Volkssport Denunziantentum: Der Anzeigenhauptmeister macht Schule

Historisch war Münster schon immer ein Hotspot für progressive Spinnereien. Aber nun möchte Neumünster in Schleswig-Holstein seinem Namen alle Ehre machen und neue Standards setzen. Inspiriert vom Anzeigenhauptmeister ruft die Stadt nun ihre Bürger dazu auf, Falschparker zu melden.

IMAGO

Als kürzlich der selbsternannte „Anzeigenhauptmeister“ deutschlandweite Bekanntheit errang, schieden sich die Geister. Während all jene, deren Hirne vom Klimawandel bereits weichgekocht wurden, ihre obligatorische Obrigkeitshörigkeit vergaßen und in einem Anfall mediterranen Anarchismus dem braven Denunzianten vom Dienst die Pest auf den Leib wünschten, waren diejenigen, die auch bei Robert Habecks Loblied auf den fehlerlosen Staat und dessen durchfallhemmende Bürokratie anerkennend nickten, inspiriert vom Stachanow-Denunzianten im Lauchlook.

Letztere Gruppe, die dieses Land am Laufen hält, bevor die „Lebensmittelausgabestellen“ (vulgo: Bäcker) das Land mit durchfallerweckenden Laugenstangen überziehen, sitzt glücklicherweise auch in der Stadtverwaltung im schönen Neumünster. Unter größtem Einsatz aller zur Verfügung stehenden Stempel wachen die dortigen Bürokraten davor, dass Neumünster nicht zu Neapel wird. Für alle Schwurbler unter den Lesern nur zur Erklärung: Das wäre nämlich schlecht!

Aber damit eine ordentliche Stadt auch ordentlich bleibt, braucht es eben auch die Mitarbeit der Bevölkerung:innen. Gerüchten zufolge soll in einer Dienstberatung auch das Argument „demokratische Partizipation“ gefallen sein, als es darum ging, die Initiative „Falschparker*innen melden“ spruchreif zu machen. Ein Vertreter der örtlichen Grünen lobte die Initiative als eine Gelegenheit, „das Miteinander zu leben“. Bei der nächsten Ratssitzung soll darüber beschlossen werden, ob die Werbekampagne „Wir sind mehr! – Wir parken richtig!“ direkt aus der Stadtkasse, oder doch über Mittel des Landes finanziert werden soll.

„Rechtsfahrgebot ist rechts. Punkt.“

Die Abgeordneten versprachen darüber hinaus, in den kommenden Wochen die Umsetzbarkeit des Antrags des Abgeordneten der Linken, das geltende Rechtsparkgebot zugunsten eines Linksparkgebots abzuändern, zu prüfen. Die Debatte spießt sich bislang an Sicherheitsfragen, die daraus entstehen könnten. Während der Vertreter der Linken die Lösung in einem Linksfahrgebot, sowie einer Vorrangsregelung von links sieht, äußerten FDP-Vertreter Bedenken, dies könnte den Tourismus von außerhalb drastisch reduzieren.

Die SPD hingegen forderte die Einrichtung eines unabhängigen und gemeinnützigen Vereins „So parkt Deutschland! e.V.“ (kurz: SPD), der engagierten Bürgern Kurse anbietet, um Falschparker zu erkennen und korrekt zu melden. „Ich denke da an ein dreistufiges Modell“, so ein anonymer Abgeordneter der SPD. „Wer sich für Stufe drei qualifiziert, erhält dann einen Stern mit Stempel in sein Bürgerbuch und lernt dann im Kurs, wie er seine eigenen Vergehen bestmöglich melden kann, ohne dabei in die Falle subjektiver Verharmlosung zu tappen.“

„Der Andrang ist groß“, verkündet die designierte Leiterin von „So parkt Deutschland! e.V.“ und Ehefrau des anonymen Abgeordneten. „Zu uns kommen Bürger, die melden wollen, sich aber nicht sicher sind, ob sie damit die Stadtkasse nicht überlasten könnten. Denen wollen wir Mut machen: Keine Sorge! In der Kasse ist immer noch Platz für ein weiteres Bußgeld!“ Besonders erfreut ist die Leiterin, dass auch immer mehr Autofahrer sich selbst anzeigen. Bislang handle es sich da zwar primär um E-Automobilist:innen, aber man ist zuversichtlich, dass sich das von selbst einpendelt, wenn erst einmal alle ein E-Auto fahren.

Neumünster macht Hoffnung für die Zukunft. Leider aber gibt es auch da immer noch schwarze Schafe. Die AfD zum Beispiel. Denn: Sie existiert.

Mit Zivilcourage gegen den Rechtsruck andenunzieren

Aber davon lassen sich die eifrigen Neumünsteraner Petzen nicht die Frühlingsstimmung verderben. „Ich find’s prima, so komm ich wieder mehr an die frische Luft“, erzählt der pensionierte Neumünsteraner Olaf Schulze während seiner Parkplatzpatrouille. „Und meine Frau findet’s auch dufte, sie meint, ich käme dann viel ausgeglichener nach Hause, wenn ich meinen ganzen Frust über die Unbezahlbarkeit des Lebens an Anderen ausgelassen hätte.“

Wie er reagieren würde, wenn einmal eine Gruppe Hinterwäldler ihn verprügeln wollte, so wie unlängst den Anzeigenhauptmeister? „Haha, dann nehm ich die Beine in die Hand, ist gut für die Kondition“, lacht der Bürgerparkwächter, bevor er mit ernster Miene hinzufügt: „Schon schlimm, was sie mit dem Jungen gemacht haben. Ich sag’ Ihnen, das ist dieser Rechtsruck, die Fußballfans, die das gemacht haben, ja, die glauben ja auch nur an zwei Geschlechter.“

Opa Schulze verfinstert einen Moment lang seine Miene, bevor seine Augen plötzlich wieder aufleuchten. „Ha, Bingo!“, ruft er und deutet auf einen SUV, dessen Hinterräder außerhalb der designierten Umrandung stehen. Ein Lichtblick für Denunzianten hart am Limit.

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Kommentare ( 27 )

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Fuerstibuersti
1 Monat her

Vielen Dank Herr Boos. Ihre Beiträge sind für mich mittlerweile echte Highlights auf TE geworden. Ihr Ausschnitt aus dem Gespräch der 4 lustigen Taurus-Fans mit „Operation Thüringer Bratwurst, sozusagen, höhö“, da hat’s mich fast zerlegt vor Lachen. Aber jetzt zu dem heutigen, sehr ernsten Thema. Es erklärt mir, warum sich Anfang Januar an einem eisigen Montagmorgen hier bei uns vor dem Rathaus eine größere Menschenmenge, alles Männer, inklusive 3 hervorragend frisierten Schutzmännern eingefunden hatte. Auch der Bürgermeister war da und sprang sichtlich aufgeregt herum. Im Minutentakt trat jeweils eine Dreiergruppe vor auf den frisch verschneiten Marktplatz. Dann fing der in… Mehr

DerGrinser
1 Monat her

Also für mich ist der Anzeigenhauptmeister der deutscheste unter den Deutschen überhaupt. Überkorrekt, obrigkeitstreu, denuziatorisch, missgünstig, spießig, kriecherisch, schadenfroh. Er erwartet uneigennützig für den Dienst am Vaterlande nicht mal ein Lob, sondern bezieht seinen Lustgewinn allein über die Schadenfreude, seinen Mitmenschen gesetzeskonform Schaden zufügen zu können. Der Typ ist ungewollt ein Paradebeispiel für den alten, weißen und verbitterten Deutschen. Für den hieß ich heute im Garten meine Regenbogenfahne!

Fatmah
1 Monat her

Der Typ ist Fake. Mit seinen „POLIZFI Schildern am Fahrrad würde in der Realität Niemand 2 Meter weit kommen ohne sich eine Anzeige wegen Amtsanmaßung einzufangen.

Fieselsteinchen
1 Monat her

Ausgetestet und vorbereitet wurde während der Coronazeit! Und siehe da, es wurden eifrig die Nachbarn oder andere unliebsame Personen denunziert. Damals gab es in unserem Örtchen sogar einen Polizeibeamten, der sich ausschließlich mit den haltlosen Beschuldigungen beschäftigte. Da wurde sich für Dinge revanchiert, die teilweise Jahrzehnte zurücklagen! Aber das deutsche Denunziantengen wurde aktiviert und so wird das jetzt weiterlaufen! Falschparken, Fleischessen, Auto fahren, Flugreise, inkorrekte Mülltrennung, schon 2345 mal heute geatmet… und das funktioniert in dieser Form nur in Deutschland! Verstehe ich nicht! Aber Dummland steht für die Transformation bereit, ach, für Krieg ebenfalls, eigentlich für jede internationale Panikmache, nicht… Mehr

Anglesachse
1 Monat her
Antworten an  Fieselsteinchen

Ich empfehle den Filmklassiker „Der Untertan“!
Jetzt verstehe ich das Wesen des „Kaiserreiches“ jedoch besser. Es waren genau diese von Ihnen beschriebenen Charaktäre und Visionen „am Teutschen Wesen soll die Welt genesen“, die 1871-1918 herrschen und in genau dieselbe Richtung führten.
Meine Erkenntnis: Geschichte reimt sich, weil sie nicht aus Zufall entsteht, sondern sich durch das Wesen der Bürger entwickelt.
Und weil es heute die Enkel (H.Broder) sind, wiederholt sich der Ablauf.
Komisch nech…?

REM: Was mich dabei beunruhigt…danach kam Räterepublik und 3.Reich….

Danton
1 Monat her

Ich kann die Glosse nicht entdecken. Das hört sich alles nach dem besten Deutschland an, in dem wir je gelebt haben. Jetzt mal ne richtige Glosse aus der Gosse. In FFM habe ich bis zu 5000 gesunde Bäume gesehen die dieser Tage gefällt wurden. Die stapeln sich mannshoch an Autobahnen, Zubringern, und Auf- Abfahrten. Komplette Wälder wurden von Mansoori (Verkehrsminister) abgeholzt. Ich schätze das wegen dem Reichweitenproblem der Hysterikerautos (E-Mobile) freie Bahn für den Wind gemacht wurde. Womöglich bekommen diese Teile bald ein Surfsegel auf’s Dach, damit es bis zur nächsten Steckdose reicht.

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Danton

: ganz zu Beginn der uns ereilenden Völkerwanderung mit Islamisierungsanspruch wurde noch öfter darüber geschrieben, dass der Baum, formiert er sich zum deutschen Wald, solchen, die aus Wüstengegenden kommen, Furcht einflößen würde. Nun geht er halt dahin – aus welchem Grunde auch immer.
„Als zuständiger Berichterstatter für Planungsbeschleunigung verhandelte Mansoori 2023 das Beschleunigungsgesetz der Ampel-Koalition mit. Durch dessen Umsetzung sollen Infrastrukturvorhaben durch eine Beschleunigung von Verwaltungsprozessen schneller umgesetzt werden können.“ schreibt wiki
Wahrscheinlich sind sie deshalb jetzt ganz schnell weg, die Bäume.

Graeferin
1 Monat her

… und auch die „Omas gegen Rechts“ können sich außerhalb ihrer bezahlten Demotätigkeit mit Denunziation noch etwas zur Rente verdienen. Einige durften ja wohl noch wissen, wie das damals funktionierte und haben sicherlich noch eine sozialistische Jobbeschreibung in der Schublade liegen.

Graeferin
1 Monat her

Ich halte diesen Typ für keine Zufallserscheinung. Er erinnert mich fatal an Greta, die „zufällig“ einsam und alleine (hust) mit einem Schild vor einer Schule saß. Später erfuhr man dann, welcher Apparat dahinter war – bis hin zu BlackRock. Für die kommende „Plandemie“, die bereits von der WHO angekündigt ist, benötigt man dringend Beobachter. Ideal für Leute der GenZ, die zu dumm sind, einen Eimer Wasser umzutreten. Denunzieren und auf Demos gegen Rechts gehen – passt!

Haba Orwell
1 Monat her

> „Wer sich für Stufe drei qualifiziert, erhält dann einen Stern mit Stempel in sein Bürgerbuch und lernt dann im Kurs, wie er seine eigenen Vergehen bestmöglich melden kann, ohne dabei in die Falle subjektiver Verharmlosung zu tappen.“

Falschparken sind Peanuts – melden muss man vor allem Aussagen wie „morgen könnte es saukalt sein“, was das menschengemachte Kochen der Erde leugnet. Mein Vater wurde aus einem studentischen Verein rausgeworfen, weil er schlechtes Wetter am Wochenende zum gemeinsamen Ausflug vermutete (das war allerdings Anfang der 1950er Jahre im Ostblock, noch unter Stalin).

Anglesachse
1 Monat her

Kleine Anmerkung:
Nach (vergangener?) Rechtlage sind Anzeigen nur rechtlich zulässig, wenn der/die/das Anzeiger*$§innen selber betroffen sind. Anstandlose Anzeigen waren es nicht.

Bei Schlesw-Holst. wundert mich allerdings dieser Vorgang nicht, denn 1945 waren 15% der „Urbevölkerung“ NSDAP-Wähler.
Nach 1945 kamen dann aus Ostpr. „Neubürger“ dazu, Die mit (dam.Gauleiter Koch) sogar 18% Befürworter stellten.
Mit Himmler & Dönitz war dann die „Mischung komplett“

„….Wie der Herr so,s Gescherr….!“

Waehler 21
1 Monat her

Ein gutes Thema. Doch ich vermisse die Ursachenforschung.
Die Gesellschaftsfähigkeit vieler steht zur Diskussion. Gegenseitige Rücksichtnahme war gestern. Ist ein abgelaufenes Parkticket einer Behinderung in einer Einfahrt oder dem Parken auf einem Behindertenparkplatz gleichzusetzen?
Ist ein Anzeigentsunami ein Mittel oder nur die Kompensation einer charakterlichen Störung, bzw. Unangepasstheit?

Die Sozialisation, der gesellschaftliche Konsens und vor allem das Vertrauen in den Staat und seinen Vertretern, den Politikern, der Berechenbarkeit von Mitmenschen zerfällt.
Es zerfällt in Clans, in „Aktivistengruppen“…… Der Umbau unserer Gesellschaft ist im vollen Gange. Das „Wir“ jedenfalls stirbt!

Unglaeubiger
1 Monat her
Antworten an  Waehler 21

Ursachenforschung?? Es genügt zu erkennen, dass die Gesellschaft leider schon durch Kindergarten, Schule, Uni etc. in den letzten Jahrzehnten total verblödet wurde. Aber die Deutschen fanden und finden es hipp, gerecht, notwendig, fortschrittlich usw., Hauptsache die alten Werte stehen nicht mehr im Weg. Diese Obrigkeitshörigkeit scheint DIE besondere und prägende Charaktereigenschaft in diesem Land zu sein. Nun denn, mögen Land und Leute halt im Sklaventum erwachen und sich toll fühlen, denn zum „Aufstehen“ sind sie zu ungebildet, zu faul und zu feige.

reiner
1 Monat her
Antworten an  Unglaeubiger

wenn man sich verblöden lässt,selber schuld. ich war schon im kindesalter skeptisch manchen dingen gegenüber,die mir komisch vorkamen.