allen die Freiheit nehmen.

Lauterbach ist natürlich dagegen, sein Argument: Er „würde einen Freedom Day als Drohung für die Ungeimpften auffassen“.

Die Sterberaten seien in Deutschland „geringer als angenommen“, so Gassen diplomatisch, Todesopfer hätten zum überwiegenden Teil Vor- und Begleiterkrankungen, „kein gesunder Mensch unter 20 ist an Covid gestorben“. „Covid“, schockierte er den Masketeer der Krone Karl: „ist nicht Ebola.“ Endlich sagt‘s mal einer.

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Karl von der „Haawatt“-Universität hatte natürlich andere Zahlen, außerdem sei der Professor Ioannidis von der Stanford University bei Dr. Drosten und Freunden „extremst umstritten“ und habe Donald Trump beraten.

Mit „Ich beobachte das ganze Thema ja als Epidemiologe“ wollte Lauterbach hier gleich mal die akademischen Hierarchien feststellen, dazu fiel uns sofort seine Ex-Frau Angela ein, die bei ServusTV deutlich machte: „Karl hat Health Policy und Management studiert und ich Epidemiologie.“ Internet is a bitch.

Freiheit gebe es mit ihm nur, ‘wenn, sage ich mal, der R-Wert bei soundsoviel, und die Impfquote bei 85% bei Erwachsenen überschritten, also die immer gleiche Formel unterschiedlich angewendet wird’, fassen wir seine Leier grob zusammen, worauf wir bei Dr. Gassen als Antwort die Formulierung „Science Fiction-Zahlen“ notierten.

Maischberger rettet Lauterbach, indem sie Dr. Gassen nach der Kinder-Impfung fragte, was der mit dem Argument „Kinder unter 12 Jahren werden nicht schwer krank“ ablehnte.

Doch, wusste Lauterbach es wieder mal besser, die erkrankten „häufig an Long Covid“, das habe er einer Studie entnommen, die dummerweise auch Gassen bekannt war: Die Kinder der Covid-freien Kontrollgruppe zeigten mehr Long-Covid-Symptome als die befallenen Kinder, stellte Gassen klar.

Ob Gassen sich über einen Gesundheitsminister Karl Lauterbach freuen würde, fragte Maischberger zum Abschluss. Er kenne ihn ja schon lange, so die salomonische Antwort, und freue sich über jeden, der die finanzielle Situation der Kassenärzte verbessere. Also eher nicht, haben wir verstanden.


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Kommentare ( 71 )

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Kindermund
2 Jahre her

Herrlich auch die Stelle, wo Karl selbstweihräucherisch doziert, dass er Studien liest und normalerweise Studien zitiert – irgendwie ploppte da Peter Ustinovs Nero vor meinem geistigen Auge auf… Blöd nur, dass er sie nicht versteht bzw. nicht verstehen will, weil sie von der anderen Fraktion kommen…
(Er hat übrigens trotzig auf Twitter nachgelegt und den ARD-Faktenchecker als Zeugen zitiert: https://twitter.com/Karl_Lauterbach/status/1446156821346066439)

ReneKall
2 Jahre her

„Die Kinder der Covid-freien Kontrollgruppe zeigten mehr Long-Covid-Symptome als die befallenen Kinder, stellte Gassen klar.“
Mehr muss man eigentlich nicht über den Lauterbach wissen. Er kann anscheinend Studien lesen, aber nichts davon verstehen.

karacho
2 Jahre her

Haha, „…aus heutiger Sicht sind bei dieser Impfquote…“ Ich sags mal so: Da Jamaika wohl Geschichte ist, winkt nun die Opposition für Spahn und Konsorten. Die legen jetzt eine 180 Grad Wende hin, da wird nun heftig zurückgerudert.

Sani58
2 Jahre her

Das liegt wohl daran, das bald die vorläufige (oder wie man das nennt) Zulassung der Impfstoffe ausläuft. Auch der Ausnahmezustand Pandemie, scheint sich, bei Lichte und -allseits-wissenschaftlich betrachtet, auch nicht mehr so recht aufrecht zu erhalten.

Sani58
2 Jahre her

Ach war der Artikel wieder herrlich formuliert. Es war eine Freude ihn zu lesen.
Und an Genossin Maischberger und Prufessor Lautenbach: bitte so weiter machen, wir warten auf weitere Rezensionen der Sendungen aus TV und wissenschaftlicher Welt.

Ben Clirsek
2 Jahre her

Herr Paetow, grandios.Schon lange nicht mehr so gelacht, vor allem beim Lauterbachteil.

Georg J
2 Jahre her

Kaum hatte Lauterbach auch nur ein klein wenig argumentative Erwiderung kam er ins Schwimmen. Kein Wunder, dass er eine öffentliche Debatte mit Leuten wie Wodarg oder Bhakdi fürchtet. Er würde ganz offensichtlich untergehen, da er keine Argumente, sondern nur unbewiesene Behauptungen zu bieten hat.

Last edited 2 Jahre her by Georg J
Kassandra
2 Jahre her
Antworten an  Georg J

Dr. Wodarg hat gar keine gute Meinung von dem Mann. Und er kennt ihn als Parteigenosse wie auch privat schon arg lang. https://twitter.com/punktpreradovic/status/1370661408397000704

Kassandra
2 Jahre her

Das scheint hier gar nicht vorgesehen.
Und Spahn als ygl beim wef wird sich „als Minister“ für später nur einen „guten Abgang“ verschaffen wollen.

Bahl Renate
2 Jahre her

Hatte irgendwo gelesen, dass die Leute auf dem Land nicht mal wussten, dass es so ein Volksbegehren überhaupt gibt. Abwarten…

Kassandra
2 Jahre her
Antworten an  Bahl Renate

Eine Million Unterzeichner müsste man in den Städten schon zusammen bekommen.
„Mindestens eine Million Wahlberechtigte müssen sich innerhalb von 14 Tagen bei den örtlichen Verwaltungen in Listen eintragen, wenn sie das Volksbegehren unterstützen wollen. Die Eintragungsfrist dauert von Donnerstag, 14. Oktober, bis einschließlich Mittwoch, 27. Oktober 2021. Stimmberechtigt sind alle, die am Tag der Eintragung auch stimmberechtigt wären, wenn an dem Tag eine bayerische Landtagswahl stattfinden würde.“
Nur macht man nicht den Bock zum Gärtner, wenn die Stimmen bei den Verwaltungen „abgegeben“ werden müssen?
In Berlin würde ich denen jedenfalls alles zutrauen.

ersieesmussweg
2 Jahre her

Kann Lauterbach Gesundheitsminister werden?

Rachel
2 Jahre her
Antworten an  ersieesmussweg

Der liest die nicht, der läßt sich von seinen Mitarbeitern Zusammenfassungen aus medizinischen Journalen (nicht den Studien !) vorlegen. Das merkt man, wenn man mit sowas vertraut ist.