Im Handelsblatt verspricht BASF-Vorstandschef Markus Kamieth Milliardeninvestitionen am Standort Deutschland. Eine Deindustrialisierung sehe er nicht, so Kamieth, der allerdings für die deutsche Wirtschaft auch im kommenden Jahr kein Wachstum erwartet. Die Hoffnungen der Industrie ruhen wohl auf dem Hochlauf des Militärsektors.
picture alliance/dpa | Uwe Anspach
BASF-Vorstandsvorsitzender Markus Kamieth gab im Interview mit dem Handelsblatt seine Sicht auf BASF, die Chemiewirtschaft und den Standort Deutschland zu Papier. Dabei wichen seine Betrachtungen um Längen von dem ab, was wir tagtäglich in der Wirtschaft beobachten. Kamieth sieht Standortstabilität, wo eine messbare Deindustrialisierung zu massivem Substanzverlust führt.
Wenn der CEO des deutschen Chemie-Flaggschiffs BASF ein Interview über die allgemeine Lage gibt, lohnt es sich, genau hinzuhören. Was Kamieth im Gespräch mit dem Handelsblatt konkretisierte, ist bemerkenswert: Die BASF investiere nirgendwo auf der Welt so stark wie am Ludwigshafener Stammsitz, mehr als in China, so Kamieth.
Diese Aussage weicht bemerkenswert weit von der Realität ab, investierte BASF doch jüngst einen Betrag von 8,7 Milliarden Euro in seinen neuen Verbundstandort im chinesischen Zhanjiang. In Deutschland hingegen wird der Abbau weiter fortgesetzt.
BASF nimmt „Anpassungen“ vor
Bereits 2023 kündigte BASF an, mehrere größere Assets ausgerechnet am Stammsitz und anderen deutschen Schlüsselwerken stillzulegen. Ziel war es, die Fixkosten vor dem Hintergrund des energiepolitischen Desasters zu reduzieren, das den Standort fundamental beschädigt hat.
Und so kam es, wie es kommen musste. Im Februar 2023 begann die systematische Reduzierung der Aktivitäten von BASF am deutschen Standort. Vor allem in Ludwigshafen wurden erstmals 700 Stellen abgebaut. Mehrere Anlagen, darunter eine Ammoniak-Anlage, Caprolactam und diverse chemische Produktionen, wurden geschlossen.
Konsequenter Rückzug
Damit war der Kurs vorgezeichnet. In den folgenden Monaten kündigte BASF weitere Umstrukturierungen an, die tief in das industrielle Gefüge Deutschlands schnitten. 2024 folgte die Entscheidung, die Produktion des Herbizids Glufosinat-Ammonium an den Standorten Frankfurt-Höchst und Knapsack einzustellen – rund 300 Arbeitsplätze waren betroffen.
Auch im laufenden Jahr hielt das BASF-Management an der Schrumpfungsstrategie fest. In Schwarzheide wurden Kapazitäten eingedampft, knapp 50 Mitarbeiter sollen durch interne Regelungen neue Arbeit finden werden. Am Düsseldorfer Standort, einst ein Aushängeschild für Inhaltsstoffe für kosmetische Produkte, stehen über 100 Stellen vor dem Aus. Parallel bereitet der Konzern die Schließung seiner Hydrosulfit-Anlage in Ludwigshafen vor. Die Summe all dieser Maßnahmen zeigt: Die BASF folgt einer strategischen Neuausrichtung – und ein Fanal für die gesamte deutsche Chemieindustrie.
Warten auf die nächste Subventionsrunde
BASF steht beispielhaft für den dramatischen Absturz der gesamten Branche. Mit einem Umsatzrückgang von etwa einem Drittel seit 2022 ist der Konzern kein Einzelfall, sondern Symptom eines tieferliegenden Strukturproblems. Die chemische Industrie arbeitet heute mit einer Kapazitätsauslastung von etwa 70 Prozent und erreicht damit in vielen Teilbereichen nicht einmal mehr den notwendigen Breakeven.
Gerade vor diesem Hintergrund sind die Äußerungen vom BASF-Chef mit größter Vorsicht zu betrachten. Die Lage ist deutlich schlechter, als er sie im Handelsblatt-Interview beschrieb. Sein Hinweis, dass auch 2026 in Deutschland nicht mit Wachstum zu rechnen sei, macht klar, dass er in weiten Teilen des Gesprächs zweckoptimistisch argumentierte. Denn zwischen den Zeilen zeigt sich: Die Substanz schrumpft – und dieser Prozess ist bestens dokumentiert in den Insolvenzstatistiken und im Netto-Kapitalabfluss.
Letzte Hoffnung Kriegswirtschaft
Es ist sehr wahrscheinlich, dass große Teile der deutschen Industrie längst auf die Umsetzung des Schuldenpakets der Bundesregierung warten. Die Frage steht im Raum, ob der politisch vorangetriebene Aufbau einer deutschen Kriegswirtschaft – finanziert über neue Staatsschulden, Sondervermögen und Ausnahmetatbestände – nun als Rettungsanker und Wachstumsersatz dienen soll.
Entsteht hier die nächste Subventionsbrache neben dem Klimakomplex? Ein künstlich aufgepumpter Sektor, der am tatsächlichen Bedarf der Menschen vorbeiproduziert und lediglich dort, wo dies technologisch möglich ist, freigewordene Kapazitäten füllt, um der Bundesregierung statistisch-argumentatives Futter im Kampf gegen den Verfall zu liefern?
Zurück bleiben Subventionsruinen, höhere Staatsschulden, steigende Abgabenlasten und ein weiterer Rückgang der wirtschaftlichen Produktivität. Deutschland vertraut längst nicht mehr auf die Kraft der Marktwirtschaft. Stattdessen setzt die Politik nahezu ausschließlich auf zentral geplante Wirtschaftsbereiche, um kurzfristig die Fassade eines kollabierenden Industriekomplexes zu stabilisieren.
Kamieth hätte darauf hinweisen müssen, dass auch er sich von der Bereichsausnahme „Rüstung“ einen positiven Impuls verspricht. Es gilt, sich frühzeitig zu positionieren, um von der neuen Subventionswelle zu partizipieren, die sich derzeit über das Land ergießt – und die einen statistischen, aber wirtschaftlich unbedeutenden Wachstumsimpuls erzeugen wird.
Signal aus Brasilien
Der pathetisch-alarmistische Klimagipfel COP30 in Brasilien dürfte die Chefetagen internationaler Konzerne wie BASF in ihrer Strategie bestätigt haben: Die Europäer sind mit dem Versuch gescheitert, die Net-Zero-Politik global institutionell zu verankern. Nun gilt es, Kapital so umzusteuern, dass es in wachstumsfreundlichen Regionen höhere Erträge einbringt – und Deutschland zählt unwidersprochen nicht länger dazu, ganz gleich, was Kamieth mit seinem Ludwigshafener Stammsitz plant.
Die großen Volkswirtschaften – allen voran die USA, China, Indien, aber auch Russland – setzen unbeirrt auf ihre eigene Grundstoffindustrie, ihre eigenen Ressourcen und auf Kooperationen, die ihnen geopolitisch und wirtschaftlich nutzen. China etwa kombiniert strategische Rohstoffpartnerschaften mit Atomkraft, Öl und Gas, während erneuerbare Energien nur dort ergänzt werden, wo sie marktwirtschaftlich rentabel zum Einsatz kommen können.
Vor diesem Hintergrund erscheint klar, wohin die Reise für BASF geht: Die Wachstumschancen liegen im außereuropäischen Ausland – dort, wo Energiepreise, Regulierung und Industriepolitik noch den Aufbau wettbewerbsfähiger Produktion zulassen. Genau diese Verschiebung im strategischen Schwerpunkt hätte Kamieth offen benennen müssen. Doch im Handelsblatt-Interview blieb er diese Klarheit schuldig.





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Auch in der Chemieindustrie werden Produktionsverfahren und -anlagen nicht auf ewig genutzt. Man steht in Deutschland, in EUropa und anderen Staaten in einem Wettbewerb. Allerweltschemikalien produzieren heute andere Unternehmen, mit denen man aufgrund geringerer Produktionskosten nicht im Wettbewerb bestehen kann. Durch Globalisierung ist es erst möglich und vernünftig, vor Ort [bspw. in China] kostengünstig zu produzieren, denn das spart u. a. Logistikkosten. Da tritt man von Deutschland aus nicht in einen nicht zu gewinnenden Unterbietungswettbewerb [wie G. Schröder mit seinem Niedriglohnsektor] sondern konzentriert sich im Inland auf höherwertige Produkte; so macht es auch die Chemieindustrie der Schweiz.
BASF kann sich dem Negativtrend in Deutschland entziehen.
Es macht an mehr als 90 Standorten weltweit Gewinn,
nur eben in Deutschland nicht.
Es konzentriert sich auf die erfolgreichen Standorte und Geschäfte außerhalb Deutschlands. In Deutschland wird ganz einfach nicht mehr investiert.
Konzentriere dich auf die Märkte der Zukunft, statt dich mit den strukturellen Nachteilen in Deutschland zu beschäftigen. Nur wer sich wandelt, bleibt sich treu. 160 Jahre ein deutsches Traditionsunternehmen. Jetzt wird es eben auch ohne den Produktionsstandort Deutschland gehen. Auf zu neuen Ufern.
Internationale Großkonzerne waren schon immer „Huren“, die dahingehen, wo die Kosten am niedrigsten waren.
Die mittelständischen Unternehmen hingegen waren da eher standorttreu, was auch damit zusammenhängt, dass diese Unternehmen personell Auslandsengagements nicht erfolgreich stemmen konnten. Und von denjenigen, die es trotzdem gewagt haben, sind viele auf die Schnauze gefallen und oftmals wieder zurückgekehrt. Ausserdem sind es die unzähligen mittelständischen Unternehmen, die in Deutschland wirklich die Jobs schaffen.
Aber die Mittelständler werden jetzt zerschlagen und das wird Deutschland richtig weh tun.
Die Einschätzungen des BASF-VSt-Vz zeugen übereinstimmend der hiesigen Kommentare der neuen US-Sicherheitsstrategien von einer bemerkenswerten Wirklichkeitsferne.
Es wird interessant sein, in welcher Weise die Ideologie den Kontakt zur Wirklichkeit wieder erhalten werden. Von den „Kollerteralschäden“ abgesehen.
Warum fragt das Handelsblatt nicht einmal Herrn Fuest vom ifo Institut zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland?
Der steht sichtbar gerade, würde er sich umdrehen sähe man den Stock.
na endlich einer, der die Lage richtig beurteilt, bravo. Nicht anders wie in der örtlichen Presse, auch dort jeden Tag mindestens eine Jubelmeldung über Firmengründungen und ähnliches, es geht voran, packen wirs an………….
Die Rüstung soll also der Wirtschaftsmotor sein. Hm, hatten wir das schon mal und wurde das nicht bisher in der ,,Aufarbeitung“ der Geschichte verteufelt?
Hat nicht BASF gejammert, dass sich die Region D/EU als einzige Region nicht rentiert? Ah, wahrscheinlich hatte Herr Brudermüller nicht alle Infos. Neue Augen, neues Glück.
Der Mann ist ein Opportunist wie er im Buche steht. Damit steht er stellvertretend für die gesamte deutsche Wirtschaft!