Die Angst des Grünen vor dem Journalisten

Die Jugendorganisation der Öko-Partei will das westliche Verteidigungsbündnis abschaffen. Ganz offiziell, das steht so in ihrem Grundsatzprogramm. Gibt es dazu Nachfragen, ergreifen die Mini-Habecks jetzt die Flucht. Es riecht nach Krach im Paradies.

picture alliance / ZB | Sascha Steinach

„Ich hab’ keine Zeit, ich hab’ keine Zeit – und davon ganz viel.“ Das sagt der ständig gehetzte Märzhase aus „Alice im Wunderland“ immer wieder. Dieses Zitat wird in dem lustigen Vorgang, den wir hier beschreiben wollen, noch wichtig werden. Wir kommen darauf zurück.

Die „North Atlantic Treaty Organization“, kurz NATO, sei eine „Gefahr für den Frieden“. Das westliche Verteidigungsbündnis sei mit seiner Logik „im Kalten Krieg stecken geblieben“ und verfolge seine „Interessen einseitig und mit militärischen Mitteln“. Kurz: Das Militärbündnis NATO sei „endgültig überholt“ und müsse „als solches endgültig abgeschafft werden“.

So sieht das die Grüne Jugend (GJ), die offizielle Nachwuchsorganisation von Bündnis’90/Grüne. So steht es auch in ihrem sogenannten „Selbstverständnis“ (das ist so etwas wie ein Grundsatzprogramm). Und so kann man es auf der Homepage der Parteijugend lesen.

Man will ja nun wirklich nicht übertrieben spitzfindig sein. Aber irgendwie drängt sich doch leise die Vermutung auf, dass Vizekanzler Robert Habeck und Annalena Baerbock an der Spitze des deutschen Auswärtigen Amtes im Moment – sagen wir mal: nicht direkt eine Politik verfolgen, die auf die rasche Abschaffung der NATO ausgerichtet ist. Da gibt es auch bei größter Sympathie also schon einen gewissen Widerspruch zwischen dem, was die Grüne Jugend fordert, und dem, was die grüne Mutterpartei tut.

Das ist auch den Kollegen bei der „Berliner Zeitung“ aufgefallen. Die haben dann Unerhörtes getan: Sie haben bei der Primärquelle nachgefragt. Ab da nimmt das Drama seinen Lauf.

Denn die Grüne Jugend hat vor dem Thema erkennbar mehr Angst als der sprichwörtliche Torwart vor dem Elfmeter. Seit mehr als zwei Jahren (!) kann die Organisation angeblich aus „Termingründen“ nicht erklären, warum sie die NATO abschaffen will. Entsprechende Anfragen im Februar 2022 blieben ebenso unbeantwortet wie Nachfragen im Oktober desselben Jahres.

Den jüngsten Versuch hat die „Berliner Zeitung“ nun am vergangenen Dienstag unternommen. Inzwischen hat die Grüne Jugend sogar schon ganz anderes Spitzenpersonal als zu Beginn des Frage-Marathons vor zwei Jahren. Doch auch die neuen Bundessprecherinnen Svenja Appuhn und Katharina Stolla können sich zu dem Thema nicht äußern – aus, Überraschung, „terminlichen Gründen“.

Irgendwie ist man schon besorgt. Das kann doch nicht gesund sein, wenn so junge Menschen so lange Zeit offenbar so viel zu tun haben, dass sie noch nicht einmal ein paar Journalistenfragen beantworten können. Wobei: Seit ihrem Amtsantritt vor einem guten halben Jahr haben Appuhn und Stolla schon Interviews gegeben. Eine Menge sogar, das Internet ist voll davon. Nur für die Fragen der „Berliner Zeitung“ gilt:

„Ich hab’ keine Zeit, ich hab’ keine Zeit – und davon ganz viel.“

Aber was ein echter Journalist, der gibt nicht so schnell auf. Der NATO-Passus steht seit 2010 im Grundsatzprogramm der Grünen Jugend und wurde seinerzeit auch vom damaligen GJ-Vorstandsmitglied Emily Büning unterschrieben. Sie hat mittlerweile bei der grünen Mutterpartei Karriere gemacht und ist da die politische Geschäftsführerin.

Also fragte die „Berliner Zeitung“ auch bei ihr an: Warum hat sie damals diesen Standpunkt vertreten? Würde sie sich heute eine andere Haltung der Parteijugend wünschen? Leider konnte die grüne Pressestelle diese Anfrage am Mittwoch nicht beantworten: „mit Blick auf die Kapazitäten“.

Die Grünen waren mal sehr stolz darauf, dass im Jahr 2006 das Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet wurde. Nicht ganz zu Unrecht betrachten sie es als ihr Baby. Es schreibt – erstmals in der deutschen Rechtsgeschichte – fest, dass behördliche Informationen grundsätzlich für alle Bürger zugänglich sein müssen.

Das Informationsfreiheitsgesetz gilt offenbar ausgerechnet nicht für die Partei, die es erfunden hat.

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Kommentare ( 27 )

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Wolfbert
1 Monat her

Kein Grünofant muss Angst vor Journalisten haben. Weil er/sie/es in 85 Prozent der Fälle auf Gleichgesinnte und in den restlichen 15 Prozent auf Harmlose trifft.

Kalmus
2 Monate her

„Achtung Glosse“…… was ist hier lustig? Was ist satirisch verzerrt? Ich erkenne bestenfalls beißende Ironie. Ansonsten Kopfschütteln.

ceterum censeo
2 Monate her

„Das Informationsfreiheitsgesetz gilt offenbar ausgerechnet nicht für die Partei, die es erfunden hat.“ Nee, echt jetzt? Sollten die Grünen etwa Doppelstandards haben? Gar eine Doppelmoral? Kaum zu glauben…

Koeki171
2 Monate her

Es geht um Macht, nicht um Menschen, nicht um das Land, sondern nur um den Machtanspruch der Partei. Orwell hat das in 1984 schon vor Jahrzehnten geschrieben.
„Die Partei ist keine „Erbkorporation“. Ihr geht es nur darum, sich selbst an der Macht zu erhalten: „Die Partei strebt nur aus eigenem Interesse nach der Macht. Das Wohl anderer interessiert uns nicht, uns interessiert einzig die Macht. Weder Reichtum und Luxus noch langes Leben und Glück: nur Macht, reine Macht“
George Orwell, 1984, Teil 3/III

Entenhuegel
2 Monate her

Die Forderung nach Abschaffung der NATO muss nicht begründet werden. Die Gründe liegen für jeden, der denn hinsehen will, sichtbar auf der Hand:

Die NATO ist kein Friedenssicherer, sondern ein Kriegstreiber, der ausschließlich imperialistischen US-Interessen dient und den USA bei ihren völkerrechtswidrigen Aktionen (Serbien, Irak, Libyen, Syrien, Maidanputsch etc.) williger Helfershelfer war und ist. Oder einach: Niemand bedroht die äußere Sicherheit der NATO-Staaten. Die NATO ist seit 1992 ein reines Angriffsbündnis.

Dass ausgerechnet die linksradikale Grüne Jugend in Politik und Gesellschaft weitgehend allein mit dieser Erkenntnis steht, zeigt, wie degeneriert BRD und Werte-Westen sind…

Haba Orwell
2 Monate her

Wie es im Ausland gesehen wird – Heilige NATO samt Stellvertreter gehöre neben Corona, Klima und Genderei zum Heiligen Woken Glaubensbekenntnis. Jede Kritik daran sei Ketzerei:

https://tkp.at/2024/05/17/robert-fico-sagte-attentate-auf-regierungspolitiker-vorher-video/

Natürlich waren die Grün:innen schon immer inbrünstig für die NATO – jetzt muss das Wahrheitsministerium nur noch sämtliche Archive durchgehen und anders lautende Fake News (Desinformation) korrigieren.

Gerhard_F_Mossmayr
2 Monate her

Ach, das ist doch nur unerwartet ehrlich: Nimmt man das ganze Gendergedöns weg, und stellt fest, dass Umweltschutz einzig mittels industrieller Selbstaufgabe geschaffen werden soll (die Energie und den Schmutz dürfen dabei dann gerne billiger produzierende Drittstaaten mit niedrigeren Umweltstandards für sich in Anspruch nehmen), dann bleibt von den Grünen nur eines: Bolschewiken, die es auf die Zerstörung unserer gesellschaftlichen Strukturen abgesehen haben. Dabei ist der Begriff „Bolschewoken“ für den neuzeitlichen Anstrich dieses Konzeptes tatsächlich sehr passend. Alter Wein in grünen Schläuchen. Vermutlich ist das schon seit Ende der siebziger Jahre die dominierende DNA der grünen Weltuntergangsapologeten. Dann stellt sich… Mehr

Jens Frisch
2 Monate her

„Das Informationsfreiheitsgesetz gilt offenbar ausgerechnet nicht für die Partei, die es erfunden hat.“
Ein angelsächsisches Sprichwort besagt:
„Do as I say, not as I do.“
Sinngemäß übersetzt wurde das von Luisa Neubauer:
„Besser Doppelmoral als gar keine Moral.“

bernstedter
2 Monate her

Austritt aus der NATO ist gut! Wessis die 70 Jahre umerzogen wurden und denken der Besatzer USA sei unser Freund der uns abhört, können das natürlich glauben. Nordstream 1 und 2, das waren übrigens auch die Amis, weiß jeder der nicht naiv ist

Freigeistiger
2 Monate her

Das sieht ganz nach einem Betriebsunfall bei den transatlantisch geeichten Grünen aus: Die haben offenbar glatt vergessen, ihre Jugendorganisation auf Linie zu bringen. Letztere erinnert mit ihrer Forderung nach Abschaffung der NATO an den einstigen Pazifismus der Partei, an Eigenständigkeit und politische Vernunft. Das steht natürlich in diametralem Gegensatz zur Position der heutigen us-hörigen, rüstungs- und kriegsbewegten Mutterpartei.
Schade freilich, wenn sie jetzt Angst vor der eigenen früheren Courage haben.
Vielleicht liegt es daran, daß nur noch Opportunisten Partei-Karriere machen können.

Last edited 2 Monate her by Freigeistiger