Gescheiterte SPD-Richterkandidatin Brosius-Gersdorf: Der Opferkult geht weiter

Eine Ex-ÖRR-Moderatorin interviewt eine Ex-Richterkandidatin. Dabei wird der Opfermythos der Frauke Brosius-Gersdorf weitergeschrieben. Parteipolitische Machtspiele, eine gezielte Kampagne gegen ihre Person und ganz wichtig: "Wissenschaftsfeindlichkeit". Die politische Kultur empfindet sie als besorgniserregend. Das stimmt, wie die Wahl Ann-Katrin Kaufholds zur Verfassungsrichterin zeigt.

Screenprint: Youtube / Anne Will

Was macht eigentlich Ex-NDR-Sonntagabend-„Moderatorin“ Anne Will? Man hatte es mit sehr begrenztem Bedauern zur Kenntnis genommen, als sie Ende 2023 nach mehr als 16 Jahren den Sessel in der nach ihr benannten Talkrunde der NDR-Quatschbude räumte und ideologisch nahtlos Platz für eine andere „Spitzenmoderatorin“, Caren Miosga, machte. Seither wurde Anne Will von niemandem wirklich vermisst. Außer vielleicht von Angela Merkel, deren gigantisches Selbstbeweihräucherungsbuch mit dem wahrlich perversen Titel „Freiheit“ Anne Will am 26. November 2024 im Deutschen Theater zwei geschlagene Stunden lang im Mono-Dia-Log mit der vormaligen Gottkanzlerin vorstellte.

Gegen das Vergessen freilich produziert Anne Will nun seit April 2024 einen Podcast mit dem Titel „Politik mit Anne Will“. Das Ganze jeden Donnerstag ab 12 Uhr. Ihre Gäste (früher schon auch mal „Gäst*innen“) sind die üblichen Verdächtigen, nämlich die, die Anne Will mit den anderen ÖRR-Talkrunden als zweibeinige Wanderpokale regelmäßig hin- und hergeschoben hat. Gähnfaktor garantiert!

An Eigenlob und Sendungsbewusstsein fehlt es Anne Will trotzdem nicht. Über ihren Podcast schreibt sie: „Jede Woche ein Thema, ein Interview und ein toller Gast zum Einordnen und Erklären. Hier könnt Ihr verstehen, worum es wirklich geht. Warum Politik tickt, wie sie tickt. Und ihr könnt auch eine Idee davon bekommen, wie es besser laufen könnte …“

Sehr üppig scheint die Nachfrage nach solcher Volkspädagogik freilich nicht zu sein. Die Aufrufe bewegen sich auf Youtube überwiegend zwischen dreistelligen und mittleren vierstelligen Zahlen. Also etwas für die „woke“ Elite, für Auserwählte, die Anne Will kumpelhaft impertinent duzt. Nun geht Anne Will demnächst auch auf Reisen und vor ein Publikum. „Kommt alle!“, sagt sie schon einmal. Demnächst nach Köln mit Kevin Kühnert. Hinter all dem steckt laut Impressum die seit 2007 bestehende „Will Media GmbH“ mit Anne Will als Geschäftsführerin. Früher lebte diese GmbH von den ÖRR-Zwangsgebühren. Das sollte sie heute wohl nicht mehr, auch wenn aus früherer Zeit noch ein paar Euro herumliegen könnten. Pro Jahr (!) rechnete die ARD bei Will mit Produktionskosten von 7,3 Millionen Euro.

Anne Will kann es also nicht lassen. Nun hat sie am 30. September die ob ihrer ideologischen Einfärbung umstrittene und gescheiterte SPD-Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf vor Mikrophon und Kamera geholt. 68 Minuten und 57 Sekunden lang. Muss man sich nicht antun. Der Ankündigungstext reicht. Er liest sich so: „Wird der Rechtsstaat zur Kampfzone? – In dieser besonderen Folge spricht Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf – Juristin, Professorin für Öffentliches Recht mit Anne Will über ihre geplatzte Wahl zur Verfassungsrichterin. Denn obwohl sie sich bereits in der Jurist:innenwelt einen exzellenten Ruf erarbeitet hat, scheiterte ihre Wahl zur Verfassungsrichterin überraschend. Im Interview spricht Frauke Brosius-Gersdorf ausführlich über die Hintergründe der geplatzten Wahl – über parteipolitische Machtspiele, fehlende Transparenz und den Umgang mit einer bewusst platzierten Kampagne gegen sie. Wie geht sie persönlich mit all dem um? Was sagt der Vorgang über den Zustand der politischen Kultur in Deutschland aus?“

Das müsste eigentlich reichen als Zusammenfassung und als Ersatz für die fast 70 Minuten plauschigen Opferkults. TE hat sich die zähen Minuten dieser Art posttraumatischer Therapiesitzung angetan und wurde nicht überrascht. Bereits der Einstieg ist zum Gähnen. Anne Will fragt Brosius-Gersdorf, welchen Titel sie einer Autobiographie geben würde. Brosius-Gersdorfs Antwort: „Was für ein Sommer!“ Anne Wills Antwort: „Ein sehr schöner Titel!“

Nachfolgend dreht sich alles im Kreis um folgende Narrative: Eine solche Politisierung des in der Bevölkerung hoch angesehenen Bundesverfassungsgerichts bzw. der Richterwahl dürfe sich nicht wiederholen. Aha! Wie wenn sich die Parteien nicht schon Jahre und Jahrzehnte zuvor das Bundesverfassungsgericht zur Beute gemacht hätten.

Die Ablehnung einer SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf sei Ausdruck von Wissenschaftsfeindlichkeit. Der Widerstand gegen die „exzellente“ Professorin Brosius-Gersdorf sei eine „ausgewachsene, beispiellose, kulturkämpferische … Kampagne“ „festgefahrener rechtspopulistischer Portale – ohne bürgerlichen Anstand“, sei voller „Zerrbilder“ und gegen jede Vernunft gewesen. Die Lage in den USA eines MAGA-Trump lasse grüßen. Der Rechtsstaat sei in Gefahr.

Der Verzicht auf die Kandidatur sei aus Sorge um die Koalition und aus Sorge um das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts erfolgt, natürlich spielt auch Frauendfeindlichkeit eine Rolle.

Die jetzt abgelaufene Wahl, inkusive der Wahl der eigentlich noch weitaus umstritteneren kulturmarxistisch angehauchten SPD-Kandidatin Ann-Katrin Kaufhold sei eine „gute Wahl“. TE hat bereits am 9.August anhand von sechs Punkten deutlich gemacht, warum Kaufhold eben keine „gute Wahl“ ist. Die Union hatte freilich derweil, um die Koalitionsharmonie nicht zu stören, das kritische Denken in die Sommerpause verabschiedet.

Nur en passant kommen in der Audienz zur Sprache: die Plagiatsvorwürfe; die Äußerungen der Kandidatin Brosius-Gersdorf zu einem AfD-Verbot („das ist falsch verstanden worden“), das Eintreten der Kandidatin für das Kopftuch im öffentlichen Dienst …

Schnell abgehakt wird auch der entscheidende Satz der Juristin, der am 7. Februar 2025 bei einer Öffentlichen Anhörung im Bundestag in einer Stellungnahme mündlich und schriftlich festgehalten hatte: „Es gibt gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt.“ Will und Brosius-Gersdorf dröseln diese „guten“ Gründe noch einmal auf, verzichten aber wohlweislich darauf, dass es dagegen gute Gründe gibt. Ansonsten sei über diesen Satz „falsch berichtet“ worden.

Kurz: hier haben zwei zueinander gefunden, die einander blind verstehen. Es ist dies nicht nur der Beginn einer einsetzenden, bereits von ZDF-„Moderatorin“ Dunja Hayali begonnenen Hagiographie. Sondern gewiss der Beginn „einer wunderbaren Freundschaft“.

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Kommentare ( 28 )

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Kassandra
2 Monate her

So scheint es vorgegeben – die Öffentlichkeit eben nicht aufzuklären über den wirklichen Grund, weshalb Frau BG nicht Verfassungsrichterin werden durfte. Nächster Artikel in diese Richtung – wobei ich dachte, dass sich Juli Zeh gründlicher informiert, bevor sie solches zum Besten gibt: „Meiner Wahrnehmung nach hatten die Medien insgesamt einen recht großen Anteil am Scheitern der Kandidatur. Warum die Stimmen der Vernunft so schlecht durchgedrungen sind, weiß ich nicht. Wir müssen wirklich zurückkehren zu einer Form der Auseinandersetzung, die medial auf neutrale Informationsvermittlung setzt und den Bürgern die Möglichkeit gibt, sich selbst ihre Meinungen zu bilden, statt schon geframte Haltungen… Mehr

Jens Frisch
2 Monate her

„In dieser besonderen Folge spricht Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf – Juristin, Professorin für Öffentliches Recht mit Anne Will über ihre geplatzte Wahl zur Verfassungsrichterin.“

Wann wird dieser Betrügerin endlich ihr Doktortitel aberkannt? – Die Professur sollte die doch losgeworden sein, oder!?

BKF
2 Monate her

Schon, wer ‚Prof. Dr.‘ schreibt, hat bei Akademikern mit eigener Promotion oder gar Habilitation schon verloren. Es wird immer nur der höchste Titel genannt, wer eine solche Titelage veranstaltet, hat den Sinn von akademischen Graden nicht verstanden und möchte damit nur Schaumschlagen. Ich finde es erstaunlich, daß diese Juristin offensichtlich noch ihren Lehrstuhl hat und damit Professor ist, kommt die Prüfung der Arbeit etwa nicht voran?

humerd
2 Monate her

Gejammere auf scheinbar intellektuellem Niveau. Da fehlts an persönlicher Reife.
Interessant : die Linken, SPD und Grüninnen behaupten immer, die AfD nähme eine Opferrolle ein. Das ist wohl die Projektion ihrer eigenen Haltung auf die AfD.

Nibelung
2 Monate her

Wer hat sich denn in der französischen Revolution besonders mit eingebracht, als es zum Marsch nach Versailles kam und das waren die sogenannten „Flintenweiber“ die nie ausgestorben sind und immer wenn es was neues anzurühren gibt sind sie erneut dabei und deshalb werden sie nie aussterben, die Wirkung allerdings sollte man nicht unterschätzen, weil sie Schützenhilfe für die Männer gleichen Glaubens sind. Was heute so harmlos daher kommt, kann sich später furchtbar auswirken und besser wäre es auf solche Typen zu verzichten, denn da ist nichts Gutes zu erwarten, wenn man sie aus ihrer Entwicklung her betrachtet und das könnte… Mehr

non sequitur
2 Monate her

Der letzte Satz im Artikel von Herrn Kraus fasst dieses scheinbare Interview treffend zusammen, das man leicht abgewandelt als „Beginn einer wunderbaren Hagiographie“ dieser beiden Linksaktivistinnen bezeichnen kann.

Peter Pascht
2 Monate her

„Kurz: hier haben zwei zueinander gefunden, die einander blind verstehen“ im Gescheitert sein und in Männerfindlichkeit – ja, die gibt es auch, liebe Frauen Brosius-Gersdorf: „Männer, einfach mal die Klappe halten!“ Quelle: SPIEGEL Wie wäre es mit „Frauen, einfach mal die Klappe halten!“ Klar, geht nicht – Frauenfeindlichkeit – das geht nur bei „Mann“ Anne Will und Miriam Meckel gingen im August 2016 eine eingetragene Lebenspartnerschaft ein. Daher weht der Wind. Frau sein schweißt zusammen gegen das Böse in der Welt namens „Mann“. GG Art 6  (1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Ehe und Familie… Mehr

Last edited 2 Monate her by Peter Pascht
Peter Pascht
2 Monate her

„Kurz: hier haben zwei zueinander gefunden, die einander blind verstehen“
im Gescheitert sein.
Solche Pärchen gibt es Partei übergreifend haufenweise, z.Bsp. Schwesig – Merkel.

Peter Pascht
2 Monate her

„Eine Ex-ÖRR-Moderatorin interviewt eine Ex-Richterkandidatin. Dabei wird der Opfermythos der Frauke Brosius-Gersdorf weitergeschrieben. Parteipolitische Machtspiele,“
Nö, es ist viel infacher. Frau interviewt Frau.
Spielchen schon seit tausenden von Jahren bekannt.
Aus dem Arsenal „Waffen einer Frau“ – Opferrolle ist nur eine davon.

Last edited 2 Monate her by Peter Pascht
taliscas
2 Monate her

Den Begriff „Frauenfeindlichkeit“ in Zusammenhang mit FBG verstehe ich nicht?!

Kassandra
2 Monate her
Antworten an  taliscas

Die einsame Insel derer, die sonst keine Kompetenz vorweisen können und das nicht bejammern wollen.
Schon bei Baerbock stach das nicht als Argument.