Schrödingers Marktwirtschaft

Es ist ein epochaler Durchbruch für die ökonomischen Wissenschaften. Robert Habecks Ministerium hat entdeckt, wie Unternehmen zwar keine Gewinne mehr machen, darauf aber trotzdem mehr Steuern zahlen. Die Geschichte der Menschheit muss teilweise umgeschrieben werden.

IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Der Wirtschaftsnobelpreis im kommenden Jahr geht nach Deutschland. Das ist jetzt schon so sicher wie das sprichwörtliche Amen in der Kirche. Am 10. Dezember – an Alfred Nobels Todestag – wird, wie jedes Jahr, auch 2024 die Preisverleihung stattfinden. Robert Habeck hat den Termin im Kalender bereits gesperrt.

Nach Stockholm begleiten wird Habeck jener Mitarbeiter aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), der bei X – die ganz Coolen nennen das weiter Twitter – diesen schon jetzt legendären Tweet abgesetzt hat:

— Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (@BMWK) December 13, 2023

Falls Sie das jetzt nicht auf Anhieb verstehen: Macht gar nichts, das geht den Allermeisten so. Der Gedankengang stammt halt aus den höheren – genauer: den höchsten – Sphären der Politischen Ökonomie. Im Kern geht es um Folgendes: Der Ampel fehlt Geld, viel Geld. Aber sie will nicht sparen, weil keine der beteiligten Parteien Abstriche an ihren jeweiligen Lieblingsprojekten machen will. Also, im Wortsinn: gar keine Abstriche. Nicht ein Mü.

Wenn man aber weiter ungebremst Geld aus der schon jetzt bis zum Bodenblech geplünderten Staatskasse für die Große Transformation ausgeben will: für Klimaschutz in aller Welt, für Flüchtlinge aus aller Welt, für Waffen in alle Welt (vor allem für die Ukraine und die Hamas) sowie für zahllose heimische und volkswirtschaftlich anderweitig beim besten Willen nicht einsetzbare NGO-Mitarbeiter und sonstige Arbeitsscheue – wenn man also partout nicht sparen will: Dann muss von irgendwo Geld herbeigeschafft werden.

Sicher, man kann mehr Schulden machen. Aber da ist das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zuletzt unerwartet lästig geworden und hat der Regierung etwas engere Grenzen gezogen. Dieser Weg ist also zwar nicht versperrt, aber doch wesentlich schmaler als zuvor.

Was liegt da näher, als sich das benötigte Geld bei denen zu holen, die sich nicht wehren können: bei den Bürgern. Das nennt man dann gemeinhin Steuererhöhung. „Keine Steuererhöhung“ ist ohnehin so ziemlich das einzige Wahlversprechen der FDP, das Parteichef Christian Lindner und sein Einflüsterer Marco „Lord Voldemort“ Buschmann noch nicht gebrochen haben. Es wird also höchste Zeit, die Liberalen verlieren sonst noch ihre Glaubwürdigkeit.

Von den Bürgern dürfen die meisten dummerweise aber auch wählen, und die derzeitigen Umfragen deuten darauf hin, dass sich die Laune des Wahlvolkes rapide dem Nullpunkt nähert. Den Bürgern kann man die Steuern also nicht beliebig erhöhen, ohne direkt politischen Selbstmord zu begehen. Die Ampel ist zwar ausgesprochen dämlich, ein gewisser Überlebenstrieb ist ihr aber nicht abzusprechen.

Bleibt die einzige Gruppe, bei der es noch was zu holen gibt und die auch nicht wählt: die Unternehmen.

Und so erhöht die schwer suchtkranke Bundesregierung in ihrer grenzenlosen Abhängigkeit von der Droge „Geld“ jene Steuern, die vor allem Unternehmen hart treffen: Eine Kerosinsteuer für Inlandsflüge wird eingeführt, außerdem eine sogenannte „Plastikabgabe“. Besonders perfide: Die Steuerermäßigung auf Diesel für Agrarbetriebe wird abgeschafft. Das wird weitere Kleinbauern in den Ruin treiben und die Landwirtschaft weiter zentralisieren, aber das nur am Rande.

Die Plastikabgabe „hilft Müllberge zu reduzieren und stärkt den Klimaschutz“, jubelt das Habeck-Ministerium. Realistische Zeitgenossen sehen das durchaus anders: Denn schon jetzt wird nahezu alles, was ohne Plastik verpackt werden kann, sowieso schon anders verpackt. Was aber nicht ohne Plastik verpackt werden kann (einfach deshalb, weil es noch keine Alternative gibt), wird durch die Abgabe einfach nur teurer – am Ende immer für den Verbraucher.

Denkste! Denn genau an diesem Punkt setzt der revolutionäre Gedanke des Habeck’schen Beraterstabs an: Die Unternehmen, die etwas mit Plastik verpacken, sollen diese erheblichen zusätzlichen Kosten nicht an den Verbraucher weitergeben. Stattdessen sollen sie (siehe Tweet oben) auf ihre Gewinne verzichten.

Wir fassen zusammen: Die Regierung erhöht durch eine neue Abgabe massiv die Kosten für Plastikverpackungen. Die betroffenen Unternehmen – die sämtlich im beinharten internationalen Wettbewerb stehen und mit Mini-Profiten oft nur gerade so überleben – sollen das schlucken und auf Gewinne verzichten: damit die Endverbraucher nicht merken, dass die Regierung Plastik massiv teurer macht (und nicht noch böser auf die Ampel werden).

Gleichzeitig müssen die betroffenen Unternehmen aber aus ihren Gewinnen (die sie, siehe oben, ja gar nicht machen sollen) die ständig steigende Steuer- und Abgabenlast bewältigen, damit die Ampel ihren unstillbaren Durst nach frischem Geld zumindest etwas lind(n)ern kann.

Es ist so etwas wie Schrödingers Marktwirtschaft: wo Unternehmen gleichzeitig Gewinne und keine Gewinne machen. Wenn das keinen Nobelpreis wert ist.

Das Bundeswirtschaftsministerium ist unter Robert Habeck so etwas wie das ökonomische Nicht-Kompetenzzentrum Deutschlands geworden. Gleich nach seinem Amtsantritt hat der Grüne 70 (in Worten: siebzig) Mitarbeiter aus dem Umweltministerium zu sich geholt – darunter gleich vier Staatssekretäre für Energie, Klima und Wirtschaft. Zusätzlich hat er sich 28 neue Planstellen genehmigen lassen – mehr als jeder andere Ampel-Minister.

Quantität ist freilich nicht gleich Qualität. Seit über einem Jahr berichten zahllose Industriemanager, wie sie an der blanken Unkenntnis im Wirtschaftsministerium schier verzweifeln. Vor allem mit Beginn der Energiekrise zeigen auch der Ampel bisher eher wohlgesonnene Wirtschaftsvertreter offen ihren Unmut. Bei den Gesprächen zwischen Industrie und Wirtschaftsministerium kollidieren Welten. Hinter vorgehaltener Hand lassen die Industrievertreter an den Beamten in Berlin kein gutes Haar: Die seien „ohne Plan“, „dirigistisch“ und „zögerlich“.

Teilnehmer von Gesprächsrunden berichten, dass man sich hinter verschlossenen Türen mit den Habeck-Leuten inzwischen hemmungslos anschreit. „Immer häufiger muss man mit BMWK-Vertretern erst einmal Debatten darüber führen, wie Märkte funktionieren.“ Im Wirtschaftsministerium beschäftigt man sich offenbar mehr mit Nachhaltigkeit und der Einhaltung von Menschenrechten als mit den zentralen ökonomischen Fragen. Habecks grünes Führungspersonal tritt nach diesen Erfahrungsberichten rein ideologisch auf und misstraut der Privatwirtschaft grundsätzlich.

Der Wirtschaftsminister und Vizekanzler hat ja jüngst fast tränenreich beklagt, dass der tägliche Stress seine Mitarbeiter krank mache: „Die Leute haben Burnout, die kriegen Tinnitus. Die können nicht mehr“, sagte er.

Die Industrievertreter haben dafür eine einfache Erklärung: Demnach stehen Habecks Mitarbeiter vor allem deshalb unter so hohem Stress, weil sie keinerlei Kenntnisse in Wirtschaftsfragen haben. „Wir reden im Wirtschaftsministerium mit NGO-Vertretern“, sagt ein Unternehmensboss. Habeck habe sich hauptsächlich unqualifizierte Ideologen in sein Ministerium geholt. „Vielleicht sollte er es einmal mit Fachleuten versuchen.“

Doch vorläufig arbeiten im Wirtschaftsministerium halt andere. Die fordern die Unternehmen nun also per Tweet dazu auf, freiwillig weniger Gewinne zu machen: damit trotz steigender Unternehmenssteuern die Bürger nicht mehr zahlen müssen.

Demnächst wird dann das Bundesverfassungsgericht die Grünen dazu auffordern, freiwillig weniger Abgeordnete in die Parlamente zu schicken: damit trotz steigender Inkompetenz der Habeck-Truppe die Bürger nicht noch mehr leiden müssen.

Man wird ja noch träumen dürfen.

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